Protocol of the Session on May 15, 2013

Daran mangelt es unserer Koalition offensichtlich; denn sie ist allein nicht in der Lage, ein integratives Konzept zu erarbeiten, das Technologie- und Innovationspolitik mit anderen Politikfeldern – Gesundheit, Bildung usw. – intelligent verknüpft. Stattdessen flüchtet man sich in Scheinaktivitäten, zum Beispiel die sogenannte „Innovationsplattform“.

Mindestens ebenso kopflos wurde im Staatshaushalt die Stelle eines „Grant Managers“ eingestellt, der für 300 000 Euro pro Jahr die sächsische Biotechnologie voranbringen soll. Angesichts auslaufender Förderung etablierter Wirtschaftsförderer ist das schlicht eine Frechheit.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Wer weiß, wer hier seine Zeit nach der Politik organisiert.

Es gibt einige Gründe, um mit dem ursprünglichen Bericht unzufrieden zu sein.

Ihre Redezeit läuft ab, Herr Kollege.

Deshalb machten wir gemeinsam mit SPD und LINKEN von unserem Recht Gebrauch, ein Minderheitenvotum zu verfassen. Sie können es nachlesen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Auf Herrn Weichert von der Fraktion GRÜNE folgt jetzt für die NPD-Fraktion Herr Storr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die NPD-Fraktion brachte anstelle einer Zustimmung ihre Anmerkungen zum Enquete-Bericht in Form eines Minderheitenvotums zum Ausdruck. Der Bericht unter dem Titel „Strategien für eine zukunftsorientierte Technologie- und Innovationspolitik im Freistaat Sachsen“ analysiert unter anderem die Ausgangslage und die Entwicklung in den vergangenen mehr als zwanzig Jahren im Freistaat Sachsen.

Naturgemäß ist eine Bestandsaufnahme der Vergangenheit und der Gegenwart immer durch Fakten überprüfbar und damit weniger Gegenstand von unterschiedlichen Anschauungen und Sichtweisen, auch wenn die Ausgangslage der Gegenwart schlussendlich doch nicht einheitlich beurteilt wird und noch mehr die Aufgaben und Maßnahmen der Zukunft Gegenstand von Kontroversen in den Sitzungen der Enquete-Kommission waren. Insofern möchte ich dem Bericht keineswegs vollumfänglich seine Qualität in Abrede stellen, sondern lediglich partielle Mängel benennen, wenngleich diese für die NPDFraktion zuweilen durchaus schwerwiegender Natur sind.

Ich will aber bei dieser Gelegenheit auch nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass bei aller ritualisierten Ablehnung der NPD-Anträge in der Kommission über das Vehikel der Arbeitsgruppen dennoch der eine oder andere nationaldemokratische Akzent gesetzt werden konnte, wie – um ein Beispiel zu nennen – in der Handlungsempfehlung, dass neben Managementkenntnissen vor allem auch eine Verankerung der spezifischen Gründungskompetenz in den Lehrplänen erfolgen müsse. Dieser Aspekt war nachweislich ausschließlich seitens der NPD-Fraktion eingebracht worden.

Bedauerlicherweise ließen es aber Defizite, unter anderem in den Aussagen zu den Bereichen Demografie, Fachkräftemangel, Bologna-Prozess, Regionalbudgets, Berufsakademie und Gründungsförderpolitik, aus der Sicht der NPD-Kommissionsmitglieder nicht zu, dem Abschlussbericht in Gänze die Zustimmung zu erteilen.

Zur demografischen Situation bietet das Mehrheitsvotum – wie so oft in der vorherrschenden politischen Konstellation – über eine reine analytische Bestandsaufnahme und quasi Anerkennung des Niedergangs hinaus keinerlei wegweisende Ansätze. Einzig das einfallslose dogmatische Mantra illusionärer und geradezu neokolonialer Maßnahmen eines internationalen Fachkräfteimports findet hierzu im Bericht Erwähnung. Während Ihnen in demografischen Fragen auch die geringsten Maßnahmen zu viel sind, scheuen Sie in Fragen des Zuzugs von Ausländern keinerlei Kosten und Mühen.

