Protocol of the Session on July 10, 2013

Von den GRÜNEN folgt jetzt Herr Abg. Weichert.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über unsere Erwartungen – die Erwartungen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im

Sächsischen Landtag – an die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik haben wir bereits im Januar 2012 bei der Behandlung des entsprechenden Antrages diskutiert.

Nach wie vor sind wir für die Degression, das heißt, die Direktzahlungen mit steigender Betriebsgröße degressiv zu gestalten. Wir sind auch für die Kappung. In der vorhin zitierten dpa-Mitteilung sagt Reinhard Jung, der

Geschäftsführer des Deutschen Bauernverbandes: „EUFörderung ohne Obergrenzen sind Millionen für Millionäre. Das gilt im Osten wie im Westen.“

Wenn wir über Kappung reden, dann immer mit der Möglichkeit, sozialversicherte Lohnkosten ganzjährig Angestellter obendrauf zu satteln, damit Arbeitsplätze nicht gefährdet, sondern erhalten und vielleicht sogar neu geschaffen werden.

Wichtig und richtig ist, dass, wenn durch Degression und Kappung in der Säule 1 Mittel frei werden, diese umgeschichtet werden in die Säule 2, für Umweltmaßnahmen und die Entwicklung ländlicher Räume.

(Beifall der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Ganz wichtig ist: die Direktzahlung in voller Höhe nur bei konkreten Umweltleistungen, zum Beispiel mindestens drei Hauptkulturen in der Fruchtfolge, keine Hauptkultur über 50 % Ackerfläche eines Betriebes, mindestens 10 % ökologische Vorrangfläche, mindestens 20 % Leguminosenanteil in der Fruchtfolge, Ausschluss der Umwandlung von Dauergrünland in Ackerland, Verzicht auf die Anwendung von Gentechnik und der Nachweis ausgeglichener Humusbilanzen.

Was haben wir und was werden wir bekommen? Auf jeden Fall viele Kompromisse, aber auch – richtig! – einen Paradigmenwechsel. Das ist absolut zu begrüßen.

Die Landwirtschaft wird grüner werden. Ein Drittel der Subventionen wird für konkrete Umweltmaßnahmen reserviert. Kleine Bauern erhalten relativ mehr Geld aus Brüssel als die großen Betriebe. In der Rede stehen jetzt für die ersten 15 Hektar 50 Euro und für die zweiten 15 Hektar 30 Euro. Es ist natürlich verdächtig, wenn Frau Aigner das fordert und man weiß, dass Bayern eine Betriebsgröße von durchschnittlich 32 Hektar hat.

Auf jeden Fall begrüße ich die Maßnahmen auch in der zweiten Säule, insbesondere die Zweckbindung, das eigene Programm für den Ökolandbau und die Möglichkeiten zur finanziellen Förderung von Erzeugergemeinschaften.

Erstmals in der Geschichte der europäischen Agrarpolitik werden ökologische Standards vereinbart, sogenannte Greenings. Ich sage aber ganz klar: Das ist eher ein helles Greening. Erst 5 %, dann 7 % ökologische Vorrangflächen sind ein Erfolg, auch wenn wir lieber 10 % hätten. Mehr Transparenz heißt, dass die Betriebe, die Förderung erhalten, im Internet veröffentlicht werden. Das ist auch eine zielführende Maßnahme.

Mein Fazit lautet: Wir haben den Fuß in der Tür für eine etwas umweltgerechtere Landwirtschaft, aber von einem echten Greening sind wir noch eine ganze Weile entfernt. Leider haben insbesondere die deutschen Politiker – die schwarz-gelbe Koalition in Berlin – und der Bauernverband alles getan, um mehr Umwelt-, Tier- und Klimaschutz sowie mehr Verteilungsgerechtigkeit zu verhindern. Es gibt massenweise Ausnahmegenehmigungen, die ausgehandelt wurden, und das führt eben gerade zu Bürokratieaufbau, meine Damen und Herren.

