Wenn selbst ein renommierter konservativ-liberaler Wirtschaftsprofessor wie Prof. Sinn ebendiesen Vorschlag macht, dass Sozialhilfen eben nur noch in den Herkunftsländern ausgezahlt werden sollen, dann werden Sie, Herr Biesok, doch wohl kaum Herrn Sinn eine neonationalsozialistische Gesinnung unterschieben wollen. Es ist wirklich vollkommen absurd, wie Sie hier mit gewissen Begriffen demagogisch hantieren und uns absprechen, dass wir die Menschenrechte akzeptieren – was gar nicht der Fall ist –, und praktisch ein unbegrenztes Recht auf Zuwanderung in die Sozialsysteme, ein unbegrenztes Bleiberecht für jedermann postulieren. Das ist absurd und das gibt es nirgendwo auf der Welt.
Nicht einmal in klassischen Einwanderungsländern, wie in Australien und in Kanada, wo ein ganz strenges Punktesystem existiert, gibt es dieses unbegrenzte Recht auf Zuwanderung. Sie werden wohl kaum sagen, dass Kanada ein Land ist, das systematisch gegen die Menschenrechte verstößt.
Deshalb ist es einfach absurd, was hier immer wieder postuliert wird, dass man vom Rednerpult aus die Weltrepublik ausruft und so tut, als würde es ein unbegrenztes Recht auf Zuwanderung in die Sozialsysteme geben. Das ist natürlich nicht der Fall, weder aus staatsrechtlicher noch aus völkerrechtlicher Sicht. Deshalb war der Beitrag von Herrn Biesok einfach sachlich falsch.
Auf die Kurzintervention von Herrn Schimmer reagiert jetzt Herr Biesok, auf dessen Beitrag sich diese ja bezog.
Das kann man so nicht stehen lassen. Ich denke, ich habe sehr detailliert ausgeführt, wie das System in der Europäischen Union ist, wenn es um die Inanspruchnahme von Sozialleistungen geht. Ich habe ausgeführt, wie das Recht des Aufenthaltes daran anknüpft und über welche Mittel man verfügt. Aber ich verwahre mich gegen Unwahrheiten. Wenn hier jemand hilfsbedürftig ist, dann muss dieser Staat diesen Menschen – das ist ein Menschenrecht und kein Deutschenrecht – auch Hilfe gewähren.
Wenn Menschen hier sind und sie werden krank, dann ist es unsere Pflicht, ihnen zu helfen und ihnen eine Gesundheitsfürsorge zukommen zu lassen. Derjenige, der das in Abrede stellt – nichts anderes machen Sie mit Punkt 2 Ihres Heimatlandprinzips –,
hat hier in diesem Land nichts zu suchen. Das muss man mal so sagen. Dann sind Sie diejenigen, die sich außerhalb unserer Gesellschaft stellen.
Wenn es sich um einen Nichtleistungswilligen handelt, bietet die jetzige EU-Richtlinie genügend Möglichkeiten, dafür zu sorgen, dass keine Einwanderung in die Sozialsysteme stattfindet. Aber ich werde niemanden, der sich in persönlicher Not befindet und in seinen Grundrechten verletzt ist, die Hilfe des Staates verweigern – nur weil er aus einem anderen Land kommt.
Wir fahren fort in der Rednerreihenfolge. Nach dieser Kurzintervention und der Reaktion darauf spricht für die Fraktion GRÜNE Frau Kollegin Herrmann.
(Jürgen Gansel, NPD: Das wird jetzt wieder eine weinerliche Migrantenlyrik! Ich lege schon mal das Taschentuch bereit!)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Herrn Biesok dankbar, dass er hier die rechtlichen Grundlagen der Arbeitnehmerfreizügigkeit deutlich gemacht hat, obwohl wir uns alle hier im Plenum sicher einig sind, dass es gar nicht darum geht.
