Protocol of the Session on April 17, 2013

Ich sprach gerade über den Kostenfaktor Schüler in den Bundesländern, die das Sitzenbleiben abschaffen wollen. Wenn eine pädagogische Maßnahme als sinnvoll erachtet wird, muss es dem Bildungssystem das auch wert sein. Das praktizieren wir in Sachsen.

Wer über den Sinn und Unsinn des Sitzenbleibens – ein schlimmer Begriff – streitet, sollte statt des Geldes besser die Kinder in den Mittelpunkt stellen.

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Ja, dann macht mal!)

Die Lernbedürfnisse der Kinder und Jugendlichen und die individuelle Förderung stehen im Vordergrund. Wiederholen ist eine Unterstützung, meine Damen und Herren, für die Bildung und nicht für die Erziehung. Wenn wir auf die Leistungsorientiertheit verzichten, erziehen wir eine

verwöhnte Generation, deren Zeugnisse dann wie ungedeckte Schecks sind. Die Wirtschaft fürchtet im Falle der Abschaffung der „Ehrenrunde“ nicht umsonst um die Qualität der künftigen Auszubildenden und Berufseinsteiger.

Meine Damen und Herren von der Opposition, für Sie wird erstaunlich sein, dass sich sogar die Schüler für ein leistungsgerechtes Schulsystem aussprechen. Ein Jahr Wiederholung ist eben nicht verschwendete Lebenszeit, sondern Ansporn für sehr viele, mehr und intensiver zu lernen. Mir scheint auch, dass Sie vergessen haben, dass durchschnittlich ein bis zwei Prozent der Schüler Wiederholer sind. Es sind Schüler, die in vielen Bereichen Schwierigkeiten haben. Es ist deshalb in meinen Augen höchst unverantwortlich, sie trotzdem weiterzuschicken. Das ist so, meine Damen und Herren, als würde bei der Führerscheinprüfung das Durchfallen abgeschafft.

(Sebastian Fischer, CDU: Richtig!)

Ungedeckte Schecks auszustellen – das wäre das Abschaffen von Sitzenbleibern.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Ich möchte noch kurz auf einen Aspekt eingehen, der mehrfach zur Sprache kam.

Wir tun viel für die Förderung der sächsischen Schülerinnen und Schüler, auch für die versetzungsgefährdeten. Neben der individuellen Förderung und den Schülerpartnerschaften, die sehr erfolgreich an den Schulen existieren, haben wir mithilfe unserer Ferienakademien und unserer Lerncamps schon viele – bisher 8 000 ganz sicher geglaubte Wiederholer – doch noch zum Sprung in die nächste Klassenstufe befähigt. Gemeinsam mit den Kammern werden wir diese Initiativen intensiv fortsetzen. Ich bin dankbar, dass wir mit der Wirtschaft und mit unseren Kammern Seite an Seite auf diesem Weg fortschreiten können.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Klepsch?

Nein, jetzt bitte nicht.

Ich habe mit vielen Schülern im Camp in Chemnitz gesprochen. Dort gab es jetzt wieder das Ostercamp. Es ist wunderbar, sich mit den Schülern zu unterhalten. Sie haben dabei gelernt: Für meinen Erfolg muss ich etwas tun; ich muss mich anstrengen, aber das lohnt sich.

Das bestätigten mir Schüler in Gesprächen und in den vielen Zuschriften, die ich erhalten habe.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Ich möchte aus einem weiteren Schülerbrief zitieren. Eine Schülerin schrieb mir: „Sehr geehrte Frau Ministerin, wer

sich in der Schule nicht anstrengt und wer nicht lernt, belastbar zu werden, wird später im Beruf Schwierigkeiten damit haben. Der Schulalltag soll auch auf das spätere Leben vorbereiten.“

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Recht hat sie, diese Schülerin.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Zwei kurze Anmerkungen habe ich noch zum Schluss.

Unser stabiles Schulsystem in Sachsen scheint doch ein Magnet zu sein. Die Stabilität über 22 Jahre, die Verlässlichkeit, die Leistungsorientiertheit und die auf das Kind ausgerichtete Pädagogik scheinen Interesse zu wecken, und das nicht nur in Sachsen; denn es liegen 2 000 Bewerbungen junger Lehrerinnen und Lehrer vor, die im Sommer gern im Freistaat vor die Klasse treten möchten – 2 000, meine Damen und Herren. Also scheint unser Schulsystem ein Magnet zu sein.

(Beifall bei der CDU – Annekathrin Giegengack, GRÜNE: Ein Magnet?)

Zum Schluss noch ganz kurz etwas zum Unterrichtsausfall, der mir natürlich in dieser Höhe keinesfalls recht ist und bei dem wir – dessen bin ich mir sehr sicher – Seite an Seite mit den Bildungspolitikern der Koalition vorwärtskommen werden. Der Unterrichtsausfall muss minimiert werden. Die Zahlen gefallen mir nicht.

Eines möchte ich noch erwähnen, da der Unterrichtsausfall sehr oft in Zahlen genannt wurde: 104 000 Stunden sind durch Streik ausgefallen. Ich respektiere das Recht eines jeden Lehrers, seine Arbeitnehmerinteressen zu vertreten. Das steht ihm zu, und es ist ein Zeugnis der Freiheit. Aber wie so oft kommt es hierbei auf das rechte Maß an, und Arbeitsniederlegungen in drei Monaten des ersten Halbjahres mit 104 000 ausgefallenen Unterrichtsstunden sind nicht mehr das rechte Maß. Das möchte ich noch einmal betonen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die Staatsregierung sprach Frau Staatsministerin Clauß.