Im Gegensatz dazu haben wir, die europäischen GRÜNEN, vorgeschlagen, alles deutlich zu vereinfachen. Greening heißt auch Gleichbehandlung, und zwar aller Agrarunternehmen inklusive der Biobauern. Das ist dann Bürokratieabbau.

(Beifall der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Sich hier hinzustellen und Krokodilstränen über den selbst organisierten Bürokratieaufbau zu vergießen, ist einfach nur unanständig gegenüber allen, die sich bemühen, die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik verantwortlich weiterzuentwickeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die NPD Herr Abg. Delle, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wieder einmal dürfen wir uns im Rahmen einer Aktuellen Debatte über die vermeintlichen Segnungen der Europäischen Union unterhalten, und natürlich muss dies im Rahmen einer Aktuellen Debatte stattfinden; denn irgendwelche Einflussmöglichkeiten, die wir hier beschließen könnten, gibt es ja schon lange nicht mehr. Also müssen wir frei nach dem Motto „Schön, dass wir mal darüber geredet haben“ heute hier verfahren.

Wir alle, meine Damen und Herren, wissen, dass circa 80 % aller Gesetze in Brüssel entschieden werden. Circa 15 % werden noch im Bundestag verabschiedet und – um es mal so deutlich zu sagen – der klägliche Rest von 5 % bleibt für die Länderparlamente übrig, zum Beispiel für den Sächsischen Landtag.

Dieser Zustand ist aber kein Naturgesetz, er ist auch nicht von heute auf morgen vom Himmel gefallen, sondern er ist das Ergebnis Ihrer Politik in den letzten Jahrzehnten. Dann braucht man sich auch anschließend nicht zu wundern, wenn man nichts mehr mitzureden hat. Sie haben Stück für Stück an Kompetenzen, an Souveränitätsrechten an das Brüsseler Bürokratiemonster übertragen. De facto sind wir als Deutschland schon seit vielen Jahren kein souveräner Nationalstaat mehr, wir sind maximal noch Befehlsempfänger von Brüssel.

(Zurufe des Abg. Andreas Storr, NPD)

Auch die heutige Debatte und der Debattentitel sind meiner Meinung nach nichts anderes als ein Ablenkungsmanöver. Natürlich ist weitere Bürokratie zu verhindern, und Sie haben die NPD-Fraktion immer auf Ihrer Seite, wenn es darum geht, weitere Bürokratie für unsere sächsischen Landwirte zu verhindern.

Aber der Kern der Sache ist doch ein ganz anderer. Es geht immer, wenn wir über die Europäische Union sprechen – das habe ich schon in der letzten Plenarwoche gesagt –, um das liebe Geld. Es scheint auf europäischer Ebene bei jedem Beschluss, jedem Gipfel usw. nur eine einzige Konstante zu geben. Sie lautet: Im Ergebnis zahlen anschließend die Deutschen mehr bzw. – wie nach dem letzten EU-Agrargipfel – bekommen die Deutschen weniger Geld – also auch nur eine andere Form des Bezahlens.

So war es denn auch kein Wunder, als zum Beispiel Frau Aigner am 14. Juni 2013 auf Schloss Nedaschütz zu Besuch war, dass die dort protestierenden Bauern nicht etwa gegen mehr Bürokratieaufwuchs protestiert haben, sondern ihnen ging es vor Ort um das Thema Geld, zum Beispiel um die damals befürchtete Kappung der Direktzahlungen; und auch, wenn diese jetzt wohl vom Tisch zu sein scheinen, bleibt immer noch die Degression übrig. Hier sieht es so aus, als wenn wieder einmal die sächsischen Landwirte benachteiligt wären. Es besteht zumindest die Gefahr, dass es zu einer enormen Umverteilung von Ost- nach Westdeutschland kommt, ganz einfach, weil die kleineren Betriebe in Westdeutschland gegenüber den größeren Strukturen, die wir hier in Mitteldeutschland, in Sachsen haben, bevorzugt werden sollen. Es kann nicht sein, dass die sächsischen Landwirte, die nun einmal das Erbe der DDR antreten mussten, hierfür auch noch bestraft werden.

