Protocol of the Session on March 13, 2013

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Eine Kurzintervention.

Ich möchte auf den Redebeitrag Bezug nehmen und als Erstes feststellen, dass die zentralen und dringenden Probleme der Kommunen und der kommunalen Spitzenverbände in den Entwurf aufgenommen und umgesetzt worden sind und die angesprochenen Änderungen zur Stichwahl der Oberbürgermeister/Bürgermeisterwahlen ein Vorschlag von Herrn Prof. Musall war und nicht von den kommunalen Spitzenverbänden geäußert wurde.

Gleichwohl möchte ich zum Ausdruck bringen, dass der Vorschlag der LINKEN, auf die Idee zu kommen, eine nicht bindende rechtliche Erklärung zu verlangen, keinen Unterschied zur jetzigen Gesetzeslage darstellt, als dass auch jetzt nur bekannt sein kann, dass ein Bürgermeister, der kandidiert, schwerlich das Amt annehmen kann, wenn er Bürgermeister bleiben will. Daran ändert sich auch mit der Formulierung der LINKEN nichts, und ich bedaure den Querschlag auf den Zensus. Der Zensus ist etwas, was Mitte dieses Jahres bekannt wird und dann die Grundlage für die weitere Berechnung für wahlvorbereitende Maßnahmen ist.

Wenn wir keine Übergangsregelung aufnehmen, führt das dazu, dass die jetzt anstehenden Wahlen gegebenenfalls nicht rechtlich ordnungsgemäß umgesetzt werden können. Insoweit bitte ich das als Klarstellung zum Redebeitrag der Frau Kollegin zu verstehen.

Frau Junge, möchten Sie darauf reagieren? – Gut. Frau Köpping, bitte, für die SPD-Fraktion.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das neue vorliegende Kommunalwahlrecht ist aus unserer Sicht ein Gesetz der verschenkten Möglichkeiten. Es ist schade, Herr Hartmann, weil im Grunde genommen eine Reihe ganz guter Dinge im Gesetz aufgenommen worden sind; das sagen wir auch. Eine Reihe von Änderungen, die wir positiv bewerten, sind zum Beispiel die Begründungspflicht bei der Beantragung der Erteilung von Wahlscheinen, die Fristenverlängerung und -anpassung – Sie haben das genau erläutert – oder auch die verbindliche Einfüh

rung von Zähllisten, die den Wahlkreisbüros eine leichtere Arbeit ermöglichen.

Aber Sie haben auch halbherzige Aspekte aufgenommen. Sie haben selbst vorgetragen die Dezentralisierung, die Abgabe von Unterstützungsunterschriften, obwohl dort die kommunale Ebene ganz klar gesagt hat, dass sie Straßensammlungen durchaus für möglich hält. Ich höre selten im Landtag, dass wir die kommunale Ebene schützen wollen, weil sie dann zu viele Aufgaben bzw. Verwaltungshürden zu bewältigen hätte.

Eine Reihe von Punkten, die man hätte regeln können, ist nicht geregelt worden, obwohl die Sachverständigen in der Expertenanhörung unisono gesagt haben, dass durchaus Regelungsbedarf wäre. Eines habe ich kurz genannt: die Straßensammlung. Das hätte – drei Jahre war Zeit dafür – durchaus in dieses neue Gesetz Eingang finden können, und es wäre auch kein Problem gewesen, dieses aufzunehmen.

Zum Zweiten würde ich gern noch einmal auf die Stichwahlen bei Bürgermeisterwahlen eingehen. Wer sich Bürgermeister- oder Landratswahlen wirklich einmal anschaut, der sieht, welche Blüten es treibt, wenn man dieses Wahlsystem, das wir zurzeit praktizieren, beibehält – gerade jüngst in Naunhof, wo beim zweiten Wahlgang bei der Stichwahl der Kandidat wieder aufgeschlagen ist, der beim ersten Mal dafür gesorgt hat, dass es zu einer Wahlverschiebung gekommen ist, weil es dort nicht um demokratische Abstimmung ging, sondern darum, zu verhindern, dass der, der vorn lag, Bürgermeister wird. Das hat mit Demokratie nicht mehr viel zu tun.

Deswegen ist das Thema Stichwahl bei Bürgermeister- oder Landratswahlen sehr wichtig und wir finden es wirklich schade, zumal alle Sachverständigen gesagt haben, dass es wichtig wäre, dass es nicht aufgenommen worden ist.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und Beifall der Abg. Marion Junge, DIE LINKE)

Sie sind auf die Klarstellung bzw. das Verfahren zur Aufstellung gemeinsamer Wahlvorschläge eingegangen. Auch wir bedauern, dass das nicht zustande gekommen ist.