(Mehrere Zurufe von der CDU: Frau Kurth!)

Entschuldigung, Frau Staatsministerin! Es sprach natürlich Frau Staatsministerin Kurth. Nun sehe ich gleich zwei Kurzinterventionen. Ich bin mir nicht sicher, welche Dame die Erste war. – Bitte, zunächst Frau Kollegin Giegengack.

Ich möchte gern eine Kurzintervention zu dem eben gehörten Beitrag der Staatsministerin vornehmen. Ich halte diesen Beitrag einer Ministerin für unwürdig.

(Empörung bei der CDU)

Viel Spaß, wenn Sie bei der nächsten KMK Ihren Kollegen wieder in die Augen sehen, die in den anderen Bundesländern angeblich aus finanziellen Gründen und gegen die Interessen der Schüler das Sitzenbleiben abschaffen! Es ist demagogisch zu behaupten, dass in den Bundesländern, in denen Rot-Grün gemeinsam regiert, die Schüler nicht mehr zurückgestellt werden dürfen, und wenn sie aufgrund von Krankheit Unterricht versäumt haben, das Schuljahr nicht mehr wiederholen dürfen. Wenn Sie einmal genau nachschauen würden, so steht im Koalitionsvertrag von Niedersachsen: Sitzenbleiben soll durch individuelle Förderung überflüssig gemacht werden. Durch individuelle Förderung! Das kommt mir irgendwie bekannt vor: aus der Umfrage, von der wir vorhin gehört haben.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Wollen Sie reagieren, Frau Staatsministerin? – Nein. Die nächste Kurzintervention kommt von Kollegin Dr. Stange; bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich kann nahtlos anknüpfen, weil der permanente Vorwurf, auch von Ihnen, Frau Kurth, oder von Ihren Kollegen aus der Koalition, dass diejenigen, die gegen das Sitzenbleiben sind, gleichzeitig – Sie haben es heute nicht verwendet, sondern Sie haben andere Worte verwendet – Kuschelpädagogik betreiben oder die Kinder in Watte packen wollen oder keine Herausforderungen schaffen, so falsch ist, wie er nur irgendwie sein kann.

Liebe Frau Kurth, Sie sind Pädagogin und müssten wissen – Sie haben gerade die besten Beispiele dafür genannt –, dass sich, wenn man Kinder rechtzeitig und individuell fördert, auch das Sitzenbleiben erledigt. Ich habe Ihnen einige Beispiele genannt, auf die Sie nicht eingegangen sind. Der Förderunterricht ist das Erste, was in den Klassen 5 und 6 gestrichen wird, wenn Lehrer fehlen. Fragen Sie bitte einmal in den Schulen nach, wie viele Mittelschulen noch zwei Stunden Förderunterricht anbieten.

Sie haben im vergangenen Jahr mit diesem Schuljahr die Lehrer aus den Ganztagsangeboten herausgezogen. Dort war eine Menge an Förderunterricht durch die Lehrer dabei, in dem Kinder gefördert werden konnten – genau das, was Herr Bienst beschrieben hat – und nicht nur Aufgaben gestellt, sondern die Kinder individuell gefördert wurden. Fragen Sie einmal nach, was heute am Nachmittag noch passiert! Fragen Sie bitte nach, welche dieser Schülercamps evaluiert werden, außer jenes der Kinder- und Jugendstiftung – wo Sie wirklich wissen, dass die Kinder nicht sitzenbleiben und die Versetzungsgefährdung durch das Schülercamp tatsächlich überwunden werden könnte. Auch das ist übrigens eine Fördermaßnahme. Es ist eine Fördermaßnahme, die aus ESFMitteln finanziert wird. Ich bin gespannt, welche Vorstellungen die Staatsregierung hat, dies durch Landesmittel abzulösen.

Ein Wort noch zu Ihren letzten Anmerkungen. Ich finde es einer Kultusministerin, einer Fachministerin für die Lehrerinnen und Lehrer, die Sie hier ständig so loben – wir haben heute schon darauf gewartet, dass Sie dies tun –, unwürdig, dass Sie ihnen vorwerfen, für ihre Rechte zu streiken.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Redezeit!

Wenn sich die Staatsregierung – –

Frau Stange, Ihre Redezeit für die Kurzintervention ist zu Ende.

Okay. – Wenn sich die Staatsregierung nicht bald bewegt, werden diese Streiktage in den nächsten Jahren zunehmen.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Wollen Sie reagieren, Frau Staatsministerin? – Jetzt nicht. Eine weitere Kurzintervention kommt nun von Frau Kollegin Klepsch.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich möchte nur noch feststellen, dass von den von der Kultusministerin angepriesenen Lerncamps – Frau Dr. Stange hat ebenfalls bereits darauf hingewiesen – das Einzige, was wissenschaftlich nachweisbar erfolgreich evaluiert wurde, schon seit 2012 nicht mehr stattfindet. Und warum? Weil es nicht gelungen ist, zwischen dem Kultusministerium und der Aufbaubank, die diese fördert, die Rahmenbedingungen so herzustellen, dass sich der Träger in der Lage sieht, diese Camps weiterhin durchzuführen.

(Beifall bei den LINKEN – Sabine Friedel, SPD: Sie können das jetzt alles richtigstellen, Frau Kurth! Reagieren Sie!)

Ich sehe nun keinen weiteren Redebedarf in dieser 1. Aktuellen Debatte. Sie ist damit abgeschlossen und wir kommen zu