So, jetzt haben wir die Argumente ausgetauscht. Ich bitte, mit Ihrer Rede fortzufahren; wir haben auch die Zeit angehalten. Jetzt geht es weiter; bitte.
Nach Artikel 41 Abs. 1 unserer Verfassung wird der Sächsische Landtag in einem Verfahren gewählt, das die Persönlichkeitswahl mit den
Grundsätzen der Verhältniswahl verbindet. Das Nähere bestimmt ein Gesetz, und das ist das Wahlgesetz. Nach ebendiesem Wahlgesetz werden 60 Abgeordnete unseres Parlamentes nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen direkt gewählt.
Der demografische Wandel und die damit verbundene Veränderung der Bevölkerungszahl machen es in jeder Legislaturperiode notwendig, diese Wahlkreise zu überprüfen und gegebenenfalls neu einzuteilen. Deswegen ernennt der Landtagspräsident nach § 3 des Wahlgesetzes eine ständige unabhängige Wahlkreiskommission. Diese macht dann Vorschläge für eine neue Wahlkreiseinteilung. Nach Erstattung des jeweiligen Berichtes hat dann die Staatsregierung dem Landtag einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, und zwar rechtzeitig vor der nächsten Landtagswahl.
Genau das, meine Damen und Herren, ist der Grund, warum wir heute über diesen Gesetzentwurf beraten.
Eine Wahlkreiseinteilung ist natürlich immer ein Politikum; wir haben das hier gerade erleben dürfen. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die Neuabgrenzung von Wahlkreisen jemals ohne Kritik von Kommunen und insbesondere von den Oppositionsparteien abgelaufen wäre. Da wird dann regelmäßig den regierungstragenden Fraktionen parteipolitische Einflussnahme vorgeworfen.
Dabei ist es eigentlich ganz einfach, meine Damen und Herren. Das Wahlgesetz führt aus: Die Wahlkreise sollen ein zusammenhängendes Gebiet bilden und Verwaltungsgrenzen sollen beachtet werden. Außerdem sind folgende Grenzen zu beachten: Bei Abweichen der Bevölkerungszahlen von dem Durchschnitt der Wahlkreise um 15 % nach oben oder nach unten ist über eine Neuabgrenzung nachzudenken. Bei einer Abweichung von 25 % ist eine solche zwingend vorzunehmen.
Bei der notwendig gewordenen Neuabgrenzung hat es diesmal den Landkreis Görlitz und die Kreisfreie Stadt Chemnitz getroffen: Hier fällt jeweils ein Landkreis weg. Dafür wird es beispielsweise in Dresden einen neuen geben. Dass dies natürlich gerade in der Stadt Dresden große Auswirkungen auf die Abgrenzung der schon vorhandenen Wahlkreise hat, liegt natürlich auf der Hand.
Von Vertretern der Opposition wurde der Regierung während der gesamten Diskussion immer wieder vorgeworfen, man halte sich beim Gesetzentwurf nicht bei allen Wahlkreisen an die Empfehlungen der Wahlkreiskommission.
Hierzu kann ich nur Folgendes ausführen, meine Damen und Herren von der Opposition: Schauen Sie doch einfach einmal ins Wahlgesetz. Der Bericht der Wahlkreiskommission hat nur empfehlenden Charakter. An keiner Stelle des einschlägigen § 3 des Wahlgesetzes ist herauszulesen, dass sich die Staatsregierung bei ihrem Gesetzentwurf vollständig an die Empfehlungen halten muss.
Meine Damen und Herren, nach dem Entwurf der Staatsregierung sind die Vorgaben der Wahlrechtsgleichheit gewährleistet. Was die konkrete Ausgestaltung jedes einzelnen Wahlkreises angeht, so gibt es einen gesetzgeberischen Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum. Dies wurde im Gesetzentwurf auch eindrucksvoll bei der Sachverständigenanhörung im Innenausschuss bestätigt. Keiner der Experten bezweifelte die Recht- und Verfassungsmäßigkeit des Entwurfes. Der Sachverständige Prof. Grezeszick hat es bei der Anhörung sehr treffend ausgedrückt. Ich zitiere: „Die Beobachtung, dass die im Gesetzentwurf vorgeschlagene Einteilung in verschiedene Richtung der Kritik unterliegt, ist deshalb paradoxerweise im Ergebnis Beleg dafür, dass der Gesetzgeber hier im Ergebnis verfassungsgemäß gehandelt hat.“
Sie sehen, meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf kommen die Staatsregierung und die sie tragenden Fraktionen ihren Pflichten nach. Die Veränderung von Wahlkreisen ist kein Teufelszeug – nein, sie ist ein ganz normaler, regelmäßiger Vorgang. Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen – und Ihnen kann ich dasselbe auch empfehlen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Karabinski, ich weiß ja nicht, an welchen Wahlkreisdiskussionen Sie in Sachsen schon teilgenommen haben. Ich habe an vielen teilgenommen seit der Wende, in verschiedener Eigenschaft, und ich habe keine erlebt, in der so von den Empfehlungen der Wahlkreiskommission abgewichen wurde.
