Ich denke, man kann, solange das Gesetz noch nicht verabschiedet ist, diesen Fehler korrigieren. Wir haben das getan. Ich gehe davon aus, dass uns das später nicht als Fehler angekreidet wird.
(Beifall bei der CDU – Holger Apfel, NPD: Sie sollten sich in einem fortwährenden Korrekturprozess befinden!)
Der zentrale Gegenstand meiner Rede ist der Schutz der Würde der Opfer. Wir haben uns in der Ausschussberatung zur Frage der Normenklarheit, der Bestimmtheit, der Verhältnismäßigkeit, der Eingriffsintensität, des Würdeschutzes, der Gedenkorte, des öffentlichen Friedens sowie
der Würde der Überlebenden sehr umfangreich in der Diskussion befunden. Wir haben nach dieser Diskussion einen Abwägungsprozess für uns getroffen. Ich gehe davon aus, dass keine andere Fraktion in diesem Hohen Haus im Zuge dieser fachlichen Beratung einen Änderungsantrag gestellt hat, weder die SPD-Fraktion noch DIE LINKE, noch die GRÜNEN. Heute flattert uns ein Antrag der GRÜNEN auf Änderung ins Haus.
Jetzt komme ich zu den Orten. Jeder, der das Gesetz liest, weiß, dass jede Versammlungsbehörde mit diesem Gesetz den Würdeschutz besser bewerten kann, als das bisher der Fall gewesen ist. Das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig hat in der Diskussion im Ausschuss eine Rolle gespielt. Das ist auch von der überwiegenden Anzahl der Experten, die nicht das geschichtliche Wissen über den Freistaat Sachsen besitzen, kritisch bewertet worden. Es ist halt nicht richtig, dass es hier nur um 200 Jahre Geschichtserinnerung geht. Das Völkerschlachtdenkmal ist 1913, hundert Jahre nach dem Geschehnis, als etwa 85 000 Menschen um Leipzig in einer sehr kurzen Zeit ermordet wurden oder im Felde gefallen sind, geschaffen worden.
Ja, genau. Na und? Das stimmt. Das sagt uns jetzt noch gar nichts. Es geht jetzt um die zweihundert Jahre. Jeder, der sich mit Geschichte befasst, weiß, was in der Zeit nach 1933 am Völkerschlachtdenkmal stattgefunden hat. Da haben die Aufmärsche und Fackelzüge stattgefunden ,und die Meinungs- und Versammlungsfreiheit für das deutsche Volk ist mit Füßen getreten worden,
Jetzt sage ich Ihnen Folgendes: Haben wir nicht das Recht zu verhindern, dass jemals wieder an einem solchen Ort die Würde von Opfern dieses nationalsozialistischen Gewaltregimes im Zusammenhang mit dem Völkerschlachtdenkmal in den Dreck gezogen werden darf?
Der Würdeschutz ist am Völkerschlachtdenkmal nicht nur postmortal an der Völkerschlacht zu Leipzig 1813 festzumachen.
Es gab eine Zeit, die darüber hinweggegangen ist. Sie können bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nachlesen, dass auch die Sinnbildung der Erinnerungsorte sich in den Zeiten ändern kann, neue Sinnbildungen hinzugefügt werden können und damit der Würdeschutz – wie in der Diskussion von Herrn Bartl mit den 300 Jahren seit dem Dreißigjährigen Krieg genannt – weit
weg liegt. Ich gehe davon aus, dass der Würdeschutz nicht nur in Zusammenhang mit den über 80 000 getöteten Menschen um Leipzig zu tun hat. Dieses Völkerschlachtdenkmal ist, zumindest vom sächsischen Königshaus, immer auch als ein Mahnmal gegen Kriege und deren Opfer angesehen worden. Ich kenne viele Leipziger, die mir gesagt haben: Für uns ist dies auch ein Mahnmal, dass nie wieder Menschen in einem solchen Krieg wie dem, den die Nationalsozialisten angezettelt haben, ihr Leben verlieren.
Dass der Münchner Platz der Opferschutz nationalsozialistischer Gewaltherrschaft ist, ist unbestritten. Ich bin froh, dass das Bundesverfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland nach vielen Jahren diese Entscheidung getroffen hat. Aber auf dem Münchner Platz sind auch nach 1945 – Herr Bartl, Sie müssen nicht so (Kopfschüt- teln), sondern so (Kopfnicken) machen, Menschen hingerichtet worden.
