Ich sage auch ganz klar: Wir GRÜNE wollen keine Ersatzpolizei, wir wollen keine Hilfssheriffs, wir wollen der Bevölkerung keine falschen Hoffnungen mit noch mehr Kooperation und noch mehr Sicherheitsfirmen und irgendwelchen rechtlichen Möglichkeiten machen. Wir wollen mehr gut ausgebildete echte Polizistinnen und Polizisten, und wir wollen die Kapazität mit Interventionszeiten kontrollieren. – Mehr dann bei Einbringung des Änderungsantrages.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser elende Berichtsantrag der beiden Regierungsfraktionen ist gleich in mehrfacher Hinsicht ein erschütterndes Zeugnis. Er ist das Eingeständnis, auf allen Ebenen der Bekämpfung der Kriminalität, die den Menschen in Sachsen wirklich zu schaffen macht, versagt zu haben. Er ist aber darüber hinaus das Eingeständnis, auch nicht einen einzigen Lösungsansatz zu haben, um dieses in vielen Bereichen selbstgemachte Kardinalproblem wenigstens lindern, geschweige denn lösen zu können.
Dieser Antrag ist in seiner Hilflosigkeit und Offenherzigkeit ein geradezu historisches Dokument des Versagens. Er ist ein Dokument der Selbsttäuschung und einer beispiellos zwanghaften Uneinsichtigkeit in das Notwendige.
Ja, Herr Staatsminister Ulbig, jetzt nützen Ihnen Ihre Verrenkungen und schwülstigen Presseerklärungen nichts
mehr. Inzwischen imponieren den Menschen hier in Sachsen die monatlich seitenweisen Aufzählungen der erfolgreichen Bekämpfung und Übermalung von kleinen Hakenkreuzschmierereien an Bushaltestellen nicht mehr, und die Sachsen verlieren langsam die Fassung insbesondere in den Grenzgebieten, wenn sie lesen, dass die Polizeipräsenz jedes Jahr weiter ausgedünnt wird, die Stellenanzahl zur Bekämpfung der nationalen Opposition und zur Beschäftigung Ihres alten Volkspolizeimajors Bernd Merbitz aber weiter aufgestockt wird.
Sie sind als der für die innere Sicherheit zuständige Ressortleiter selbst das größte Sicherheitsproblem für die Sachsen.
Jeder Unternehmenschef mit einer solch erbarmungswürdigen Bilanz wie Sie müsste umgehend seinen Hut nehmen. Aber offenbar ist auch aus der Sicht der nach links gewendeten CDU nicht die innere Sicherheit, sondern die politische Bekämpfung der nationalen Opposition die Hauptaufgabe eines sächsischen Innenministers.
Wir wissen alle, Herr Staatsminister Ulbig, dass Ihr ganz persönliches Anliegen, der Kampf gegen rechts, Ihre fragwürdige Schlüsselkompetenz ist, die Sie überhaupt erst in den Ministersessel befördert hat.
10,8 % mehr Straftaten als vor einem Jahr, manche Delikte stiegen um 25, ja um 30 %. Selbst die Tagespresse, die oft im Gleichklang mit der Politik vieles je nach Zweckmäßigkeit schönredet oder verschweigt, weiß es besser als die Regierungsfraktionen. So titelte die Tageszeitung „Die Welt“ am 14. Mai: „Erstmals mehr als 500 000 ausländische Straftäter! Gründe sind der Wohlstand in Deutschland und die offenen Grenzen.“ Die Ursachen sind jedem bekannt, sie sind statistisch nachweisbar. Sie sind bei der Befragung der Betroffenen hörbar, bei Bürgern, bei Unternehmern.
Das Einzige, was Sie jetzt anzubieten haben, ist wieder nur ein Berichtsantrag. Wieder sollen irgendwelche Daten zusammengetragen werden, wieder soll evaluiert werden, wieder sollen Handlungskonzepte entworfen werden, wieder soll Prävention betrieben werden, wieder soll die Zusammenarbeit von Kommunen und Landkreisen, aber auch von Unternehmen der Sicherheitswirtschaft verbessert werden, wieder fällt der Blick auf die kriminalpräventiven Räte, wieder werden die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit geprüft, wieder sollen europäische Regeln umgesetzt und weitere Möglichkeiten der Kooperation geprüft werden – und wie der ganze seit Jahren durchgequirlte Quark auch heißen mag.
Neu ist nur, dass Sie sich mit der Polizei wieder ein Stück aus der Verantwortung zurückziehen und private Sicherheitsdienste einbinden wollen.
Die Privatisierung hoheitlicher Aufgaben ist nicht nur rechtlich umstritten. Sie ist ein verheerendes Signal
wachsender polizeilicher und damit auch staatlicher Impotenz. Eine solche Privatisierung ist falsch. Auch dafür werden Sie bei der nächsten Wahl die wohlverdiente Quittung bekommen.
