Mein Kollege Gerstenberg hat es gerade noch einmal treffend beschrieben. Wir stehen heute an einem anderen Punkt, als Sie im Jahr 2010 losgelaufen sind. Die Hoch
schulentwicklungsplanung aus dem Jahr 2010 des Freistaates Sachsen, die Sie beschlossen haben, basierte auf Prognosen, die inzwischen 40 % neben der Realität liegen. Ich weiß auch, dass einige Kollegen die Realitätsverweigerung zu ihrem Motto erhoben haben. Das bringt die Menschen da draußen im Land jedoch nicht weiter.
Wir stehen vor folgender Situation: Wir können davon ausgehen, dass die Studierendenzahl in diesem Land bis mindestens zum Jahr 2018 auf diesem Niveau bleibt. Nichtsdestotrotz wollen Sie bis dahin Stellenkürzungen an den Hochschulen vornehmen.
Deswegen sagen wir Folgendes: Wäre es nicht an der Zeit, einmal wahrzunehmen, dass an den sächsischen Hochschulen inzwischen jedes Jahr mehr Menschen einen Abschluss erreichen als im Bereich der Berufsbildung? Wäre es eben nicht jetzt auch an der Zeit wahrzunehmen, dass die Wachstumskerne in unserem Land in den urbanen Zentren maßgeblich mit den Hochschulen verbunden sind und wir mit den Kürzungen diese hoffnungsvollen Entwicklungen eher abschneiden? Wäre es eben nicht schlau zu sagen, dass die sächsischen Hochschulen das Potenzial haben, zwei maßgebliche Probleme, mit denen wir uns hier im Landtag in zwei Enquete-Kommissionen beschäftigt haben – der Demografie und dem Fachkräftemangel – etwas zu entgegnen sowie Wissenstransfer und Innovation vorzubereiten? Wäre es deshalb eben nicht an der Zeit, die unglaubliche Leistung der Hochschulen in den letzten Jahren wenigstens mit der Beendigung des Stellenabbaus zu honorieren? Wäre es nicht an der Zeit, die politischen Rahmenbedingungen zu überdenken, die Sie hier, wie wir finden, mit einem voreiligen Beschluss im Jahr 2010 gefällt haben?
Dass dies möglich ist, möchte ich Ihnen noch einmal sagen. Wir habe gerade davon gesprochen, was der Bund kann. Ja, auch die SPD spricht sich dafür aus, dass das Kooperationsverbot fällt und der Bund mehr Mittel in Bildung in den Ländern investieren kann. Selbst jetzt – selbst unter der Bedingung des Hochschulpaktes – wäre dies möglich.
Der Freistaat Sachsen erhält vom Bund allein im nächsten Jahr 94,3 Millionen Euro aus dem Hochschulpakt. Selbst wenn man 50 000 Euro Jahresgehalt – inzwischen ein vergleichbar hohes Honorar an den sächsischen Hochschulen – annimmt, die der Finanzminister pro gekürzter Stelle einspart, wären das 1 886 Stellen, die allein mit dem Geld des Bundes in diesem Jahr finanziert werden könnten. Wir reden noch nicht von dem Anteil, den der Freistaat Sachsen dazulegen muss.
Kurzum, ich muss sagen: Diese Staatsregierung agiert nicht nur vertragswidrig, sondern sie bescheißt die Hochschulen und die Mitarbeiter der Hochschulen um den Lohn für ihre Arbeit. Das, meine Damen und Herren, muss aufhören! Kein Wegzoll! Keine klebrigen Hände und eine perspektivische Hochschulpolitik! Das ist das Mindeste, was wir hier verlangen können!
