Protocol of the Session on July 11, 2013

Wir kommen zu

2. Aktuelle Debatte

Prozess gegen Pfarrer König: Anklagen wie es politisch gefällt?

Geht so sächsisch?

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zunächst hat die antragstellende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Das Wort ergreift Herr Kollege Lichdi.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben es sicher den Medien entnommen: Am 2. Juli 2013 hat das Amtsgericht Dresden den Prozess gegen Pfarrer Lothar König auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Es hat bis dahin schon eine umfangreiche Medienberichterstattung stattgefunden, die nach meiner Beobachtung durchweg sehr kritisch ausgefallen ist. Aber das, was am 2. Juli im Gerichtssaal hier in Dresden passiert ist, hat, glaube ich, auch Beobachter, die schon einiges von der Staatsanwaltschaft Dresden gewöhnt waren, in Erstaunen versetzt. Die Verteidigung war in der Lage, 200 Stunden – ich wiederhole: 200 Stunden – nicht ausgewertetes einschlägiges Videomaterial der Polizei und anderer Teilnehmer vorzulegen.

Meine Damen und Herren, es kommt sehr selten vor, dass das Amtsgericht einen Prozess aussetzt, nachdem es ihn überhaupt eröffnet hat. Nachdem sieben Verhandlungstage prozessiert wurde, nachdem zahlreiche Zeugen gehört wurden, nachdem schon viel Videomaterial einvernommen wurde, kam es zu dieser Aussetzung. Allein dieser Umstand rechtfertigt, dass wir hier heute eine Debatte dazu führen, und zwar zu einem Zeitpunkt – das wird mir sicher als Kritik entgegengehalten werden –, bevor der Prozess rechtskräftig beendet ist und ein Urteil eines unabhängigen Gerichts vorliegt. Denn wir können feststellen: Allein diese Aussetzung, der die Staatsanwaltschaft Dresden ausdrücklich zugestimmt hat – sie hat ihr zugestimmt – –

(Zuruf des Staatsministers Dr. Jürgen Martens)

Herr Staatsminister Martens, im Gegensatz zu Ihnen war ich anwesend, und ich habe ausdrücklich gehört, wie Frau Schmerler-Kreuzer gesagt hat, dass sie diese Aussetzung mitträgt.

Damit steht fest: Die Staatsanwaltschaft Dresden hat ihre Pflichten in mehrerlei Hinsicht verletzt. Sie hat zum einen die Pflicht zur Leitung des Ermittlungsverfahrens verletzt, zum anderen hat sie die Pflicht zur Vorlage aller einschlägigen Unterlagen in dem Prozess verletzt, und sie hat offensichtlich nur die belastenden und nicht die entlastenden Umstände vorgelegt. Was für die Prozessbeobachter und für mich besonders bestürzend war, war der Sachverhalt, dass Polizeibeamte teils nachweislich – ich sage das in vollem Bewusstsein des Wortes – die Unwahrheit gesagt haben und dass bei den anderen erhebliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie Absprachen zulasten des Angeklagten Lothar König getroffen haben.

Damit steht für mich und für meine Fraktion fest: Pfarrer Lothar König wurde zwei Jahre lang in der Öffentlichkeit und der sächsischen Justiz wie ein Schwerverbrecher behandelt, obwohl Polizei und Staatsanwaltschaft nach jetzigem Erkenntnisstand nichts, aber auch gar nichts in der Hand hatten.

Dies reicht von der berüchtigten Sachsen-Razzia in Jena – die sogar die Länderbeziehungen zwischen Thüringen und Sachsen belastet hat – mit der Durchsuchung seiner Dienst- und Privaträume über die Beschlagnahme des Lautsprecherwagens bis hin – man hat sich schon damals gewundert – zur Beschlagnahme einer St.-Pauli-Fahne als Tatwerkzeug.

Aber diese Debatte um Lothar König hat auch weitere sehr unschöne Äußerungen hier in der sächsischen Öffentlichkeit – gerade in den letzten Tagen – hervorgerufen. Ich finde es mehr als beschämend, dass die Thüringer Landeskirche, die Mitteldeutsche Landeskirche zu ihrem Pfarrer steht – ganz anders als die Sächsische Landeskirche.

