Heute gehen sie zur Schule, machen ihr Abitur, gehen zum Studium und sind dankbar, dass sie so gut medizinisch versorgt werden.
Ich schäme mich dafür, dass Sie das alles hier negieren. Sprechen Sie mit den Betroffenen. Schwerstkranke und Menschen mit seltenen Erkrankungen haben oberste Priorität und ihnen wird in diesem guten, modernen Gesundheitssystem geholfen.
Abschließend möchte ich noch einmal – beruhend auf einer Analyse der OECD; es ist nicht meine eigene – sagen: Deutschland praktiziert eine Eigenbeteiligung und Zuzahlung der Versicherten, die im internationalen Vergleich sozial verträglich und moderat sind. Das beruht auf einer Vergleichsanalyse zwischen allen Mitgliedsstaaten der OECD.
Das war Frau Kollegin Strempel für die CDU-Fraktion. Jetzt sehe ich Herrn Dr. Hahn mit einer Kurzintervention.
Herr Präsident! Ich werde hier nicht so aufgeregt sprechen, wie es die Kollegin Strempel eben getan hat. Ich will nur deutlich machen, dass ich mich über jeden medizinischen Fortschritt freue und dass es natürlich gut ist, wenn Kinder mit bestimmten Krankheiten heute länger leben und überleben können; das ist doch völlig unbestritten.
Mein Zwischenruf bezog sich darauf, dass Sie von Solidarität gesprochen haben, dass alle Seiten sich beteiligen müssen, auch im Bereich der Gesundheitskosten. Er bezog sich auf die zum Teil exorbitanten Gewinne der Pharmakonzerne, die ihren Beitrag eben nicht in ausreichendem Maße leisten, um die Gesundheitskosten insgesamt zu senken.
Sie haben außerdem gesagt, dass es doch gut sei, wenn man bei chronisch Kranken 1 % des Bruttogehaltes zuzahlen muss. Die allermeisten chronisch Kranken können nichts für ihre Krankheit, und wir halten es daher
nicht für gerechtfertigt, dass ein Teil der Menschen – in diesem Fall die chronisch Kranken – für ihre Gesundheitsleistungen Zuzahlungen aufbringen müssen und andere Menschen nicht.
Wir wollen diese Sonderbehandlung abschaffen. Das ist ein legitimer politischer Anspruch, und ich bitte Sie, diesen nicht zu diskreditieren.
Frau Kollegin Strempel, wollen Sie reagieren? – Das ist nicht der Fall. Damit ergreift für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Neukirch das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Rund 5 Milliarden Euro hat die gesetzliche Krankenversicherung im vergangenen Jahr an Zuzahlungen eingenommen; davon sind 2 Milliarden Euro durch die Abschaffung der Praxisgebühr in diesem Jahr nun bereits Geschichte.
Auch die SPD-Fraktion hatte die Abschaffung der Praxisgebühr gefordert und begrüßt, weil deren Steuerungsfunktion wirklich nicht den gewünschten Effekt hatte. Man muss dazusagen, dass sie ursprünglich nur für Facharztbesuche vorgesehen war; durch die Einbeziehung jeglicher Arztbesuche ist keine Steuerungswirkung entstanden und es war nur sinnvoll, sie wieder abzuschaffen.
Es bleiben 3 Milliarden Euro Zuzahlungen übrig, und das bei Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung von fast 170 Milliarden Euro pro Jahr. Wir sprechen also über knapp 2 % der Gesundheitsausgaben der solidarischen Krankenversicherung.
Angesichts dieses Verhältnisses mag man der Einschätzung der Bundesregierung in der schon genannten Kleinen Anfrage zustimmen, dass es sich um eine maßvolle und moderate Zuzahlungsregelung handelt. Jedoch kann natürlich – darauf ist verwiesen worden – im Einzelfall das zumutbare Maß der Belastung überschritten sein und eine gewünschte Steuerung in unerwünscht hohe Hürden umschlagen. Deshalb gibt es auf der individuellen Ebene auch noch die Belastungsgrenze über jeden Einzelnen, über deren Ausgestaltung man im Zweifel noch reden muss. Eine Debatte um eine tatsächlich wünschenswerte Steuerungswirkung von Zuzahlungen haben wir jedoch mit dem Antrag der LINKEN leider nicht.
