Protocol of the Session on December 14, 2012

In Geithain gab es Anfang dieses Jahres mehrere Übergriffe auf eine Pizzeria. Erst beim fünften Vorfall, bei dem es zu einer Explosion kam, interessierte man sich seitens der Polizei ernsthaft dafür. Der Betreiber musste sein Geschäft schließlich dennoch aufgeben.

Auch in Hoyerswerda gab es schon vor den jüngsten Ereignissen erhebliche Beeinträchtigungen durch rechtsradikale Bedrohungen. Mehrere Medien, unter anderem der Berliner „Tagesspiegel“, berichteten über zwei junge Männer, die aus Angst um Leib und Leben die Stadt verlassen haben. Sie wollen namentlich nicht genannt werden, weil ihre Eltern immer noch dort wohnen. Ich frage erneut: Wo sind wir eigentlich hingekommen?

Fakt ist: Bei Gewaltandrohung, von wem auch immer, hat jeder das Recht auf Schutz, und zwar vor Ort und in seinem gewohnten Umfeld. Das darf nicht nur für besondere Persönlichkeiten gelten.

Entgegen aller gängigen Klischees – die Opfer von Hoyerswerda waren keine Ausländer, sie sind auch keine Aktivisten der Antifa, sie haben schlicht und einfach neofaschistische und rassistische Aufkleber entfernt. Allein dadurch störten sie die Nazis. Sie mussten ihre Heimat verlassen und wurden von einem Polizisten aus der Stadt gebracht.

Das Urteil des „Tagesspiegels“ ist eindeutig. Zitat: „Sollte das zutreffen – was ist das hier in Hoyerswerda? Das ist Staatsversagen. Ein Staat ist nicht in der Lage, seine Bürger vor Gewalt zu schützen. Er verliert damit einen der gewichtigsten Gründe für seine Existenz.“ Drastischer kann man es kaum formulieren.

Einer, der Hoyerswerda, wie er sagt, aus Angst und auch aus Hilflosigkeit verlassen hat, sagte gegenüber dem „Tagesspiegel“: „Die Nazis testen aus, wie weit sie gehen können, seit Jahren. Und weil sie keiner aufhält, gehen sie dann immer weiter.“

Ich meine, wir Demokraten sind alle gefordert, sich dem entschlossen entgegenzustellen.

(Beifall bei den LINKEN)

Natürlich ist auch und gerade die Staatsregierung in der Pflicht, in Wahrnahme ihrer exekutiven Verantwortung für eine solche Organisation, Struktur und Funktionsweise der Strafverfolgungsbehörden zu sorgen, die eine effiziente und wirksame Strafverfolgung von politisch motivierter Gewaltkriminalität sicherstellt und die den Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor rechter Gewalt und Bedrohung überall in Sachsen garantiert.

Darüber hinaus müssen aus unserer Sicht unbedingt auch der Opferschutz und die Opferhilfe gestärkt werden. Wegschauen, meine Damen und Herren, und Verharmlosen ist mit Sicherheit der falsche Weg. Falsch ist auch der Abbau weiterer Stellen bei der Polizei, wie CDU und FDP es beschlossen haben.

Deshalb meine abschließende Forderung: Korrigieren Sie diese Fehler! Die Menschen in Hoyerswerda und anderswo haben einen Anspruch auf sicheren Schutz und schnelle Hilfe in Notfällen.

Herzlichen Dank!

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Christian Hartmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vorgänge in Hoyerswerda sind inakzeptabel und müssen natürlich aufgeklärt werden.

(Beifall bei der CDU und den LINKEN)

Wir sollen uns dabei aber auch um Sachlichkeit bemühen. Was ist geschehen? Am 17. Oktober gegen 21:15 Uhr ging ein Notruf bei der Polizei ein, um 21:25 Uhr war ein Streifenwagen vor Ort. Die Situation, die sich ihm bot, führte dazu, dass auf der Grundlage von Eigensicherungsmaßnahmen und auch dem konsequenten Handeln der Polizei die Zuführung weiterer Kräfte erforderlich war. Diese Kräfte trafen gegen 22 Uhr ein, und bis 23Uhr folgten weitere Kräftezuführungen. Die Polizei hat sich aufgrund ihrer Möglichkeiten im Rahmen des polizeilichen Handelns aus meiner Sicht und aus den ihnen

vorliegenden Erkenntnissen korrekt verhalten. Ganz klar bleibt die Frage, was dann passierte.

