Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben gerade innerhalb eines Jahrzehnts das zweite Jahrhunderthochwasser erlebt. Heute Morgen haben wir bereits kontrovers über den Zusammenhang von Treibhausgasemissionen und der Beschleunigung des Klimawandels gestritten.
Ich gebe zu, mir geht es ähnlich wie Herrn Lichdi: Ich bin einigermaßen entsetzt, dass angesichts dieser sicht- und spürbaren Häufung von Wetterextremen Zusammenhänge zwischen der Art und Weise der Energieproduktion und dem Klimawandel immer nur verharmlost und sogar geleugnet werden. Aber Wetterextreme kosten Menschenleben, vernichten Ernten, zerstören Infrastruktur und schädigen Unternehmen.
In diesem Hause wurde gestern im Zusammenhang mit der Verfassungsänderung von vielen Rednern mit viel Pathos die Verantwortung gegenüber den nachfolgenden
Generationen beschworen. In Geldbeziehungen scheint der Blick in die Zukunft logisch. Bei bedrohlichen Klimaentwicklungen aber sind die Augen der Staatsregierung verkleistert. Dabei rollt infolge der ungebremsten Klimaerwärmung gerade der wirkliche Kostentsunami auf unsere Kinder und Enkel zu. Schon daraus resultiert unsere Pflicht, nicht nur Deiche zu erhöhen und Mauern zu bauen. Es gilt, die viel beschworene Energiewende der Bundesregierung mit ihren CO2-Minderungszielen endlich von Sachsen aus zu forcieren, statt fortgesetzt zu torpedieren.
Ich erwarte daher von der Staatsregierung, dass sie erstens das Sächsische Energie- und Klimaprogramm in Richtung des Ausbaus der erneuerbaren Energien überarbeitet, dass sie zweitens den Neuaufschluss des Tagebaus Nochten II stoppt und dass sie drittens im Bundesrat initiativ wird, um endlich ein nationales Braunkohleausstiegsgesetz einzufordern, das einen klaren Ausstiegspfad bis zum Jahre 2040 beschreibt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts dessen, dass Herr Lichdi schon das Wesentliche gesagt hat, mir sehr daran gelegen ist, dass wir heute pünktlich zum Schluss kommen und ich etwas aktiv für das Klima tun und Emissionen vermeiden möchte, gebe ich jetzt meine Rede zu Protokoll.
Ich danke Ihnen, Herr Dr. Meyer. – Ich frage aber trotzdem: Möchte noch ein Abgeordneter der Fraktionen das Wort ergreifen? – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Kupfer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Staatsregierung setzt sich dafür ein, den europäischen Emissionshandel so zu reformieren, dass die an ihn geknüpften Erwartungen dauerhaft erfüllt werden. Insbesondere geht es uns dabei darum, die Investitionsbereitschaft in Klimaschutzmaßnahmen wieder herzustellen.
Im Gegensatz zum Antrag der LINKEN möchten wir die Kohleverstromung nicht stoppen, sondern diese als notwendige Brückentechnologie so klimaverträglich wie möglich gestalten. Wir streben einen zuverlässigen und wirtschaftlich vertretbaren Mix aus den verschiedenen Energieträgern an. Dazu gehören neben den überwiegend nicht grundlastfähigen sogenannten erneuerbaren Energien auch die fossilen Energieträger. Im Freistaat Sachsen ist dies vor allem durch unsere heimische Braunkohle gewährleistet. Nachzulesen ist das im Energie- und Klimaprogramm der Staatsregierung.
Wir haben uns gerade in der letzten Woche an der europäischen Diskussion um die Zukunft der CCS-Technologie beteiligt. Dort haben wir darauf hingewiesen, dass diese Technologie zu Unrecht als unnötige Verlängerung der Kohleverstromung diffamiert wird. Sie wird sich aber nur dann am Markt durchsetzen, meine Damen und Herren, wenn der Zertifikatpreis für CO2-Äquivalente ein entsprechendes Niveau erreicht. Ferner müssen die Hürden zur Einlagerung des abgeschiedenen CO2 rasch beseitigt werden. Der Freistaat Sachsen hat sich als eines der wenigen Länder dafür ausgesprochen, das CO2 auch in geeigneten salzwasserführenden Gesteinsformationen in Tiefen unterhalb 800 Meter einzulagern.
