Das ist die Aufgabe der sächsischen Polizei nach unserem Sächsischen Polizeigesetz, und zwar die vorderste und allererste und vornehmste Aufgabe.
Wir müssen feststellen – und das haben wir, glaube ich mal, alle festgestellt, Sie in der Mitte Ihrer Rede auch –, dass die Polizei dieser Aufgabe nicht nachgekommen ist, nachkommen konnte. Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Warum ist die Polizei dieser Aufgabe nicht nachgekommen?
Ich denke, da gibt es zwei ganz wesentliche Punkte. Zum einen braucht es natürlich einen klaren Kompass in den Köpfen der zuständigen Polizeibeamten: Meine Aufgabe Nr. 1 ist, von dem Einzelnen Gefahren abzuwehren. Punkt. Das heißt, ihm möglich zu machen, dass er sicher in seinem Ort lebt – und wenn eine Gefahr dagegen spricht, dann diese Gefahr abzuwehren.
Ich glaube, dass alle Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im Freistaat diesen Kompass im Kopf haben. Das glaube ich.
Damit kommen wir zum zweiten Kompass, zum Kompass der Staatsregierung und zu Ihrem Kompass, den Sie beim Thema innere Sicherheit anlegen. Die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten spüren leider viel zu oft, dass Sie zu ihrer vornehmen Aufgabe laut Polizeigesetz – Gefahrenabwehr – einen Zusatz machen, einen Haushaltsvorbehalt: sofern es im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen möglich ist.
Das ist das, was beim Polizeibeamten im Hinterkopf leider ankommt durch das, was in den letzten Jahren passiert ist und weiter passieren wird.
Nein, Herr Kollege Bandmann, ich spreche von Ihrer und meiner Heimat, dem Freistaat Sachsen, in dem über 3 000 Stellen bei der Polizei abgebaut werden, in dem die Hälfte aller Polizeireviere geschlossen wird; in dem es auf das große Land mit vier Millionen Einwohnern künftig nur noch 40 Polizeireviere geben wird und wofür Sie die Verantwortung tragen. Über dieses Bundesland spreche ich.
Der Kompass der Staatsregierung und der Koalition lautet leider auch beim Thema innere Sicherheit nicht Gefahrenabwehr und Schutz des Einzelnen und des Gemeinwesens, sondern dieser Kompass lautet: sparen, streichen, kürzen.
So können Sie diese gesetzliche Aufgabe nicht erfüllen. Sie gehen das die ganze Zeit falsch herum an. Sie schauen immer: Wie viel Geld haben wir, wie viele Stellen haben wir, wie viel Sicherheit kommt dabei noch hinten heraus? Wir predigen seit Jahren – egal, ob wir mit Ihnen regiert haben oder jetzt aus der Opposition –: Jedem Stellenabbau, jeder Kürzung muss eine Aufgabenanalyse, eine Aufgabenkritik vorangehen.
Wir müssen doch überhaupt im Blick behalten, welche Aufgaben die Polizei zu erfüllen hat. Anhand dieser Aufgaben müssen wir bemessen, was die Polizei an Ressourcen, an Personal, an Revierstandorten braucht. So herum ist der richtige Weg. Wenn Sie diese Aufgabenkritik vernünftig machen, dann werden Sie feststellen: Sie kürzen zu viel, Sie streichen zu viel, und das bleibt nicht ohne Folgen, sondern das hat eben genau die Folgen, die wir exemplarisch in Hoyerswerda, aber auch bei vielen anderen Punkten sehen. Die Polizeibeamten sind nicht mehr in der Lage, ihren gesetzlichen Auftrag zu erfüllen.
Nun ist das OAZ angesprochen worden. Ich glaube schon, dass das eine sehr vernünftige Einrichtung sein kann, ich freue mich auch, dass die Staatsregierung reagiert. Aber das OAZ ist ein Zusatzinstrument, ein ganz spezifisches Instrument zur Abwehr von Rechtsextremismus. Das kann die Basis nicht ersetzen, das kann die Reviere nicht
Die gesellschaftliche Aufgabe, Herr Hartmann – darin sind wir uns sehr einig –, sensibler zu werden, Rechtsextremismus gemeinsam stärker zu bekämpfen; wir werden alle gemeinsam im Februar wieder die Gelegenheit dazu haben –,
manche von uns gern, manche offenbar weniger gern, wenn ich das Murren hier höre. Aber die Gefahrenabwehr, das ist keine gesellschaftliche Aufgabe.