Auf eines aber haben Sie redlich Anspruch, Herr Staatsminister: Von einer medizinischen Fakultät hier in Sachsen den Ehrendoktorhut zu erhalten für den größten landesweiten Placeboeinsatz in Reden und Medien, vielleicht aber auch den Doktor honoris causa im Bereich der Psychologie für Ihre meisterhafte Selbsttäuschung und den dreisten Versuch der Massensuggestion, weil Sie den Menschen hier einreden wollen, die Kriminalität sei nur gefühlt, aber letztendlich nicht real.
Wenn Ihnen dazu nichts mehr einfällt, dann verschonen Sie die Sachsen bitte mit Ihrer Einfalt und treten Sie zurück, um wenigstens einen Rest an persönlicher Würde zu bewahren. Wenn Sie aber tatsächlich irgendetwas real bewirken wollen, dann befolgen Sie endlich die praktischen Ratschläge, die Ihnen die NPD-Fraktion seit Jahren hier auch im Landtag zur Grenzkriminalität mit auf den Weg gegeben hat.
und Sie sind durch ein vor Jahren stattgefundenes familiäres Ereignis traumatisiert. Aber es kann nicht sein, dass der Innenminister des Freistaates Sachsen dessen Bewohner darunter leiden lässt, dass er ein Problem mit der nationalen Opposition hat und deswegen nicht in der Lage ist, vernünftige Ratschläge anzunehmen und auch umzusetzen.
Max Weber hat einmal sinngemäß gesagt: „Wer ein Übel erkannt hat und nichts zu dessen Bekämpfung unternimmt, ist an dessen Verbreitung schuld.“ Sie, meine Damen und Herren von der linksgewendeten CDU und FDP, sind maßgeblich mit schuld an der Verbreitung und Zunahme der Kriminalität hier in Sachsen. Das wird die zukünftigen Wahlen weit mehr beeinflussen als Ihre selbstgefällige Selbstbeweihräucherung und Ihr Kampf gegen die NPD. Wir sagen es Ihnen zum letzten Mal: Taten statt Worte, Maßnahmen statt Evaluation. Dieser hanebüchene Antrag ist abzulehnen.
Meine Damen und Herren! Mir liegen noch Wortmeldungen für eine zweite Runde vor. Ich rufe Herrn Hartmann von der CDU-Fraktion auf. Herr Hartmann, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich versuche es noch einmal deutlich zu machen.
Als Erstes in Richtung Herrn Storr: Sie können die Entwicklung des letzten Jahres natürlich in der Form dramatisieren und sich so hinstellen und ein Totalversagen formulieren. Tun Sie es, es wird Ihnen politisch wenig nützen.
Wenn Sie sich die Kriminalitätsentwicklung im Freistaat Sachsen von 1991 bis heute anschauen, dann werden Sie feststellen, dass wir Zeiten haben, in denen wir in bestimmten Regionen und in bestimmten Delikten auch immer Zunahmen und Abnahmen zu verzeichnen haben. Wir können feststellen, wenn wir die Kriminalitätsentwicklung Mitte der Neunzigerjahre und die heutigen Zahlen vergleichen, dass wir deutlich unter diesen Werten liegen.
Wir haben in der Tat, nachdem wir erfolgreich und sehr zufrieden fast 15, 16 Jahre eine permanente Abnahme der Kriminalitätsentwicklung hatten, jetzt einen Anstieg zu erleben. Die erfolgreiche Entwicklung ist sicher das Verdienst der Polizei und sicher auch ein Verdienst der gesamtgesellschaftlichen Situation. Jetzt sind wir in der Situation, dass etwas anwächst, auch im grenznahen Raum. Das hat möglicherweise auch etwas mit dem Wegfall der Grenzkontrollen zu tun, mit deutschen Straftätern und mit ausländischen Straftätern. Mit dieser Situation müssen wir klarkommen.
Diese Außengrenze ist nicht nur eine Grenze zwischen Ländern, sondern auch zwischen wirtschaftlichen Situationen, gerade wenn man hinter die Grenze schaut. Deswegen bedarf es einer intensiven Zusammenarbeit mit den Tschechen und auch den Polen, ihren Sicherheitsbehörden und der Politik. Das muss ein durch Verständnis getragener Prozess sein, weil ein gegenseitiges Kritisieren und Vorwerfen diesen Prozess nicht nach vorn bringt. Ich glaube, dieser Dialog, der ein sehr zarter und schwieriger ist, ist in den letzten zwei Jahren sehr erfolgreich gelaufen. Ich glaube, dass auch mit dem Hofer Dialog eine ganze Menge gewonnen wurde. Hier sage ich danke an den Minister.
Vielleicht erlauben Sie mir ein paar Bemerkungen zu den Ausführungen der Opposition. Herr Hahn, Frau Friedel, Frau Jähnigen, ich versuche das ein bisschen inhaltlich aufzunehmen.