Ich habe auch keinen Entwurf gesehen, der so sehr Gerrymandering zeigte – Kollege Panter hat es erklärt – wie dieser Entwurf der Regierung. Man sieht es ja schon beim ersten Blick in die Karte: Der schwarze WahlkreisSalamander schlängelt sich um die grünen und roten Hochburgen herum und soll dazu führen, dass die Mehrheit der Wählerstimmen, die nicht CDU gewählt haben – übrigens auch die FDP-Wähler, Herr Karabinski; aber das haben Sie ja noch nicht verstanden –, ins Leere gehen.
Die fehlenden Erwägungen zur Sachlichkeit, die Sie jetzt vorgebracht haben, und die fehlenden Argumente in der Gesetzesbegründung zeigen, dass diese Vermutung richtig ist, denn die Wahlkreiskommission hat versucht, dauerhafte Abweichungen zu verhindern, die zwingend bei ihrer Einteilung entstehen werden, nicht nur, dass sie jetzt die Wahlkreise bar jeder Vernunft zurechtstückeln, und dies entgegen soziodemografischen Strukturen. Sie werden es auch das nächste Mal wieder tun müssen. Das halten wir für fachlich unqualifiziert,
genauso unqualifiziert wie die Diskussion im Innenausschuss, die um ihren vorschnellen und schlecht vorbereiteten Wahltagsantrag, der dann glücklicherweise wenigstens zurückgezogen wurde, stattgefunden hat, wo Sie, Herr Karabinski, einen 61. Wahlmonat zur Legislatur des Landtages im Ausschuss kreiert haben, den unsere Verfassung noch nicht einmal kennt. Ich muss schon sagen, diese Diskussion hat Züge, die zwar komisch sind, aber auch sehr ärgerlich, weil sie dem Ernst der Sache nicht gerecht werden.
Frau Kollegin Köditz, ich teile Ihre Kritik ausdrücklich, dass wir uns mit dem Bericht der Wahlkreiskommission hätten auseinandersetzen müssen. Umso mehr habe ich es bedauert, dass Sie zugestimmt haben, dass die von uns beantragte Anhörung zu diesem Bericht im Januar 2014 stattfindet, wie es die Koalition leider durchgesetzt hat. Das hätten wir anders haben müssen.
Aber nun noch einmal zu den Zuschnitten. Man sieht ja ganz deutlich, dass gerade die Wahlkreise verändert werden, die das letzte Mal von der CDU nicht gewonnen oder nur sehr knapp gewonnen wurden. Herr Kollege Hartmann hat sich jetzt unschuldig gestellt und gefragt, welche das seien. Ich glaube, Sie wissen das ganz gut. Sie wissen auch ganz gut, dass die einzige Mathematikerin in der Anhörung ganz deutlich gemacht hat, dass sich in dem Modell der Regierung die Erfolgswertgleichheit der Stimmung erheblich schlechter darstellt als im Entwurf der Wahlkreiskommission. Das hat ja der Sachverständige Prof. Musall auch eindrucksvoll dargestellt. Möglicherweise werden Sie, Herr Innenminister, mit diesem Gesetzentwurf etwas neues Sächsisches kreieren, nämlich das Ulbig-Mandering. An der Stelle will ich sagen, die Gerüchte, die mit Ihrer Person zu tun haben, sind in Dresden nicht sehr erheiternd, weil wir immer den Eindruck haben, uns werden Minister in die Stadt dirigiert, weil die CDU diese in der Stadt braucht.