Ich denke, es gilt, auch einmal eine andere Grundsatzfrage zu stellen, nämlich: Was bewirken wir denn, wenn wir diese Potenziale an den Hochschulen abbauen? – In dieser Woche, vor zwei Tagen erschien eine Studie des Instituts zur Arbeitsmarktforschung des Bundes. Die hat noch einmal deutlich hervorgehoben, dass jeder mit einem akademischen Abschluss in diesem Land eine deutlich bessere Arbeitsmarktchance hat. Nur 2,5 % der Akademiker in Deutschland sind arbeitslos. Unter denen, die einen Ausbildungsabschluss oder den Fachschulabschluss
haben, ist die Zahl doppelt so hoch, und unter den Ungelernten in Sachsen sogar achtfach so hoch! Das heißt doch, mit jeder Stelle, die wir an den Hochschulen abbauen, kürzen wir an Zukunft, nehmen wir durchschnittlich 15 Studierenden das Potenzial und die Chancen auf diese Zukunft auch am Arbeitsmarkt, um von dem, was sie erarbeiten, auch zu leben. Das, meine Damen und Herren, kann doch nun wirklich nicht in unserem Interesse sein!
Deshalb, meine Damen und Herren, sollten wir hier noch einmal diskutieren, was da beschlossen wurde. Die sächsischen Hochschulen haben in den letzten Jahren bis an den Rand der Leistungsfähigkeit Studierende zum Studienerfolg geführt, und sie haben zunehmende Erfolge im Forschungsbereich. Aber was tut diese Koalition hier? Sie bedient sich auf Kosten dieser Hochschulen von deren Erfolgen in der Einwerbung von Drittmitteln des Bundes und der EU.
Ich glaube, es wäre anständig zu sagen: Wir honorieren jetzt, was ihr leistet, und wir beenden diesen Stellenabbau. Das ist aus unserer Sicht das einzig Richtige.
Nachdem Kollege Mann für die einbringende SPD gesprochen hat, ergreift jetzt Herr Kollege Mackenroth das Wort für die CDU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Prof. Schneider hat dargelegt, dass und warum von einem Kürzungsdiktat an den sächsischen Hochschulen keine Rede sein kann. Ich will seine Ausführungen zum Thema Stellenabbau nur dahin gehend ergänzen, dass wir verabredet haben, dass im Jahre 2015 die Situation im Hinblick auf die personelle Ausstattung evaluiert wird. Daran halten wir uns. Neue Entwicklungen erfordern neue Reaktionen. Wir werden dann schauen, was passiert ist, wie sich die Anfängerzahlen entwickelt haben und werden – wir haben bewiesen, dass wir das können – den bisher beschlossenen Stellenabbau erneut auf den Prüfstand stellen.
Ich möchte etwas zum Thema Fächersterben sagen und vielleicht einige Bemerkungen zur Autonomie machen. Wir haben – Kollege Tippelt hat darauf hingewiesen – 1 500 Studiengänge im Freistaat Sachsen. Würden wir hier ein staatliches System einführen, Ruhe einkehren lassen, so wäre das eine Friedhofsruhe. Das System Hochschule lebt vom Geist. Geist ist dynamisch und nicht statisch, sondern atmet.
In der Vergangenheit haben wir zahlreiche neue Studiengänge aufgelegt. Richtig ist, dass die Hochschulen auf neue Entwicklungen, auf Nachfragen, auf Anforderungen des Marktes reagieren, sich profilieren und so dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Wer soll es denn machen? Sollen wir es machen hier im Parlament? Soll es das Ministerium machen?
Die Hochschulen wissen das doch viel besser. Sie beobachten ihre Mitbewerber und können so entsprechend reagieren. Nein, das sollen die Hochschulen machen. Ich habe sowieso, Herr Kollege Mann, den Eindruck, dass Ihnen die ganze Sache mit der Hochschulautonomie ein bisschen suspekt ist. Sie hätten vieles lieber unter dem schützenden Dach der Ministerialverwaltung. Jedenfalls plädieren Sie für eine Art Schönwetterautonomie, in der Sie sagen: Wenn es nicht klappt, muss es die Staatsregierung auf den Fuß bekommen, und wenn es klappt, dürfen es die Hochschulen selbst machen.
Wir glauben, die Hochschulen können das Ganze am besten, und wir lassen sie dabei nicht allein, sondern wir finanzieren sie angemessen aus. Das Märchen von der angeblichen Unterfinanzierung der sächsischen Hochschulen gehört vom Tisch.
