Protocol of the Session on March 14, 2013

müsste man doch definieren, wenn man das umsetzen will. Also wenn Sie dieses Beispiel schon bringen, dann sage ich Ihnen: Das ist einfach nicht praktikabel.

Nach meinen Ausführungen sollte Ihnen klar werden, dass es so nicht geht. Ich möchte zum Schluss kommen. Wie der Herr Tischendorf schon sagte: Dieser Antrag ist wirklich nicht der große Wurf.

Ich möchte praktisch mit einem mathematischen Vergleich aus der Grundschule darlegen, was eine Kapitänsaufgabe ist. Eine Kapitänsaufgabe ist nicht die Aufgabe des Kapitäns auf hoher See, denn dann würden Sie, Herr Homann, nicht durchkommen. Eine Kapitänsaufgabe ist mathematisch in der Grundschule eine nicht lösbare Aufgabe. Das ist wie Ihr entbehrlicher Antrag. Bauer Lindemann hat 23 Schweine männlichen Geschlechts in seinem Stall sowie 24 Schweine weiblichen Geschlechts. Wie alt ist Bauer Lindemann?

(Anhaltendes Gelächter bei der CDU und der FDP)

Insofern Ihr Antrag, vergleichbar.

Wünscht noch einer der Abgeordneten das Wort? – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage die Staatsregierung. – Die Staatsregierung möchte auch nicht das Wort ergreifen. Ich frage Herrn Homann, ob er ein Schlusswort halten möchte.

(Anhaltendes Gelächter – Zuruf von der CDU: Der muss erst seinen Taschenrechner rausholen! Na, wie alt ist er denn?)

Herr Homann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Pohle, es ist schön, dass Sie Ihr Witzebuch aus der 4. Klasse wieder herausgeholt haben. Ich finde, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass es eine sehr durchschaubare Art und Weise ist. Sie unterstellen, wir wollten das freie Mandat unterhöhlen, Sie unterstellen, wir möchten Nebeneinkünfte verbieten, Sie unterstellen, wir möchten monatliche Angaben. Das alles stimmt nicht. Sie wissen es ganz genau. Sie haben nur keine anderen Argumente, Sie haben nämlich nicht ein einziges genannt.

Herr Pohle, ich habe den Artikel in der „LVZ“ auch gelesen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich, dass ich es auch nicht in Ordnung fand, was in der „LVZ“ stand.

(Christian Piwarz, CDU: Sie waren doch der Auslöser!)

Sie wissen ganz genau, dass ich die Artikel auch in der „LVZ“ nicht schreibe.

Es ist doch das beste Beispiel dafür, welche Missverständnisse entstehen und wie auch Angaben interpretiert werden, wenn die Transparenz nicht vollständig und ausreichend vorhanden ist. An der Stelle ist das der beste Hinweis dafür, Herr Pohle, dass wir hier mehr Transparenz brauchen. Egal, wie sehr Sie sich hier auch über

mich lustig machen, ich kann Ihnen nur sagen, dass ich ein glückliches Leben führe, ich stehe locker darüber.

Herr Homann, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage von Herrn Pohle. Möchten Sie diese zulassen?

Nein, danke. Herr Pohle kann seine Rechenaufgaben selber lösen.

(Gelächter bei der CDU und der FDP)

Ich glaube, Sie werden – –

Einen Moment bitte. – Ich kann Ihre Heiterkeit sicherlich nachvollziehen. Aber es wäre sinnvoll, wenn Sie Herrn Homann einmal die Gelegenheit geben, dass er mit seiner Stimme zu Ihnen durchdringt. Das Gebot der Fairness würde das schon erfordern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Homann, ich habe die Zeit angehalten. Sie können mit Ihrer Rede fortfahren.

Vielen Dank, ich bin fertig.

(Anhaltendes Gelächter bei der CDU und der FDP)

Das hätten Sie mir vorher signalisieren können.

(Anhaltendes Gelächter bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Ich bitte nun um Aufmerksamkeit für unsere Abstimmung. Eine Kurzintervention, Herr Pohle? – Eine Kurzintervention geht leider nicht, weil es das Schlusswort gewesen ist. Ich habe also richtig gehandelt, mich aber verunsichern lassen durch Ihre Unruhe.