(Sebastian Fischer, CDU: Unerhört ist das!)

Was wir in den letzten Tagen hier vernehmen mussten – ich erinnere an den stellvertretenden Verfassungsrichter Schurig, der sich in seiner Eigenschaft als Leiter des Landeskirchenamtes geäußert hat –, aber auch was der Polizeipfarrer Werneburg in einem Interview mit den „DNN“ geäußert hat,

(Christian Piwarz, CDU: Von Meinungsfreiheit halten Sie wohl nicht viel, oder?)

Das ist für mich natürlich von der Meinungsfreiheit der beiden Herren umfasst; es berührt aber sehr seltsam, dass Sie Ihren Glaubensbruder – ich sage es ganz bewusst – offensichtlich vorverurteilen

(Beifall der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

und davon ausgehen, dass es dann, wenn die Staatsanwaltschaft etwas anklagt, wohl so sein wird – ohne sich jemals mit dem Prozess tatsächlich befasst zu haben, Herr Kollege Piwarz. Wir haben jeden einzelnen Prozesstag verfolgt und ich habe es mit eigenen Ohren und Augen gehört und gesehen, was die Polizeibeamten dort vorgetragen haben.

Herr Piwarz, Sie brauchen sich nicht aufzuregen.

(Christian Piwarz, CDU: Wenn ich Sie sehe, rege ich mich schon auf!)

Selbst die „Sächsische Zeitung“, die sehr kritisch gegen Lothar König berichtet hat, hat mittlerweile zu einer objektiven Berichterstattung zurückgefunden.

Meine Damen und Herren, ich finde es schon bezeichnend, dass ausgerechnet der Mann, der im Thüringen der Neunzigerjahre vor den Nazi-Umtrieben gewarnt hat, der Opfer von Naziumtrieben geworden ist, ausgerechnet vor der Justiz des Bundeslandes angeklagt wird, in dem die NSU-Mörder wie Fische im Wasser untertauchen konnten. – Das sollte auch Ihnen zu denken geben.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Für die antragstellende Fraktion hatte der Abg. Lichdi das Wort. – Ich sehe eine Kurzintervention am Mikrofon 7; bitte, Herr Schimmer.

Besten Dank, Herr Präsident. – Ich würde gern vom Mittel der Kurzintervention Gebrauch machen. Ich findet es völlig falsch, wenn Herr Lichdi hier den Eindruck erweckt, als wäre Pfarrer König ein streitbarer und engagierter Don Camillo, eine Art Mutter Teresa des antifaschistischen Widerstandes; denn vom christlichen Gebot der Nächstenliebe hat sich Pfarrer König weit entfernt.

Fest steht auf jeden Fall, dass Pfarrer König am 19. Februar 2011 vor einem Pulk von tausend gewaltbereiten linksextremistischen Demonstranten herzog – fast alle von ihnen vermummt –, und aus diesem Pulk heraus wurden massiv Steine geworfen, es wurden Polizeibeamte schwer verletzt – es wurden mehr als 80 Polizeibeamte verletzt, viele von ihnen schwer.

Ich glaube eben, dass, wenn sich ein Pfarrer mit dem „Lauti“ vor eine solche gewalttätige Demonstration stellt, er dann tatsächlich jeden christlichen Weg schon längst verlassen hat.

Ich würde gern noch einige Zitate aus einer Presseerklärung der Deutschen Polizeigewerkschaft verlesen. Das bezieht sich zwar auf das Jahr 2010, ist aber meines Erachtens dennoch sehr aktuell. Darin heißt es: „Erschreckend ist in diesem Zusammenhang, dass sich unter diese Demokraten linke Gewalttäter mischten, die weder demokratisch noch friedlich sind, und dann auch noch Rückendeckung durch die Medien und Mitglieder des Bundestages bzw. Mitglieder des Landtages erhielten.

Die letzten Jahre wurden durch dieses Jahr deutlich übertroffen. Linke Gewalttäter brannten Barrikaden ab, schlugen bei einer Deutschen Bank Scheiben ein, zerstörten Polizeifahrzeuge und griffen in einer menschenverachtenden Art und Weise die eingesetzten Polizeibeamten an, beleidigten und verletzten diese unter dem sehenden Auge von Europaparlamentariern, Bundestagsmitgliedern und Landtagsmitgliedern.