Meine Damen und Herren! Wir gewärtigen in ganz Europa eine vergleichbare, katastrophale demografische Entwicklung, die ihre verheerenden Auswirkungen auf die Innovationsfähigkeit noch haben wird. Wieso glauben Sie, demografisch wirksame Maßnahmen seien nicht leichter zu bewältigen als der Wettbewerb um die immer weniger werdenden wirklich Qualifizierten auf dem internationalen Parkett? Wieso glauben Sie, die demografischen Maßnahmen seien aufwendiger als der vergebliche Integrationsaufwand Ihrer Zuwanderungspolitik?

Es wird versäumt, die demografische – genauer: die ethnische – Struktur des Landes als bedeutsamen Innovationsfaktor zu identifizieren, dem vielleicht sogar erheblich mehr als anderen Faktoren Investitionswürdigkeit zugesprochen werden muss.

(Gitta Schüßler, NPD: Sehr richtig!)

Nicht zuletzt ist es doch vor allem die demografische, aber auch die ethnische Zusammensetzung einer Gesellschaft, die von erheblicher Bedeutung für deren Innovationsaffinität ist.

In dem Buch „Deutschland schafft sich ab“ von Dr. Thilo Sarrazin können Sie – auch durch wissenschaftliche Studien als Quellenangaben untermauert – den Zusammenhang von Ethnie, Intelligenz und Leistungsbereitschaft gedanklich nachvollziehen und erkennen, dass die demografische Entwicklung letztendlich ausschlaggebend dafür ist, ob sich ein Volk und eine Gesellschaft im Aufschwung oder im Niedergang befinden.

(Beifall bei der NPD – Unruhe bei der CDU und der SPD)

Aber wer von Ihnen liest schon ein Buch, das von der veröffentlichten linken Meinung als vermeintlich ausländerfeindlich und rassistisch zerrissen worden ist?

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Viel eher als die Politiker und Meinungsmacher in der Tagespresse und im Rundfunk hat das Volk sich mit den Kernaussagen dieses Buches beschäftigt und diese für richtig befunden – ganz einfach, weil die Alltagsbeobachtungen vieler Deutscher den Inhalt bestätigen.

(Beifall bei der NPD)

Aber an den politischen Tabus der Gegenwart wollte die Mehrheit der Enquete-Kommission nicht rütteln und hat sich damit selbst die Möglichkeit neuer Erkenntnisse genommen. Lieber blieb man bei den konventionellen Erklärungs- und Deutungsmustern sowie den ideologischen Vorgaben einer linken Politkaste – letztendlich auch, weil die Mehrheit der Kommission keinen kontrovers diskutierten Bericht vorlegen wollte. Dem Vorsitzenden der Enquete-Kommission, dem CDU-Landtagsabgeordneten Thomas Schmidt, waren offenbar – ausweislich seiner Bemerkungen im Vorwort des Berichts – die Minderheitenvoten schon zu kontrovers und damit überflüssig.

Ein weiterer entscheidender Kritikpunkt am Bericht ist das Versäumnis, eine Reform des sogenannten BolognaProzesses einzufordern. Hier duckt sich der Bericht völlig unter der Problemlage weg, obwohl im Rahmen der zahlreichen Sachverständigenanhörungen vielfach auf Fehlentwicklungen hingewiesen wurde. Der Freistaat Sachsen muss im eigenen Kompetenzbereich aktiv und auf überregionaler Ebene initiativ werden mit dem Ziel, die durch Bologna verursachte Diskontinuität des Studienverlaufs und mangelnde Integration in unternehmerische Betriebsabläufe zu beheben.

(Beifall bei der NPD)

Ein Alleinstellungsmerkmal – durch den Erhalt von Diplom-Studiengängen – ist für den Freistaat allemal empfehlenswert. Im Sinne des viel zitierten Stärkens der Stärken sind die Ausführungen zum sächsischen Erfolgsmodell Berufsakademie im Bericht nach wie vor viel zu einschränkender Natur. Im Sinne einer Gleichstellung im tertiären Bildungsbereich sollten für die Zukunft die Erlangung von Master-Abschlüssen und ein Promotionsrecht – zumindest in Kooperation – angestrebt werden.