Wenn ich mir den geltenden Zuzahlungskatalog, der beigefügt war, anschaue, fallen mir gerade dazu einige änderungswürdige Dinge auf. Beispielsweise bin ich der Meinung, dass Kinder generell von Zuzahlungsregelungen zu befreien sind. Es ist nicht einzusehen, dass es eine Ausnahme bei Fahrtkosten gibt. Ich würde gern darüber sprechen, inwieweit dieser Zuzahlungskatalog veränderungsbedürftig ist.
Der Antrag der LINKEN will eine jegliche Einstellung von Zuzahlungen, auch mit dem Argument der Rücklagen der GKV. Hierzu muss ich wirklich sagen, dass ich angesichts der Versorgungsengpässe im ärztlichen Be
reich, angesichts der Unterfinanzierung der Pflege im Krankenhausbereich im DRG-System, angesichts der zu erwartenden Ausgabensteigerungen durch medizinischtechnischen Fortschritt, angesichts der demografischen Entwicklung so viel Bedarfe sehe, die Geld kosten werden, dass ich eigentlich relativ zufrieden bin, dass wir diese Rücklagen und Gestaltungsfreiheiten haben, um zukünftig die Versorgung sicherzustellen. Diese Gestaltungsspielräume wollen wir uns als SPD auch nicht nehmen lassen.
Deutschland wäre in Europa wirklich das einzige Land, das generell keine Zuzahlungen zuließe. Egal, ob steuerfinanziert oder beitragsfinanziert, ob Kopfpauschale oder lohnabhängige Beitragszahlung – alle Gesundheitssysteme in Europa kennen Zuzahlungen. Gewiss sind sie unterschiedlich ausgestaltet. Deutschland liegt im Vergleich an der ganz unteren Grenze; mit 2 % angesichts der Gesamtausgaben ist es wirklich sehr niedrig angesetzt.
Die Länder, die niedrigere Zuzahlungsregelungen haben, haben dafür aber auch eingeschränkte Leistungskataloge. Länder wie Belgien oder Dänemark mit weniger Zuzahlungen müssen dann im Leistungskatalog Abstriche machen. Zum Beispiel gibt es da keinerlei Finanzierungen von Zahnbehandlungen; die müssen komplett selbst übernommen werden. In dieser Hinsicht muss man auch Augenmaß walten lassen. Gerade die uns immer als so vorbildlich gepriesenen skandinavischen Länder – ich finde sie auch vorbildlich – legen sehr, sehr viel Wert auf Zuzahlungsregelungen, und dafür werden nicht nur die Einnahmen als finanzielle Gründe herangezogen.
Als erster Grund – das wurde uns auf unserer Ausschussreise in den skandinavischen Ländern immer stolz präsentiert –: Gesundheit ist ein öffentliches Gut, aber es ist kein kostenloses Gut. Deshalb zahlt derjenige, der eine Gesundheitsdienstleistung nachfragt, im Augenblick der Inanspruchnahme einen bestimmten Anteil. Es ist ein generelles Prinzip in allen Gesundheitssystemen dieser Welt.
Die zweite Botschaft ist eine Steuerungsbotschaft. An der Eingangstür zum Gesundheitswesen soll es eine spürbare Schwelle geben. Diese Schwelle wird auch über Zuzahlungen definiert. Das wurde uns beispielsweise in Finnland sehr stolz präsentiert, und zwar deshalb, weil sich die Bürgerinnen und Bürger sehr bewusst sind, dass sie ein ganz tolles solides Gesundheitswesen haben, auf das sie stolz sind und deshalb auch sehr gern ihren eigenen Beitrag bei jeder dieser Leistungen zahlen.
Die dritte Botschaft ist, dass gesteuert werden soll. Hier sehe ich eher den dringenderen Punkt und Handlungsbedarf auch für Deutschland. Das Beispiel mit den Kindern habe ich schon genannt. Da wäre es zum Beispiel aus meiner Sicht sinnvoll zu überlegen, ob man als Leistung für Kinder nicht wieder die Brillen in den Leistungskatalog einbezieht, was auch wieder Geld kosten würde. Ich würde lieber an der Stelle diskutieren, als jetzt generell
mit einer pauschalen Forderung zu agieren, denn der Leistungskatalog und die Qualität der medizinischen Versorgung machen das deutsche Gesundheitssystem aus, und das muss weiterhin im Vordergrund stehen.
