Protocol of the Session on October 18, 2012

(Beifall bei den LINKEN)

Es geht um gesellschaftspolitische Positionen, um Demokratie, Weltoffenheit, Solidarität, politische Partizipation. Das spielt in Ihrer sogenannten Jugendstudie einfach keine Rolle.

In der Jugendforschung wissen wir, was die Probleme von jungen Leuten heute sind: Stress mit den Eltern, Sucht- und Drogenproblematik, Jugendgewalt, Nazis, Umgang mit Sexualität, Mediennutzung usw. Das spielt in der Studie alles keine Rolle. Wo sind grundlegende sozialökonomische Daten, die so eine Studie erst belastbar und verwertbar machen? Es fehlen die Daten nach Alter, nach Geschlecht, nach Schulform, nach sozialem Status. Das Ganze ist einfach nicht belastbar. Ich glaube, dass Sie das auch nicht gebrauchen können, denn Sie müssen sich

dann fragen, ob Ihre Politik die richtige Antwort darauf ist.

Der 3. Sächsische Kinder- und Jugendbericht, also eine Studie, die diesen Namen auch verdient, hat angemahnt, dass Angebotsstrukturen stabilisiert werden müssen, die Ausbildung muss zukunftsgerecht profiliert werden. Was ist aber im neuen Haushaltsentwurf? Der Landeshilfejugendausschuss hat jetzt die Stellungnahme geschickt, und er sagt, die Haushaltsansätze in der Kinder- und Jugendhilfe müssen als nicht ausreichend betrachtet werden. Die Übernahme der Kürzungen aus dem Doppelhaushalt ist in der vorgenommenen Art und Weise auch vor dem Hintergrund der aktuellen Jugendhilfeplanung nicht mehr hinnehmbar. Er sagt auch, es wird mit drastischen Auswirkungen auf die Jugendhilfelandschaft gerechnet. Es kommen dazu Kürzungen bei der Finanzierung des Freiwilligendienstes, der Einschränkung schulischer

Freizeitangebote, Ausdünnung der professionellen Jugendarbeit usw.

(Christian Piwarz, CDU: Das stimmt doch gar nicht! – Jetzt hören Sie mal wieder auf!)

Eigentlich sollte sich die CDU schämen, mit dieser Umfrage überhaupt eine Debatte anzumelden. Wenn es Ihnen ernst wäre mit den Haltungen, den Ansichten und den Bedürfnissen junger Menschen, hätten Sie heute eine Debatte beantragt, die sich mit den Ergebnissen des KonFestivals „Jugend gestaltet Sachsen“ auseinandersetzt.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Dann ist Ihnen das wahrscheinlich nicht wichtig gewesen.

Mit deren Antworten für ein lebens-, liebens- und bleibenswertes Sachsen hätten Sie sich auseinandersetzen können. Darüber heute zu diskutieren, wäre nicht nur angemessen, sondern tatsächlich auch wert gewesen.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE war das die Abg. Werner. Jetzt sehe ich am Mikrofon 3 Bedarf an einer Kurzintervention. Bitte.

Manchmal frage ich mich schon, Frau Werner, wo wir denn hier leben. Leben Sie den ganzen Tag im Sächsischen Landtag und lesen vielleicht den einen oder anderen Bericht in der Zeitung oder Zeitschrift oder gehen Sie auch einmal hinaus ins Leben, wo die Jugendlichen sind, in Hochschulzentren, abends in die Dresdner Neustadt, ins Kino, in die Stätten, wo sie am Nachmittag im Café sitzen?

Ich sehe die Jugend, die hier in Sachsen ist, die leistungsbereit ist, die einen Job haben will und ihn auch bekommt, die sich im Gegensatz zu früher die Ausbildungsplätze aussuchen kann, wo jetzt die Unternehmen in den Schulen Schlange stehen, um Jugendliche zu bekommen, die hier

ihr Leben verwirklichen können, ob im ländlichen Raum oder in der Stadt. Das spielt keine große Rolle mehr im Freistaat Sachsen. Wir müssen auch einmal über diese Jugendlichen sprechen, die hier in Sachsen zufrieden sind, die eine Heimat gefunden haben, die hier Arbeit haben.