Doch nicht nur hochschulpolitisch geht der Bericht streckenweise fehl. Ohne die Bedeutung der Arbeitskräfte mit Hochschulabschluss für die Entwicklung einer modernen Wirtschaft in Abrede stellen zu wollen, wird die tatsächliche Situation bezüglich der sächsischen Wirtschaft und des sächsischen Arbeitsmarktes nur unzureichend widergespiegelt. Der wesentlich höhere Bedarf der sächsischen Wirtschaft an Arbeitskräften ist im Bereich der Fachkräfte mit qualifizierendem Berufsab

schluss unterhalb der Hochschulebene anzusiedeln. Deshalb ist viel mehr darauf zu achten, dass es nicht zu einer Überakademisierung – womöglich verbunden mit der Gefahr eines sinkenden Qualitätsniveaus – zulasten der dualen Berufsausbildung kommt.

Für die Technologie- und Innovationsaffinität der sächsischen Wirtschaft sind auch nicht möglichst hohe Übergangsquoten in Richtung einer Art „Massengymnasium“ bedeutsam, sondern die Qualität der jeweiligen Bildungsabschlüsse muss den eigentlichen Maßstab darstellen. Die Möglichkeit verschiedener Übergangspunkte im Sinne einer relativ hohen potenziellen Durchlässigkeit ist zielführender als eine statistisch hohe Studierquote im Sinne der OECD und entspricht auch mehr der wirtschaftlichen Wirklichkeit im Land, zumal aufgrund der völlig unterschiedlichen Bildungssysteme dieser internationale OECD-Vergleich als Orientierungsmaßstab ohnehin hinkt.

Doch auch beim Komplex Gründungsgeschehen bleibt der Bericht hinter den Möglichkeiten zurück. Zur Beförderung einer nachhaltigen Entwicklung und vor allem des Verbleibs von Ausgründungen in der Region sollten daher Anreizmöglichkeiten für Hochschulbeteiligungen an

wissens- und investitionsintensiven Technologieausgründungen geschaffen werden. Dies hätte positive Auswirkungen auf viele der mit einer Gründung verbundenen Problemfelder, wie beispielsweise Rechte an Patenten, Zugang zu Risikokapital und Technologietransfer. Nicht zuletzt könnten sich auf dieser Basis im Umkehrschluss auf längere Sicht ebenso Vorteile für die beteiligten Institute im Bereich der Drittmittelentwicklung ergeben. Darüber hinaus – aus nationaldemokratischer Sicht ein sehr wesentlicher Punkt – fehlt im Bericht die Forderung nach einer zumindest partiell eigenständigen Förderpolitik auf Landesebene, die neben dem Programm Brüsseler Zuschnitts eigene passgenaue Ziele verfolgt. Konkret heißt dies, anstelle eines Automatismus zur Kofinanzierung sämtlicher EU-Programme einen Teil dieser Mittel für neu aufzulegende Landesprogramme zu verwenden, beispielsweise zur Einführung von Regionalbudgets. Auf diese Weise entfiele auch das häufig gegen Regionalbudgets eingewendete Argument, die Problematik mit der Verwendungsnachweisprüfung für Brüssel.

Es ist ohnehin bedauerlich, dass es entgegen der ausdrücklichen Empfehlung der Arbeitsgruppe 2 der Enquete-Kommission nicht gelang, sich mehrheitlich für die Einführung solcher Regionalbudgets zu verabreden, um damit dem Subsidiaritätsgedanken Rechnung zu tragen und gleichzeitig den regionalen Differenzierungen gerade in struktureller Hinsicht bestmöglich zu entsprechen. In diesem Zusammenhang sollte man den Wählerinnen und Wählern auch einmal den Hinweis geben, dass diesbezüglich die Regierungskoalition nach wie vor eine uneingelöste Bringschuld aus ihrem Koalitionsvertrag aufweist.

