Protocol of the Session on October 16, 2013

Deshalb schlagen wir vor, die Anzahl der Wahlkreise, in denen direkt gewählt wird, auf künftig 48 zu reduzieren. Die Gesamtzahl der Abgeordneten wollen wir aber – anders als im ähnlichen Vorschlag der Wahlkreiskommission – unverändert lassen. 40 % der Abgeordneten würden dann direkt gewählt, 60 % über Listen. Dann käme es in Sachsen nur noch dann zu Überhangmandaten, wenn eine Partei nahezu alle Direktmandate erringt, dabei aber sehr deutlich von der absoluten Mehrheit entfernt ist. Das halten wir in naher Zeit nicht für wahrscheinlich.

Momentan sind in unserem Parlament die direkt gewählten Abgeordneten zu denen, die über die Listen gewählt werden, nicht 50 zu 50 %, wie viele glauben, sondern 45 % – übrigens infolge der Überhang- und Ausgleichsmandate. 55 der Kolleginnen und Kollegen hier im Haus sind über Listen gewählt worden. Es ist nicht richtig, dass eine hälftige Verteilung zwingend vorgeschrieben wäre. Sie ist auch vor unserer Verfassung und dem Wahlgesetz irrrelevant; denn das Wahlgesetz kennt nicht zwei Arten von Abgeordneten, sondern nur eine, nämlich die Landtagsabgeordneten, die alle auf das Wohl des ganzen Landes verpflichtet sind und nicht auf das Wohl eines Wahlkreises oder einer Liste.

Wir wollen noch einen zweiten Punkt dringend ändern, nämlich die gegenwärtige Verzerrung bei der Vergabe der Ausgleichsmandate. Zum Erreichen des proportionalen Ausgleichs hätte bei der letzten Landtagswahl der SPD ein zusätzliches Mandat zugeteilt werden müssen. Das

verhinderte bisher die Deckelung der Anzahl der Ausgleichsmandate, die wir mit diesem Gesetzesentwurf ebenfalls abschaffen wollen, und wir wollen natürlich endlich das völlig antiquierte Sitzzuteilungsverfahren nach d’Hondt ablösen und durch das wesentlich gerechtere Divisorverfahren mit Standardrundung ersetzen. Das ist auf Bundesebene bereits Usus. Nur noch drei Bundesländer arbeiten mit d’Hondt. Sie wissen, d’Hondt bevorzugt große Parteien. Das ist unter anderem auch ein Grund dafür, dass unsere Ausschüsse so groß sind, damit alle Fraktionen vertreten sein können.

In der Anhörung im Innenausschuss am 5. September haben die Sachverständigen anhand einiger konkreter Rechenmodelle sehr deutlich gemacht, dass unser Gesetzentwurf eine adäquate und sehr einfache Lösung für die Behebung des Problems der Überhangmandate gibt. Wir verändern nämlich die Struktur des Wahlrechtes – angelehnt an das Bundestagswahlrecht – nicht.

Es gäbe auch andere Möglichkeiten. Es gäbe zum Beispiel die Möglichkeit, Mehrpersonenwahlen in Wahlkreisen vorzunehmen. Nur, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus der CDU, wenn Sie das überlegen, um dem ländlichen Raum aus Ihrer Sicht eine bessere Vertretung zu geben, hätten Sie mit uns in eine Verfassungsverhandlung treten müssen. Sie haben das immer abgelehnt. Sie haben das Problem auf die lange Bank geschoben.

Die Sachverständigen in der Anhörung haben Sie deutlich darauf hingewiesen, dass das strukturelle Problem der Überhangmandate angefasst werden muss. Es ist keine Kleinigkeit des Wahlrechtes, sondern es kann zu einem ernsthaften verfassungsrechtlichen Problem werden, wenn es sich immer wiederholt. Der Gesetzgeber muss schauen, dass er Maßnahmen ergreift, um dieses regelmäßige Überschreiten zu verhindern.

Wenn wir es jetzt nicht tun, werden es unter Umständen später die Verfassungsgerichte tun müssen und uns dazu zwingen. Sie wissen, auf Bundesebene hat das Verfassungsgericht den Bundestag immer treiben müssen, ein ordentliches Wahlrecht der Situation angepasst zu beschließen. Das möchte ich nicht erleben und deshalb heute unser pragmatischer Handlungsvorschlag.