Diese Statistik, die Sie genannt haben, Kollege Gerstenberg, kenne ich auch. Sie wird auch von einem Leipziger Prorektor wie eine Monstranz vor sich hergetragen, dass unsere Ausgaben pro Student im unteren Drittel liegen.
Ich möchte jetzt keine Zwischenfrage zulassen. – Aber damit werden Äpfel mit Birnen verglichen. Sie wissen genauso, dass diese Statistik zu hinterfragen ist, inwieweit Baumittel, Investitionen oder Ähnliches enthalten sind. Das ist so kaum brauchbar. Die staatlichen Zuschüsse an unsere Hochschulen sind so hoch wie nie. Das hat Prof. Schneider mit Zahlen belegt.
Im Übrigen, meine Damen und Herren, ist Geld in diesem Bereich auch nicht alles. Schauen Sie sich unsere Strukturen, die Betreuungsrelationen, die Ausstattung, die Investitionen an.
(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Eben! Eben! Schauen Sie sich mal die Gebäude an! – Dr. Karl- Heinz Gerstenberg, GRÜNE, steht am Mikrofon.)
Der beste Gradmesser ist die Akzeptanz unserer Hochschulen. Da gibt es eine Zuwanderung, eine Abstimmung mit den Füßen. Unsere sächsischen Hochschulen sind derzeit so attraktiv wie nie für ausländische Studierende, für Studenten aus anderen Bundesländern. Wir haben zahlreiche Bewerbungen zum Wintersemester. Auch die Ausstattung mit Spitzenkräften ist wunderbar organisiert.
Mackenroth, ich komme noch einmal auf die Pro-KopfAusgaben je Studierenden zurück. Können Sie nicht einmal akzeptieren, dass das Ergebnis immer eindeutig ist, dass wir bei der laufenden Grundfinanzierung je Studierenden auf einem sehr schlechten Platz liegen, um das ganz vorsichtig zu formulieren, je nachdem, welche Zahlen man nimmt, die vom Statistischen Bundesamt oder die vom Landesamt unseres Freistaates Sachsen, die jeweils einheitlich sind?
Wäre es nicht richtig, statt das schönzureden und zu sagen, das ist nicht vergleichbar, die Schlussfolgerung zu ziehen, dass wir in diesem Sächsischen Landtag diese Situation Schritt für Schritt verbessern müssen?
Herr Kollege Gerstenberg, ich habe diese Frage auch gestellt. Ich habe sie dem Finanzministerium gestellt. Ich habe die Antwort bekommen, die ich Ihnen eben gegeben habe. Die Zahlen seien nicht vergleichbar. Ich gehe davon aus, dass das nicht böswillig geschieht, sondern dass wir uns damit ernsthaft auseinandersetzen müssen.
Ich würde Ihre Anregung gern aufgreifen und vielleicht auch meine Fraktion bitten, dass wir uns diese Zahlen im zuständigen Ausschuss – das ist nichts für eine Aktuelle Debatte – noch einmal genau anschauen. Auch das, was ich eben gesagt habe, die anderen Rahmenbedingungen, Ausstattung, Fächerangebot, Betreuungsrelation und Ähnliches sollten wir dann einmal auf den Prüfstand stellen. Vielleicht machen wir das rechtzeitig vor der nächsten Legislaturperiode.
Meine Damen und Herren! Unsere sächsischen Hochschulen sind attraktiv wie nie, ordentlich ausfinanziert, nicht nur in der Exzellenzuniversität. Dass für unsere Hochschulen die Bäume nicht in den Himmel wachsen dürfen, dass alle sagen, wir wollen ein bisschen mehr Geld haben, kann ich nachvollziehen. Aber es sind Steuergelder, und wir sind verpflichtet, mit diesen Steuergeldern ordentlich umzugehen.