Dass kein Polizeibeamter schwer verletzt oder getötet wurde, ist einmal mehr dem Zufall zu verdanken und zum anderen dem professionellen Agieren der eingesetzten Polizeibeamten vor Ort. Linke Gewalttäter führen den Staat und seine Institutionen an der Nase herum – was nicht zuletzt im vorigen Jahr in Berlin und in Hamburg

deutlich geworden ist – und werden in der Berichterstattung in den Medien nicht oder kaum erwähnt. – –“

Die Zeit für die Kurzintervention ist abgelaufen.

Ich glaube, das Zitat genügt. Ich habe das gesagt, was ich hier einmal sagen musste. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Das war eine Kurzintervention von Herrn Schimmer. – Soll darauf reagiert werden, Herr Lichdi? – Nein.

Wir schreiten in der ersten Rednerrunde fort und für die CDU-Fraktion ergreift jetzt Herr Kollege Schiemann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich Ihnen deutlich sagen: Ich habe Respekt vor jedem Menschen, der hier in Dresden mit Zivilcourage für Recht, für Freiheit und für Gedenken an die Opfer der Bombennächte von 1945 gedenkt – und das in friedlicher Absicht, ohne mit seinem Tun Menschen in Gefahr zu bringen.

Ich möchte deutlich machen, dass für uns als CDUFraktion Zivilcourage an erster Stelle steht, aber Gewalt von uns verachtet wird.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Jetzt frage ich mich die ganze Zeit: Wir haben eine Aktuelle Debatte zu einem laufenden Gerichtsverfahren, und die Beschuldigung, die Kollege Lichdi hier vorgetragen hat, muss ich mit aller Deutlichkeit zurückweisen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Ich halte es auch für ungeheuerlich, dass wir uns 23 Jahre nach der friedlichen Revolution über ein Grundsatzthema hier im Sächsischen Landtag unterhalten müssen. Wir sind froh, dass wir mit der friedlichen Revolution endlich Gewaltenteilung im Freistaat Sachsen haben.

(Andreas Storr, NPD: Na, die funktioniert aber auch nur auf dem Papier!)

Gewaltenteilung funktioniert, indem es einen Sächsischen Landtag gibt, indem es eine Staatsregierung gibt und indem es eine funktionierende sächsische Justiz gibt.

Wir sind aus einer Zeit gekommen, in der Justiz politisch beeinflusst worden ist, in DDR-Zeiten. Diese Zeit haben wir hinter uns gelassen, und diese Zeit wollen wir nie wieder zurückhaben.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Wir haben zur Kenntnis genommen – und das ist Gegenstand des Debattenbeitrages von Herrn Lichdi gewesen –, dass sich einige Bürger hier im Freistaat Sachsen zu dem Verfahren öffentlich geäußert haben. Ich glaube, es ist jedermanns Recht, sich öffentlich zu äußern – so oder so; ob es mir gefällt oder ob es jemand anderem hier im Saal gefällt, das sei dahingestellt –; wenn er das mit Würde, mit Anstand und Respekt macht, dann soll es auch in der Meinungsfreiheit gelten.

Das Amtsgericht zu Dresden hat eine Entscheidung getroffen: Das Hauptverfahren ist ausgesetzt worden. Ich gehe davon aus, wenn das Hauptverfahren durch die Entscheidung des Richters ausgesetzt wird, dann ist vorher eine Würdigung im Verfahren gewesen, und diese Würdigung bedeutet, dass sich zumindest die Strafverteidigung und die Staatsanwaltschaft entweder dazu äußern oder kein Problem damit haben, dass das Hauptverfahren ausgesetzt wird. Ich gehe einmal davon aus; ich bin nicht Verfahrensbeteiligter.

Ist denn jemand hier im Saal Verfahrensbeteiligter, sodass er genau sagen kann, welche Gründe es gewesen sind, dass das Gericht so entschieden hat? Dann solle er sich bitte melden, wenn er Verfahrensbeteiligter ist.