Ich würde gern näher auf die Scheinkandidatur eingehen. Sie haben lange ausgeführt, warum der Vorschlag der LINKEN nicht angenommen werden kann: weil es im Grunde genommen jetzt schon geht, dass jemand ehrenwürdemäßig erklären kann, er wird, wenn er Bürgermeister wird, nicht Gemeinderat sein. Das ist das eine; aber es gibt durchaus Bundesländer, die das praktizieren. Ich habe sehr wohl gehört, dass die Sachverständigen dort ein Problem mit der Verfassung hätten.

Dennoch praktiziert zum Beispiel der Freistaat Bayern ganz klar in seinem Gesetz über die Wahl der Gemeinderäte, der Bürgermeister, der Kreistage und der Landräte im Artikel 21 Abs. 2, dass zum Beispiel der erste Bürgermeister in seiner Gemeinde als ehrenamtliches Gemeinderatsmitglied nicht wählbar wäre, der Oberbürgermeister

einer kreisfreien Gemeinde als Kreisrat nicht wählbar ist, der Landrat in einer kreisfreien Gemeinde als ehrenamtliches Gemeinderatsmitglied oder der Landrat als Kreisrat. Das sind Dinge, die praktiziert werden, und deswegen bedauere ich, dass wir uns das nicht angeschaut haben. Es gab ja auch den Hinweis der Sachverständigen, einmal die praktizierten Rechtsmöglichkeiten zu prüfen, um so etwas in unser Wahlgesetz mit aufzunehmen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Hartmann, bitte.

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Köpping. Sie wissen, dass in der Sächsischen Gemeindeordnung ebenfalls steht, dass nicht zum Gemeinderat wählbar ist, wer Bürgermeister ist; dass damit aber nicht das Recht der Kandidatur ausgeschlossen ist, genauso wie es in Bayern nicht ausgeschlossen ist. Ich hätte die Frage an Sie, wie Sie meinen das Thema lösen zu können, denn die Rechtsregelung haben wir heute schon in der Sächsischen Gemeindeordnung.

Diese Rechtsregelung, wie sie die bayerische Wahlordnung hat, haben wir nicht; sie ist weiterführend als hier in Sachsen. Wir haben nur die Bürgermeister ausgeschlossen und ich habe gerade vorgetragen, wer noch alles ausgeschlossen sein würde. Es ist eine weitergehende Regelung, die mehr Rechtssicherheit in diesem Bereich gibt. Die Kandidatur schließt es nicht aus.

Auch die Sachverständigen haben ganz klar gesagt, dass es dort ein Verfassungsrechtsproblem geben könnte.

Ich habe die Dinge genannt, die uns wichtig gewesen wären, dass sie im Kommunalwahlrecht auftauchen. Aus diesem Grund können wir diesem Vorschlag des Gesetzes nicht zustimmen und hoffen, dass die Änderungen, die vorgeschlagen worden sind – sowohl von den LINKEN als Interimslösung als auch von uns –, aufgenommen werden können.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Für die FDP Herr Karabinski, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei dem Gesetzentwurf, der uns heute zur Beschlussfassung vorliegt, handelt es sich um eine Materie, die Tausende von Kommunalmandatsträgern, die hauptsächlich ehrenamtlich tätig sind, betrifft.

In etwa 15 Monaten werden die Stadt- und Gemeinderäte sowie die Kreistage in Sachsen neu gewählt und deswegen ist jetzt ein guter Zeitpunkt, die Regelungen im

Kommunalwahlrecht systematisch zu untersuchen und vor allem Anpassungen an das Wahlrecht für die Bundestags- und Landtagswahlen sowie an europarechtliche Regelungen vorzunehmen. Beispielsweise ist keinem Bürger zu vermitteln, warum er bei der Beantragung der Briefwahl auf der kommunalen Ebene den Grund für die Verhinderung am Wahltermin angeben muss, dies aber auf Landes- oder Bundesebene nicht erforderlich ist.

Ebenso unzweifelhaft notwendig ist es gerade im Hinblick auf die bald beginnenden Wahlvorbereitungen, eine Angleichung der Fristen für die Einreichung von Wahlvorschlägen vorzunehmen. Gerade vor dem Hintergrund, dass unsere Landkreise doch recht groß geworden sind, begrüße ich ausdrücklich die Dezentralisierung der Abgabe von Unterstützungsunterschriften bei den Kreiswahlen auf die Rathäuser der Gemeinden. Das Entfallen des oft weiten Weges in die Kreisstadt erleichtert es vielen Bürgern, ihr diesbezügliches Recht wahrzunehmen.

Bei der Anhörung am 17. Januar dieses Jahres zu diesem Gesetz erhielt der vorliegende Entwurf von den anwesenden Sachverständigen eine überwiegend positive Bewertung. Einige der dort ergangenen Anregungen haben wir als Regierungskoalition in einem Änderungsantrag aufgegriffen. Gerade von den zahlreich vorhandenen Praktikern ergingen hierzu wertvolle Hinweise. So soll durch eine Übergangsvorschrift vermieden werden, dass die Vorbereitungszeit für einzelne Wahlen eine Bekanntmachung der Zensusergebnisse den betroffenen Gemeinden Schwierigkeiten bereitet.

