Danke, Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Von 38 000 Hühnern in einer Mastanlage bei Döbeln
dürfen täglich 2 % – ich glaube, Ihnen wird das Lachen vergehen –, also 760 Tiere, verenden, ohne dass dieser Fakt als bedenklich oder gar meldepflichtig gilt. Grenzwerte werden nicht überschritten, der Fakt als unabänderliche Tatsache vom Gesetzgeber sanktioniert. Handlungsbedarf wird nicht gesehen. Ist das Nachhaltigkeit in der Praxis?
Kaum ein Wort wird so inflationär gebraucht wie das der Nachhaltigkeit. Das hat weder Carl von Carlowitz noch Gro Harlem Brundtland verdient.
Nun liegt eine solche Strategie – so zumindest der Name – aus dem Freistaat vor. Es werden Ziele und Indikatoren genannt. Wie Sie diese erreichen wollen, verraten Sie uns leider nicht. Vielmehr gehen Sie davon aus, dass die Politik in Sachsen – egal, in welchem Bereich – grundsätzlich der Nachhaltigkeit verpflichtet ist. Es bedarf nur noch der Stärkung, Förderung, Erhöhung und – Zitat – „einer noch konsequenteren Vernetzung der Fachpolitiken“. Sie fühlen sich dem Erbe, der Tradition verpflichtet. – Herr Staatsminister, dieser Schreibstil erinnert mich sehr an die Gepflogenheit in einem Land, in dem ich zu lange leben musste und das Gott sei Dank nicht mehr existiert.
Niemand stellt in Abrede, was sich seit 1990 gerade im Umweltbereich und im Erscheinungsbild unserer Städte und Dörfer verbessert hat.
Aber es ist unzulässig, die heutigen energiebedingten CO2-Emissionen mit 1990, als noch die Dreckschleudern der DDR existierten, zu vergleichen. Bewerten Sie doch, was Sie jetzt tun.
Wie Sie mit dem Treueschwur auf die Kohle die Verringerung der Emission von Treibhausgasen erreichen wollen, ist mir schleierhaft.
(Ministerpräsident Stanislaw Tillich: Sind Sie denn schon im europäischen Energiemarkt angekommen, oder …? – Weitere Zurufe)
Aktuell liegt der Pro-Kopf-Ausstoß von CO2 in Sachsen bei 14 Tonnen. Wirklich nachhaltig und klimaverträglich wäre eine Tonne.
Die Ausbauziele bei den erneuerbaren Energien stellen Sie infrage und solche für Solarthermie oder Fotovoltaik sucht man im Landesentwicklungsplan vergeblich.
aber Geld für Radwege stehen gerade einmal 87 Cent pro Einwohner und Jahr aus Sachsen zur Verfügung. CO2Emissionen sind bei Nutzung des Pkws um ein Vierfaches höher als bei der Bahn. Nachhaltig wäre also die praktische und nicht nur die verbale ÖPNV-Förderung.
Was macht der Freistaat? Sie geben die steigenden Bundeszuweisungen nicht an die Verkehrsverbünde weiter und kürzen noch einmal kräftig.
Barrierefreiheit wollen Sie als generelles Gestaltungsprinzip festschreiben. Die Entsprechung bei den Indikatoren suchen wir vergeblich.
Ein weiteres hehres Ziel ist die Reduzierung der Flächenneuinanspruchnahme bis 2020 auf unter 2 Hektar pro Tag. Mich würde sehr interessieren, mit welchen Instrumenten Sie das umsetzen wollen. Konkrete Aussagen finden wir weder im Haushalt noch im Landesentwicklungsplan oder im Landesverkehrsplan, eher das Gegenteil: mehr Versiegelung. Dem Ziel widerspricht ebenso, dass die Mittel für die Brachflächenrevitalisierung auf die Hälfte – im Vergleich von 2011 zu 2014 – gekürzt werden.
Sie reden von Vielfalt an Lebensräumen und Arten sowie vom Biotopverbund. Das sind die Mindestvoraussetzungen für den Erhalt der Lebensgrundlagen und hat mit einer besonderen Leistung nichts, aber auch gar nichts gemeinsam. Leider steht auch hier Ihre Politik den Zielen diametral entgegen. Geld für den Ankauf von Naturschutzflächen gibt es nicht. Das Vorkaufsrecht wurde abgeschafft und damit Gestaltungsspielraum vergeben.
Auch in Sachsen sterben massenhaft Bienen. Ursache ist nicht nur die Varroamilbe, sondern vor allen Dingen die Landwirtschaft mit ihrem Pestizidmissbrauch. Aus Sachsens einst vielfältiger Kulturlandschaft ist dank Agroindustrie eine Agrarsteppe geworden.