Wir haben ein Gewaltmonopol des Staates. Die Gefahrenabwehr ist eine staatliche Aufgabe, für die der Staat genügend Ressourcen bereitstellen muss. Wir sehen nicht, dass das momentan passiert. Solche Ereignisse wie in Hoyerswerda sind die Folge. Das halten wir für ein großes Problem und natürlich wollen wir nicht nur wissen, was in Hoyerswerda passiert ist, sondern wir wollen – im Gegensatz zu Ihnen – auch wissen, was die Staatsregierung tun wird, um dafür zu sorgen, dass so etwas nicht wieder passiert. Deswegen stimmen wir diesem Antrag zu.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Hoyerswerdas Polizei kapituliert vor Neonazis“ oder „Polizei empfahl Flucht vor Rechtsextremisten“. Diese Schlagzeilen haben uns alle aufgerüttelt. Ich habe eigentlich nicht gedacht, dass es mehr als 21 Jahre nach den rassistischen Ausschreitungen von Hoyerswerda wieder Menschen gibt, die aus ihrem Lebensumfeld fliehen müssen, die in andere sichere Orte verbracht werden müssen.
Es darf eines in unserem Staat nicht geben: das Signal, dass es den Verantwortlichen nicht mehr möglich ist, die Sicherheit von Personen an bestimmten Orten zu gewährleisten; ein Signal an rechtsextremistische Kreise, dass sie es schaffen, den Aufenthalt von anderen, ihnen politisch Unliebsamen an ausgewählten Orten zu unterbinden und diese zu vertreiben. Genau dieses Signal ist aber von Hoyerswerda ausgegangen.
Es ist für mich unerträglich, wenn der Sprecher der Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien, Thomas
Knaup – Herr Dr. Hahn, Sie haben es schon zitiert –, sagt, dass es einfacher ist, zwei Personen vom einen zum anderen sicheren Ort zu verbringen, als 30 Personen beispielsweise zu bewachen oder permanent fünf Funkstreifenwagen vor eine Haustür zu stellen. Diese Aussage
Meine Damen und Herren, das Recht darf dem Unrecht nicht weichen. Wir stellen hier in Sachsen alle 14 Tage einige Hundertschaften der Polizei bereit, damit
elf schwarz-gelb bekleidete Männer in einer Betonarena gegen einen Ball treten können. Dann müssen wir auch fünf Funkstreifenwagen bereitstellen, um Bürger zu schützen, die sich gegen rechts engagieren.
(Vereinzelt Beifall bei der FDP, der CDU, den LINKEN und der SPD – Dr. André Hahn, DIE LINKE: So ist es!)
Über diesen Vorfall müssen wir reden und die Lehren daraus ziehen. Das hat nichts mit medialen Schmutzkübeln zu tun, die über Hoyerswerda oder seine Bevölkerung ausgekippt werden sollen, wie teilweise befürchtet wird. Wir lösen kein Problem, indem wir es totschweigen.
Deshalb war es richtig, dass der Hoyerswerdaer Oberbürgermeister Stefan Skora im Rahmen des öffentlichen Aktionsforums am 28. November gesagt hat, dass es in der Stadt wieder rechtsradikale Aktivitäten gibt. Man darf das nicht kaschieren.
Am 17. Oktober hat sich leider wieder gezeigt, dass es bisher nicht gelungen ist, ein anderes Klima in der Gesellschaft zu etablieren – ein Klima, in dem Rechtsextremisten zu spüren bekommen, dass die übergroße Mehrheit der Gesellschaft ihre menschenverachtende Ideologie ablehnt und aktiv gegen rechtsradikale Tendenzen vorgeht; ein Klima, in dem sich eine Kultur des Hinschauens entwickelt anstatt einer Kultur des Wegschauens.
Dies zu erreichen ist aber nicht nur die Aufgabe der Polizei, sondern Aufgabe der ganzen Gesellschaft. Einiges wurde vor Ort in den letzten Wochen bereits in Angriff genommen. So gibt es das bereits erwähnte Aktionsforum und die polizeiliche Präsenz wurde erhöht. Ohne zivilgesellschaftliches Engagement aber, ohne das Abreißen von Aufklebern und Plakaten von rechten Gruppen – so wie es die beiden Hoyerswerdaer getan haben –, ohne Zutun von Einzelpersonen werden wir Vorfälle wie am 17. Oktober dieses Jahres nicht verhindern können.
