dann bezahlen es die Bürger wieder. Das ist gerecht? Das ist ungerecht. Deshalb haben wir gebremst, weil das keine gerechte Politik ist.
Sehr geehrter Kollege Dulig, Sie kennen sicher den Spruch „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen“? Wir stehen in Leipzig vor einer Oberbürgermeisterwahl. Neben verschiedenen
Kandidaten ist der bisherige Inhaber mit einem SPDParteibuch von einem Bürgerverein eingeladen worden. Die Kandidatin der Linkspartei hat als Erste zugesagt.
Der Kandidat der CDU hat als Nächster zugesagt. Der Kandidat der Wählervereinigung hat auch zugesagt. Der von den GRÜNEN hat nicht zugesagt. Er hat keine Zeit, er wird sicherlich arbeiten. Und der Amtsinhaber? Ich zitiere dazu das Mitglied der SPD-Stadtratsfraktion Christopher Zenker: „Vielen Dank für Ihre Anfrage. Leider ist dieser Termin nicht möglich, da zu diesem Zeitpunkt bereits eine Podiumsdiskussion stattfindet.“ Ich frage mich, an welcher Podiumsdiskussion der Bürgermeister teilnimmt.
Wir haben den Kalender von Herrn Jung gespiegelt. Terminplanung: null. Der Terminkalender von Ihrem Oberbürgermeister mit SPD-Parteibuch ist leer. Darin ist kein Termin.
Wenn wir über Bürgerbeteiligung reden, wenn wir über die Ernsthaftigkeit von Demokratie und Politik reden und jetzt hier bewerten sollen, welche Veranstaltungen wichtiger sind und welche im Kalender stehen und welche nicht, dann haben Sie das Thema wieder nicht verstanden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will das große Thema Bürgerbeteiligung jetzt nicht auf die kommunale Ebene oder die Verhältnisse in
der Stadt Leipzig herunterbrechen. Ich möchte vielmehr Bezug nehmen auf einige analytische Feststellungen von Herrn Dulig, der richtigerweise darauf hingewiesen hat, dass die Regierenden in diesem Land das Gefühl für das Land und das Volk – er spricht eher von den Menschen, wir als NPD sprechen vom Volk – verloren hat. Herr Dulig beklagte, dass man auf die Menschen nicht mehr zugehe. Das ist richtig. Aber das ist ein Befund und ein Kritikpunkt, der auf alle etablierten Parteien anzuwenden ist.
Ich möchte nur daran erinnern, in welchen wesentlichen Fragen auch die Regierung Schröder Politik gegen das eigene Volk gemacht hat. Die unsoziale Agenda 2010 ist damals nicht mehrheitsfähig gewesen. Ich möchte auch daran erinnern, dass ausgerechnet unter der Ägide von Fischer und Schröder eine massive Deregulierung und Liberalisierung der Finanzmärkte stattgefunden hat. Heute stellen Sie sich hier hin und beklagen Verwerfungen im internationalen Finanzwesen und das Bankstertum. Insofern ist das, was wir hier eben gehört haben, die SPDtypische Scheinheiligkeit.
Wenn hier eine Analyse richtig ist, dann die, dass sich die Regierenden schon längst von den Regierten entfernt haben. Dieser Kritikpunkt bezieht sich aber auf alle fünf Bundestagsparteien. Dort wird nämlich seit Jahren auf allen möglichen Politikfeldern Politik gegen die Mehrheitsmeinung des eigenen Volkes gemacht. Sie alle, auch die SPD, beschließen reihenweise Auslandseinsätze der Bundeswehr, obwohl es dafür keine Mehrheit im deutschen Volk gibt. Sie öffnen die Einwanderungsschleusen, obwohl die Mehrheit der Deutschen keine weitere Einwanderung will.
Sie subventionieren mit Milliardenbeträgen südeuropäische Pleitestaaten, obwohl die Mehrheit der Deutschen das nicht will. Sie organisieren eine Euro-Rettung, die zulasten der deutschen Sparer und Steuerzahler geht. Also, lassen Sie doch diese Scheinheiligkeit! Alle fünf Bundestagsparteien reagieren auf sämtlichen Politikfeldern in der Regel gegen die Mehrheitsmeinung des deutschen Volkes.
Wir fahren in der zweiten Rednerrunde fort. Das Wort hätte nun die CDUFraktion. – Kein Redebedarf. Erneut die Fraktion DIE LINKE, Herr Prof. Besier? – Nein. Die FDP? – Das sehe
ich nicht. GRÜNE, Frau Kollegin Hermenau? – Auch nicht. NPD? – Nein. Gibt es überhaupt noch Redebedarf aus den Fraktionen in dieser 1. Aktuellen Debatte? – Das kann ich nicht erkennen. Die Staatsregierung ergreift das Wort. Bitte, Herr Staatsminister Dr. Beermann.
Danke schön, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Es ist wahr: Die Staatsregierung und die sie tragenden Parteien haben das Ohr am Bürger. Sie schauen dem Volk aufs Maul, und sie haben einen engen Draht zu ihm, was Sie unter anderem daran erkennen können, dass in der CDU-Fraktion 58 direkt gewählte Abgeordnete sitzen, die jeden Tag ganz unmittelbar mit dem Bürger sprechen, weil sie unmittelbar von ihm gewählt sind.
