Protocol of the Session on October 16, 2013

Herr Ulbig, ich habe vor Kurzem erst ein Gespräch mit ausländischen Wissenschaftlern an einem unserer MaxPlanck-Institute hier in Dresden geführt. Sie wissen, dass wir hier gerade durch den Exzellenzstatus der Universität mittlerweile schon fast seit 20 Jahren ausländische Wissenschaftler haben, die seit dieser Zeit hier leben, Familie gegründet haben, die aber ihre Staatsbürgerschaft, zum Beispiel in Amerika, Australien oder Finnland, nicht ablegen möchten, weil sie hier keine doppelte Staatsbürgerschaft bekommen. Diese Bürger – das sind zweifelsohne, so will ich es einmal sagen, sehr wertvolle Bürger – möchten sich gern aktiv in das politische Geschehen ihrer Stadt einbringen, weil sie sich mittlerweile hier heimisch fühlen. Aber sie möchten nicht auf ihre Staatsbürgerschaft verzichten, weil sie nicht wissen, was die Zukunft bringt, weil wir gerade im Wissenschaftsbereich – das wissen Sie – mit Projekten arbeiten, bei denen wir vielleicht in zehn Jahren sagen, dass es dieses Projekt nicht mehr gibt, worauf diese Wissenschaftler in ihr Land zurück müssten.

Deswegen, lieber Herr Ulbig, bitte ich Sie dringend, auch vor diesem Hintergrund zu erwägen, ob es nicht an der Zeit ist, unsere Rechtsauffassung zu der Frage Wahlrecht auch für ausländische Bürgerinnen und Bürger gerade auch für das Kommunalwahlrecht zu überdenken. Wir haben eine andere Zeit, und wir sind auf diese Menschen, diese ausländischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dringend angewiesen, weil sie viel für unser Land tun.

(Beifall der Abg. Dr. Jana Pinka, DIE LINKE)

Herr Ulbig, möchten Sie auf die Kurzintervention antworten? – Das kann ich nicht erkennen. Herr Lichdi, Sie möchten auch eine Kurzintervention machen. Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Ulbig, immer wenn Sie reden, hat man den Eindruck, dass Sie nicht so richtig wissen, wovon Sie reden.

(Proteste bei der CDU)

Ich wollte mich eigentlich nicht äußern. Aber ich gestehe, dass es mich nicht auf dem Platz gehalten hat. Sie haben ein Verfassungsverständnis offenbart, das ich wirklich schlimm finde.

(Zuruf von der CDU: Das steht Ihnen frei!)

Sie haben gesagt: Die Verfassung konstituiert Pflichten. Wenn ich diese Pflichten erfülle, dann soll ich auch die Rechte erhalten. Das war Ihre Rede. Dazu sage ich Ihnen: Da bin nicht nur ich anderer Auffassung; da ist auch das Bundesverfassungsgericht anderer Auffassung.

Ich bin wirklich erschrocken, Herr Ulbig. Das Grundgesetz gewährt nicht die Grundrechte. Das Grundgesetz anerkennt die außerhalb der Verfassung bereits konstituierten Grund- und Menschenrechte. Das Grundgesetz anerkennt diese lediglich. Wenn man anfängt, die Grund

rechte an die Erfüllung von Verfassungspflichten zu knüpfen, wie Sie es getan haben, dann legt man die Axt an die grundrechtliche Freiheit. Und das ist ein Problem.

(Beifall bei den LINKEN – Proteste bei der CDU)

Ich möchte an das anknüpfen, was Kollegin Stange gesagt hat. Ich halte es tatsächlich für einen demokratischen Skandal, dass Menschen, die sich hier legal aufhalten, die ein legales Aufenthaltsrecht haben, auf Dauer das demokratische Mitwirkungsrecht –

Herr Lichdi, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

– mit der von Ihnen vorgetragenen Rabulistik, mit diesem falschen Verfassungsverständnis vorenthalten bleibt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Herr Ulbig, möchten Sie auf die Kurzintervention antworten? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zum Schlusswort. Frau Friedel.

Vielen Dank, Herr Präsident!

(Interne Wortwechsel zwischen dem Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE, und Abgeordneten der CDU)

Ich will mich zunächst bei den Kollegen Bartl und Jennerjahn bedanken, die sich die Mühe gemacht haben, das Thema tatsächlich auch inhaltlich zu diskutieren. Das habe ich bei den Kollegen von CDU und FDP leider vermisst.

Das, was ich von Ihnen, vor allem von Herrn Karabinski, gehört habe, war die Beschreibung, auf welchen Wegen man vielleicht noch dazu kommen könnte, eine solche Initiative zu starten – Hauptsache nicht aus Sachsen. Herr Modschiedler hat die derzeitige rechtliche Lage analysiert und gesagt, dass das aus diesen oder jenen Gründen schwierig sei.