Da nehmen wir einmal alle Studien beiseite, die Sie angegriffen haben. Hier haben die jungen Sachsen eine Heimat gefunden, und sie haben eine Zukunft. Negieren Sie das bitte nicht immer. Wir können gerne über die Probleme reden. Das machen wir im Landtag zur Genüge. Aber lassen Sie uns einmal über die Vorzüge im Freistaat Sachsen sprechen und darüber, dass auch vieles gut ist bei uns. Dazu ist diese Debatte genau die richtige.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das war eine Kurzintervention, vorgetragen von Herrn Kollegen Bläsner. Frau Werner reagiert darauf.

Mich im Sonnenlicht sonnen, bringt, so glaube ich, nichts. Ich möchte Veränderungen für die jungen Menschen, denen es hier in Sachsen gerade nicht gut geht. Diese wurden in der heutigen Debatte bisher ausgeblendet. Dass sich Jugendliche heute einen Ausbildungsplatz aussuchen können, ist nicht Ihr Verdienst. Das liegt daran, dass wir eine demografische Entwicklung haben, dass weniger Jugendliche da sind und inzwischen mehr Ausbildungsplätze vorhanden sind als Jugendliche, die tatsächlich für diese Ausbildungsplätze infrage kämen.

Es ärgert mich wirklich, wenn Sie immer nur darauf sehen, was alles gut ist, und sich in diesen schönen Ergebnissen sonnen. Sie reden nicht darüber, was mit den Jugendlichen ist, die ohne Schulabschluss die Schule verlassen. Es gibt ein paar Gießkannenprojekte. Aber wirklich in den ländlichen Raum zu gehen, strukturell langfristig Projekte anzuschieben, die den jungen Menschen auch helfen würden, das machen Sie nicht. Fehlanzeige. Das finden wir im Haushalt nicht.

Nicht umsonst machte der Landesjugendhilfeausschuss diese Bewertung des Haushaltes. Sie sind doch selbst Mitglied des Landesjugendhilfeausschusses und können sich das regelmäßig anhören, sodass ich hoffe, dass auch entsprechende Auswirkungen vorhanden sind, die den Haushalt diesbezüglich verändern.

Das war die Reaktion von Frau Kollegin Werner. Wir fahren jetzt in der Rednerliste fort und kommen zur SPD-Fraktion. Bitte, Herr Homann, ergreifen Sie das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Debatte zeigt für mich eines: CDU und FDP haben eigentlich überhaupt kein Interesse, über Heimat und Jugend zu diskutieren. Sie wollen hier etwas verkünden. Herr Schreiber, es ist ja auch hier schon seit gut drei Jahren Ihr Stil, dass Sie sich vorne in der ersten Runde hinstellen,

verkünden, wie toll alles ist, und in der nächsten Runde werden alle, die auch nur kleine Kritikpunkte an der Politik von CDU und FDP geäußert haben, links und rechts abgewatscht. Das ist keine Diskussion um Heimat, das ist Propaganda, das ist Verkündungspolitik und mehr nicht.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde, dass man über das Gute in diesem Land reden muss. Das ist richtig.

(Christian Piwarz, CDU: Dann tun Sie das doch! Los, gehen Sie es mal an!)

Das ist kein Problem.

Ich finde auch, bei dem, wie Sie schönreden, muss man einmal genau hinschauen. Sie haben sich ganz gezielt die Zahlen herausgesucht, die Sie gerne haben wollen. Sie haben ja in der Studie gelesen, dass 15 % der Jugendlichen in Sachsen nicht gerne in Sachsen leben.

(Zurufe des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Hören Sie doch einmal zu. Ich weiß, dass Logik nicht Ihre Stärke ist, aber hören Sie doch einmal zu!

Wenn die 15 % ungern in Sachsen leben, dann würde es ja bedeuten, dass 15 % auch vorhaben, Sachsen zu verlassen. Das stimmt aber nicht. 33 % wollen Sachsen verlassen, und das hat eine Ursache. Diese Ursache ist auch Ihre Politik. Wenn man sich das genau ansieht, weiß man, warum. Das wichtigste Lebensziel mit 35 % ist Beruf und Ausbildung, und innerhalb dieser 35 % ist es wichtig, die Schule gut abzuschließen.

Die Leute, die die Schule gut abschließen wollen, sind Ihnen dankbar für 1,7 Millionen Ausfallstunden im letzten Schuljahr. Herzlichen Dank, das ist Ihr Verdienst. Sie wollen gut bezahlte Jobs, das ist der zweite Punkt. Und was ist Ihre Strategie? – Eine Niedriglohnstrategie. So organisieren Sie, dass mehr Leute aus Sachsen weggehen, als aus Sachsen weggehen wollen. Das ist auch das Ergebnis Ihrer Politik.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Bei den Ergebnissen der Anhörung zur Beschäftigung in der Kinder- und Jugendhilfe am 8. Oktober war die Rückmeldung an Ihre Regierung eindeutig. Da hat sich nämlich auch kein Sachverständiger gefunden, der etwas Positives über sie erzählen wollte, ganz nebenbei.