Nun noch einige Worte zur Umsetzung des Gesetzesentwurfes: Ursprünglich hatten wir ihn so eingebracht, dass vor der Struktur der Wahlkreise auch die Anzahl der Wahlkreise hätte im Parlament beraten werden können, und zwar für die nächste Landtagswahl im kommenden Jahr – eingereicht am 22. Januar. Mehrheitlich und gegen unseren Willen haben die Fraktionen von CDU, FDP und LINKE beschlossen, die Anhörung nach hinten zu schieben, sodass es jetzt ausgeschlossen ist, zur kommenden Landtagswahl die Anzahl der Wahlkreise zu verringern. Schade! Aber wir schlagen Ihnen vor, das zur übernächsten Landtagswahl zu tun.

Auch dann wäre es noch pragmatisch und richtig. Die Sitzzuteilung nach d’Hondt können und wollen wir allerdings schon für die nächste Wahl ändern. Das wäre ein Schritt für mehr Demokratie, für das Entsprechen

einer modernen Gesellschaft mit vielfältigen Parteien und, ich glaube, auch im Interesse der meisten Fraktionen hier im Hause.

Unser Gesetzentwurf löst eines der existierenden und gleichfalls gravierendsten Probleme des Wahlrechts zum Sächsischen Landtag einfach, bürgerverständlich und ohne große Systembrüche. Wir haben viel Zustimmung in der Öffentlichkeit bekommen, auch die Zustimmung der Sachverständigen in der Anhörung, und bitten Sie deshalb um Zustimmung zu unserem Vorschlag.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Jähnigen. – Meine Damen und Herren, in der ersten Runde der Aussprache zu dem Gesetzentwurf können jetzt die Fraktionen in folgender Reihenfolge Stellung nehmen: CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht. Für die CDU spricht Herr Abg. Modschiedler. Bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten und lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN will das Sitzzuteilungsverfahren bei Landtagswahlen ändern, um die aus ihrer Sicht bestehende Gefahr von Überhang- und Ausgleichsmandaten weitgehend zu verhindern. Nach den Vorstellungen der einreichenden Fraktion soll zum einen die Anzahl der Wahlkreise von derzeit 60 auf 48 reduziert werden, wobei die Gesamtzahl von 120 Abgeordneten unverändert bleibe. Hierdurch würde sich auch das Verhältnis zwischen direkt gewählten zu jenen Abgeordneten, die über die Landeslisten gewählt werden, von 50 zu 50 % auf 40 zu 60 % ändern.

Wir lehnen diesen Gesetzentwurf aus mehreren Gründen ab. Für uns haben Direktmandate einen besonderen Stellenwert. Sie bilden ein direktes Votum der Bürger. Das ist doch gerade einer der Gründe, die dazu geführt haben, dass 60 Mandate, also genau die Hälfte der gemäß Artikel 41 der Sächsischen Verfassung in der Regel zu vergebenden 120 Mandate, direkt gewählt werden. Gerade durch das direkte Votum der Bürger besteht eine größere Akzeptanz der gewählten Mandatsträger in der Bevölkerung. Auf die Auswahl der Kandidaten, die von den Landeslisten in den Landtag einziehen, hat der Wähler in der Regel gar keinen Einfluss. Es obliegt allein den Parteien, die entsprechenden Listen aufzustellen. Beim Direktkandidaten hat jeder Wähler Einfluss auf den Kandidaten, den er in den Landtag als seinen Vertreter entsenden möchte – eben mit der Erststimme.

Die starke Distanz zwischen Wählern und Abgeordneten, die es bei einem reinen Verhältniswahlrecht geben würde, wird so vermieden. Hierdurch besteht auf der einen Seite eine besondere Verbindung zwischen dem Wähler und dem direkt gewählten Abgeordneten. Auf der anderen Seite ergibt sich hieraus auch eine Verpflichtung für den gewählten Abgeordneten, sich intensiv für seinen Wahlkreis einzusetzen, da er hier von der Mehrheit der Wähler

als direkter Repräsentant gewählt wurde und vielleicht auch wieder gewählt werden will.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Aus diesen Gründen lehnen wir die angestrebte Reduzierung bereits aus demokratiepolitischen Gründen ab.