Der europäische Emissionshandel soll nun durch dirigistische Eingriffe dazu gebracht werden, den marktwirtschaftlichen Ansatz zu verlassen. Ein in der letzten Woche vom Europäischen Parlament beschlossener Ansatz ist das Backloading, also eine zeitliche Verschiebung der Versteigerung der Zertifikate. Wir unterstützen diesen Ansatz nicht, da dadurch nur die Symptome, nicht aber die Ursachen der niedrigen Zertifikatspreise bekämpft werden, und das auch nur temporär, da die Zertifikate zu einem späteren Zeitpunkt wieder auf den Markt gebracht werden. Jetzt müssen wir abwarten, was der Europäische Rat mit diesem Votum macht.
Auch die Vorschläge der LINKEN, meine Damen und Herren, werden nicht dazu beitragen, dem europäischen Emissionshandel wieder das notwendige Leben einzuhauchen. Das bestehende Überangebot an Emissionszertifikaten durch die von den LINKEN geforderte unverzügliche Herausnahme zu korrigieren halten wir für den falschen Ansatz, da er weder marktkonform ist noch die Probleme des Emissionshandels dauerhaft lösen kann.
Der Emissionshandel sollte vielmehr mit einer Ex-postKomponente versehen werden, damit auf unvorhersehbare Entwicklungen reagiert werden kann. Eine starr vorgegebene CO2-Obergrenze, die aufgrund der zuvor genannten Punkte ohne große Anstrengungen erreicht wird, bietet keinen Ansporn zum Handeln für die Unternehmen. Dies sieht die Staatsregierung auch so. Das sollte aber nicht dazu führen, die gleichen Fehler wieder zu machen, indem erneut eine starre Vorgabe, heute eine 30prozentige Minderung, gemacht wird. Das kann den Emissionshandel nicht zum dauerhaft funktionierenden System weiterentwickeln.
Deshalb schlagen wir eine Flexibilisierung des Systems mit einem angepassten europäischen Klimaschutzziel vor. Es geht uns dabei um eine ausgewogene Balance zwischen einem anspruchsvollen Klimaschutz einerseits und einer sicheren und bezahlbaren Stromversorgung andererseits.
Die niedrigen Zertifikatspreise hängen im Übrigen mit einem Geburtsfehler zusammen. Zum einen war die Kommission der Meinung, sie könnte über Jahre hinaus die wirtschaftliche Entwicklung in der EU voraussagen und daran die Zertifikatausstattung bemessen. Das war ein absoluter Irrglaube, da uns die Geschichte gelehrt hat,
dass dies noch niemandem gelungen ist. Man hätte also kein Ex-ante-, sondern ein Ex-post-Verfahren wählen müssen. Das war übrigens auch unser Vorschlag in der Diskussion. Es ist deswegen falsch, wenn Sie sagen, dass Sie der Staatsregierung Beine machen müssten. Die Beine haben wir schon.
Zum anderen hat man die Entwicklung der erneuerbaren Energien unterschätzt und zu großzügig die Wirkung der alternativen Klimaschutzprojekte im Ausland akzeptiert. Deshalb muss der europäische Emissionshandel so umgestaltet werden, dass er Korrekturmechanismen enthält, die die zuvor angesprochenen Punkte dauerhaft lösen. Die Vorschläge der LINKEN, meine Damen und Herren, tragen nicht dazu bei. Deswegen kann ich nur empfehlen, den Antrag abzulehnen.