(Zuruf von der CDU: Das ist schon klar!)

Die Nachfrage zum Beispiel bei den Kinder- und Jugendangeboten ist höher als das Angebot, der Bedarf an Hilfen steigt. Wir haben eine Prekarisierung bei den Arbeitsverhältnissen. Die Anzahl der Vollzeitstellen hat um 35 % abgenommen, der Anteil von Teilzeitstellen hat über 50 % zugelegt, spürbarer Anstieg bei Krankheit und Burn-out und spürbarer Anstieg bei Altersbeschäftigung und Fachkräftemangel. Das ist die Situation. Ihre Strategie dagegen ist gleich null.

Dann komme ich zum Thema attraktives Sachsen. Das ist richtig. Wir leben in einem attraktiven Sachsen. Das sind die Menschen, die sich trotz schlechter Bezahlung in die Jugendclubs und hinter die Bar stellen, die im ehrenamtlichen Engagement Tausende von Vereinen hier hochhalten, obwohl sie Tag für Tag von Ihnen Knüppel zwischen die Beine geworfen bekommen. Das sind die Menschen, die Sachsen attraktiv machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN – Patrick Schreiber, CDU: Schauen Sie sich die Frisöre an, die werden schlecht bezahlt!)

Für die SPD-Fraktion sprach Herr Kollege Homann. Für die Fraktion GRÜNE ergreift erneut Frau Kollegin Herrmann das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich die Studie das erste Mal in die Hand genommen habe, habe ich mir so überlegt: Warum haben Sie die überhaupt gemacht?

(Patrick Schreiber, CDU: Ich habe sie nicht gemacht!)

Warum ist diese Studie in Auftrag gegeben worden? Ich hatte ein wenig den Eindruck, sie ist in Auftrag gegeben worden auch als Balsam für Ihre Seele, weil Sie genau wissen, wie der Haushaltsentwurf aussieht, dass im Bereich Kinder- und Jugendarbeit weiter gekürzt werden wird. Weil Sie genau das wissen, brauchen Sie Bestätigung.

Sie haben mir vorhin unterstellt, ich würde nur das Negative sehen. Ehrlich gesagt, ist es für mich völlig klar, dass viele Jugendliche antworten, dass sie gern in Sachsen leben. Es wäre erstaunlich, würden sie etwas anderes antworten. Ein 15- oder 16-Jähriger soll antworten, nein, ich würde – beispielsweise – lieber in NordrheinWestfalen sein? Das wäre echt ein Armutszeugnis. Aber damit habe ich auch nicht gerechnet.

(Christian Piwarz, CDU: Sie entmündigen junge Leute, oder wie?!)

Wenn Sie Ihre eigene Studie ernst nehmen, dann ist ja zum Beispiel auch eine Frage enthalten: Auslandsaufenthalt ist für die persönliche Entwicklung von Vorteil oder von Nachteil? – und wie viele das machen wollen. Dazu sagen 61 %, sie wollen das eigentlich machen, es wäre von Vorteil. Auf die Frage: Haben Sie ihn schon gemacht oder planen Sie ihn? antworten 71 % mit Nein. Diese Diskrepanz muss Ihnen doch zu denken geben. 61 % wollen – eigentlich finden sie es gut, so etwas zu machen – und 71 % sagen, geplant ist es aber nicht. Das ist ein Manko, denn ein Auslandsaufenthalt erweitert die Weltsicht. Solche Dinge sollten Sie wirklich ernst nehmen.

Oder wenn viele sagen, sie wollen Familie, sie wollen Kinder, und dann wissen wir aber ganz genau, wie hoch die Scheidungsrate ist, und wir wissen ganz genau, wie viele Hilfen zur Erziehung in Sachsen stattfinden, dann

ergibt sich eine Diskrepanz und man muss sich darüber Gedanken machen, was man dazu beitragen kann, dass diese Vision, die junge Menschen haben, auch Wirklichkeit werden kann, dass sie die Chance haben, sie umzusetzen. Wir alle wissen, dass es in jeder Beziehung schwierige Situationen gibt, und da muss man eben zum Beispiel die Einrichtungen stärken und die Ehe- und Familienberatung anbieten.