Beim Bund ist weiterhin die Kompetenz geblieben festzulegen, welche Pflichten es in der Gesellschaft gibt, die für das gedeihliche Zusammenleben der Menschen erforderlich sind, und wer gegen diese Grundpflichten verstößt, macht sich strafbar. Das ist nicht unsere Baustelle im Freistaat Sachsen, sondern wir haben zu sagen: Wie gehen wir mit der Strafe um? Dabei muss man sich auch die Funktionen der Strafe ansehen.
Sie soll einerseits repressiv wirken, indem sie die Rechtsordnung wiederherstellt. Sie soll aber auch in mehrfacher Hinsicht präventiv wirken, damit es nicht wieder zu Straftaten kommt. Das Rechtsbewusstsein soll gestärkt und das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsordnung wiederhergestellt werden. Zugleich soll sich der Täter nach der begangenen Tat wieder mit der Rechtsordnung versöhnen und – das ist besonders wichtig – befähigt werden, zukünftig ein Leben ohne Straftaten zu führen.
Diese unterschiedlichen Funktionen und Ansprüche an die Strafe prallen aufeinander, wenn man sich mit einem Strafvollzugsgesetz beschäftigt. Sie zusammenzuführen ist die Aufgabe dieses Gesetzes. Dieses schwierige und anspruchsvolle Vorhaben haben wir nun bei uns auf Landesebene, und es ist deshalb für mich ganz besonders wichtig, dass wir in dieser Legislaturperiode einen Gesetzentwurf beraten. Für mich ist es das wichtigste Gesetzesvorhaben, welches wir im Bereich der Justiz haben.
Herr Bartl, Frau Friedel und Frau Dombois haben darauf hingewiesen, dass es einen Musterentwurf für ein Straf
vollzugsgesetz gab. Dieser war schon ein deutlicher Fortschritt zum bisherigen Strafvollzugsgesetz. Ich möchte jetzt nicht alles wiederholen, insbesondere das standardisierte Diagnoseverfahren. Aber es gab einen Punkt, der bereits ganz deutlich in diesem Musterentwurf stand: der Aufbau eines Netzwerkes für die Zeit nach der Haftentlassung sowie die Therapie- und Trainingsmaßnahmen, um nach der Haftentlassung wieder Fuß in unserer Gesellschaft zu fassen.
Meine Damen und Herren! Die Verfassung gebietet es, den Strafvollzug auf das Ziel der Resozialisierung auszurichten. Jeder einzelne Gefangene hat einen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass man dem Resozialisierungsziel gerecht wird. Das Gebot der Resozialisierung folgt aus dem Selbstverständnis einer Rechtsgemeinschaft, die den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Werteordnung stellt und dem Sozialstaatsprinzip verpflichtet ist. Frau Friedel, ich gebe Ihnen in Teilen recht – leider ist sie nicht mehr da –: Ungeachtet finanzieller und organisatorischer Schwierigkeiten hat der Staat den Vollzug so auszustatten, wie es der Realisierung dieses Vollzugsziels dient. Dabei ist es unsere Aufgabe, in den nächsten Haushaltsverhandlungen die Werte, die Sie angesprochen haben, und die unterschiedlichen Bedürfnisse der Gefangenen im Strafvollzug materiell so auszustatten, dass wir das Resozialisierungsziel entsprechend umsetzen können.
An diesem Verfassungsgrundsatz haben sich auch die Abweichungen orientiert, die wir im Musterentwurf vorgenommen haben. Wir haben zum Beispiel die Mindestbesuchszeit von zwei auf vier Stunden verbessert und den Langzeitausgang ausdrücklich aufgenommen. Beides dient dazu, die sozialen Bindungen des Gefangenen zu erhalten, um so seine Wiedereingliederung nach Verbüßung der Straftat zu erleichtern.
Ein weiterer Punkt ist uns ebenfalls wichtig: Wir werden heute auch noch das Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz behandeln. Wenn wir uns schon über sperrige Rechtsbegriffe unterhalten, dann wird es bei der nächsten Debatte ebenso sein. Das Bundesverfassungsgericht hat uns aufgefordert, Täter, bei denen eine Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten ist, nicht einfach wegzuschließen, sondern bereits ihren Strafvollzug therapie- und freiheitsorientiert zu gestalten. Wir müssen bereits im Strafvollzug dafür sorgen, dass diese Menschen nicht in die Sicherungsverwahrung kommen, sondern diese vermieden wird. Diesem Anspruch wird das Strafvollzugsgesetz in diesem Gesetzesentwurf ebenfalls gerecht.
