Protocol of the Session on May 16, 2013

Meine Damen und Herren, ich darf an die UN-Generalversammlung zur Behindertenrechtskonvention am

13.12.2006 erinnern. Dort ist in der Präambel ausgeführt, dass alle Menschenrechte und Grundfreiheiten allgemein gültig und unteilbar sind, einander bedingen und miteinander verknüpft sind und dass Menschen mit Behinderungen der volle Genuss dieser Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierung garantiert werden muss. Dieser Anspruch aus der Konvention ist der Anspruch für die

Formulierung unseres Gesetzentwurfes, des Sächsischen Inklusionsgesetzes, gewesen.

Meine Damen und Herren! Menschen mit Behinderungen finden wir in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Deshalb waren wir bemüht, auch all diese Bereiche in dem Gesetzentwurf abzudecken – ob es Familie betrifft, ob es Beruf/Arbeit/Beschäftigung betrifft, natürlich die Fragen der Barrierefreiheit, die übergreifend sind, ob es die Berufsausbildung betrifft oder, oder …, Freizeit, Kultur, Sport und Tourismus; eben das, was das Leben ausmacht und wo wir überall Menschen mit körperlichen, geistigen, seelischen oder/und Sinnesbeeinträchtigungen finden. Meine Damen und Herren, Sie haben Gelegenheit und ich lade Sie dazu ein, dies im Gesetzentwurf genau zu verfolgen.

Ich möchte hier auf zwei Dinge eingehen. Wir haben den Gesetzentwurf gemeinsam mit Behindertenverbänden erarbeitet – so mit dem Gehörlosenverband, mit der Arbeiterwohlfahrt, mit dem Sozialverband VdK Sachsen, mit der Landesarbeitsgemeinschaft Hilfe für behinderte Menschen und noch einigen anderen –; die Zeit gestattet es mir nicht, sie alle einzeln zu erwähnen.

Wie gesagt, uns kommt es auf alle Menschen mit Behinderung an. In besonderer Weise aber haben wir festgestellt, wenn man das Gesetz zur Verbesserung der Integration von Menschen mit Behinderungen herannimmt, dass ein Personenkreis bisher nicht ausreichend bedacht war. Deshalb steht der Gebärdendolmetscher auch neben mir. Der Gesetzentwurf erkennt die Muttersprache der Gehörlosen als die deutsche Gebärdensprache als gleichberechtigte Amtssprache an. Das heißt, dass da, wo ein Dolmetscher erforderlich ist und es keinen anderen Kostenträger gibt, der Freistaat einspringen muss. Schließlich können zwei Menschen nicht miteinander kommunizieren, wenn sie nicht die gleiche Sprache sprechen und niemanden haben, der für sie übersetzt. Kommunikationseinschränkungen trennen Menschen, und diese Trennung wollen wir überwinden. Das ist eben nur durch Inklusion möglich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD, den GRÜNEN und der Abg. Sven Liebhauser, CDU, sowie Kristin Schütz, FDP)

Inklusion besagt, dass Menschen mit körperlichen, geistigen, seelischen oder/und Sinnesbeeinträchtigungen von Anfang an in alle Lebensbereiche einzubeziehen sind. Dabei sind Produkte, Maßnahmen, Angebote und Dienstleistungen von vornherein so zu gestalten, dass alle Menschen – eben auch jene mit Behinderungen – diese nutzen bzw. daran teilnehmen können.

Damit sich dieser Prozess durchsetzen kann, meine Damen und Herren, fordern wir in Sachsen eine Ombudsperson für Inklusion. Sie berät den Landtag und die Staatsregierung und wird in allen Initiativen, die Menschen mit Behinderungen betreffen, beteiligt. Jeder Mensch mit Behinderung in Sachsen soll sich, ohne dafür bezahlen zu müssen, an die Ombudsperson wenden

können, wenn er glaubt, benachteiligt oder diskriminiert zu werden. Meine Damen und Herren, dies ist ein richtiger Schritt in Sachen Inklusion im Freistaat Sachsen.

Alles Weitere von meiner verehrten Kollegin Hanka Kliese. Es hat sehr viel Spaß gemacht, mit Ihnen gemeinsam diesen Gesetzentwurf zu erarbeiten. – Ich übergebe.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD, den GRÜNEN und der Abg. Sven Liebhauser, CDU, sowie Kristin Schütz, FDP)

Als nächste Rednerin folgt Frau Kliese; Sie haben noch knapp 3 Minuten Zeit für Ihre Rededisposition.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anlässlich der Eröffnung der Messe Reha am 21.06.1981 in Düsseldorf schlug der körperlich behinderte Franz Christoph dem damaligen Bundespräsidenten Karl Carstens mit seiner Krücke gegen das Schienbein. Um jeden Verdacht zu vermeiden, dass es sich dabei um ein Versehen handelte, wiederholte er diesen Vorgang und schlug dem ersten Mann im Staate gleich ein zweites Mal seine Krücke vors Bein.