Meine Herren, wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.

(Benjamin Karabinski, FDP: Ich habe Ihnen Wege gezeigt!)

Aus Ihren Beiträgen habe ich mitgenommen, dass der Wille nicht da ist. Sie wollen nicht, dass Menschen, die aus Nicht-EU-Staaten kommen, hier ein kommunales Wahlrecht erhalten.

Wir haben vom Staatsminister gehört, warum Sie das nicht wollen. Hier muss ich an Kollegen Lichdi anschließen. Herr Ulbig hat gesagt: „Wer sich zu den Pflichten bekennt, der darf auch Rechte genießen.“ So ein Satz ist ein Unding von jemandem, der die Verantwortung trägt, Politik zu machen. Rechte sind Rechte. Rechte sind keine Belohnungen, keine Bonbons, die man bekommt, wenn man sich gut verhält.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – Unruhe bei der CDU)

Leute, die hier leben, zahlen hier Steuern, auch wenn sie keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Die stellen sich auch nicht hin und sagen: Wenn mir der Staat alle Rechte gibt, dann komme ich auch meiner Steuerpflicht nach. Das wäre der Königsweg und die Krönung meines Daseins. Wenn ich das Wahlrecht habe, bezahle ich auch meine Steuern.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

So funktioniert es nicht.

Rechte sind Rechte, weil Menschen sie haben, unveräußerlich und vorstaatlich. Das Verständnis von der Gewährung von Rechten als Belohnung für Wohlverhalten, das hier zum Ausdruck gekommen ist, finde ich wirklich sehr erschreckend.

Man kann der Meinung sein, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft restriktiv zu handhaben ist. Der Mei

nung sind Sie, und so praktiziert das Sachsen. Man kann der Meinung sein, dass nicht jeder in der Politik mitreden muss. Dem Verständnis hängen Sie nach, so praktiziert das Sachsen. Aber bitte halten Sie sich an basale grundrechtliche Voraussetzungen, auf denen unser Gemeinwesen beruht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 5/12358 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Bei keinen Stimmenthaltungen und zahlreichen Dafür-Stimmen ist mehrheitlich die Drucksache 5/12358 nicht beschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Keine neuen Tagebaue – Raus aus der Braunkohle

Drucksache 5/11855, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Genehmigung für Braunkohlepläne versagen –

Aktualisierung des Energie- und Klimaprogramms

Drucksache 5/11753, Antrag der Fraktion DIE LINKE,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Reihenfolge in der ersten Runde: GRÜNE, DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, NPD; Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der ersten Einreicherin das Wort. Herr Lichdi für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute Morgen schon einmal über das Thema Braunkohle gesprochen, und zwar im Speziellen über den geplanten Aufschluss von Nochten II. Warum sprechen wir heute noch einmal dazu?

Es geht eben nicht nur um einen weiteren Tagebau, nein, uns geht es um die Braunkohleverstromung insgesamt. Das hat drei Gründe. Der erste und nach unserer Auffassung wichtigste ist der Schutz der Freiheit.

Jawohl, meine Damen und Herren, ich spreche von Freiheit, diesem wichtigsten Grundrecht, Herr Ulbig. Diese zu schützen ist die vornehmste Aufgabe des demokratischen Verfassungsstaates. Die Aufgabe des demokratischen Verfassungsstaates ist es, sowohl die Freiheitsrechte als auch die darin enthaltenen elementaren Freiheitsvoraussetzungen zu garantieren; denn ohne diese

Voraussetzungen kann es keine Freiheit geben. Die Garantie wäre somit wertlos.

Aber welches sind diese Voraussetzungen: ein Recht auf Leben, ein Recht auf Gesundheit und ein Recht auf Existenzminimum. Das Recht auf ein ökonomischsoziales Existenzminimum beinhaltet auch das Recht auf Nahrung und sauberes Wasser, und ein wesentlicher Aspekt dieses Schutzbereiches der Voraussetzungen ist die Sicherheit. Wenn diese Rechte bedroht sind, dann muss der demokratische Verfassungsstaat handeln. Ich hoffe, dass Sie darin mit mir übereinstimmen.

Was hat das alles mit der Braunkohle zu tun? Nun, ganz konkret: Der Klimawandel bedroht die Welternährung, die Wasserversorgung und den Weltfrieden und, wie vielleicht der eine oder andere schon bemerkt hat, auch die Sicherheit vor Naturkatastrophen, gerade auch in Sachsen. Wenn der Klimawandel also die elementaren Voraussetzungen der Freiheit bedroht, dann ist der Klimaschutz ein Mittel zum Schutz des Menschenrechtes auf Freiheit. Das international vereinbarte Klimaschutzziel, die Erwärmung der Erdatmosphäre bis 2100 auf 2 Grad zu begrenzen, dient diesem Schutz elementarer Menschenrechte.