Protocol of the Session on July 10, 2013

Inzwischen ist bekannt geworden, dass, nachdem am 27. Februar gegen vier weitere ehemalige Vorstände vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichtes Leipzig Anklage nach §§ 331 und 340 des Handelsgesetzbuches und wegen Untreue nach § 266 des Strafgesetzbuches erhoben worden ist, die Anwälte der betreffenden Vorstände, so allgemein medial verlautbart, mit ausgesprochener Gelassenheit reagieren. Das haben sie direkt verkündet, und zwar mit der Begründung, dass die in der 600-seitigen Anklage – gemeint ist die von 2013 – erhobenen Tatvorwürfe auf umfangreichen Vorarbeiten der Anwaltsgroßkanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer gestützt seien. Dann wird zitiert, „die Staatsanwaltschaft habe“ – so die Anwälte – in einer durch den „Spiegel“ in der Ausgabe 13/2013 wiedergegebenen wörtlichen Stellungnahme „ihre Arbeit in einem Umfang auf eine Rechtsanwaltskanzlei delegiert, der sich“ – so weiter wörtlich – „als singulär in der deutschen Rechtsgeschichte darstelle.“

Das heißt, die Verteidiger sagen: Ihr habt überhaupt nicht selbst untersucht; ihr als Staatsanwaltschaft habt keine eigenen Ermittlungen durchgeführt. – Es gibt zum Beispiel Wirtschaftsdezernenten bei der Staatsanwaltschaft. Die gibt es auch beim LKA und beim BKA. Die Verteidiger sprechen letztlich davon, dass lediglich auf ein Gutachten einer Anwaltskanzlei zurückgegriffen wird. Dieses Gutachten und, nebenbei bemerkt, ein weiteres der Wirtschaftsprüfgesellschaft Deloitte, das auch in den Anklagen eine Rolle spielt, als Grundlagen der Anklage haben nach Medienberichten allein 2 Millionen Euro gekostet. Weitere 2 Millionen Euro!

Zu dieser rechtlichen Zwischenbilanz von fünf Jahren Bad Bank gehört auch, dass unter der Wirkung des Kabinettsbeschlusses vom 23. November 2010 wegen der Sachsen-LB-Pleite keine einzige Klage gegen ehemalige Mitglieder von Aufsichtsorganen respektive Verwaltungsrat und Kreditausschuss anhängig ist und dass mehr oder weniger in diese Richtung erhobene Vorwürfe und auch entsprechende Anzeigen, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, in kürzester Frist von der Staatsanwaltschaft – das

hat nur zwei Monate gedauert – als nicht hinreichend für einen Anfangsverdacht abgewiesen worden sind.

Bitte zum Ende kommen.

Das ist ein Problem, das die moralische Bewertung dessen, was hier geschehen ist, betrifft und die Öffentlichkeit beschäftigt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die CDUFraktion spricht Herr Abg. Mackenroth.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Drei Bemerkungen fallen mir zu dieser Aktuellen Debatte ein.

Erste Bemerkung: Die Vorgänge um den Zusammenbruch der Sachsen LB sind und bleiben ein finanzielles und politisches Desaster für den Freistaat, auch wenn man von der Gesamtschadenssumme von 2,75 Milliarden Euro möglicherweise den von der LBBW erhaltenen Kaufpreis in Höhe von nominal rund 800 Millionen Euro abziehen müsste, der in der öffentlichen Debatte überhaupt keine Rolle spielt.

Die entscheidende Frage ist: War dieses Dilemma vorhersehbar? Die Opposition macht es sich einfach, will Politikversagen im großen Stil ausgemacht haben.

(Zurufe der Abg. Klaus Bartl und Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Ich sage: Wir Sachsen waren die Ersten, die von solchen Schicksalsschlägen getroffen wurden.

Und: Solange wir die Politik Menschen anvertrauen, wird es Fehler geben. Die Frage ist, wie man mit diesen Fehlern umgeht. Herr Scheel, Sie haben sich zitieren lassen, dass die Affäre politisch folgenlos gewesen sei. Ich kann dem nicht folgen. Der politische Preis für dieses Desaster ist lange bezahlt, im Bereich der politischen Hygiene durch den Rücktritt eines Ministerpräsidenten. Auch hier hat sich der Freistaat anständiger und transparenter als die meisten anderen betroffenen Bundesländer gezeigt,

(Zuruf des Abg. Klaus Tischendorf, DIE LINKE)

und weiter durch einen Untersuchungsausschuss und durch die juristisch mittlerweile eingeleiteten Vorsorgemaßnahmen, die eine Wiederholung vergleichbarer Vorfälle ausschließen sollen.