(Beifall bei der CDU und der FDP – Unruhe bei den LINKEN und der SPD – Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Per E-Mail!)
Eine größere Nähe zum Bürger, eine größere Nähe zu denjenigen, die dies in der Demokratie alle fünf Jahre entscheiden, gibt es nicht. Das heißt, die These, die hier insinuiert wird – wenn die Staatsregierung nicht das macht, was die Opposition möchte, dann sei sie nicht bürgernah –, ist falsch.
Denn die Regierung spricht mit dem Bürger. Sie hört zu und handelt; und es gibt ein Gesamtkonzept, mit dem die Regierung dies tut. Es ist schon angesprochen worden, dass diese Staatsregierung eine strategische Partnerschaft mit Bertelsmann hat. Wir haben ein erstes, sehr erfolgreiches Projekt über die Wirksamkeit und Transparenz von Regierungshandeln abgeschlossen, das in der Fachwelt sehr hoch geachtet wurde, und nun haben wir zusammen mit Bertelsmann ein zweites Projekt aufgelegt zu der Frage: Wie kommen wir stärker in den Dialog?
Das machen wir übrigens nicht nur mit dem „Kompass“. Wir haben zum Landesentwicklungsplan sehr intensive Diskussionen vor Ort in den Landratsämtern geführt. Die Internetkonsultation hat sehr große Resonanz gefunden. Wir führen zum Problem Demografie Dialogforen durch, die schon zweimal stattgefunden haben, in Görlitz und Markneukirchen, die fortgesetzt werden, die sehr hohe Resonanz gefunden haben und zu denen auf freie Einladung 200 bis 300 Menschen kommen.
Wir haben im Oktober einen Jugendkongress durchgeführt, dessen Ergebnisse intensiv diskutiert wurden, und wir werden im nächsten Jahr auch die Leitlinien für den ländlichen Raum – dies wird Kollege Kupfer tun – sehr intensiv in den verschiedenen Bereichen diskutieren. Also, meine Damen und Herren, Sie können sehen: Diese Regierung hat nicht nur das Ohr am Bürger, sie hört ihm auch zu; und das war die Aufgabe des Bürgerkompasses.
Der Bürgerkompass, der am 24. November 2012 hier stattfand und zu dem 170 Bürgerinnen und Bürger kamen, war, wie vorhin schon angesprochen wurde, nicht nur der Versuch, sondern eine Art, mit den Bürgern dieses Landes ins Gespräch zu kommen. Das bedeutet wiederum nicht – das ist eine kleine Abwandlung –, dass die Regierung immer dann demokratiefremd ist, wenn sie nicht das tut, was die Opposition macht, und dass sie versagt, wenn sie nicht das tut, was die Bürger wollen. Das wissen die Bürger ganz genau.
Es war zum Beispiel eine ganz unmittelbare Erfahrung an den Tischen – es waren 33 Vierer- und Sechsertische gebildet worden –, dass man, wenn ein Student neben einem Unternehmer saß, auf einmal feststellen musste, dass es im unmittelbaren Sprechen miteinander gar nicht so einfach war, die eigene Position durchzusetzen. Man muss das relativieren. Kurz und gut: Dieses Ziel, das Sie vorhin angesprochen haben, Frau Vorsitzende – Politik nicht nur zu simulieren, sondern sie verständlich zu machen und auch Verständnis für Politik zu bekommen –, ist erreicht worden.
Deshalb gab es übrigens auch die positive Resonanz der Beteiligten. Über 90 % haben gesagt: Ja, wir fanden es gut, was da passiert. Obwohl – viele konnten sich mit ihrem Anliegen nicht einmal an den eigenen Tischen durchsetzen.
Zu einer solchen Form der Bürgerdiskussion – wenn man nicht gerade eine Vorlage für Oppositionspolemik geben möchte – gehört auch der Mut, sich mit anderen Auffassungen auseinanderzusetzen und die eigenen Auffassungen hineinzutransportieren, die Tiefe der eigenen Argumente zu testen und natürlich auch anzunehmen, dass das, was man selbst getan hat, nicht nur an der einen oder anderen Stelle, sondern auch tatsächlich einmal ganz anders gemacht werden kann. Miteinander reden stärkt nicht nur die Demokratie, es stärkt auch die Lösungswege, macht sie sicherer; und nur im Diskurs werden wir das Beste für unser Land, für unseren Freistaat erreichen. Insofern war der Bürgerkompass auch ein Programm gegen Politikverdrossenheit.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Sie haben gerade darüber gesprochen, wie wertvoll es ist, diesen Dialog zu führen und zu erkennen, dass man manches anders machen muss. Was will denn die Staatsregierung im Ergebnis des Bürgerkompasses künftig anders machen?
Wie ich vorhin schon sagte, ist das Miteinanderreden ein erster Schritt. Die Ergebnisse sind doch von ganz unterschiedlichen Möglichkeiten und Qualitäten. Ich will Ihnen die Range einmal darstellen. Eine der Ideen, die geboren wurden, war: Wir brauchen weniger Bürokratie.
Darüber denken wir alle nicht nur nach, sondern wir schauen auch, dass wir das hinbekommen. Aber es ging ebenfalls um die Normendichte. Diese Frage werden wir noch im I. Quartal nächsten Jahres aufgreifen. Wir werden im I. Quartal des nächsten Jahres einen Kontrollrat etablieren, der sich genau auf dieses Problem stürzt,