Wir sind jetzt bei der Abstimmung. Ich rufe auf die Drucksache 5/11384. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei keinen Stimmenthaltungen und zahlreichen Dafür-Stimmen ist mehrheitlich die Drucksache 5/11384 nicht beschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Konsequenzen aus dem Bericht der Expertenkommission

zur Neuordnung des Landesamtes für Verfassungsschutz

Drucksache 5/11383, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: GRÜNE, CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der Einreicherin das Wort. Für die Fraktion GRÜNE Herr Jennerjahn, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht ganz leicht, nach dem eben nachvollzogenen unwürdigen Schauspiel, das von CDU und FDP hier zelebriert wurde, eine Rede zu halten. Ich hoffe, die jetzt folgende Debatte wird etwas tiefgründiger.

Es geht um Folgendes: Seit dem 20. Februar 2013 liegt uns der Bericht der von Innenminister Ulbig zum 1. August 2012 eingesetzten Expertenkommission vor. Man muss es so hart sagen: Die Expertenkommission war keine freiwillige Einrichtung der Staatsregierung. Monatelang weigerte sich die Staatsregierung nach dem 4. November 2011 und dem Bekanntwerden der schrecklichen Verbrechen des Terrornetzwerkes „Nationalsozialistischer Untergrund“, eine unabhängige Kommission einzusetzen, die eine strukturierte Aufarbeitung der Fragen vornimmt, wie es denn sein kann, dass drei flüchtige Neonazis gut 14 Jahre unerkannt im Freistaat Sachsen untertauchen konnten, welches Wissen sächsische Behörden über das flüchtige Trio hatten und welche Versäum

nisse es im Behördenhandeln gibt, des Trios habhaft zu werden.

Sachsen weigerte sich dabei auch gemeinsam mit dem Freistaat Thüringen, eine solche Kommission einzurichten, obwohl von Thüringen ein entsprechendes Angebot vorlag. Stets lautete die Erklärung aus Sachsen, das Thema sei zu groß, um es von Sachsen aus zu bearbeiten. Ich erinnere dabei an die Worte von Innenminister Ulbig in der 46. Sitzung des Sächsischen Landtages vom 14. Dezember 2011 – ich zitiere –: „Ein so komplexes Thema bedarf eben der Untersuchung durch ein unabhängiges Gremium auf Bundesebene. Alleingänge von einzelnen Ländern bringen uns bei diesem Thema nicht weiter.“

Abgesehen von der Tatsache, dass Thüringen genau das geleistet hat und mit dem sogenannten Schäfer-Gutachten ein eindrucksvolles Dokument vorgelegt hat, wissen wir mittlerweile auch, dass die Bund-Länder-Kommission, hinter der sich der Innenminister so gerne versteckt, diese Aufgabe gerade nicht leisten kann. Sie hat nicht die Ressourcen, detaillierte Wissensstände einzelner Bundesländer aufzuarbeiten und für die betroffenen Bundesländer nachzuzeichnen, welche Versäumnisse es in der Aufklärung des NSU gab. Das zumindest ist das Ergebnis eines Treffens der Bund-Länder-Kommission mit dem 3. Untersuchungsausschuss des Sächsischen Landtages.

Aber in Sachsen ticken die Uhren bekanntlich anders. Hier wurde eine Expertenkommission erst eingerichtet, als im Juli 2012 Akten im Landesamt für Verfassungsschutz zu einer G-10-Maßnahme aus dem Jahr 1998 auftauchten, die nirgendwo registriert waren und etliche Jahre vergessen in einem Panzerschrank im LfV vor sich hinschlummerten.

Die genaue Zusammensetzung der Kommission – darüber haben wir schon im Januar debattiert – durften wir dann der Presse entnehmen, und den konkreten Arbeitsauftrag der Kommission haben wir dann auch erst mit der Vorlage des Abschlussberichtes, also am 20. Februar 2013, erfahren.

Schaut man sich den Bericht an, dann fallen allerdings zuerst die Grenzen des Berichtes bzw. des Arbeitsauftrages der Kommission auf. Damit sind die Grenzen des Berichtes auch nur bedingt der Kommission selbst anzulasten, sondern durch den Arbeitsauftrag seitens der Staatsregierung vorgegeben. Anders als in Thüringen hat Sachsen leider darauf verzichtet, eine umfassende Aufarbeitung vorzunehmen, inwieweit das LfV aufgrund eigener Erkenntnisse den Aufenthaltsort des Trios hätte ermitteln können und inwieweit eine Zusammenarbeit mit der Polizei und anderen Behörden bei der Verfolgung des Trios unterlassen wurde. An die Qualität des thüringischen Schäfer-Gutachtens kommt der Bericht der sächsischen Expertenkommission daher bei Weitem nicht heran.