Danke, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um es abzukürzen: Der Beitrag des Umweltministers hat zumindest wieder einen etwas sachlichen und fachlich bestimmten Ton in die Diskussion gebracht. Dafür bedanke ich mich und möchte nur noch in einer Weise auf den Redebeitrag des Staatsministers Kupfer reagieren: Die Kurskorrekturen, die Sie anmahnen und die wir ja auch wollen, hängen natürlich mit dem Problem zusammen, dass der Emissionshandel von vornherein kein rein marktwirtschaftliches Prinzip ist, sondern er ist ein staatlich und öffentlich von Politik abhängiges Mengenregulierungsprinzip, und genau darin liegt die Möglichkeit des Versagens oder eben auch dafür, dass es funktioniert. Insofern würde ich sagen, dass der Weg, dies ex post zu regulieren, der bessere ist, da man marktwirtschaftliche Entwicklungen, wie wir in der Krise gesehen haben, nicht über Jahre vorhersehen kann. Das ist doch das Grundproblem dabei.
Herzlichen Dank für diese fachliche Debatte. Ich bedanke mich bei allen, die diese Diskussion ernst genommen haben, und bitte um Zustimmung.
Meine Damen und Herren, bevor wir zur Abstimmung kommen, liegt noch ein Änderungsantrag der SPD-Fraktion vor. Ich frage: Ist er schon eingebracht oder soll er noch eingebracht werden?
Er ist schon eingebracht. Möchte jemand dazu sprechen? – Frau Dr. Runge, Sie möchten dazu sprechen? – Bitte schön.
Ich habe bereits in meinem Redebeitrag zu diesem Änderungsantrag Stellung genommen. Es ist die korrekte Formulierung unseres Anliegens in Punkt 2, und wir übernehmen diesen Änderungsantrag wortgleich.
Wir werden nun über den Änderungsantrag abstimmen. Ich rufe die Drucksache 5/12368 zu Drucksache 5/12206 auf. Wer dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gibt es Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Danke. Bei einigen Stimmenthaltungen und zahlreichen Dafür-Stimmen ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt.
Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Schlussabstimmung. Ich stelle Ihnen die Drucksache 5/12206 zur Abstimmung. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Gleiches Stimmverhalten: zahlreiche Dafür-Stimmen, einige
Stimmenthaltungen. Damit ist die Drucksache 5/12206 nicht beschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.
Wenn DIE LINKEN Handel – genauer gesagt, den Europäischen Emissionshandel – „wiederbeleben“ wollen, dann lässt mich dies natürlich aufhorchen. Aber schon der Debattentitel zeigt, dass es wiederum um Planwirtschaft geht, weil die Handelsergebnisse nicht dem entsprechen, was man sich zu Beginn der Handelsperiode erhofft hat.
Ich habe mich im Rahmen meiner Dissertation eingehend mit dem Emissionshandel und den flexiblen Mechanismen beschäftigt und halte dieses marktwirtschaftliche Instrument für grundsätzlich geeignet, um umweltpolitische Ziele zu erreichen.
Gegenwärtig kann man jedoch nicht von einem Handel sprechen, wofür vielerlei Gründe verantwortlich sind: die Prognose der Emissionsentwicklung ging von einer dynamischen Wirtschaftsentwicklung in Europa aus, ein Großteil der Emissionsreduktion resultiert schlicht aus ausgebliebener Produktion und damit ausgebliebenen Emissionen. Die angenommenen Wachstumsraten sind ausgeblieben und daher funktioniert das Gesamtsystem auch nicht. Darüber hinaus konterkariert der ordnungspolitische Ansatz des Zubaus an Regenerativen über das EEG den marktwirtschaftlichen Ansatz über den Emissionshandel, da hoch subventionierter regenerativer Strom
Diese Fehlallokation ist nicht ausreichend bedacht worden. Vereinfacht ausgedrückt: Das sogenannte „Cap“, also der Deckel, ist nicht passend gewählt worden; und so braucht das zu kochende Wasser im Topf, also der Handel, schlichtweg länger, bis es siedet, also bis der Handel einsetzt.
