Protocol of the Session on January 20, 2010

Ja, gern.

Bitte.

Sehr geehrter Herr Dulig! Sie haben gerade die Spenden von BMW an die verschiedenen Parteien erklärt. Wenn das alles so locker und flockig ist, hätte ich gern erklärt, wie Sie die Spende von Daimler an die SPD

(Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Oh ja!)

vom 02.06.2009, als die Abwrackprämie gerade beendet war, in Höhe von 150 000 Euro sehen? Wie hängt denn das zusammen?

Noch einmal: Es bleibt dabei, dass die Spenden aus der Automobilindustrie – – Sie können ja einmal vergleichen, was in den Wahljahren und davor für Spenden geflossen sind.

(Zuruf des Abg. Robert Clemen, CDU)

Die sind geblieben. Also das heißt, es gab immer Spenden und die sind aufgeteilt worden auf verschiedene Parteien. Das war keine SPD-Spende. Deshalb funktioniert dieses Argument überhaupt nicht.

Das war keine Antwort.

Aber bei einer Million Euro finde ich die Rendite interessant, die die Hoteliers erreichen. Mit einer Million Euro Spende eine Milliarde Rendite zu erzielen – alle Achtung!

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Das Problem daran ist – daran müssen Sie sich jetzt auch messen lassen und das ist die Schwierigkeit dieser Debatte –: Was Sie damit vorangetrieben haben, kann man entweder als politische Korruption oder als politische Prostitution bezeichnen. Beides ist für Sie nicht vorteilhaft.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Das war Kollege Dulig von der SPD-Fraktion. – Als Nächster spricht zu uns Kollege Weichert von der Fraktion GRÜNE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe es ja zu: Persönlich und aus tourismuspolitischer Sicht hatte ich zunächst auch unter dem Hinweis auf das Argument des europäischen Wettbewerbs nichts gegen die Absenkung der Mehrwertsteuer. Im Zusammenhang mit dieser Spende bekommt das allerdings eine völlig andere Dimension.

Ich habe mir einmal den Spaß gemacht und das kurz ausgerechnet. Mövenpick hat 14 Häuser in Deutschland. Das macht pro Haus rund 78 000 Euro. Wenn ich unterstelle, dass hundert Betten zu 50 % ausgelastet und mit 70 Euro bezahlt werden, dann komme ich auf eine Amortisation ab dem 186. Tag. Das ist am 5. Juli 2010. Da haben sich diese 1,1 Millionen Euro für Mövenpick schon gelohnt.

Das ist nicht nur einmalig, das ist auch noch ein Schnäppchen. Ich kann der FDP nur sagen: Wenn Sie glaubwürdig Politik machen wollen, dann geben Sie diese Spende sofort zurück!

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Es bleiben jede Menge offene Fragen: Was ist mit der Vereinfachung des Steuersystems, dem Subventionsabbau und dem Bürokratieabbau? Was ist mit allen anderen Tourismusbetrieben, wie der Gastronomie, dem Bus- und Bahnverkehr sowie den Reiseveranstaltern? Was ist mit den Firmenkunden, die praktisch über Nacht 12 % mehr bezahlen müssen, weil sie 12 % weniger absetzen können? Was ist mit der Refinanzierung? Immerhin ist es 1 Milliarde Euro. Vielleicht war die Streichung des Kommunalkombis der erste Anstrich dazu.

Der heutige Debattengegenstand beinhaltet den Tourismus in Sachsen. Am 20. Tag nach der Einführung des neuen Mehrwertsteuersatzes wissen wir überhaupt noch nicht, wie sich das auswirkt. Wir wissen aber, dass der Tourismus in Sachsen ein großer Arbeitgeber ist, dass viel Wertschöpfung organisiert wird und dass die regionalen Wirtschaftskreisläufe gefördert werden. Wir haben vor allen Dingen Mittelgebirgstourismus, Städtetourismus sowie Gesundheits-, Wellness- und Kurtourismus. Wir wissen, dass 55 % unserer Gäste älter als 55 Jahre sind; der deutsche Durchschnitt liegt bei 40 Jahren. Wir wissen auch, dass in Sachsen die Gäste durchschnittlich 2,7 Tage bleiben.

Wir haben Probleme. Wir haben ein geringes Marketing, ein sogenanntes Schluchtenmarketing, wir haben eine Kirchturmpolitik im Tourismusbereich und wir haben eine mangelhafte Profilierung von Urlaubsregionen. Wir sind wenig bekannt, sowohl in den alten Bundesländern als auch international, und wir haben ein erhebliches Imageproblem durch den Rechtsextremismus.