Doch, meine Damen und Herren, ganz abgesehen von den unterschiedlichen Sichtweisen zu den einzelnen Aspekten des Berichts wird es fernab der Sonntagsreden und Absichtserklärungen der Mehrheitsfraktionen im Hause

darauf ankommen, was die Staatsregierung aus dem Bericht in ihr Regierungshandeln einfließen lässt. Papier ist bekanntlich geduldig und die Abgabe eines Berichts impliziert noch lange keine Umsetzung. Die NPDFraktion wird jedoch ihren Oppositionsauftrag der Regierungskontrolle diesbezüglich wahrnehmen, so viel kann ich Ihnen bereits jetzt versprechen.

Ja, meine Damen und Herren, Sie verstehen mich richtig. Ich spreche in erster Linie von der nationaldemokratischen Regierungskontrolle in der nächsten Legislaturperiode.

(Lachen bei der SPD)

Im Wissen, dass die Politik nicht alleinige und ausschlaggebende Beteiligte des Technologie- und Innovationsgeschehens ist, bleibt zu hoffen, dass die Akteure in der Wirtschaft und außerhalb des Parlaments nicht nur den Bericht, sondern auch die Minderheitsvoten, auch das der NPD, zur Kenntnis nehmen und ihren Beitrag an Gestaltungsmöglichkeiten nach bestem Wissen und Gewissen zum Wohle der Landesentwicklung ausschöpfen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Mit Herrn Storr, der für die NPD-Fraktion sprach, sind wir am Ende der ersten Rednerrunde angekommen. – Wir treten nun in eine zweite Runde ein, zumindest die SPD-Fraktion hat weiteren Redebedarf angekündigt. Ich nenne noch einmal die Redezeiten: Die CDU-Fraktion verfügt noch über fast 10 Minuten, die SPD fast 5 Minuten und die FDP noch 2 Minuten. Alle anderen Fraktionen haben bis auf Sekundenbeträge ihre Redezeit verbraucht. Das Wort ergreift jetzt für die SPD-Fraktion Herr Kollege Mann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es verwundert mich, in der zweiten Runde als Einziger zu reden. Offensichtlich ist es Ihnen zu viel des Dialoges. Nichtsdestotrotz gibt es noch einige Punkte, die wir thematisieren wollen.

Ich hoffe, an einem Punkt sind wir uns einig: Ideen werden nur dort zu Innovation und vielleicht auch marktfähigen Produkten, wo erfindungsreiche Menschen und unternehmerisches Kapital zusammentreffen. Im EnqueteBericht ist einer dieser beiden Schlüssel – die Menschen und das Kapital – meist nur unter dem Stichwort Fachkraft abgehakt. Genau zu diesem Punkt, nämlich dem Faktor qualifizierte Fachkräfte, weist uns der EnqueteBericht insbesondere in der Analyse auf massive Herausforderungen hin.

Dort wird deutlich angezeigt, dass wir, wenn wir nicht bald mehr dafür tun, das Arbeitskräftepotenzial in Sachsen auszuschöpfen, in massive Probleme geraten. Hier will ich wenigstens einige Stichpunkte anführen.

Es gab hier mal einen Ministerpräsidenten, Herrn Prof. Biedenkopf, der gemeint hat, eines der größten Probleme Sachsens sei die zu hohe Erwerbsneigung von

Frauen. Dieser Bericht zeigt: Genau das Gegenteil ist der Fall! Ich sage Ihnen voraus: Wir werden das Problem erst bekommen, wenn wir die Erwerbsquote von Frauen nicht steigern.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Dabei geht es uns nicht nur um die Frage der Erwerbsbeteiligung, sondern auch um Karriere und damit auch Einkommenschancen von Frauen.

Ein zweiter Punkt, der gerade nur negativ anklang, ist die Frage der Willkommenskultur in Sachsen. Der Bericht sagt sehr deutlich, dass wir die Zuwanderung von Fachkräften brauchen werden. Aber auch hier müssen wir anmerken: Zuwanderung wird es nur geben, wenn die Arbeits- und Lebensbedingungen in Sachsen attraktiv sind. Das verbindet sich aus Sicht der SPD-Fraktion maßgeblich mit der Frage des Lohnniveaus. Deswegen werben wir für einen gesetzlichen Mindestlohn. Deswegen sagen wir: Gute Arbeit muss gut entlohnt werden.