Vergleichen Sie die Situation der sächsischen Hochschulen mit dem Umfeld. Die Universität Jena muss allein 150 Stellen abbauen. In Sachsen-Anhalt – Sie haben es gesagt – ist von ganzen Standortschließungen die Rede. Frau Bauer in Baden-Württemberg denkt aus finanziellen Gründen laut über die Einführung von Studiengebühren nach. Das haben wir im Freistaat – jedenfalls aus diesen Gründen – noch nicht nötig. Die sogenannte Zuschussvereinbarung ist – wie ich aus den Hochschulen höre – auf
Keine Frage, unsere Hochschulen stehen vor empfindlichen Herausforderungen. Sie müssen sich umstellen, sie müssen sich für den globalen Wettbewerb auch im Bildungssystem rüsten. Aber die Herausforderungen, meine Damen und Herren, sind ganz andere, als das Thema dieser Aktuellen Debatte uns weismachen will. Damit werden wir uns in Zukunft beschäftigen.
Das war Kollege Mackenroth für die CDU-Fraktion. Herr Kollege Mann nutzt die Gelegenheit für eine Kurzintervention. Bitte, Herr Kollege Mann.
Danke, Herr Präsident! Zunächst, Herr Mackenroth: Ich hätte mich gefreut, wenn Sie einmal auf ein paar Fragen geantwortet hätten, zum Beispiel auf die Frage, was mit den 94 Millionen Euro ist, die wir im kommenden Jahr vom Bund bekommen, eben diesen umgerechnet fast 1 900 Stellen. Wo sind die denn an den sächsischen Hochschulen? – Dazugekommen sind sie nicht. Im Gegenteil, es wird gekürzt.
Wenn Sie darauf verweisen, dass wir in aller Ruhe 2015 vielleicht einmal evaluieren, was dann passiert, sage ich Ihnen, das brauchen wir nicht, weil wir jetzt schon die Zahlen von der KMK haben, weil das Staatministerium diese Zahlen hat, weil inzwischen offensichtlich sogar Herr Unland anerkannt hat, dass die Studierendenzahlen weiter steigen werden, es sei denn, wir kürzen die Hochschulen und die Kapazitäten zusammen. Das können Sie in Tabellen ablesen. Sie werden vor 2018 keinen Rückgang der Studiennachfrage in Deutschland erleben. Da brauchen wir nicht weitere drei Jahre und eine weitere Landtagswahl durch das Land gehen zu lassen, wie Sie es im Übrigen auch schon einmal bei der WeilerKommission getan haben, als Sie dieses Land noch allein regierten. Man müsste einfach einmal die Realität wahrnehmen. Ich glaube, da haben Sie durchaus noch Aufholbedarf.
Zur Hochschulautonomie will ich nur sagen: Wir haben uns beim Hochschulgesetz durchaus damit auseinandergesetzt, wo mehr Freiheiten für die Hochschulen möglich gewesen wären. Sie haben unseren 33 Änderungsanträgen nicht zugestimmt. Ich glaube, es kommentiert sich selbst. Das ist ein billiger Vorwurf, den ich zurückweise.
Zu guter Letzt: Die durchschnittliche Grundfinanzierung in Sachsen ist an vorletzter Stelle in Deutschland. Das sind Zahlen, die von verschiedenen Instituten, unter anderem der von mir ungern bemühten Initiative „Neue soziale Marktwirtschaft“, erhoben wurden. Das können Sie weiter bestreiten, aber man sieht in den Instituten an den Beschäftigungsverhältnissen – teilweise haben wir dort Dreimonatsverträge –, was die Realität in Sachsen ist. Wir haben in Sachsen teure Fächerkombinationen mit
naturwissenschaftlichen Anteil. Das macht klar, dass dieser geringe Durchschnitt nur mit prekären Beschäftigungsverhältnissen und immer mehr Kürzungen erreicht wird.
Zum Schluss: Sie vergessen – und darüber haben Sie auch nichts gesagt –, dass noch Herausforderungen vor der Tür stehen. Wir haben nichts zum Teilzeitstudium gehört, nichts zu mangelnden Masterplätzen.