Die NPD hat hier wieder eine Debatte angezettelt, die polarisieren soll. Es ist eine polemische Debatte um Arbeitnehmerfreizügigkeit. Die rechtlichen Grundlagen sind ihr dabei egal und sie hat sie nicht einmal verstanden. Die NPD schürt in erster Linie Rassismus und Vorurteile vor allen Dingen gegen die EU-Vollmitglieder Rumänien
Da der Städtetag zitiert worden ist, habe ich mir gedacht, ich werde Frau Roth zitieren, die ja nun wirklich keine GRÜNE ist. Sie ist CDU-Mitglied und langjährige Städtetagspräsidentin. Sie hat gesagt – und zwar dieses Jahr und nicht vor acht Jahren wie Herr Sinn –: „99 % der großen Städte sagen Ja zur Zuwanderung. Auch von den Mittelstädten entscheiden sich zwei Drittel für die Einwanderung.“ Sie warb in ihrer Rede für mehr Gelassenheit der Mehrheitsgesellschaft bei der Integration von Zuwanderern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon jetzt dürfen Rumänen und Bulgaren in Deutschland arbeiten. Das gilt für Akademikerinnen und Akademiker. Das gilt für ausgebildete Arbeiterinnen und Arbeiter in allen Branchen und auch für Azubis. Außerdem kann sich jeder Bürger und jede Bürgerin aus einem EU-Mitgliedsstaat in Deutschland als Selbstständiger niederlassen. Die Behauptungen, die die NPD hier aufstellt, kann sie nicht beweisen und sie sind in weiten Teilen schlichtweg falsch.
Beschränkungen existieren nur noch für ungelernte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Diese bestehen darin, dass Menschen für jeweils nur sechs Monate als Saisonarbeiter kommen dürfen. Darüber sind wir ja froh. Das heißt, wer kommen möchte, ist ohnehin schon da. Die Erfahrungen beispielsweise aus Polen – dort trat die Arbeitnehmerfreizügigkeit schon am 1. Mai 2011 in Kraft – zeigen, dass der Ansturm auf Westeuropa, der damals prophezeit worden ist, ausblieb. Auch damals wurden Schreckgespenster an die Wand gemalt.
Die Bundesagentur für Arbeit stellte im Frühjahr 2012 fest, dass die Zuwanderung aus den EU-8-Staaten bisher moderat ausfiel. Jutta Cordt, die Vorsitzende der Geschäftsführung der Regionaldirektion Sachsen in der Bundesagentur für Arbeit, erklärte: Sachsen profitiert nur in geringem Umfang von der uneingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit. Die derzeit geführte Einwanderungsdebatte um Armutsflüchtlinge, Wirtschaftsflüchtlinge, unerwünschte Flüchtlinge geht also an der Realität vorbei.
Diese Debatte geht an der Realität vorbei. Auch die vorliegenden Zahlen zeigen ein anderes Bild. Das durchschnittliche Bildungsniveau der Einwanderer verändert sich. Inzwischen ist fast die Hälfte der Einwanderer Akademiker. Zu diesem Schluss kommt immerhin eine Analyse des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.
Was die von Ihnen angesprochene Ethnie angeht, sagt der Vizepräsident des Rheinisch-Westfälischen Institutes für Wirtschaftsforschung, dass alle Untersuchungen belegen: Auch Einwanderer aus Bulgarien und Rumänien pauschal als Armutsmigranten zu klassifizieren ist schlichtweg falsch. Nach Daten des Mikrozensus gingen 80 % der
Menschen, die seit 2007 aus diesen Ländern nach Deutschland gekommen sind, einer Erwerbstätigkeit nach. Davon sind 46 % qualifiziert und 22 % sogar hoch qualifiziert.
Zudem handelt es sich bei diesen Zuwanderern häufig um Menschen mit Berufen, die wir in Deutschland dringend benötigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, schon diese Zahlen zeigen, dass diese Debatte heute wirklich absolut überflüssig ist und dass sie nur ein Ziel hat: bestimmte Bevölkerungsgruppen zu diskriminieren und Rassismus zu atmen.