Zivilrechtlich und strafrechtlich ist die Aufarbeitung eingeleitet. Ob jemand und wer persönlich strafrechtlich verantwortlich zu machen ist, Herr Bartl, ist Aufgabe der Justiz, und dort liegt sie nach meiner Auffassung in sehr, sehr guten Händen. Was die zivilrechtliche Aufarbeitung anbelangt, so würde man für weitere Klagen zivilrechtlicher Art gegen Vorstände wahrscheinlich nicht einmal

Prozesskostenhilfe bekommen, weil man genau weiß, dass die Vollstreckung letztlich erfolglos bleiben wird.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Haben Sie noch eine Erinnerung, wie sich die Vertreter der Opposition, während sie im Verwaltungsrat der Sachsen LB saßen, zu Wort gemeldet haben, um die Schwierigkeiten und die Problematik dieser Geschäfte anzuzählen? Es gibt ja einen, der hier sehr unsichtbar ist. Mir ist auch klar, warum er unsichtbar ist, nämlich deshalb, weil er selbst Verwaltungsratsmitglied war. Aber haben Sie das noch in Erinnerung?

Kollege Patt, Sie haben gefragt, wie sich Verwaltungsräte geäußert haben. Meine Erinnerung ist in dem Bereich so getrübt, dass ich nicht einmal mehr weiß, ob sie sich überhaupt geäußert haben. Aber in jedem Fall ist man, wenn man vom Rathaus kommt – das gilt sicherlich auch für den Kollegen Pecher, wie übrigens für uns alle –, ein deutliches Stück klüger.

Die zweite meiner drei Bemerkungen: Der Freistaat Sachsen ist von allen mit Landesbanken gesegneten Ländern relativ gut und bisher mit Abstand am besten durch diese Krise gekommen. Warum? Das begann mit dem Verkauf der Sachsen LB. Manche sagen, das sei eine Meisterleistung unseres damaligen Ministerpräsidenten Georg Milbradt gewesen. Ich schließe mich dieser Meinung an. Keine andere Landesbank konnte verkauft werden, Zusammenbrüche allüberall. Und die Haftung liegt anderenorts – etwa in der Pro-Kopf-Belastung – um ein Vielfaches höher als bei uns in Sachsen; in NordrheinWestfalen etwa 30 Mal über der sächsischen Marge.

Das ging weiter mit der Begrenzung der Haftung des Freistaates. Manche sagen, es wird nicht bei den 2,75 Milliarden Euro bleiben. Damit hat Sachsen dann nichts mehr zu tun.

Es geht wiederum weiter mit der Bewältigung der Schulden. 1 Milliarde Euro sind bezahlt, schmerzlich genug. Auch ich hätte mit diesem Geld lieber etwas anderes angefangen, aber der Freistaat zahlt eben anständig seine Schulden.

Für den Rest ist mehr oder weniger Vorsorge getroffen. Die bisherigen Zahlungen belasten uns in Zukunft nicht. Wir haben dafür – anders als etwa Bayern – keine Schulden aufgenommen.

Drittens: Nach allem, was wir bisher wissen und zugrunde legen können, wird es auch in Zukunft so sein, dass Sachsen mehr oder weniger ungeschoren durch diese Krise kommt. Es sind voraussichtlich noch 800 Millionen Euro nicht abgesichert. Das sind auf die Jahre bis 2019 umgelegt durchschnittlich pro Jahr 150 Millionen Euro. Angesichts der guten Haushalts- und Finanzpolitik im Freistaat Sachsen ist und bleibt das ein Ärgernis, da gibt

es nichts zu beschönigen und nichts drum herumzureden, aber Sie wissen es alle

(Zuruf von der LINKEN)

und wir haben es eben noch einmal beschlossen: Wir kommen seit Jahren ohne die Aufnahme neuer Schulden aus. Die sogenannte Sachsenrendite in Höhe von bis zu 1 Milliarde Euro wird uns auch in Zukunft Gestaltungsspielräume für die politische Zukunftsvision unseres Freistaates überlassen. Diese Gestaltungsspielräume – ich hätte natürlich gern mehr – werden wir auch in Zukunft nutzen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Mir liegt eine Kurzintervention vor. Bitte.

Ich würde gern vom Mittel der Kurzintervention Gebrauch machen, weil ich eben doch sehr verblüfft war, dass der Kollege Mackenroth allen Ernstes davon spricht, dass der Freistaat Sachsen tatsächlich ungeschoren aus dieser ganzen Krise davongekommen sein soll. Das ist eine derartige Bagatellisierung, also ein derartiges Schönreden der wirklichen Situation, dass ich hier widersprechen muss.

