Vielen Dank, Herr Präsident! Um es vorwegzunehmen: Inhaltlich wird die NPDFraktion dem vorliegenden Gesetzentwurf mit den Änderungen des Ausschusses zustimmen.
Aber – das muss auf alle Fälle gesagt werden – der vorliegende Gesetzentwurf ist ein beredtes Beispiel dessen, was die sogenannte Föderalismusreform an Lebensfremdheit und auch an Lächerlichkeit in die deutsche Rechtswirklichkeit eingebracht hat. Wenn das Strafgesetzbuch die Tatbestände, nach denen sich die Strafbarkeit eines Verhaltens richtet, bundeseinheitlich regelt – ich betone: völlig zu Recht bundeseinheitlich regelt – und während die Strafprozessordnung auch die Spielregeln für das Prozedere des Strafverfahrens ebenso bundeseinheitlich regelt, soll nun der dritte Baustein des Strafrechts, die Strafvollstreckung, ihrer Bundeseinheitlichkeit entkleidet sein und den Ländern obliegen.
Das bedeutet, die Konsequenzen einer Straftat hängen in Zukunft davon ab, wo der Täter seinen Wohnsitz hat und wo sich der Tatort befindet. Mit anderen Worten: Die Föderalismusreform motiviert den Verbrecher, seinen Wohnsitz und seinen Tatort in Zukunft danach auszurichten, wo er im Falle seiner Ermittlung und Bestrafung die für ihn geringsten Konsequenzen zu tragen hat. Das ist doch lächerlich.
Die Verbrecherfantasie wird also von Ihnen in eine völlig neue Richtung gelenkt, die weder dem Präventionsgedanken noch dem Schutz der Gesellschaft Rechnung trägt. Im Gegenteil: Indem in Zukunft 16 Bundesländer 16 verschiedene Vollzugsgesetze haben, leisten sie einem Verbrechertourismus Vorschub, der in Zukunft einen Wettbewerb um die Haftplätze in den beliebtesten Vollzugsanstalten auslösen wird.
Die NPD-Fraktion hat aber auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht Bedenken, und diese richten sich weniger gegen das heute vorgelegte Vollzugsgesetz als solches, sondern vor allem gegen die diesem Gesetz zugrundeliegende
Kompetenzzuweisung beim Strafvollzug auf die Länder. Denn wenn es in Artikel 3 Grundgesetz heißt – Zitat – „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“ und wenn Artikel 104 Abs. 1 Grundgesetz bestimmt – Zitat – „Die Freiheit der Person kann nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden“, dann stellt sich schon die Frage: Wo ist die verfassungsrechtlich gebotene Gleichheit beim Strafvollzug, die wie keine andere staatliche Maßnahme gerade in die Freiheit der Person eingreift und diese begrenzt?
Gleichheit vor dem Gesetz bedeutet immer auch maximale Einheitlichkeit – jedenfalls aber dann, wenn nicht nachvollziehbare Gründe eine unterschiedliche Behandlung gleicher Fälle erforderlich machen. Welche Gründe soll es aber geben, einen Verbrecher in Sachsen anders zu behandeln als einen gleichartigen Verbrecher in Thüringen oder im Saarland zum Beispiel?
Meine Damen und Herren, wenn Sie aufrichtig sind, werden Sie zugeben müssen, dass Föderalismus bei allem Hurra auf die Subsidiarität auch seine Grenzen haben muss. Selbstverständlich ist die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag daran interessiert, dass der Vollzug der Freiheitsstrafe und des Strafarrests die notwendige rechtliche Ausgestaltung erhält. Wir werden, wie bereits angesprochen, dem heutigen Gesetzentwurf daher auch zustimmen. Aber wir sind eindeutig gegen den Irrsinn des von Ihnen betriebenen Föderalextremismus, der Ihren Gesetzentwurf überhaupt erst nötig macht.
Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Gibt es Redebedarf für eine weitere Runde aus den Reihen der Fraktionen? – Herr Abg. Schiemann. Sie haben das Wort, Herr Schiemann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstverständlich ist uns ein Strafvollzug im Freistaat Sachsen wichtig, der sich an den rechtsstaatlichen Grundsätzen misst. Ich bin davon überzeugt, dass wir einer Meinung sind, wenn ich sage, dass wir keine amerikanischen Verhältnisse in unseren Haftanstalten haben wollen. Wir wollen keinen Verwahrvollzug. Wir wollen einen Vollzug mit Resozialisierung. Ich glaube, dass dieser Gesetzentwurf das ganz deutlich anspricht. Resozialisierung soll an erster Stelle stehen.
So komme ich zu § 2. Die Änderung, die wir zu § 2 im Ausschuss beschlossen haben, belässt die Grundsätze, die vorher im Gesetzentwurf festgeschrieben worden sind. Das heißt, der Vollzug dient dem Ziel, die Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Er hat die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen; das wäre dann der zweite Satz. Dies wird durch eine zielgerichtete
und wirkungsorientierte Vollzugsgestaltung sowie sichere Unterbringung und Beaufsichtigung der Gefangenen gewährleistet. – Damit steht der Resozialisierungsansatz an erster Stelle. Dass die Gefangenen sicher untergebracht werden müssen, ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Wir brauchen keine Spaziergänger aus den Haftanstalten, wie das gestern passiert ist.
Das bedeutet, wir brauchen eine sichere Unterbringung. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Ansonsten brauchen wir kein Gefängnis.
Der zweite Punkt: Die Grundlage für jegliche Resozialisierung ist mit Arbeit verbunden. Jeder Mensch – ob in der Haft oder außerhalb der Haft – kann nur existieren, wenn er Arbeit hat. Das macht das Wesen Mensch aus: dass wir Arbeit brauchen, um zu leben, um soziale Kompetenz auszustrahlen, um Kultur zu erleben, um Mensch zu sein. Ohne Arbeit kann niemand richtig Mensch sein.
Wir wissen – das war ein zentraler Punkt, über den wir auch mit unserem Koalitionspartner sehr lange diskutiert haben –, dass wir keine Zwangsarbeit beschreiben dürfen, das ist verboten, darüber sind wir uns einig. Jedoch müssen wir alles dafür tun, dass diejenigen, die lange im Gefängnis gesessen haben, nach der Haft eine Chance haben, uns nicht wieder in Haft zu begegnen. Deswegen brauchen wir Arbeit in der Haftanstalt. Wir brauchen nicht viele Maßnahmen, die nur zum Durchbrechen genutzt werden, sondern der Häftling muss einen Tagesablauf haben. Er muss früh aufstehen. Er muss zur Arbeit gehen. Er muss auch ermüdet von der Arbeit zurückkommen. Erst dann kann er sich seinen Hobbys widmen.
Es ist ein ganz normaler Grundsatz. Man muss doch nur mal schauen, mit welchem Lebenssystem der Häftling konfrontiert wird, wenn er nach Verbüßung der Haft aus der Haftanstalt kommt: mit dem von Millionen Menschen, die täglich früh aufstehen müssen, die täglich arbeiten gehen müssen und die auch für ihre eigene Wohnung Sorge tragen müssen. Das muss man in der Haftanstalt üben. Wenn jemand drei Jahre in der Haftanstalt ohne Arbeit bleibt, dann kann niemand von ihm erwarten, dass er nach Verbüßung der Haft sofort in ein Arbeitssystem eindringen kann. Das funktioniert nicht. Es wäre Illusion. Deswegen war es für uns als CDU-Fraktion ganz wichtig, auch das Thema Arbeit zu beschreiben.