Mich verwundert sehr, dass die SPD nicht zur Kenntnis nehmen möchte, dass diese Opfer auch in ihrer Würde zu schützen sind. Das ist der Ansatz, warum die Koalitionsfraktionen gesagt haben: Wir wollen uns auch da, ohne die Einmaligkeit des Nationalismus zu schmälern, in der Verantwortung fühlen. Weil wir hier in diesem Land gelebt haben und weil wir Verantwortung für den Freistaat Sachsen haben, widmen wir uns auch der kommunistischen Gewaltherrschaft.
Ich bitte Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie sich nicht davon abbringen. Wir haben uns im Rahmen des Verfassungsmäßigen bewegt. Nach der Abwägung auch der Expertenmeinungen sind wir auf einem guten Weg. Alle diejenigen, die der Meinung sind, die Opfer des Münchner Platzes nicht würdigen zu müssen, werden sich später von ihren SPD-Kollegen fragen lassen müssen, wie sie denn wirklich mit diesem Thema in Zukunft umgehen wollen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schiemann, es wird Ihnen nicht aus der Not helfen, wenn Sie sich nicht einfach an verfassungsrechtliche oder einfach-gesetzliche Argumente halten und stattdessen denunzieren.
Ich verstehe die Welt nicht mehr. Wir wissen nicht genau, wovor das Völkerschlachtdenkmal geschützt werden soll. Ich zitiere aus Ihrer eigenen Begründung zum Gesetzentwurf: „Das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig ist das größte Denkmal Europas. Es erinnert an die bis zum
Ersten Weltkrieg verlustreichste Schlacht der Weltgeschichte, an der über 500 000 Soldaten teilnahmen und bei der über 115 000 Soldaten getötet oder verwundet wurden.“ – Es steht nichts vom Dritten Reich.
Weiter geht es: „Baugeschichtlich reflektiert das Völkerschlachtdenkmal am Vorabend des Ersten Weltkrieges nationales Pathos und die Heldenhaftigkeit soldatischen Sterbens.“
Mit einer Totenhalle ist das Denkmal aber auch ein Ort des Gedenkens an die Kriegstoten beider Seiten. Sie schreiben aber etwas anderes hinein: Heldenhaftigkeit soldatischen Sterbens. Warum sagen Sie das hier nicht? Warum kommen Sie jetzt mit den Aufzügen der Nazis vorm Völkerschlachtdenkmal? Das steht hier nicht.
Kollege Schiemann, Sie haben eine Beschlussempfehlung vorliegen. Ich bin zufälligerweise der Berichterstatter. Die Beschlussempfehlung weist aus, dass ich fünfmal in der Ausschusssitzung das Wort genommen habe.
Selbstverständlich! – Thema 1, Seite 8 der Beschlussempfehlung: „Der Sprecher der Fraktion DIE LINKE verwies auf die Anhörung, dass das Hauptfeld der Auseinandersetzung der § 15 gewesen sei und man die Auffassung von Prof. Borchert, Prof. Morlok und Prof. Pestalozza teile, dass das Gesetz an sich eine Einschränkung des Versammlungsrechtes beinhalte. Das Grundrecht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit sei eines der höchsten Rechtsgüter, und er fragte nach, inwieweit aus Sicht der Koalition die geäußerten Bedenken der Sachverständigen, dass die unmittelbare Vermischung von Erinnerungskultur und Versammlungsrecht von sich aus sich trage, widerlegt sein. Die Frage, inwieweit eine Kombinierbarkeit, zum Beispiel § 15, Abs. 2 Nr. 1 a und Nr. 2, denkbar sei, habe in der Anhörung ebenfalls eine tragende Rolle gespielt. Im Bundesgesetz sei das Verbot …“ usw.
Wissen Sie, was Sie daraus gemacht haben? Sie haben erklärt, wir haben einen Antrag eingebracht und dazu einen Änderungsantrag und nun kommen wir zur Abstimmung.