Diese Aktion von Franz Christoph war Teil eines Protestes der sogenannten Krüppelbewegung, die seit den 1970er-Jahren auf Menschenrechtsverletzungen gegen Menschen mit Behinderungen aufmerksam machte.

Mit dem Protest traf Franz Christoph zwar das Schienbein des Bundespräsidenten; darüber hinaus verfehlte die Aktion aber ihr Ziel. Bundespräsident Carstens verzichtete auf eine Anklage gegen Christoph. Damit gab er dem körperlich behinderten Mann genau das, was dieser nicht haben wollte: Nachsicht, Mitleid und Milde.

Genau diese Motive haben die Behindertenpolitik der letzten Jahrzehnte geprägt. Die UN-Behindertenrechtskonvention hat das geändert, und wir wollen dies nun auch für Sachsen ändern. Auch in Sachsen sind Menschen mit Behinderungen nicht länger Patientinnen und Patienten – sie sind Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD, den GRÜNEN und der Abg. Sven Liebhauser, CDU, sowie Kristin Schütz, FDP)

Sie sind Träger(innen) von Rechten und Pflichten. Diesem Paradigmenwechsel tragen wir mit unserem Gesetzentwurf Rechnung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Gesetz ist ein Ermöglichungsgesetz. Das heißt, niemand wird gezwungen. Alle müssen können können – und das ist in der Realität leider noch nicht der Fall.

Nehmen wir das Beispiel Bildung. Hier haben wir permanent den Fokus auf der schulischen Bildung; deswegen haben wir unser Augenmerk mehr auf den Bereich Aus-, Fort- und Weiterbildung gelegt. Bisher gelten die Förde

rungen für Menschen mit Behinderungen bis zum ersten höheren Bildungsabschluss – beispielsweise an der Hochschule – nur zum Bachelor. Aber warum sollen Menschen mit Behinderungen nicht einen Masterabschluss, eine Promotion oder eine Habilitation ablegen können? Sie brauchen Bedingungen, die ihnen das ermöglichen, und diese schaffen wir mit unserem Gesetzentwurf.

Natürlich wird es auch immer Menschen geben, für die Dissertationen oder Habilitationen keine Option sind. Für diese schaffen wir mit dem Entwurf die Grundlage, zwischen einer geschlossenen Werkstatt und einem Job im inklusiven Arbeitsmarkt zu wählen; denn wir wollen nicht die marktkonforme Behinderung, sondern das behinderungskonforme Arbeitsleben für alle.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Karl Carstens in Düsseldorf zwei Hiebe auf das Schienbein bekam, hat er die damit verbundene Botschaft nicht verstanden. Da haben Sie es heute viel leichter: Sie haben ein aufgeklärtes Bild vom Menschen mit Behinderung. Sie alle wissen, dass selbstbestimmte Teilhabe besser ist als Mitleid. Deswegen müssen wir Ihnen auch nicht vor das Schienbein treten, sondern wir hoffen auf Ihr fortschrittliches Denken und Ihr positives Votum.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf „Gesetz zur Gleichstellung, Inklusion und selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit Behinderung im Freistaat Sachsen – Sächsisches Inklusionsgesetz“ an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss als federführenden Ausschuss sowie an den Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz, den Haushalts- und Finanzausschuss, den Ausschuss für Schule und Sport, den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, den Innenausschuss, den Ausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien und an den Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft zu überweisen. Wer dem Vorschlag der Überweisung an diese Ausschüsse zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit ist die Überweisung beschlossen.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Ich möchte im Namen der Abgeordneten unserem Gebärdendolmetscher für die Übersetzung danken. Vielen Dank!

(Beifall bei allen Fraktionen und der Staatsregierung)

Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Aufgerufen ist

Tagesordnungspunkt 5

1. Lesung des Entwurfs

Gesetz zur Stärkung des Rechts der

Bürgerinnen und Bürger im Petitionsverfahren

(Sächsisches Petitionsrechtsstärkungsgesetz – SächsPetStG)

Drucksache 5/11857, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Daher spricht nur die Einreicherin. Herr Jennerjahn, Sie sind schon fast vorn und haben das Wort.