Der in jetzt geänderter Form vorliegende § 22 sagt ausdrücklich, dass den Gefangenen nach Möglichkeit ihrer Fähigkeiten angemessene Arbeit übertragen werden soll. „Nach Möglichkeit ihrer Fähigkeiten“ ist die Zusammenbindung – nach Möglichkeit ihrer Fähigkeiten.
Weder das Justizministerium noch jemand anderes, noch die Haftanstalt hat die Möglichkeit, Arbeitsplätze aufzubauen. Die Staatsregierung ist gefordert, mehr Arbeitsplätze vorzuhalten – auch mit dieser Formulierung –, weil
es für uns der zentrale politische Grundsatz der Resozialisierung ist. Deshalb haben wir diesen Änderungsantrag als Kompromiss mit der FDP-Fraktion im Ausschuss auf den Weg gebracht. Für uns ist es eben nicht so, wie Kollege Bartl es angesprochen hat: dass wir ein Wenig an Arbeit wollen. Wir wollen Arbeit – ich wiederhole es noch einmal – nach Möglichkeit ihrer Fähigkeiten. Das ist die Wortverbindung. Es geht nicht um die Möglichkeiten der Haftanstalt. Nein, die Haftanstalt ist verpflichtet.
Wir wissen – wir haben es auch in den Gesprächen im Ausschuss gesagt –, dass jeder Justizminister daran interessiert sein wird, so viel Arbeit wie möglich vorzuhalten. „So viel wie möglich“ bedeutet nicht, dass sich jemand zurücklehnen kann. Noch einmal – Lesart –: nach Möglichkeit ihrer Fähigkeiten. Damit habe ich, glaube ich, zu § 22 alles gesagt.
Letzter Punkt: Meine sehr geschätzte Kollegin Frau Andrea Dombois hat am Schluss ihrer Rede gesagt: Haftanstalten oder Verbüßung von Haft ist nicht zum Nulltarif zu bekommen. Das möchte ich noch einmal unterstreichen. Ich bin der Staatsregierung sehr dankbar, dass sie mit diesem Gesetzentwurf für Mehrausgaben in bedeutender Höhe sorgt, damit sich hinterher niemand beklagt.
Es sind Mehrausgaben in bedeutender Höhe, die mit Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs auf den Weg gebracht werden. Vielleicht haben die Finanzer sich auch den Gesetzentwurf nicht eindeutig durchgelesen.
Aber wir haben ja jetzt die Mehrheiten in den Ausschüssen erreicht. Ich wollte das noch einmal ansprechen – Kollege Biesok hat dies schon getan –, wir werden im Haushalt darüber reden. Da bin ich für die CDU-Fraktion anderer Meinung. Der Gesetzentwurf tritt mit Eilausfertigung zumindest im Monat Juni in Kraft. Das heißt, die Staatsregierung ist verpflichtet – der Staatsminister der Finanzen genauso wie der Staatsminister der Justiz –, diese Mehrausgaben bereits im Juni zu kalkulieren und entsprechend auf den Weg zu bringen.
Ich glaube, nicht alle hier im Saal haben begriffen, dass Strafvollzug nicht zum Nulltarif zu haben ist, und dieser Gesetzentwurf wird entsprechende Kosten nach sich ziehen.
Ich denke, ich habe mit der Erläuterung zu den §§ 2 und 22 sowie zu den Kosten für Klarheit gesorgt.
(Beifall bei der CDU und ganz vereinzelt bei der FDP – Beifall der Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE, Sabine Friedel, SPD, sowie des Staatsministers Dr. Jürgen Martens)
Vielen Dank, Herr Schiemann. – Meine Damen und Herren, gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Fraktionen? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage jetzt die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Selbstverständlich, Herr Staatsminister Dr. Martens; bitte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihnen liegt heute der Entwurf des Sächsischen Strafvollzugsgesetzes mit Änderungsanträgen des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses vor. Dies stellt zusammen mit dem Gesetzentwurf über den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung den bedeutendsten Schritt in der gesetzlichen Neuordnung des sächsischen Justizvollzuges dar.