Der medizinische Fortschritt soll weiterhin so viel wie möglich Patientinnen und Patienten sowohl in der Stadt als auch auf dem Land zugutekommen. Wie sichern wir das in einer alternden Gesellschaft, wie sichern wir die wohnortnahe medizinische Versorgung? Sie wissen auch bei der Linksfraktion, dass wir bei der Beantwortung dieser Fragen ohne zusätzliche finanzielle Mittel nicht auskommen werden. Da wir uns dafür Spielräume erhalten wollen, lehnen wir Ihren Antrag heute ab.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten! Es wurde schon mehrfach darauf hingewiesen, dass jährlich mehr als 3 Milliarden Euro durch Eigenanteile der Patienten aufgebracht werden, die der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung stehen und die sonst von allen Beitragszahlern miterbracht werden müssten.
Dass zu den einzelnen Leistungen, die der Patient in Anspruch nimmt, Zuzahlungen geleistet werden müssen, ist – auch das ist mehrfach dargestellt worden – kein deutsches Spezifikum. Der internationale Vergleich zeigt deutlich, dass die Eigenbeteiligung in dem Gesundheitssystem vieler Länder und vor allem in den Industrieländern zum Einsatz kommt.
Schauen wir uns die gesamten Gesundheitsausgaben in Deutschland an, gehen 13 % davon auf die Zuzahlung oder auf private Beschaffung zurück. Wir liegen damit deutlich hinter den Ländern – auch das wurde gerade genannt – Österreich, Finnland, Schweden, Belgien usw. Die Zuzahlungen in Deutschland sind moderat und liegen in vielen Ländern deutlich höher als bei uns. Dass Sie, sehr geehrte Abgeordnete der Linksfraktion, unterstellen, bei uns und in diesen Ländern würde deswegen menschliches Leid herrschen – siehe Ihren Antrag –, halte ich nicht nur für überzogen, sondern auch für unseriös.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie sprachen die Praxisgebühr in Ihrem Antrag an. Die Abschaffung der Praxisgebühr war ein wichtiger Schritt zur Entlastung der Patienten, aber auch ein wichtiger Schritt, um die Bürokratie in Arzt- und Zahnarztpraxen abzubauen. Mit der Praxisgebühr konnte keine Steuerungsfunktion belegt werden. Das damalige Ziel von Rot-Grün, Patienten an unnötigen Arztbesuchen zu hindern und selbst die Überweisungen zu Fachärzten einzudämmen, wurde mit diesen Mitteln nachweislich nicht erreicht.
Bei den Zuzahlungen – das ist das Wesentliche – zeigt sich allerdings ein anderes Bild. Da sind Ihre Aussagen, geschätzte Kollegin Lauterbach, einfach falsch. Sie beziehen sich im Unterschied zur pauschalen Praxisgebühr auf die einzelnen Leistungen. Ihre Steuerungswirkung kann dabei nicht von der Hand gewiesen werden. Das sieht man beispielsweise an den Zuzahlungen im Arzneimittelbereich.
Ich habe es geahnt. Herzlichen Dank, Frau Kollegin, Herr Präsident. Ich will Sie dringend nachfragen, Frau Jonas. Meinen Sie nicht auch, dass es sich bei dem, was wir hier abschaffen wollen, ausschließlich um ärztliche Verordnungen handelt, also ganz offensichtlich um Dinge, bei denen ein Arzt der Auffassung ist, dass diese dem Patienten dringend notwendig zur Verfügung stehen müssen, und dass es nicht im Benehmen des Patienten ist, darüber zu entscheiden, ob er das braucht und sich leistet oder nicht?
Sehr geehrter Herr Dr. Pellmann! Nein, ich stimme Ihnen nicht zu, weil es bei bestimmten Medikamenten wie zum Beispiel bei Generika, einem sogenannten Nachahmermedikament, so ist, dass diese teilweise viel billiger sind, also auch mit einer geringeren Zuzahlung versehen werden oder teilweise auch von Zuzahlungen befreit sind. Es ist eine Steuerungswirkung, die genau auf den Bereich der Arzneimittel zutrifft. Deswegen sind Ihre Aussagen falsch.
Das ist aber unabhängig davon. Die Zuzahlung orientiert ja darauf, dass ich mit entscheide, welche Medikamente – –
Natürlich entscheiden Sie mit. Wenn Sie fragen, von welcher Firma, entscheiden Sie schon mit, vorausgesetzt, Sie haben die Eigenverantwortung und auch die Fähigkeit, selbst entscheiden zu können.
Sehr geehrte Damen und Herren! Niemand soll und darf aus finanziellen Gründen auf eine notwendige Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen verzichten
müssen. Zuzahlungen müssen sozial und verträglich gestalten, sein. Das sind sie hier bei uns in Deutschland und hier bei uns in Sachsen.