Herr Präsident, das ist die Ungeduld, den Gesetzentwurf endlich einbringen zu dürfen. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was haben die Themen „Erhalt des Astronomieunterrichts“, „Änderung des Kulturraumgesetzes“ und „Aufnahme des Wolfs in das Jagdrecht“ gemeinsam? Die Antwort ist recht einfach: Alle drei Themen haben die Öffentlichkeit in besonderer Weise mobilisiert bzw. beschäftigt. Erkennbar ist das daran, dass alle drei mit ihren vielen tausend Unterschriften zu Sammel- oder Massenpetitionen hier im Sächsischen Landtag geführt haben. Für den Erhalt des Astronomieunterrichts zeichneten rund 28 000 Menschen mit,

im Falle des Kulturraumgesetzes waren es rund 50 000, beim Wolf etwa 8 000 Menschen.

Wir alle sind uns hier im Hohen Haus immer wieder einig gewesen, dass das Petitionsrecht ein sehr wichtiges Gut ist, dessen Grundzüge in unterschiedlicher Ausprägung eine über zweitausendjährige Geschichte aufweisen können. Heute hat das Petitionsrecht in Sachsen Verfassungsrang und ist in Artikel 35 der Sächsischen Verfassung verankert. Zu Recht beschäftigen wir uns jährlich an prominenter Stelle hier im Plenum mit dem Jahresbericht des Petitionsausschusses. Ich gehe davon aus, dass wir das auch in diesem Jahr kurz nach der Sommerpause wieder so handhaben und über den Petitionsbericht diskutieren werden.

Jetzt aber zu der Frage, worum es konkret in unserem Gesetzentwurf geht. Wenn Sie ihn sich angesehen haben, wissen Sie, dass es ein sehr schlanker Entwurf ist, der

einen konkreten Vorschlag enthält, wie die Rechte der Bürgerinnen und Bürger im Petitionsverfahren gestärkt werden können. Denn neben der verfassungsmäßigen Verankerung des Petitionsrechts ist das Gesetz über den Petitionsausschuss des Sächsischen Landtags das Dokument, in dem Verfahren und Rechte des Petitionsausschusses weiter konkretisiert werden.

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass das Sächsische Petitionsausschussgesetz uns im bundesweiten Vergleich durchaus sehr weitgehende Rechte zugesteht, etwa was Aktenvorlage-, Auskunfts- und Zutrittsrechte der Mitglieder des Ausschusses betrifft. Daneben gibt es in § 7 Abs. 1 dem Ausschuss das Recht, Petenten, Auskunftspersonen und auch Sachverständige anzuhören. Allerdings wird in § 7 Abs. 2 ein Rechtsanspruch der Petenten auf Anhörung ausgeschlossen.

An dieser Stelle möchten wir mit unserem Gesetzentwurf eine Änderung herbeiführen, aber nicht im Sinne eines generellen Rechtsanspruchs von Petenten auf Anhörung. Das könnten wir als Ausschuss schlichtweg logistisch nicht stemmen. Da wir pro Jahr ungefähr1 000 Schreiben an den Petitionsausschuss bekommen, wäre das schlechterdings unmöglich. Allerdings möchten wir dieses Recht auf Anhörung bei Massen- und Sammelpetitionen einführen, bei denen ein großes öffentliches Interesse nachgewiesen werden kann. Wir nehmen ein großes öffentliches Interesse für den Fall an, dass eine Petition mindestens 2 500 Unterstützungsunterschriften sammeln konnte. Gleichwohl – das ist uns wichtig – bleibt der Petitionsausschuss Herr des Verfahrens. Wenn zwei Drittel seiner Mitglieder beschließen, von einer öffentlichen Anhörung abzusehen, wird darauf verzichtet.

Auch sehr wichtig sind die Persönlichkeitsrechte der Petenten. Eine öffentliche Anhörung in persönlichen Angelegenheiten darf nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Petenten stattfinden.

Mit der öffentlichen Anhörung zu solchen Themen wird den Petenten die Möglichkeiten gegeben, das Anliegen in einem Gespräch zu erörtern. Das trägt unseres Erachtens zum besseren Verständnis der Petition bei und wird dem großen öffentlichen Interesse an bestimmten Themen gerecht.

Das Petitionsverfahren – auch das haben wir schon häufiger gemeinsam diskutiert – ist ein niedrigschwelliges Beteiligungsverfahren, das jeder Person die Chance zur aktiven Teilnahme am politischen Geschehen und zur Einwirkung auf politische Entscheidungsprozesse gibt.

Es bleibt natürlich die Frage offen: Welche Auswirkungen hätte das Gesetz, wenn die Regelungen eingeführt würden? Ich habe mich bemüht zu recherchieren, welche Arbeitsbelastung auf den Petitionsausschuss zukäme, wenn es diese Regelung gäbe, und habe mir dafür die Jahresberichte 2002 bis 2012, die auf der Landtagshome