(Beifall bei der CDU)

Herr Modschiedler, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Ja, Frau Jähnigen.

Sehr geehrter Herr Kollege, Sie haben gerade gesagt, dass der direkte Wahlkreisabgeordnete verpflichtet ist, sich unmittelbar besonders für seinen Wahlkreis einzusetzen, offenbar anders als für das ganze Land. Aus welcher Regelung der Verfassung oder des einfachen Rechts leiten Sie denn diese Verpflichtung ab?

(Christian Piwarz, CDU: Aus der direkten Verpflichtung der Bürger!)

Darf ich mir den Zwischenruf zu eigen machen? Vielen Dank, Herr Piwarz. Das ist die direkte Verpflichtung, an den Bürger heranzutreten. Wir haben ein direktes Mandat. Die Verpflichtung des direkten Wahlkreises ist es, dass der Wahlkreisabgeordnete vor Ort direkt präsent zu sein hat. Ob das der einzelne jeweilige Abgeordnete dann auch tut, das ist seine Sache. Ich zum Beispiel tue das mit einem großen Büro. Sie tun das zum Beispiel auch. Und die andere Hälfte ist die, wo ich fachspezifische Personen in den Landtag hineinbringen kann, die für meine Fraktion dann tätig sind. Nichts anderes soll das sein. Davon leite ich auch her, dass der direkte Wahlkreisabgeordnete direkt dem Bürger zur Verfügung zu stehen hat.

Frau Jähnigen, die Frage ist beantwortet?

(Eva Jähnigen, GRÜNE, und Sabine Friedel, SPD, stehen an den Saalmikrofonen.)

Kann ich nicht fortfahren? Ich bin erst auf Seite 2 meiner Ausführungen angekommen.

Wollen Sie eine weitere Zwischenfrage gestatten?

Frau Jähnigen, bitte.

Sie meinen, dass Sie aufgrund der Direktwahl mehr auf die Interessen Ihres Wahlkreises verpflichtet sind als auf das ganze Land?

(Christian Piwarz, CDU: Nein, das hat er gerade nicht gesagt. Das ist doch unmöglich!)

Wissen Sie, ich habe jetzt nicht von 40 zu 60 geredet, sondern von 50 zu 50. Genau das ist auch 50 zu 50, direkt für den Wahlkreis und direkt für das Land.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Modschiedler, Sie gestatten eine weitere Zwischenfrage?

Machen wir weiter.

Frau Abg. Friedel, bitte.

Vielen Dank, Herr Kollege.

Herr Modschiedler, Sie haben gerade ausgeführt, dass die Direktkandidatinnen und -kandidaten diejenigen sind, die dem Bürger und dem Wahlkreis verpflichtet sind, während diejenigen von uns, die über die Liste gewählt worden sind, die fachspezifisch aufgestellten sind.

Kann, habe ich gesagt!

Nun ist es ja so, dass die CDU alle Direktmandate in Sachsen gewonnen hat

(Proteste von den LINKEN)

Entschuldigung, fast alle, Leute, hängt euch daran nicht auf – und keiner über die Liste eingezogen ist. Was sagt das über die Fachkompetenz der CDU-Politiker aus?

Ich stelle dann immer die Gegenfrage: Was wäre denn mit Ihrem System anders? Gar nichts. Wenn die Direktmandate an alle gehen, gibt es immer noch über die 50-zu-50-Regelung die Möglichkeit, eine Landesliste zu haben, über die ich die Leute hineinbekomme, die ich im Parlament haben will. Ich habe am Anfang übrigens gesagt, dass das allein die Aufgabe der Partei ist, in die keiner hineinzureden hat. Auf der anderen Seite kann ich die Leute über das Direktmandat hineinbringen. Das kann aber dazu führen, dass ich als Direktkandidat meinen Fachmann hinzuziehen kann.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das ist doch nicht wahr!)

Natürlich ist das wahr.

Darf ich fortfahren?

Herr Modschiedler, es gibt noch einen Wunsch nach einer Zwischenfrage. Wollen Sie diese zulassen?

Eigentlich wollte ich mich hier nicht häuslich einrichten, aber das scheint heute so zu sein. Bitte, Herr Piwarz.