Auf 85 % der Felder wachsen Getreide, Raps und Mais, und das nicht zuletzt protegiert durch die Förderpolitik des Landes.
Vorbildlich klingt die Hervorhebung der Bedeutung von Gesundheit und Lebensqualität. Dass Sie aber für den Wert von Bäumen und Hecken keinen Sinn haben, hat Ihr Baum-ab-Gesetz mehr als deutlich gezeigt. Aber was ist mit Lärmschutz, mit sauberer Luft? Die Anwohner des Flughafens Leipzig/Halle wissen: Lärmschutz ist Gesundheitsschutz. Als Hauptgesellschafter sind Sie verantwortlich für lärmminderndes Management. Hierbei versagt der Freistaat vollumfänglich.
Ich möchte Sie nur fragen, ob Sie landesspezifische Maßnahmen zur Förderung des Getreide-, Mais- und Rapsanbaus nennen können – außer unserer Förderung des Ökolandbaus; die ist mir schon bekannt.
Ja, Herr Heinz. Es ist so, dass auch Sachsen bei der Ausgestaltung des Einsatzes der Agrarfördermittel der EU mitbestimmt. Aber das ist auch die hauptsächliche finanzielle Grundlage für die Förderung von Monokulturen, aus denen man Bioenergie – besser gesagt: Agroenergie – gewinnen will. Was den Biolandbau angeht, so haben wir doch mit mehreren Anträgen dafür sorgen wollen, dass ihm wesentlich mehr Unterstützung gewährt wird. Aber Fehlanzeige auf weiter Flur!
Ich setze in meiner Rede fort. – Kommen wir zu weiteren Politikfeldern, zum Beispiel zur Bildung. Auch hierzu hören wir wieder viel Eigenlob, wie für die Betreuungsquote. Das ist übrigens bald ein gesetzlich einklagbarer Anspruch.
Interessant ist auch bei diesem Beispiel, worauf Sie nicht eingegangen sind. Wir haben kein Wort gehört zur Umsetzung des einst von diesem Haus beschlossenen Bildungsplanes. Kein Indikator weist auf Veränderungen im Betreuungsschlüssel hin oder gar auf eine Strategie, wie dem bevorstehenden Lehrermangel begegnet werden kann. Da begnügen Sie sich mit der Problembeschreibung, und das ist schlichtweg zu wenig.
„Lebenslanges Lernen“ klingt gut. Aber auch hier gilt wieder: Das steht nur auf dem Papier. Wie begründen Sie die Kürzungen im Haushalt für Weiterbildung und die versagte Freistellung für Bildung? Wie befördern Sie die nötige Nachqualifizierung? Wo stehen Aussagen zum Beitrag der Wissenschaft für eine zukunftsfähige Entwicklung? Der einzige Indikator – die Anzahl der internationalen Hochschulpartnerschaften – ist mehr als ein schlechter Witz. Zwei dürre Sätze zur Rolle der Hochschulen – deutlicher kann man deren Zukunftsrolle nicht herabwürdigen.
Noch spannender wird es bei der Finanzpolitik: In drei dünnen Sätzen zählen Sie die angestaubten Lorbeeren auf und verweisen auf die Risiken durch den Rückgang der „Aufbau-Ost“-Gelder. Tja, und was nun? Eine Strategie ist diese hilflose Aufzählung nicht, eher ein ängstliches „Weiter so, Genossen!“
Zum Ersten kann man nicht mehr an Infrastruktur aufbauen, als man hinterher auch unterhalten und reparieren kann. Alles, was darüber liegt, ist ein böser Dauergriff in den Dispo. Frei nach Carlowitz: Baue nur so viele Straßen, wie du hinterher auch reparieren kannst!
Zum Zweiten muss man natürlich die Städte und Dörfer hegen und pflegen, denn dort findet das wirkliche Leben statt. Wieder frei nach Carlowitz: Lasse die Kommunen nicht verkümmern, damit du auch morgen noch viele Menschen hast, die gern in Sachsen leben und arbeiten!
Drittens. Völlig richtig: Man muss den Staatshaushalt ohne neue Schulden aufstellen können. Man sollte auch die Pro-Kopf-Verschuldung konstant halten, wenn die Bevölkerungszahl sinkt. Alles richtig! Das ist aber sinnlos, wenn man den Finanzminister am Parlament vorbei ermächtigt, fast 2 Milliarden Euro neue Schulden aufzunehmen, um große Lasten aus der Bürgschaft für die pleitegegangene SachsenLB zahlen zu können. Dagegen sind ein Griff in den Dispo oder die minimale Schuldentilgung lediglich ein bisschen Show für das Volk.