Auch von diesem Ort heute muss ein Gegensignal ausgehen: das Signal, dass es diese Gesellschaft nicht hinnehmen wird, dass an einem noch so kleinen Ort Rechtsextremisten bestimmen, wer sich dort aufhalten darf und wer nicht. Um es mit den Worten des Landespolizeipräsidenten auszudrücken: das Signal, dass wir den Rechten auf den Füßen stehen, und zwar alle zusammen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die zuständigen Ermittlungsbehörden bereits alle eine wirkungsvolle und effiziente Strafverfolgung befördern und gewährleisten,
dass es hier nicht nur um Vorkehrungen vonseiten der Staatsregierung geht, wie es im Antrag gefordert wird. Deshalb bin ich an diesem einen Punkt anderer Auffassung als der Antragsteller. Deshalb werden wir den Antrag ablehnen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns offenbar unter den demokratischen Fraktionen und hoffentlich auch mit der Regierung einig: Ein Vorfall wie am 17. Oktober in Hoyerswerda ist ein Skandal und darf sich in Sachsen nicht wiederholen! Es kann nicht sein, dass sich rechtstreue und gewaltfrei engagierende Menschen vor Neonazis verstecken müssen. Wir wollen ein weltoffenes Sachsen in der Fläche des ganzen Landes und keine national befreiten Zonen.
Damit uns die Wiederholungsgefahr dieses Vorfalls nicht einholt, müssen die Ursachen schonungslos und klar aufgearbeitet und Konsequenzen gezogen werden. Bisher fehlt uns dazu die klare und widerspruchsfreie Darstellung der Regierung. Ein Disziplinarverfahren gegen den Polizeisprecher zu fordern ist mir zu früh – ich war erschrocken über seine Darstellung –, wenn ich nicht weiß, wer bei der Polizei in der Nacht was und wer im Nachgang was entschieden hat, denn die Darstellungen des Polizeisprechers sind mehrfach und in sich widersprüchlich dementiert worden. Andererseits hat sich der Chef des neuen operativen Abwehrzentrums Bernd Merbitz dieser Kritik ja angenommen. Deshalb fordere ich Sie, Herr Staatsminister, auf: Beschönigen Sie nichts, klären Sie die Fakten und legen Sie die Ursachen dafür offen.
Erstens: Zwei Menschen sind in Hoyerswerda nachts in ihrem Wohnhaus von einem Trupp sogenannter autonomer Nazis mehrere Stunden mit Gefahr für Leib und Leben bedroht worden und haben seitdem große Angst ausstehen müssen. Grund war offenbar, dass sie rechtsextreme Klebezettel im öffentlichen Raum abgerissen haben. Offenbar war die Polizei in der Tatnacht über längere Zeit nicht in der Lage, genügend Einsatzkräfte zur Abwendung dieser Gefahr zur Verfügung zu stellen. Zweitens. Schritt für Schritt wurden offensichtlich verfügbare Streifenwagen nach Hoyerswerda abgezogen. Am Tatort waren die Polizisten offenbar nicht in der Lage, eine Identitätsfeststellung vorzunehmen. Ich unterstelle zugunsten der eingesetzten Beamten, dass sie das nicht etwa nicht wollten – das wäre Strafvereitelung im Amt –, sondern dass sie das nicht konnten, weil sie in der Minderheit waren.
Das macht mich nachdenklich. Wo waren die mobilen Einsatzkräfte, von denen so viel geredet wird? Wo waren
die sächsischen Beweissicherungs- und Feststellungseinheiten oder das Spezialeinsatzkommando, das in Sachsen sogar zu Demonstrationen eingesetzt wird? Wurde Unterstützung aus der Bundespolizei angefordert? Alles offen.
Drittens. Die bedrohte Frau ist von den Tätern mit Vergewaltigung bedroht worden. Ihr ist zugerufen worden: Ich kenne dich, ich komme wieder, ich kriege dich. Die Täter kamen offenbar aus dem Nahbereich der Opfer.