Bekanntlich haben wir seit 2006 im Zuge der Föderalismusreform die Gesetzgebungskompetenz auf Landesebene erhalten, und anders als der Redner der NPD sehe ich hier keinen Anlass, einen – wie es hieß – Verbrechertourismus zu befürchten, nur weil man sich die unterschiedlichen Strafvollzugsgesetze der Länder anschaut, um dann zu entscheiden, wo man eine Straftat begeht. Eine solche Annahme geht an den wirklichen Lebensverhältnissen weit vorbei, und ich kann Ihnen versichern, die Haftanstalten des Freistaates Sachsen sind im Übrigen voll von Leuten, die dachten, sie werden nicht erwischt.
Meine Damen und Herren, aufgrund eines Urteils des Verfassungsgerichts haben wir bis Ende 2007 die Grundlage für den Jugendstrafvollzug in Gesetzesform geschaffen. Anfang 2008 trat das Gesetz in Kraft. Angesichts der spärlichen Regelungen der Strafprozessordnung zum Vollzug der Untersuchungshaft ist Anfang 2011 das Sächsische Untersuchungshaftvollzugsgesetz in Kraft getreten.
Nach Erledigung dieser sogenannten Pflichtaufgaben war es nur folgerichtig, sich auch mit einer Überarbeitung des seit 1977 geltenden Strafvollzugsgesetzes des Bundes zu befassen. Auch hier hat sich der Freistaat Sachsen an einer Arbeitsgruppe von mehreren Ländern beteiligt mit dem Ziel, einen Mustergesetzentwurf für ein Landesstrafvollzugsgesetz zu schaffen. Der Musterentwurf profitiert deutlich vom länderübergreifenden Austausch, von Sachverstand und Erfahrungen. Dieser Musterentwurf ist in meinem Haus sächsischen Besonderheiten angepasst worden, etwa bei der Möglichkeit eines optionalen Überbrückungsgeldes und durch die im Rahmen von Anhörungen weiter vorgenommenen Modifizierungen.
Meine Damen und Herren, der Entwurf regelt jetzt eine Resozialisierung, die an den individuellen Bedürfnissen der Gefangenen orientiert wird und gleichzeitig die erforderliche Sicherheit in den Anstalten gewährleistet. Dieser Entwurf trägt allen rechts- und sozialstaatlichen Anforderungen Rechnung, wie etwa den Empfehlungen des Europarates zum Justizvollzug. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
Eine andere Selbstverständlichkeit möchte ich aufgrund ihrer Bedeutung hier noch einmal deutlich erwähnen: Jeder Freiheitsentzug muss zugleich auch menschenwürdig ausgestattet sein. Unsere Verfassung gibt jedem – auch einem Strafgefangenen – einen individuellen Anspruch auf eine menschenwürdige Behandlung als Subjekt mit eigenen Rechten und Bedürfnissen und nicht nur als Objekt eines Verwahrvollzuges.
Darüber hinaus ist mir am Entwurf Folgendes besonders wichtig: Ziel des Vollzuges ist die Resozialisierung der Gefangenen, die befähigt werden sollen, künftig ein Leben ohne Straftaten, ein Leben in sozialer Verantwortung zu führen. Gleichzeitig ist es Aufgabe des Vollzuges, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen. Insgesamt wird dies durch eine zielgerichtete und wirkungsorientierte Vollzugsgestaltung sowie sichere Unterbringung und Beaufsichtigung der Gefangenen gewährleistet, wie es in § 2 Satz 3 des Gesetzes heißt.
Aber anders, als Kollege Bartl es vermutet hat, wird mit dieser Regelung keine Verschiebung von Prioritäten im Strafvollzug vorgenommen; denn der 3. Satz bezieht sich nur auf die vorangegangenen Sätze 1 und 2 und beschreibt, wie das Ziel der Sätze 1 und 2 erreicht werden wird.