Ja, wir haben die Revierstruktur geändert. Ja, es gibt deutlich weniger Reviere. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, das Revier ist die eine Wahrheit, die Polizeistandorte, die Struktur in der Fläche ist die andere Wahrheit. Wir haben in der Fläche mit Stand vom letzten Jahr mit der Reduktion der Reviere keinen Polizeibeamten vor Ort weggenommen.
Ja, wir verändern die Polizeistärke und bauen Stellen ab. Ja, wir haben in den vergangenen Jahren eine Polizeidirektion an Stellenabbau gehabt. Mit Blick auf die Zukunft werden es sicherlich – so ist es zumindest in der Planung vorgesehen – 1,5 Polizeidirektionen sein, wenn man es in Stärkestrukturen sieht. Aber wir haben auch einen Ver
gleich zu anderen Bundesländern. Wenn wir uns die Strukturen im Vergleich zu anderen Bundesländern anschauen, dann ist die Anzahl im Polizeivollzugsdienst in den neuen Bundesländern und auch in Sachsen immer noch deutlich höher als in anderen Bundesländern. Da sei doch bitte die Frage gestattet: Was unterscheidet sie von uns? Das ist doch nicht die Außengrenze und sind nicht besonders schwierige Leute. Nein, es unterscheidet sie von uns, dass sie in verschiedenen Bereichen eine andere Struktur, eine andere Sicherheitsarchitektur haben. Wenn Sie zum Beispiel nach Bayern und Hessen schauen, dann werden Sie feststellen, dass die Polizeibehörden ihre Aufgaben anders wahrnehmen als in Sachsen bzw. in verschiedenen Landkreisen bei uns.
Zum Thema schlechtbezahlteste Polizisten, Stellenabbau und mangelnde Motivation ist schon bezeichnend, dass Sie in Sachsen diesen Diskurs führen. Herr Hahn, in den Ländern Berlin und Brandenburg, in denen Sie in der Verantwortung standen oder stehen, haben wir aber noch deutlich schlechter bezahlte Polizisten und einen intensiven Stellenabbau.
Versuchen Sie also, nicht immer nur auf Sachsen zu zeigen. Lassen Sie es uns auch im Gesamtkontext der Bundesländer anschauen.
Wir verändern die Struktur der Polizei, das ist richtig. Ich habe vorhin gesagt: Die Entwicklung des letzten Jahres macht eine Evaluierung zwingend notwendig. Das ist auch der Grund dafür, warum wir jetzt einen aktuellen Bericht haben. Natürlich haben wir die PKS-Zahlen 2012 vorliegen, Frau Friedel. Aber es geht darum, jetzt noch einmal zu schauen, was in den letzten Monaten in der Tendenz passiert ist. Ich denke, wir haben den Aufwuchs innerhalb eines Jahres verzeichnen können, und zwar mit einer Tendenz zum Jahresende. Ich glaube, hier muss man weiter vorausschauen und die Prioritäten setzen.
Wir wollen keine Privatisierung von Polizeiaufgaben. Wir wollen auch nicht, dass Unternehmen der Privatwirtschaft polizeiliche Aufgaben wahrnehmen. Es geht aber zum einen darum, dass Polizeibehörden zum Beispiel bei ruhestörendem Lärm tätig werden können, dann aber auch die Frage steht: Können beispielsweise private Sicherheitsunternehmen bei Veranstaltungen tätig werden? Muss da der Ordnungsdienst der Landeshauptstadt stehen oder kann das auch privatwirtschaftlich organisiert werden? Kann zum Beispiel auch im Rahmen einer Kooperation die Frage des Einsatzes von Politessen unter Beteiligung privatwirtschaftlicher Strukturen erfolgen? Diese Fragen müssen doch erlaubt sein. Diese Bewertung muss man doch vornehmen können.
Meine Damen und Herren! Wir erfinden hier das Rad nicht neu. Das können Sie sich in anderen Bundesländern, auch dort wo Rot-Grün Verantwortung trägt, anschauen. Auch dort sind diese Fragen in der Diskussion.
Ich bitte Sie deswegen, unserem Antrag zuzustimmen. Ich glaube, wir haben es verdient, nicht nur die Polizei zu stärken, sondern sie auch auf ihre Kernaufgaben und ihre Prioritäten zu konzentrieren – das ist eine zentrale Frage der Aufgabenkritik –, damit die Aufgaben, die die Polizeibehörden, die Struktur zu leisten haben, in einer möglichst breiten Fläche erfüllt werden und Prävention in einem gesellschaftlichen Kontext geführt wird.
Ich frage die Fraktionen: Gibt es weitere Wortmeldungen in der zweiten Runde? – Das kann ich nicht erkennen. Dann frage ich die Staatsregierung: Herr Staatsminister Ulbig, möchten Sie jetzt sprechen? – Wenn ja, haben Sie dazu die Gelegenheit. Herr Ulbig, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Selbstverständlich möchte ich zu diesem Antrag sprechen. Der Antragsgegenstand macht aus meiner Sicht deutlich, dass es das gesamte Spannungsfeld zu beleuchten gilt, welches für das Thema öffentliche Sicherheit Verantwortung trägt.