Ich zitiere an dieser Stelle Kanzlerin Angela Merkel, die das Problem auf den Punkt bringt: „Wir haben rund 25 Gigawatt Windenergie installiert. Wenn in Deutschland die Sonne scheint, dann weht meistens auch ein bisschen Wind. Das heißt, wir haben Stunden, in denen wir fast den gesamten Energiebedarf aus erneuerbaren Energien decken können. Wir haben aber auch viele Stunden am Tag, in denen wir die grundlastfähigen Kraftwerke brauchen, weil wir nicht ausreichend viele Speicher haben und auch noch nicht ausreichend viele Leitungen gebaut haben. Deshalb sagt die deutsche Wirtschaft: Wir sind bereit, auch über Backloading zu diskutieren. Wir wollen aber nicht alles einzeln regeln, sondern wir brauchen ein Gesamtsystem.“
Wir brauchen eben ein solches Gesamtsystem und eine Gesamtbetrachtung – Europa muss sich um weltweite Lösungen bemühen, um nicht einseitig in Wettbewerbsnachteile zu kommen. Ich halte daher auch den Vorschlag von Energiekommissar Oettinger für sinnvoll, einen Kombi-Ansatz – das heißt Ziele für die Minderung der Treibhausgase und den Ausbau der Regenerativen Energien für das Jahr 2030 gleichermaßen – festzulegen. Diese Gesamtbetrachtung hat auch die Sächsische Staatsregierung mit dem Energie- und Klimaprogramm 2012 vorgenommen, da man die beiden Aspekte eben nicht trennen darf.
Ich persönlich halte es für erwägenswert, die Emissionsmenge einmalig – ich betone einmalig – zu verknappen, also einen passenden Deckel zu wählen, um dann über den künstlichen Markt des Emissionshandels Emissionen dort zu reduzieren, wo es am günstigsten ist und eben nicht staatlich dirigistisch diese Bereiche vorzuschreiben.
Es darf aber nicht sein, dass ständig Änderungen vorgenommen werden. Wir brauchen Investitionssicherheit für die Wirtschaft, und wir brauchen daher auch Zielwerte für das Jahr 2030, da der Zeitrahmen bis 2020 für viele Investitionsentscheidungen der Energieunternehmen
Emissionshandel heißt aber nicht, dass es keine Kohlekraftwerke mehr geben soll. Der Handel ist vielmehr Anreiz, in saubere Kohletechnologien zu investieren und beispielsweise durch die Abscheidung und Speicherung von CO2 Emissionen zu reduzieren und dennoch grundlastfähige Energieerzeugung vorzunehmen. Die Grundlastfähigkeit ist eine wesentliche Prämisse eines industriellen Energiesystems. Nur ein verlässlicher Rahmen wird die Investitionen auslösen, welche zur Erreichung der Klimaschutzziele erforderlich sind.
Sowohl die Bundesregierung, als auch die EU-Kommission ist an dieser Thematik bereits aktiv dran. Was der LINKEN-Antrag aus dem sächsischen Landesparlament an dieser Stelle für einen Mehrwert bringen soll, erschließt sich mir nicht wirklich. Wir werden diesem daher auch nicht unsere Zustimmung geben.
Zum Abschluss möchte ich noch einmal die Kanzlerin zitieren, wenn sie anlässlich des Petersberger Klimadialoges im Mai dieses Jahres zu Recht sagt: „Man kann lange darüber streiten, welche Klimaschwankungen in welchem Jahr Ausdruck des wirklichen Wandels sind. Dazu kann man sich viele Theorien anschauen. Ich glaube aber, die Gesamtevidenz – egal, ob zwei Jahre früher oder zwei Jahre später – fällt beim Klimawandel so massiv aus, dass es wirklich verlorene Zeit ist, sich darüber zu streiten, ob man schon jetzt etwas tun muss oder vielleicht erst später und ob man noch warten kann. Warten ist keine Option.“
Es wird deutlich, dass die Bundesregierung die Notwendigkeit erkannt hat. Daher braucht es auch nicht den Antrag der LINKEN, den wir ablehnen werden.