Ich begrüße es ausdrücklich, dass es Maßnahmen enthält, die zu einer Öffnung des Vollzuges und einer sehr frühzeitigen Orientierung nach draußen beitragen sollen. Gleiches gilt für die sehr frühzeitige Einbindung von Experten in die berufliche und soziale Eingliederung der Inhaftierten; denn nur das sichert, dass der Gefangene, wenn er wieder in Freiheit ist, auch entsprechend Fuß fasst und keine neuen Straftaten begeht. Die Planung für
Eine weitere Neuerung sieht vor – diese müssen wir inhaltlich noch ausgestalten –, dass wir Übergangseinrichtungen schaffen. In Ausnahmefällen, wenn nicht mehr gewährleistet ist, dass ein Gefangener nach seiner Haftentlassung eine Wohnung oder soziale Bindung hat, soll dieser bereits während der Haftzeit in eine entsprechende Übergangseinrichtung kommen, in der er auch nach Abschluss der Haftzeit noch verbleibt, bis er Fuß gefasst hat, um wieder auf eigenen Beinen stehen zu können.
Der Wiedereingliederung dienen auch Lockerungen. Der begleitete und der unbegleitete Langzeitausgang stellen wichtige Hilfen auf dem Weg zu einer erfolgreichen Wiedereingliederung dar – alles selbstverständlich unter der Prämisse, dass die Lockerungen nicht zu einer Entweichung oder zu neuen Straftaten genutzt werden. Ich habe es sehr begrüßt, dass der Musterentwurf die Zeit für einen ersten Langzeitausgang auch bei lebenslang Verurteilten auf fünf Jahre heruntergesetzt hat, und habe es bedauert, dass dies nicht mehrheitsfähig war.
Für die übrigen Lockerungen gilt ein abgestuftes System. Sie sollen gewährt werden, wenn sie für die Eingliederung erforderlich sind. Wir haben eine Neuerung hineingenommen, dass sie sechs Monate vor der voraussichtlichen Entlassung zu gewähren sind, wenn nicht eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Flucht oder einen Missbrauch dieser Lockerung vorliegt. Damit machen wir deutlich, dass die Lockerung spätestens ab dem sechsten Monat die Regel ist, die einzuhalten ist.
Ich möchte noch einige Worte zur Arbeit im Strafvollzug sagen. Es war ein Teil der Diskussion; Frau Dombois hat darauf hingewiesen, und wir haben lange um den richtigen Weg gerungen. Arbeit ist für mich ein wichtiger Teil des Strafvollzuges. Aber Arbeit ist für mich kein Selbstzweck. Arbeit soll die Qualifikation des Gefangenen erhalten bzw. eine Qualifikation beim Gefangenen schaffen, damit er nach seiner Entlassung wieder in die Arbeitswelt eingegliedert werden kann. Deshalb ist die beste Arbeit im Vollzug diejenige, die im offenen Vollzug in einem Betrieb außerhalb der Anstalt erfolgt.
Selbstverständlich ist für viele Gefangenen die Erwerbstätigkeit ein sehr wichtiger Bestandteil des Alltags, auch in der Justizvollzugsanstalt, weil sie eine Struktur in ihr Leben bringt und sich für sie positiv darstellt. Deshalb werden wir uns bemühen, bei den nächsten Haushaltsverhandlungen möglichst viele Mittel bereitzustellen, um diese Plätze im Justizvollzug zu schaffen.
Zu einer Arbeit in der Haftanstalt muss ein Gefangener motiviert werden. Er muss einsehen, dass die Arbeit für ihn positiv ist, weil sie seiner Resozialisierung dient.
Zwingen kann und sollte man ihn nicht; Frau Friedel hat darauf hingewiesen. Ein Gefangener muss das wollen, ansonsten funktioniert das Ganze nicht, und diesem trägt ebenfalls der Gesetzentwurf Rechnung.
Meine Vorredner haben bereits darauf hingewiesen, dass wir eine Sachverständigenanhörung hatten, in der wir sehr ausführliche Sachverständigenberichte bekommen haben. Bei der Beratung über diese Änderungsvorschläge hat sich gezeigt, wie richtig die Entscheidung war, den Strafvollzug in Länderkompetenz zu übertragen. Es konnten Erfahrungen mit dem sächsischen Strafvollzug aus unterschiedlichen Perspektiven eingebracht werden – ob als Anstaltsbeirat, Anstaltsleiter oder Strafverteidiger. In den Diskussionen zeigten sich auch die unterschiedlichen Funktionen der Strafe, wie ich sie eingangs dargestellt habe. Die Sachverständigenanhörungen auswertend, haben wir diese unterschiedlichen Funktionen in einen guten Ausgleich miteinander gebracht.