Es sind mittlerweile über 1 Milliarde Euro an Geldern geflossen, und wir müssen davon ausgehen, dass fast 3 Milliarden Euro an sächsischen Steuergeldern fließen werden. Selbst wenn man sagen kann, dass wir im Jahre 2007 noch ein relativ passables Verhandlungsergebnis herausgeholt haben, kann man jetzt doch nicht sagen, wir seien ungeschoren davongekommen. Was passiert denn, wenn der Freistaat Sachsen nochmals in eine wirklich gravierende Haushaltssituation kommen sollte – durch eine Naturkatastrophe, durch eine weitere Elbeflut? Dann werden uns keine Mittel mehr zur Verfügung stehen. Wir haben jetzt schon Glück, dass der Bund bei den anfallenden Flutschäden im Freistaat Sachsen aus dem Engpass hilft. Jedoch glaube ich, dass das nicht noch einmal so sein wird.

Wir haben das Problem, dass wir eine weitere Naturkatastrophe nicht selbst finanzieren können – trotz Schuldenbremse – und dass wir auch abschmelzende Zahlungen aus dem Solidarpakt II haben. Dementsprechend sollten wir dieses Sachsen-LB-Debakel nicht bagatellisierend zur Seite schieben. Das war die größte Fehlentscheidung in der Geschichte des Freistaates Sachsen seit der Wiedergründung im Jahr 1990. Wer jetzt sagt „Wir sind noch gut davongekommen.“, der sollte uns einmal mit anderen Bundesländern wie Hessen vergleichen, in denen die Landesbank nicht solche Abenteuer eingegangen ist und dementsprechend jetzt solche Garantiezahlungen nicht zu zahlen sind. Ich finde das sehr peinlich – auch dieses Herumgelächter und Witzemachen des Kollegen Patt –, wie man hier –

Ihre Redezeit ist zu Ende.

– mit diesen ganzen Hinterlassenschaften umgeht, die mittlerweile 1 Milliarde Euro –

Ihre Redezeit ist zu Ende.

– an Steuergeldern gekostet haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Herr Abg. Mackenroth, wollen Sie antworten? – Nein. Mir liegt noch eine Wortmeldung vom Abg. Scheel vor. Gibt es sonst noch Redebedarf? – Ansonsten wäre erst die FDP an der Reihe. Das muss ich einhalten; das tut mir jetzt leid. – Herr Biesok, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte gern kurz zu dieser Debatte Stellung nehmen. Herr Kollege Bartl, Sie sprechen davon, dass die Sachsen LB die Aufgabe hatte, die Wirtschaft zu fördern. Diese Aufgabe hatte sie nicht. Die SAB ist das Wirtschaftsförderungsinstitut des Freistaates Sachsen, es war nicht die Sachsen LB. Die Sachsen LB hatte dem Gesetz nach über das öffentlich-rechtliche Kreditwesen im Freistaat Sachsen die Aufgabe, der Wirtschaft Mittel zur Verfügung zu stellen.

Zweitens: Die Gremien, die die Sachsen LB hatte, waren nicht zur Berichterstattung an den Sächsischen Landtag verpflichtet, denn es gibt ein Trennungsgebot zwischen der Politik und Aufsichtsratsgremien.

Wir diskutieren sehr häufig über die Sachsen LB, obwohl es alles schon etwas länger her ist. Da stellt sich für mich immer eine grundsätzliche Frage: Wie gehen wir mit diesem Großschadensfall hier um? – Der Finanzminister ist da in einer sehr schwierigen Situation, denn er muss immer entscheiden: Wirft er schlechtem Geld gutes Geld hinterher?

(Beifall bei der CDU)

Je mehr wir hier von Verantwortung von Gremien sprechen und diese durchsetzen wollen, kostet das richtig Geld, und wir wissen nicht, ob wir überhaupt in der Lage sind, nach Erlangung eines Titels dieses Geld wieder hereinzubekommen. Das ist die Abwägung, die man treffen muss.

Herr Bartl, wenn Sie kritisieren, dass eine Anzeige, die Sie gegen den Finanzminister gestellt haben – ich vermute, es war die Anzeige, die Sie gerade eben gemeint haben –, zurückgewiesen ist, weil Sie ihm unterstellt haben, dass er nicht sorgfältig genug damit umgegangen sei, dann ist es genau diese Abwägung zu sagen: Wie viel Steuergeld nehme ich, um Ansprüche zu verfolgen, und welche Wahrscheinlichkeit habe ich, diese Mittel überhaupt wieder in der Zwangsvollstreckung eines Titels hereinzubekommen?

Zu der Verantwortlichkeit von Gremien: Wenn ich mir Herrn Pecher hier anhöre, dann muss ich eines sagen: Wenn einer eine Verantwortung für seine Tätigkeit in den Gremien der Sachsen LB trägt, dann ist er es, denn es gibt einen Tatbestand des sogenannten Übernahmeverschuldens.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?