Mein Fazit lautet: Die Sächsische Staatsregierung hat bis heute keinen eigenen Beitrag zur Aufklärung der Fehler sächsischer Behörden im Umgang mit dem NSU geleistet. Das ist beschämend. Es reicht nicht aus, sich permanent hinter anderen Strukturen zu verstecken und zu behaupten, der eigene Beitrag bestünde in Zuarbeiten. Die Staatsregierung hat leider ein weiteres Mal die Chance vertan, verloren gegangenes Vertrauen in die Arbeit sächsischer Behörden durch eine angemessene Aufarbeitung zurückzugewinnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt liegt der Bericht vor, und die Frage lautet: Was jetzt? Was passiert jetzt mit dem Bericht? Wird er in der Schublade versenkt oder sollen die Empfehlungen des Berichtes umgesetzt werden? Wenn ja, in welchem Umfang bzw. welche Empfehlungen sollen aus welchen Gründen nicht umgesetzt werden?

Auch wenn der Bericht deutliche Grenzen hat, habe ich ihn mit Interesse gelesen, obwohl manche Dinge in diesem Bericht durchaus kurios sind. Ich stelle mir schon die Frage, ob die Kommission tatsächlich so frei von Einflussnahmen gearbeitet hat, wenn bereits im Vorwort des Berichtes die Schlussfolgerung präsentiert wird, das LfV sei grundsätzlich eine gut aufgestellte und geführte Behörde, und im Anschluss daran wird dann eine Mängelliste über die Arbeitsweise des LfV in allen zentralen Bereichen präsentiert, die sich gewaschen hat.

Aber ich will auch nicht verhehlen, dass der Abschlussbericht durchaus auch seine erhellenden Momente hat. Ich möchte insbesondere drei Dinge hervorheben:

Das Erste: Mit Interesse habe ich die Schilderung gelesen, dass zwar nach Entdeckung des NSU eine Projektgruppe im LfV eingerichtet wurde, die vorhandenes Aktenmaterial zu Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe auswerten sollte, und dass die Projektgruppe über Fehlseiten gestolpert ist. Spannend ist allerdings die Aussage in dem Bericht: „Eine Anweisung des damaligen Präsidenten im LfV Sachsen, wegen Fehlblättern in den Akten nach diesen fehlenden Dokumenten oder nach weiteren Unterlagen mit NSUBezug zu suchen, gab es nicht. Eine dienstliche Weisung zum Durchsuchen aller Aktenbestände in den Dienstzimmern einschließlich der VS-Verwahrgelasse erging erst nach dem Auffinden der Aktenmappe am 10. Juli 2012.“

Das findet man auf Seite 27 ff.

Anders ausgedrückt: Eine systematische Auseinandersetzung und Aufarbeitung zum Thema NSU hat im Landesamt für Verfassungsschutz nicht stattgefunden. Dementsprechend haben auch keine vollständigen Aktenlieferungen an die Parlamentarische Kontrollkommission und die Untersuchungsausschüsse stattgefunden.

Zweitens. Verheerend ist auch die Bilanz zur V-LeuteFührung, die der Bericht zieht. Man kann dort nachlesen, dass „ein nachvollziehbares Führungsinstrument zur Bewertung der Qualität, Notwendigkeit und Effizienz von Quellen … bislang im LfV nicht zum Einsatz“ komme. Die Expertenkommission konnte nicht erkennen, dass die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit V-Leuten „in einzelnen Beobachtungsobjekten regelmäßig kritisch hinterfragt“ werde. Auch sei der Vollzug der Dienstvorschriften „nicht durchweg zufriedenstellend“.

Leider wird die eigentlich relevante Frage nicht gestellt: Welchen Sinn haben denn V-Leute tatsächlich? Angesichts der Missbrauchsanfälligkeit dieses Systems und der permanenten Frage, wer eigentlich wen steuert – das LfV die V-Leute oder die V-Leute das LfV –, ist der Einsatz von V-Leuten aus unserer Sicht hinfällig. In vielen Fällen ist es offensichtlich, dass der Staat durch die V-Leute überhaupt erst einen Beitrag zur Stabilisierung rechtsextremer Strukturen geleistet hat.