Das bedarf einer abschließenden Beurteilung, aber nachdem der gesamte Sachverhalt aufgeklärt ist. Ich glaube auch, dass die sächsische Polizei selbst gerade dabei ist, diesen Einsatz intensiv auszuwerten und vor allem die Fragen der anschließenden Öffentlichkeitsarbeit.

Die Öffentlichkeitsarbeit, die dann folgte, war in der Tat inakzeptabel. Aber ich glaube, dass die Aussage, die der Pressesprecher getätigt hat, und auch die Frage der Aufforderung des Verlassens der Stadt weder den Leitlinien der Polizei noch dem Selbstverständnis der Polizei entsprechen.

Ich glaube, wenn Sie die Polizei korrekt und klar fragen, wird sie immer den Schutz der Bevölkerung in den Mittelpunkt stellen. Eine Demokratie kann es nicht akzeptieren, dass Einzelne dazu aufgefordert werden, die Stadt zu verlassen. Das ist ein falsches Signal. Sollte das so gewesen sein, dann ist das entsprechend klar zu korrigieren. Wie gesagt, sollte es so gewesen sein.

(Beifall bei der CDU)

Täter- und Opferrolle dürfen in kein Missverhältnis kommen. Insoweit ist ganz klar, dass das, was da gesagt worden ist und folgte, aufgeklärt werden muss. Aber wir reden hier über eine gesellschaftliche Debatte, darüber, wie eine Gesellschaft mit der Frage von Rechtsextremismus umgeht, welche Sensibilität sie für Akzeptanz anderer Gruppen, für Toleranz entwickelt. Das ist eine gesellschaftliche Diskussion. Ich warne ausdrücklich davor, Hoyerswerda jetzt noch zu pauschalisieren, in eine rechte Ecke zu stellen und die Stadt alleine zu lassen.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage das auch mit dem Bewusstsein, dass ich selbst in Hoyerswerda aufgewachsen bin und diese Stadt sehr gut kenne. Die Mehrheit der Hoyerswerdaer hat keine rechten Ambitionen und Tendenzen. Sie muss unterstützt werden.

(Beifall bei der CDU)

Die Stadt bemüht sich um eine Aufarbeitung des Themas zur Bewusstseinsstärkung durch ein Aktionsforum und durch Diskussionen. Dabei sollten wir sie unterstützen. Aber wir reden – da wiederhole ich mich – über einen gesellschaftlichen Diskussionsprozess. Staatliches Handeln verlangt ein konsequentes Vorgehen gegen rechtsextremistische Straftaten und auch deren schnelle Verurteilung. Wir hatten in der Vergangenheit auch dafür gute Beispiele. Das polizeiliche Handeln in Mügeln oder Limbach-Oberfrohna sind da bezeichnende Beispiele. Ich glaube, dass dort deutlich schnell und effizient gehandelt wurde.

Die Staatsregierung reagiert aktuell auf die Entwicklungen, und sie reagiert nicht nur, sie wird selbst aktiv. Die Schaffung des OAZ ist eine Stärkung der Soko Rex. 124 Beamte werden sachsenweit, zentral koordiniert, tätig in der Fläche, vernetzen die Arbeit und den Kampf gegen

Rechtsextremismus und rechte Strukturen und werden dabei von der Justiz unterstützt. Das ist ein wesentlicher Baustein. Ich glaube, die Entscheidung, Bernd Merbitz mit dieser Aufgabe zu betrauen, ist das deutliche und richtige Signal.