Was ist also zu tun? Die ersten Fragen wären: Wie sieht Sachsen im Jahre 2020 oder 2025 aus, wenn ich an die Demografie denke – Thema Arbeitskräfte, wenn ich an die Staatsfinanzen denke, Thema Fördermittel und – wenn ich an den Klimawandel denke – Thema Schnee im Erzgebirge.

Deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir noch eine Menge tun. Wir müssen unsere Destinationen entwickeln und wir müssen Tourismusmarketing mit Wirtschaftsmarketing koppeln. Wir brauchen eine starke Dachmarke. Wir müssen Fördermittel nach konkreten Standards vergeben. Wir brauchen jede Menge Qualitätssicherung und ein stärkeres Gewicht in der Debatte von Experten – LTV und TMGS seien hier stellvertretend genannt. Wir brauchen die Spezialisierung auf Zielgruppen und wir brauchen Produktentwicklung. Ein schönes Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Aktiv-Region Zittauer Gebirge. Wir müssen gemeinsam gegen Rechtsextremismus, gegen Ausländerfeindlichkeit und gegen Gewalt gegenüber Fremden vorgehen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD – Andreas Storr, NPD: Blabla!)

Das kommt aus Ihrer Ecke, das ist klar.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Hören Sie bitte gut zu, Herr Gansel! In einer Umfrage des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern haben 7 % der Befragten geäußert, dass sie ihre Reisepläne wegen des Rechtsextremismus ändern würden, nur 2,7 % wegen der Vogelgrippe.

(Jürgen Gansel, NPD: Auch dort sind die Touristenzahlen gestiegen!)

Wir wissen, dass Luft und Klima immer wichtigere Entscheidungsfaktoren für Reiseziele sind. Wir brauchen eine politische Weichenstellung für die Anpassung an den Klimawandel, neue Konzepte für die Mittelgebirge und neue Fördermodalitäten.

Auch der Tourismus selbst muss einen Beitrag zum Klimawandel leisten, zum Beispiel durch einen attraktiveren ÖPNV. Die Vertaktung aller Systeme wäre dabei ein gutes Beispiel. Wenn wir das tun, haben wir gute Zukunftschancen im sächsischen Tourismus. Wenn wir das nicht tun, wird Sachsen im nationalen wie im internationalen Wettbewerb abgehängt. Die Mehrwertsteuersenkung ist für diese Probleme jedenfalls keine Lösung.

Ihre Redezeit ist um, Herr Kollege.

Wir brauchen Sachpolitik und keine Symbolpolitik. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sprach der Kollege Weichert. – Für die Fraktion der NPD spricht jetzt Kollege Müller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Zukunftschancen für den Tourismusstandort Sachsen und Vorteile für das Beherbergungsgewerbe durch steuerliche Entlastung“, so lautet der Titel der Aktuellen Debatte.

Ja, meine Damen und Herren, wir haben hervorragende Voraussetzungen als Tourismusregion, aber mit diesem Titel hat das wenig zu tun. Wir haben eine wunderbare Landschaft mit dem Mittelgebirge im Süden, vom Vogtland über das Erzgebirge, die Sächsische Schweiz bis zum Zittauer Gebirge. Wir haben im Norden eine schöne Heide- und Seenlandschaft. Wir haben von Menschen geschaffene Parklandschaften wie Muskau, Kromlau und Pillnitz. Wir haben Kulturschätze von weltweiter Bedeutung, so in Dresden, in Leipzig und in Chemnitz.

Wir haben viele kleine Sehenswürdigkeiten in den Städten und Gemeinden. Ich erinnere nur an die Heimatmuseen, die dank der Weitsicht unserer Altvordern entstanden sind. Die waren noch nie so gefährdet wie jetzt durch die Finanzsituation der Kommunen. Wenn wir jetzt die Doppik einführen und die Kommunen sich zulasten des Eigentums weiter verschulden, hat das mittelfristig

verheerende Folgen. Ich möchte das einfach hier angesprochen haben.

Wir haben eine gute Tourismusindustrie. Diese ist durch den Fleiß der Einwohner in der Tourismusbranche so entstanden. Der Sächsische Landestourismusverband gibt 69 000 Beschäftigte direkt an, 230 000 Beschäftigte partizipieren von der Tourismusindustrie. Das ergibt einen Gesamtertrag für Sachsen von 6,8 Milliarden Euro jährlich.