Klargestellt wird außerdem, dass Bürgermeister von sogenannten untergegangenen Gemeinden bei einer Bewerbung um dieses Amt in der neu gebildeten Gemeindeeinheit keine Unterstützungsunterschriften vorlegen müssen.

Einige Anregungen haben wir jedoch auch bewusst nicht aufgenommen, so zum Beispiel die schon mehrfach angesprochene Forderung nach der Einführung der Stichwahl um das Bürgermeister- oder Landratsamt, wie auch von der LINKE-Fraktion in einem Änderungsantrag gefordert.

In Sachsen hat man sich 1990 für einen anderen Weg, nämlich für den zweiten Wahlgang entschieden, weil wir den Bürgern noch einmal die Möglichkeit geben wollten, in Kenntnis des Ergebnisses zwischen allen verschiedenen Kandidaten auszuwählen und gegebenenfalls einen neuen Kandidaten zu wählen. Ich will einmal deutlich machen, dass wir mit diesem Gesetz, das heute zur Beschlussfassung vorliegt, die Vorschriften für die Gemeinde-, Stadtrats- und Kreistagswahlen anpassen und explizit eben nicht die Bürgermeister- und Landratswahlen. Deren Wahlgrundsätzen werden wir uns im Zuge der Novellierung der Gemeindeordnung widmen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das hat in diesem Gesetz keinen Platz.

Ihren Vorschlag, was sogenannte Scheinkandidaturen angeht, halte ich für recht abstrus. Dass wir in solchen

Fällen der Kandidaturen von beispielsweise Bürgermeister-Eheleuten die Wählbarkeit nicht einschränken dürfen, wäre wohl verfassungsrechtlich nicht haltbar; das wissen Sie selbst. Jetzt versuchen Sie es über den Umweg einer rechtlich unverbindlichen Erklärung. Das ist völlig wirkungslos, und das wissen Sie auch. Das Problem lösen Sie damit nicht.

Ich sage Ihnen: Wir können dieses Problem auch nicht lösen. Als Demokraten müssen wir – ob es uns gefällt oder ob es uns nicht gefällt – mit diesen Scheinkandidaturen leben. Es ist Aufgabe der Medien und der anderen Kandidaten, deutlich zu machen, dass es sich um Scheinkandidaturen handelt und dass der Kandidat das Amt im Falle der Wahl gar nicht annehmen könnte.

Wie schon dargestellt, meine Damen und Herren, halte ich den vorliegenden Gesetzentwurf für eine gute Grundlage, jetzt in die Vorbereitung der Kommunalwahlen im Frühjahr 2014 einzusteigen. Daher bitte ich Sie alle um Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Frau Abg. Jähnigen von der Fraktion der GRÜNEN, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Abgeordnete Hartmann begann die Aussprache zu dem Gesetzentwurf mit der Einschätzung, das Kommunalwahlrecht in Sachsen habe sich bewährt. Diese Einschätzung teilen wir nicht, jedenfalls nicht vollständig. Es mag sein, dass die Machtverhältnisse in vielen Gemeinden und Landkreisen die CDU-Fraktion dazu verleiten zu glauben, das Wahlrecht habe sich bewährt, weil es schwarze Machtverhältnisse stabilisiert hat. Aber aus der Sicht der Bürgerbedürfnisse und angesichts des Erfordernisses einer stabilen Entwicklung von Demokratie hat sich das Wahlrecht nicht bewährt.

Ich beginne mit der schon diskutierten Frage: Wie erhalten Leute Zugang zu den Wahlen? – Die Koalition hat nicht einmal im Ansatz darüber diskutiert, die Quoren für Freie Wähler und Einzelkandidaten zu senken. Ich finde es, schlichtweg gesagt, lächerlich zu behaupten, es bedeute mehr Aufwand, auf den Straßen gesammelte Unterschriften zu prüfen – da braucht man lange nicht so viel wie bei Bürgerentscheiden –, als die Rathäuser in den Gemeinden lange genug zu öffnen. Sie wissen doch alle, wie die Diskussion in Leipzig verlief. Die dortige Stadtverwaltung argumentierte: Wir haben Probleme, unsere Verwaltungsstellen lange genug zu öffnen. Wir wollen lieber die Unterschriften prüfen. – Das, was Sie hier machen, ist Bürokratie.

Genauso ist es mit der Abschaffung der Neuwahl. Die Möglichkeit, neu anzutreten – das haben wir mehrfach erlebt, teilweise in sehr prominenten Wahlverfahren, zum Beispiel bei der vorletzten Bürgermeisterwahl in meiner

Heimatstadt Dresden –, entwertet eigentlich das Wahlverfahren.

Ob die Stichwahl, wie von den LINKEN beantragt, das ideale Mittel ist oder ob es besser wäre, wenn alle Bewerber drinblieben, wäre zu diskutieren. Sie von der Koalition haben aber selbst das nicht gemacht.