Ich möchte noch auf wenige, aber sehr praxisrelevante kleine Punkte hinweisen. Wir haben zum Beispiel in unseren Änderungsantrag aufgenommen, dass Strafverteidiger nicht mehr durchsucht werden, wenn sie in einer Haftanstalt ihre Mandanten besuchen. Dies ist ein Ausdruck dafür, dass ein Rechtsanwalt ein Organ der Rechtspflege ist und ihm grundsätzlich vertraut werden muss.
Wir haben darauf hingewirkt, dass, selbst wenn die Anstalt Rundfunkgeräte als Mietgeräte bereitstellt, jeder Gefangene einen kostenlosen Zugang zum öffentlichen Rundfunk hat.
Ein Punkt, der mir sehr wichtig war, ist, dass wir mit antiquierten Disziplinarmaßnahmen Schluss gemacht haben, zum Beispiel Arrest oder völlige Entziehung des Aufenthalts in Freiheit. Einen Knast im Knast braucht kein Mensch mehr. Es ist gut, dass das vorbei ist.
Auch ich möchte mich dem Dank an unseren Koalitionspartner für die konstruktiven und sehr langen Diskussionen anschließen. Wir haben immer darum gerungen, was für die Gefangenen in Sachsen das Beste ist und wie wir gleichzeitig das weitere Ziel – der Schutz der Bevölkerung – miteinander in Einklang bringen. Wir hatten öfter unterschiedliche Standpunkte, haben es manchmal anders gesehen, aber ich glaube, wir sind zu einem guten Ausgleich gekommen und haben einen guten Entwurf gefunden.
Bedanken möchte ich mich auch beim Justizministerium, insbesondere bei den Mitarbeitern, die an der Erarbeitung des Entwurfes mitgewirkt haben und für unsere vielen Änderungsanträge, Wünsche und Bewertungen zur Verfügung standen und das mit begleitet haben. Ich glaube, es war eine sehr kurze Zeit für das, was wir
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf haben wir ein modernes Strafvollzugsgesetz mit einer sächsischen Handlungsvorschrift vorgelegt. Ich bitte um Ihre Zustimmung und beantrage eine Eilausfertigung des Gesetzes; denn wir haben eine Umsetzungsfrist bis zum 31. Mai dieses Jahres für das Gesamtkonzept und das erreichen wir nur mit einer Eilausfertigung.
Vielen Dank, Herr Biesok. Nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Frau Abg. Herrmann. Frau Herrmann, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf die Genese des Gesetzentwurfes, der uns heute zur abschließenden Beratung im Plenum vorliegt, sind die vor mir sprechenden Kolleginnen und Kollegen schon ausführlich eingegangen.
Eine wesentliche Prämisse der Auseinandersetzung mit der Aufgabe, ein Strafvollzugsgesetz in Länderhoheit zu verfassen, war die Aufgabe, nicht hinter das Vollzugsgesetz des Bundes zurückzufallen. Das war der Ausgangspunkt für die Debatte zum Strafvollzugsgesetz in Sachsen. Es gab wiederholt Gelegenheit, dass sich die Kollegen der verschiedenen Fraktionen zu Ihren Vorstellungen austauschen konnten. Wie die anderen Kollegen auch, möchte ich mich hier bedanken und auch herausstellen, dass es in der Diskussion zu diesem Gesetz eine sehr konstruktive Zusammenarbeit gab. In sehr vielen Fragen sind wir uns nahe, wenn nicht gar einig.
Selbstverständlich bleiben immer Kritikpunkte übrig, auf die die Kollegen bereits eingegangen sind. Ich möchte den § 2 des Vollzuges noch einmal benennen, auf den Herr Bartl schon eingegangen ist. Wenn Resozialisierung Ziel des Vollzuges ist, muss das auch so klar im Gesetzentwurf gesagt werden. Die sprachliche Regelung, die jetzt gefunden worden ist, drückt das nicht aus. Das ist ein Punkt – Herr Bartl hat es zitiert –, der in der Anhörung deutlich geworden ist. Das ist ein Kritikpunkt auch von uns, sodass wir sagen: Diese Regelung können wir nicht teilen. Wir wünschen uns, dass Resozialisierung im Strafvollzugsgesetz tatsächlich an erster Stelle steht, wie es der Anspruch sein sollte und den der Mustergesetzentwurf auch hatte. Dass wir dann, wenn wir die einzelnen Paragrafen ansehen, verfolgen können, dass Resozialisierung einen hohen Stellenwert hat, ist unbenommen. Aber dann sollte es auch am Anfang so ausgedrückt werden.