Wie gesagt, diese Zahlen sind das Verdienst der dort beschäftigten Bürgerinnen und Bürger. Es gibt keinen Grund für die Union und auch nicht für den sächsischen Parlamentsableger der Firma „Mövenpick“, sich hier auf die Schultern zu klopfen – auch nicht für den ExKoalitionspartner der CDU, denn die Hürden für die Vermieter von Urlaubsquartieren sind hoch. Die schlechte Finanzausstattung der Kommunen treibt die Steuer- und Abgabenlast immer weiter nach oben; ich erinnere nur an die Fremdenverkehrsabgabe, die Straßenausbaubeiträge und Ähnliches.

Die finanzielle Entlastung durch die Senkung der Mehrwertsteuer auf 7 % nur für Übernachtungen ist eine Lobbypolitik ohne wirklichen Fördercharakter. Diese Senkung wurde durch einen EU-Beschluss möglich und wird auch von unseren Nachbarstaaten genutzt. Dort ist das Preisniveau aber ohnehin niedriger und die Qualität weitgehend mit der unsrigen zu vergleichen. Die potenziellen Touristen aus Deutschland und der EU werden durch die ungebremste demografische Katastrophe in unserem Land, aber auch in der gesamten EU, immer weniger und durch die Finanzkrise immer ärmer. Die Touristen aus dem Rest der Welt – wenn ich das einmal so bezeichnen darf – beschränken sich in der Regel auf den Besuch der kulturellen Zentren.

Der Trend ist: Es wird ein großer Jahresurlaub gemacht, der in ferne Regionen führt und – sofern man es sich noch leisten kann – Kurzurlaube in deutsche und somit auch in sächsische Urlaubsgebiete. Wenn das Geld knapper wird, dann erfolgt natürlich zuerst der Verzicht auf den Kurzurlaub. Wenn ich meine Heimatregion nehmen darf, dann ist das wirklich das Gros. Wir haben im Durchschnitt zwei bis drei Übernachtungen pro Urlauber. Aber die Preiskampfnachteile Sachsens, die ich bereits erwähnte, also die Kommunalabgabe, die Nähe zur Tschechischen Republik und zu Polen, wo der Tourismus auch gut aufgestellt ist, werden ergänzt durch unsinnige Abgaben in Größenordnungen wie GEMA und GEZ. Ich möchte jemanden zitieren, der einer der antragstellenden Fraktionen in einem anderen Bundesland angehört. Ich zitiere: „Ein Hotel mit 150 Zimmern müsste pro Jahr 24 000 Euro für Rundfunkgebühren bezahlen. In Österreich liegt die Rundfunkgebühr für ein solches Hotel bei 241 Euro, in der Schweiz bei 850 Euro, in Italien fallen für ein Hotel mit 150 Zimmern 1 000 Euro Rundfunkgebühren an.“ – Gesagt wurde das von Dr. Franz Xaver Kirschner, FDPMitglied im Bayerischen Landtag.

Wo bleibt denn hier das Engagement von FDP und CDU? Wo bleibt die EU-Wettbewerbskommission? Diese wird wohl nur für die Länder tätig, in denen die Regierenden wenigstens noch ein bisschen Rückgrat haben.

(Beifall bei der NPD)

An die Staatsregierung gerichtet: Tourismus in Sachsen stärken bedeutet, die Kommunen finanziell besser auszustatten, die Bürokratie zu reduzieren, den ÖPNV und den SPNV zu verbessern und finanziell abzusichern. Dazu möchte ich wieder ein Regionalbeispiel nennen: Die Tschechen haben die Eisenbahnstrecke zu meiner Heimatstadt gebaut – von Rumburgk bis an die Stadtgrenze von Sebnitz. In Deutschland plant man den Eisenbahngrenzübergang immer noch und es ist bis jetzt nichts passiert. Genauso ist es, wenn ich an die Schmalspurbahn – –

Die Redezeit, Herr Kollege Müller!

– ist noch nicht ganz vorbei.

Ja, ich erinnere nur daran.

Die Weißeritzbahn ist noch nicht fertig. Die Wassertalbahn in Rumänien war genauso zerstört, sie ist nach drei Monaten wieder aufgebaut gewesen. Bei uns ist es nunmehr bald zehn Jahre her. Das Fazit ist: Wir brauchen als Tourismusland unsere Schmalspurbahnen, aber wir brauchen keine Schmalspurpolitiker, die sich nicht durchsetzen können.