Ich gebe gern zu, dann bin ich senkrecht gestartet und habe gesagt: Kollege Schiemann, es ist der Ausschuss, den das Hohe Haus dazu beauftragt, Gesetzesvorlagen, die verfassungsrechtliche Reichweiten haben, zu beurteilen, ob sie halten. Da hätten Sie uns schon die Möglichkeit des Disputes einräumen müssen. Dafür habe ich Zeugen. Das war letzten Endes das Problem. Sie wollten das Gesetz in einer dreiviertel Stunde durchstimmen.
Sie sind überhaupt mit keiner Bereitschaft in den Ausschuss gegangen, über Grundsätze und verfassungsrechtliche Bedenken zu reden.
Es ist das Problem: Sie haben das Gegenteil in der Beschlussempfehlung stehen, und an vier weiteren Stellen werden die weiteren inhaltlichen Probleme in Bezug auf Intervention der Linken erörtert. Kollege Schiemann, das hilft uns nicht weiter.
Nicht alles, was gewissermaßen vermeintlich einem guten Zweck dienen soll, heiligt jedes Mittel. Das Mittel, das Sie hier wählen, um einen vorgegebenen Zweck zu erfüllen, ist mit Gewissheit das Gegenteil dessen, was der Demokratie voranhilft. Sie können undenkbarerweise doch nicht ignorieren, dass es in diesem Hohen Haus wenigstens drei demokratische Fraktionen gibt, die wissen, was Sie meinen. Aber es geht in der Art und Weise, mit der Sie jetzt Verfassungsrechtliches umsetzen, mit Gewissheit ins Auge und wird zum Triumph derer führen, die Sie angeblich verhindern wollen. Daran werden wir uns nicht beteiligen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will noch auf ein paar Punkte des Herrn Schiemann eingehen, weil er uns direkt angesprochen hat.
Die Frage des Würdeschutzes: Hier muss ich noch einmal zum gleichen Auszugsprotokoll wie Herr Kollege Bartl greifen und zitieren, was die Sprecherin der SPD-Fraktion für ihre Fraktion erklärte: dass ihnen die Würde der Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft nicht weniger wert sei als die Würde der Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft.
Sie argumentieren gerade so, als ob jeder, der nicht in diesem Gesetz berücksichtigt ist, keine Würde hat und nur der Würdeschutz jener, die es ins Gesetz geschafft haben, garantiert sei. Das ist nun wirklich eine absurde Argumentation.
Sie haben in Ihrem ersten Redebeitrag darauf hingewiesen, dass wir eine Verfassung haben und diese Sächsische Verfassung auch mit den Stimmen der SPD damals beschlossen worden ist. Klar, natürlich, wir Sachsen können stolz auf unsere Verfassung sein, die wir gemeinsam beschlossen haben. Darum geht es in dieser Debatte.
Wir wagen uns mit dem Gesetzentwurf zum Versammlungsgesetz hier in das Feld des Verfassungsrechts. In diesem Feld des Verfassungsrechtes haben wir noch einmal ganz besonders genau zu überlegen, was wir hier eigentlich tun. Was ist juristisch zulässig? Was verträgt unsere Demokratie, und verträgt sie eben auch nicht mehr? Wir haben sie streitbare und wehrhafte Demokratie genannt. Der Gesetzentwurf macht den Eindruck, als ob
die Wehrhaftigkeit zuungunsten der Streitbarkeit deutlich aufgewertet werden soll. Wir sind dabei. Aber wehrhafte Demokratie macht man nicht nur auf dem Papier. Man macht Demokratie auch wehrhaft, so wie es im Grundgesetz steht: dass jede und jeder von uns die Demokratie verteidigt – und das mit den ureigenen Mitteln. Wir meinen, die Justiz hat ihren Teil dazu beigetragen.
Wir haben ein Versammlungsgesetz des Bundes. Das hat Verfassungsrechtsprechung überstanden. Es ist ein bewährtes Instrument. Hieran sollten wir nicht ohne große Not rütteln. Wir sollten aber stattdessen das tun, was wir als Bürgerinnen und Bürger, als Politiker auf der Straße tun können. Deshalb noch einmal meine herzliche Einladung: Unterstützen Sie Ihre Dresdner Kolleginnen und Kollegen und seien Sie am 13. Februar mit der Oberbürgermeisterin und allen demokratischen Parteien bei der Menschenkette dabei. Zeigen Sie, dass Sie es ernst meinen mit dem, was Sie hier ins Gesetz schreiben wollen.