(Beifall bei der CDU)

Der Kampf und die Auseinandersetzung gegen Rechtsextremismus sind aber eine gesellschaftliche Aufgabe. Staatliches Handeln allein löst diese Herausforderung nicht. Wir sollten dabei auch unser Staatsverständnis, die Rolle des Staates und die Gewaltenteilung beachten. Deswegen noch einmal: Wir reden über eine gesellschaftliche Aufgabe. Der Staat ist Handlungsgarant und schafft die Rahmenbedingungen. Wir müssen gemeinsam über das Thema Rechtsextremismus und über den Kampf darüber reden. Das weltoffene Sachsen ist eine der Möglichkeiten, wie dieser Rahmen unterstützt wird und Initiativen und Projekte gefördert werden können.

Wir brauchen in der Tat in der Bevölkerung und in der Verwaltung eine größere Sensibilisierung, ein deutlicheres Bewusstsein für die Frage von Rechtsextremismus und Intoleranz, für die Frage der Akzeptanz anderer Lebensformen und gesellschaftlicher Lebensvorstellung. Das müssen wir miteinander diskutieren.

Dazu gehört auch, die Polizei stärker zu sensibilisieren. Das ist für mich persönlich ein Punkt, über den wir auch innerhalb der Verwaltung und innerhalb der Polizei reden müssen, und zwar über eine stärkere Sensibilisierung im Kampf gegen rechts und im Umgang mit Opfern rechter Gewalttäter. Deswegen, so glaube ich, ist es richtig, auch im Bereich der polizeilichen Aus- und Fortbildung einen stärkeren Fokus auf dieses Thema zu setzen.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Es wird aber auch Zeit!)

Abschließend möchte ich aber deutlich sagen: Die Polizei hat aus meiner Sicht engagiert und verantwortungsvoll nach Recht und Gesetz gehandelt, so wie sie jeden Rechtsverstoß in diesem Land bearbeitet.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube auch nicht, dass die Diskussion zu Hoyerswerda der geeignete Zeitpunkt ist, eine Polizeireform 2020 zu diskutieren. Ihr Antrag, meine sehr geehrten Damen und Herren, hilft uns bei der Lösung der anstehenden Herausforderungen nicht. Deshalb werden wir ihn ablehnen.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPDFraktion Frau Abg. Friedel, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag, den die Linksfraktion hier eingebracht hat, hat zwei Punkte. Der erste Punkt lautet, die Staatsregierung soll uns berichten, was in Hoyers

werda geschehen ist. Ich glaube, diesen Punkt kann man gar nicht ablehnen, und ich gehe davon aus, dass der Staatsminister dann auch in seinem Redebeitrag das tun wird.

Der zweite Punkt lautet: Die Staatsregierung soll dafür sorgen, dass so etwas nicht wieder passiert.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Richtig!)

Ich glaube auch, das kann man gar nicht ablehnen, Herr Hartmann. Das macht gar keinen Sinn, diesen zweiten Punkt abzulehnen. Den ersten wird der Minister ohnehin erfüllen. Man kann gar nicht anders, als diesem Antrag zuzustimmen und natürlich wird das meine Fraktion auch tun.

(Beifall der Abg. Kerstin Köditz, DIE LINKE)

Herr Hartmann, Sie haben viel Richtiges in Ihrer Rede gesagt, dafür bedanke ich mich auch. Am Ende bleibt trotzdem so ein ulkiges Gefühl bei mir übrig, denn Ihre Grundaussage ist: Die Polizei hat sich an dem 17. Oktober in Hoyerswerda korrekt verhalten. Es war alles ein Problem der Öffentlichkeitsarbeit. Das finde ich doch ein bisschen kurz gesprungen, denn das trifft das Problem nicht im Kern.

Die Vorredner haben schon erzählt, was in Hoyerswerda passiert ist. Da gibt es Menschen, die befinden sich in einer Gefahrensituation, und es gelingt der Polizei nicht, diese Gefahrensituation so aufzulösen, dass diese Menschen in ihrer Heimatstadt verbleiben können, sondern sie müssen weg. Das ist ein Problem, und das kann man nicht als korrekt bezeichnen.

Wir haben ein Sächsisches Polizeigesetz, das im obersten, im allerersten § 1 Satz 1 die Aussage enthält: „Die Polizei hat die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren.“

(Beifall des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Das ist die Aufgabe der sächsischen Polizei nach unserem Sächsischen Polizeigesetz, und zwar die vorderste und allererste und vornehmste Aufgabe.