Aber Deutschland insgesamt wird ja wohl rund 3,3 % seines Direktzahlungsvolumens an andere Mitgliedsstaaten abgeben müssen. Es ist also wie immer: Deutschland bezahlt und die anderen kassieren. Dass dies anschließend von Frau Aigner noch als Erfolg verkauft wird, weil die

ursprünglich geplanten Kürzungen höher hätten ausfallen müssen, finde ich fast schon unverschämt; denn nach dieser beinahe schon perversen Logik könnte man im Vorfeld einer jeden Verhandlung sagen: Dann wollen wir mal die geplanten Kürzungen verdoppeln, dann ist die anschließende Halbierung ja auch ein Erfolg. Dabei frage ich mich schon, für wie dumm Frau Aigner die Menschen hier im Lande eigentlich hält.

(Lachen des Abg. Andreas Storr, NPD)

Lassen Sie mich bitte zum Schluss noch ein etwas längeres Zitat von Herrn Werner Friebel, Vorsitzender des Regionalbauernverbandes Bautzen-Kamenz, verlesen. Er fasst die Sache, so finde ich, doch ganz gut zusammen. Er warnte – Zitat – "vor dem Trugschluss, mittels Kappung und Degression würden kleine Landwirtschaftsbetriebe an die Stelle der in Ostdeutschland überwiegenden Großbetriebe treten. Das Gegenteil sei der Fall, denn der Traum vom 50-Hektar-Familienbetrieb, in dem drei Generationen leben und arbeiten, habe mit der Realität nichts zu tun. Es gibt heute kaum jemanden, der so etwas machen will. Vielmehr wird die Folge sein, dass Großbetriebe mit Extensivierungen und der Aufgabe der Tierproduktion reagieren müssten, was unweigerlich den Verlust von Arbeitsplätzen nach sich ziehen würde.

Darüber hinaus stehen schon Investoren bereit, die Landwirtschaftsflächen übernehmen wollen, sollten die Betriebe durch Kürzungen der Direktzahlungen in Schwierigkeiten geraten. Dann entstehen hier Strukturen, die wir nicht wollen. Würden in der Landwirtschaft weitere Arbeitsplätze abgebaut, hätte dies auch Auswirkungen auf die Bevölkerungsentwicklung im ländlichen Raum Ostsachsens.“ Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Wir gehen in die nächste Runde. Herr von Breitenbuch, bitte.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Agrarpolitik in Europa – seit 1957, seit den Römischen Verträgen gemeinsam, erst als System von Preisstützung, um die Produktion anzuregen, danach mit Produktprämien bis 2004, und zurzeit als Betriebsprämien direkt gezahlt.

Die letzte Agrarreform hat das als Entkopplung der Produktion vom Betrieb dargestellt. Der Betrieb bekommt direkt Geld dafür, dass er am Markt ist. Eine verstärkte Marktorientierung hat stattgefunden. Wir haben gute Zeiten für die Landwirtschaft. Insofern ist das voll aufgegangen. Die Erwartungen der Bauern waren ganz klar und deutlich für die neue Agrarreform, dass dieser Weg weiter beschritten wird. Es war klar, dass die Ostländer in Europa mehr Geld brauchen und mehr Direktzahlungen pro Hektar bekommen und die Zahlungen hier zurückgehen werden. Manche Betriebe wünschen sich, dass man ohne Auflagen frei wirtschaften und auf Prämien, direkte

Zahlungen, auf Bürokratie verzichten kann, um zurechtzukommen.

Insofern sind die derzeit diskutierten EU-Vorschläge bedenklich.

Wir haben jetzt eine Rückwärtsgewandtheit in der Diskussion zu den Beschlüssen, die wir in Brüssel erleben. Die Direktzahlung wird wieder an die Produktion gekoppelt. Ein Viertel des EU-Budgets wird bis 2020 in diesem Bereich festgezurrt. Der Staat wird stärker in die Märkte eingreifen können. Die Intervention wird hochgefahren. Wir sind wieder bei Preisstützungen, und wir haben eben keine beherzte Agrarwende, sondern das Greening, das hier genannt wird, überkleistert diese Rückwärtsgewandtheit in der gesamten Systematik. Grün in der Verpackung, Rückwärtsgewandtheit der Inhalt, so möchte ich es an dieser Stelle nennen.