Zum Glück ist für viele Menschen in unserem Land – vor allen Dingen für viele jüngere Menschen – kulturelle Vielfalt längst zur Normalität geworden, und das gibt ihnen keinen Anlass zur Sorge.
Wer Ängste vor dem Ansturm armer Massen aus Südosteuropa schürt, verkennt, dass nicht wir vor unlösbare Probleme gestellt sind, sondern dass die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit – vor allem für Rumänien und Bulgarien – fatale Folgen haben kann.
Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass die Gesellschaft dort schrumpft, dass junge Leute fehlen, und zwar durch Abwanderung nach anderen EU-Ländern. Die abgewanderten Fachkräfte, liebe Kolleginnen und Kollegen, fehlen vor Ort.
Deshalb ist es unsere Aufgabe, zum einen den Menschen hier eine Chance zu geben, arbeiten und sich beruflich weiterentwickeln zu können, aber gleichzeitig auch die Bedingungen in den Ländern so zu beeinflussen, dass die Menschen auch dort eine Arbeit finden, von der sie leben können.
Für die Fraktion GRÜNE war das die Abg. Herrmann. Wir sind am Ende der ersten Runde angekommen und eröffnen eine weitere. – Für die einbringende NPD-Fraktion spricht Herr Gansel.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Vorbemerkung zu Herrn Biesok spare ich mir. Dafür war sein Beitrag zu unspektakulär.
Aber diese Form der politischen Schizophrenie, die meine Vorrednerin an den Tag gelegt hat, ist wirklich schon ein
Fall für den Facharzt. Einerseits wird hier von den GRÜNEN beklagt, dass in den Auswanderungsländern die jungen qualifizierten Leute fehlen. Anstatt daraus die Konsequenz zu ziehen, die Leute dort zu behalten, indem man hier vernünftige Zuwanderungsgrenzen zieht, wird gleichzeitig gesagt: Die sollen alle hierherkommen. – Also Sie sorgen doch durch die Schaffung von Zuwanderungsanreizen nach Deutschland dafür, dass diese Länder ihre Intelligenz verlieren,
dass diese Länder sozioökonomisch ausbluten. Und diese politische Schizophrenie ist doch pathologisch. Aber das ist bei Ihrer Fraktion nicht anders zu erwarten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Wir haben wieder einmal das Mantra von der angeblich europafeindlichen NPD gehört.
Richtig ist vielmehr, dass nur die NPD überhaupt noch eine Vorstellung von der Idee Europas hat und scheinbar nur noch die NPD Europa in seiner Vielfalt der Völker und Sprachen, Kulturen und Traditionen für verteidigungswert hält.
Sie allerdings, meine Damen und Herren, stehen für das Europa der Bürokratie und der Hochfinanz. Sie stehen für ein Europakonstrukt der Vereinheitlichung der gewachsenen Volkskulturen. Sie stehen für Völkerzerstörung durch forcierte Migrationsprozesse, und Sie stehen für die Entmündigung der europäischen Völker, indem Sie alles dafür tun, dass die nationalen Souveränitätsrechte von national gewählten Parlamenten auf demokratisch nicht legitimierte EU-Institutionen übertragen werden.
Für all das stehen Sie, meine Damen und Herren, während die NPD für das Europa der Vaterländer und der souveränen Nationalstaaten steht. Deswegen steht es für uns außer Frage, dass jedes Land – auch in der Europäischen Union – seine eigenen Probleme selbst zu lösen hat. So, wie wir als NPD uns gegen die Vergemeinschaftung der Staatsschulden durch die aberwitzige Eurorettung wenden, so treten wir auch gegen eine Vergemeinschaftung des deutschen Sozialstaats zum Wohle von Zuwanderern aus aller Herren Länder ein. Dieses Missbrauchsverbot gegenüber unserem Sozialstaat gilt natürlich nicht nur für außereuropäische Ausländer, sondern auch für sogenannte EU-Ausländer.