Aber vielleicht können Sie die Gerüchte einmal dementieren. Das würde die Diskussion versachlichen und im Rathaus eine gewisse Entspannung erzeugen.
Zur Ehre gereicht Ihnen jedenfalls diese Debatte nicht, denn in einem für die Demokratie so sensiblen Bereich wie dem Wahlkreis ist nicht alles, was vielleicht noch verfassungszulässig sein könnte, auch politisch vertretbar.
Mit diesem Gesetzentwurf und auch der unengagierten Begründung zeigen Sie erneut, wie unsensibel Sie bei Kernfragen der Demokratie zu Werke gehen. Sie begeben sich da auf gefährliches Glatteis. Fragen des Wahlrechtes sollten über jeden rechtlichen und tatsächlichen Zweifel erhaben sein. Ihr Gesetzentwurf ist es nicht. Der Vorschlag der Wahlkreiskommission war besser, und dieser Gesetzentwurf ist Pfusch.
Ich möchte noch auf ein weiteres Problem hinweisen. Jedes Direktmandat – Sie versuchen sich ja jetzt 60 Direktmandate zu sichern – ist bei dem von Ihnen präferierten Modell mit 60 Wahlkreisen ein Überhang- und ein Ausgleichsmandat mehr für den Sächsischen Landtag. Wir haben jetzt 10 % mehr als die verfassungsmäßige Stärke des Landtags. Wenn Sie auf diesem Wege 60 Direktmandate in 60 Wahlkreisen holen, werden Sie Überhang- und Ausgleichsmandate dauerhaft erzeugen. Wie erklären Sie das eigentlich der Öffentlichkeit, dass Sie dauerhaft mehr Landtagsabgeordnete in den Landtag zaubern, als Sie bräuchten?
Aber zur Vermeidung der Effekte haben wir Ihnen ja vorgeschlagen, die Anzahl der Direktwahlkreise zu reduzieren. Wir hätten dann den Landtag auf seine gesetzmäßige Stärke zurückgeführt. Über diesen Vorschlag wollten Sie noch nicht einmal diskutieren. Warum eigentlich?
Es sind sehr heiße Eisen hier im Feuer, Herr Kollege. Ich merke es. Schade, dass diese Diskussion nicht stattfand. Wir werden es, wenn dieses Gesetz heute so beschlossen wird, fachlich prüfen und dann entscheiden, was die nächsten Schritte sind, die wir gehen werden. Wir halten es nach wie vor für verfassungsrechtlich und fachlich bedenklich und müssen deshalb heute mit Nein stimmen.
Das ist richtig. Es wurden jetzt zwei weitere Drucksachen mit in die Diskussion geworfen. Es wurde kritisiert, dass sie erst zu einem späteren Zeitpunkt Gegenstand sein werden. Frau Jähnigen, Sie werden mir trotzdem zustimmen müssen, dass, wenn wir heute den Gesetzentwurf beschließen, die Diskussion zum Bericht der Wahlkreiskommission hinterher nicht sehr zielführend ist.
Zweitens möchte ich auf etwas hinweisen. Wenn Sie in der Diskussion um eine Verkleinerung des Landtages parallel dazu mit dem System, das wir bisher hatten, nämlich den gleichen Anteil von Listenmandaten bzw. direkt gewählten Mandaten, dieses Gleichheitsverhältnis plötzlich aufheben wollen, ist es ein anderer Gegenstand, der intensiv diskutiert werden muss. Wir haben uns vorbehalten, dies in Ruhe zu diskutieren. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.
Das war fast ein Debattenbeitrag. Ich gehe aber einmal davon aus, dass Sie auf die Äußerungen von Frau Jähnigen reagiert haben. Frau Jähnigen, Sie haben die Möglichkeit, wieder darauf zu reagieren.
Frau Kollegin Köditz, ich habe das zur Kenntnis genommen. Ich bedauere es trotzdem, dass Sie unserem Vorschlag nicht folgen konnten, alle drei Entwürfe, also den mit 60 Wahlkreisen, den der Regierung, unseren mit 48 Wahlkreisen und den Bericht der Wahlkreiskommission, zusammen zu diskutieren, denn das war ja unser ursprünglicher Vorschlag. – Vielen Dank.