Auch darauf sind die Kollegen bereits eingegangen: das standardisierte Diagnoseverfahren und der Wert der Behandlungsmaßnahmen, die Arbeit gleichgestellt sind
und damit eine – wenn auch geringe – Vergütung erfahren. Damit kann der Motivation der Gefangenen ein Schub verliehen werden, sich einer Behandlungsmaßnahme zu stellen, die nicht immer einfach ist. Wenn ich dafür bestraft werde, weil ich nicht gleichzeitig arbeiten kann, ist das sicher keine Motivation. Das ist jetzt geändert worden und das begrüßen wir.
Kritik gilt dem Langzeitausgang; der Kollege der FDP ist darauf eingegangen. Hier sind wir hinter den Musterentwurf zurückgefallen, indem wir im Entwurf für Langstrafler eine Frist von zehn Jahren angesetzt haben, bis dieser Langzeitausgang möglich wird. Das hätte ich mir anders gewünscht.
Das Netzwerk nach Haftentlassung ist auch schon angesprochen worden. Ich möchte deshalb darauf eingehen, weil die Voraussetzungen dafür auch geschaffen werden müssen. An einer anderen Stelle diskutieren wir darüber, wo die zukünftige Strafvollzugsanstalt sein soll, welche Größe sie haben soll usw. Es ist unbedingt notwendig, dass die Menschen, die in diesem Netzwerk tätig werden sollen, die Gelegenheit bekommen, während der Haft in die Vorbereitung der Haftentlassung ausreichend einbezogen zu werden. Deshalb müssen wir in den folgenden Diskussionen diesen Gesetzentwurf mit seinen Ansprüchen zugrunde legen und zum Beispiel im Haushalt andere Dienste so ausstatten, dass sie in diesem Netzwerk mitarbeiten können.
Ich möchte auf die bei allen Kollegen angeklungene Kritik der Finanzierung der Ausstattung des Strafvollzuges eingehen. Die Ausstattung muss sich am Gesetzentwurf messen. Wir müssen dafür sorgen, dass dieser Gesetzentwurf umgesetzt werden kann. Die Kollegen haben zitiert, was im Vorblatt unter dem Punkt Kosten steht. Bei einer gleichbleibenden Ausstattung des Justizvollzuges mit Fachdienstkräften wird der angestrebte Qualitätszuwachs für eine bestimmte Gefangenengruppe – für jene, die besonders schwere Straftaten begangen haben bzw. in Diagnoseverfahren negativ eingeschätzt werden – mit verringertem Aufwand bei anderen Gefangenen verbunden sein. Das kann man so natürlich nicht hinnehmen, und deshalb müssen wir uns in nachfolgenden Debatten und Verhandlungen zum Haushalt dafür einsetzen, dass der Strafvollzug stärker berücksichtigt wird.
Wenn wir sehen, dass es laut Stellenplan bei den Landesbediensteten einen Abbau von 17 000 Stellen geben soll und wir über Altersabgänge 20 000 Stellen abbauen werden, dann können 3 000 Stellen neu besetzt werden. Diese 3 000 Stellen, die wir zu besetzen haben, sind für Einstellungen im Bereich Polizei vorgesehen. Für den Strafvollzug besteht im Moment, wie der Stellenplan geschrieben ist, keine Möglichkeit, zusätzliche Bedienstete einzustellen. Im Gegenteil: Der Stellenabbau wird dazu führen, dass wir dort zu wenige Mitarbeiter haben.
Der Dank an die Mitarbeiter in der schwierigen Situation, in der sie manchmal sind, ergeht auch deshalb, weil sie ihrem Anspruch gerecht werden wollen, zum Beispiel die entsprechenden Aufschlusszeiten zu gewährleisten. Das
ist nicht möglich, wenn der Krankenstand relativ hoch ist. Eine Kleine Anfrage von mir hat gezeigt, dass dem im Strafvollzug so ist. Wir müssen bessere Bedingungen für die Bediensteten schaffen, damit sie ihrer Aufgabe gerecht werden können und damit wir mit diesem Gesetzentwurf nicht nur die Grundlage legen für einen Strafvollzug, der sich an Resozialisierung orientiert, sondern damit diese Prämisse im tatsächlichen Vollzug durchgehalten werden kann.
Ich habe meiner Fraktion empfohlen, diesem Gesetzentwurf trotz der Bedenken hinsichtlich der Finanzierung zuzustimmen, weil die Grundlagen für einen modernen Vollzug mit diesem Gesetzentwurf gegeben sind.
Vielen Dank, Frau Herrmann. Nun die NPD-Fraktion; Herr Abg. Dr. Müller. Sie haben das Wort, Herr Dr. Müller.
Vielen Dank, Herr Präsident! Um es vorwegzunehmen: Inhaltlich wird die NPDFraktion dem vorliegenden Gesetzentwurf mit den Änderungen des Ausschusses zustimmen.