Greening bedeutet generell für alle Betriebe, die die Direktzahlung bekommen wollen: Umbruchverbot,

Fruchtfolge und ökologische Vorrangflächen. Umbruchverbot und Fruchtfolgen sind, denke ich, selbstverständlich, obwohl ich die generelle Ablehnung, Grünland umzubrechen, nicht für unbedingt notwendig halte. Ökologische Vorrangflächen – das wird für die Betriebe schwierig werden. Was fällt darunter? Wie wird damit umgegangen? Denn plötzlich tauchen in diesem System der ersten Säule genau die Dinge auf, die wir eigentlich mit der zweiten Säule vorfinanziert haben. Dieses Durcheinander, dieses Neusortieren mit unserer Landesebene wird das große Problem.

Insofern gilt es hier, eine große Abstimmung durchzuführen: Was kommt aus Brüssel? Was wird auch im Bund unter den Bundesländern zu diskutieren sein? Das wird hoch spannend, gerade bei der derzeitigen Gefechtslage unter den Landwirtschaftsministern. Das Nächste ist: Was können wir in Sachsen machen? Ich stelle mir den Landwirtschaftsbetrieb vor, der am Ende dieser Kette steht, der die Dinge aushalten und plötzlich neue Kriterien erfassen muss. Bisher lief alles eingespielt gut durch, auch in den Büros der Agrarbetriebe.

Das ist jetzt anders. Jetzt kommen neue Anforderungen, neue Erfassungen und neue Datensätze, Datenbestände, die gepflegt werden müssen. Es gibt Kontrollen von den verschiedensten Stellen, da einmal die Direktzahlungen in Bezug auf diese Maßnahmen und zusätzlich die Länderprogramme kontrolliert werden müssen. Der Europäische Rechnungshof hat mindestens 15 % Mehrkosten in diesem Bereich errechnet. Diese kommen auf die Landwirte zu. Außerdem kommt hinzu: Wir haben auf 15 % der Fläche Extensivierungen, auf denen wir bei guten Marktpreisen eigentlich auch produzieren könnten. Der Finanzminister würde sich freuen. Dies alles sind Dinge, die man in unserem reichen Europa für andere Dinge, für den schönen Begriff Greening in Kauf zu nehmen scheint.

Fazit: weniger Geld, mehr Bürokratie, Uneinheitlichkeit in der EU. Jeder macht seins, und ob es für die Umwelt besser wird, im Gegensatz zu den Programmen, die wir zurzeit in Sachsen fahren – gerade die Agrarumweltpro

gramme sind lobenswert und freiwillig und werden von vielen eingesetzt –, möchte ich an dieser Stelle ganz stark bezweifeln.

Nun zur Frage: Was können wir tun? Wir sind in engem Kontakt mit unseren EU-Agrarpolitikern aus Sachsen – gerade Peter Jahr möchte ich ganz ausdrücklich nennen –, um zu verträglichen Lösungen zu kommen, um die Bundesdiskussion zu bestehen und selbstverständlich – dabei stehen wir auch den Bauern gegenüber im Wort – für Sachsen gute Entscheidungen zu fällen, was die hiesigen Programme betrifft. Wir wollen im Sinne der Betriebe das Schlimmste verhindern. Gerade auch Bürokratie muss funktional, erträglich und akzeptabel bleiben.

Bitte zum Ende kommen.

Ich denke, dieser Verantwortung werden wir uns stellen.

(Beifall bei der CDU)

Wird weiter von den Fraktionen das Wort gewünscht? – Bis auf Herrn Heinz liegt mir jetzt kein Redebeitrag mehr vor. Gut, dann Herr Abg. Heinz, bitte.