Abschließender Redner in der ersten Runde in der allgemeinen Aussprache ist Herr Dr. Müller für die NPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Jähnigen, Herr Panter, ich kann natürlich Ihren Unmut verstehen. Es wird in vier Jahren einmal interessant sein, nach Baden-Württemberg zu schauen, wie sich dort die Wahlkreise oder das Wahlgesetz gestalten werden. Demokratie macht Spaß, wenn man 50 % plus einen Sitz hat. Das ist nun einmal so.
Meine Damen und Herren! Um die Änderungen des Wahlgesetzes, das die Wahlen zum Sächsischen Landtag regelt, hat es im Vorfeld einige Aufregungen gegeben. Das Aufsehen ist verständlich, werden doch damit die rechtlichen Grundlagen für unsere Existenz als Abgeordnete festgelegt. Gesetze in eigener Sache sind immer heikel, erst recht in einem ausgeprägten Parteienstaat wie der Bundesrepublik Deutschland. Deshalb werden solche Gesetze zu Recht von der Opposition und der interessierten Öffentlichkeit besonders kritisch betrachtet.
Auch gegen den vorliegenden Gesetzentwurf wurde der Vorwurf erhoben, dass die CDU durch die teilweise neuen Wahlkreiszuschnitte bevorteilt würde. Auch wir als NPDFraktion meinen, was die Staatsregierung vorgelegt und die Koalition abgeändert hat, mag nicht verfassungswidrig sein, den Geschmack parteipolitischer Einseitigkeit hat es aber allerdings allemal.
Weiter haben Sie die Notwendigkeit einer echten Reform des Wahlgesetzes aufgrund der demografischen Entwicklung nur zu einer reinen Anpassung der Wahlkreise genutzt. Ein großer Wurf ist somit diese Änderung nicht geworden. Dabei hätte man manches am sächsischen Landtagswahlrecht verbessern können. Die Sachverständigen haben in der Anhörung darauf hingewiesen. Ich denke da zum Beispiel an die Ersetzung des veralteten d‘Hondt-Verfahrens durch Hare-Niemeyer oder, noch besser, gleich durch Sainte-Laguë/Schepers, wie es zum Beispiel auch beim Bundestag üblich ist. Auch hier gilt: d‘Hondt mag verfassungsmäßig sein, aber es kommt vor allem der CDU zugute, und deshalb hat es eine bestimmte parteipolitische Ausrichtung.
Sinnvoll wäre auch eine Reform des Verhältnisses von Direktmandaten und Listenmandaten gewesen. Mein Kollege Andreas Storr hat in der Anhörung auf die Problematik hingewiesen, dass bei den Erststimmen immer ein ganz erheblicher Teil der Stimmen unberücksichtigt bleibt, im Einzelfall immerhin bis zu 75 oder 80 % der Stimmen in einem Wahlkreis. Ob die persönliche Bindung des Wählers an seinen direkt gewählten Abgeordneten bei diesem Nachteil das auch noch aufwiegen kann, darf bezweifelt werden. Zulässig wäre eine solche Verschiebung zwischen Direktmandaten und Listenmandaten durchaus, soweit sie in Maßen erfolgt. Außerdem wäre auch eine Verfassungsänderung, wie jetzt auch bei anderen Dingen angegangen, denkbar gewesen. Auf jeden Fall ist das Verhältniswahlrecht gerechter, auch wenn in den anderen Ländern das Mehrheitswahlrecht bevorzugt wird, was aber nicht unser Maßstab sein kann.
Doch zurück zum aktuellen Gesetzentwurf. Die NPDFraktion hält die meisten vorgeschlagenen Änderungen jedoch zumindest für nachvollziehbar. Der Bevölkerungsrückgang macht gewisse Änderungen unumgänglich. Dass zwei Landkreise Wahlkreise verlieren, ist ein weiteres Symbol für den Niedergang des ländlichen Raumes, den, meine Damen und Herren, insbesondere Sie von der CDU mit Ihrer Regierungszeit der letzten über 20 Jahre zu verantworten haben. Wir Nationaldemokraten werden diesem Gesetz aufgrund der unsauberen Machenschaften, vor allem auch bei den Zuschnitten in Dresden, trotzdem nicht zustimmen. Wenn wir auch selbst durch die Veränderung der Wahlkreise innerhalb der Landeshauptstadt nicht direkt betroffen sind, ist für uns dieses Vorgehen nicht akzeptabel.