Protocol of the Session on October 18, 2012

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege Gebhardt hat mir eine Frage gestellt. Er hat Folgendes gefragt: Warum sind meine Schulfreunde nicht wieder zurückgekommen? Herr Gebhardt, die Frage ist ganz leicht zu beantworten. Das ist logisch. Sie haben mittlerweile feste Arbeitsplätze gefunden und eine Familie im Westen gegründet. Das hindert sie natürlich daran, wieder hierher zurückzukommen.

(Zurufe von den LINKEN)

Wir können uns aber auch einmal folgende Frage stellen, Herr Gebhardt: Warum war die Situation in den Neunzigerjahren so aussichtslos? Ihre Vorgängerpartei hat dieses Land in 40 Jahren DDR zugrunde gerichtet.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das war eine Kurzintervention. Möchten Sie darauf reagieren? – Das möchten Sie nicht. Wir fahren in der Rednerreihe fort. Für die SPD-Fraktion ergreift nun Herr Kollege Dulig das Wort.

(Unruhe bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich mische mich in die Debatte ein, weil es mir um den Begriff der Heimat geht. Ich finde, dass der Begriff Heimat ein sehr wertvoller und wichtiger Begriff ist.

(Jürgen Gansel, NPD: Ein ursoziales demokratisches Anliegen!)

Sie sollten nicht über Heimat reden. Genau der Missbrauch des Begriffes Heimat durch Sie hat dieses Land in die Katastrophe geführt.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den LINKEN, der FDP und den GRÜNEN – Jürgen Gansel, NPD: Missbrauch – Sie können das Wort gar nicht buchstabieren!)

Heimat ist ein zu wertvoller Begriff, als dass er nur in einen politischen Kontext gesetzt werden kann. Heimat ist das Gefühl, ob man sich hier zu Hause fühlt, ob man hier

seine Zukunft und seine Perspektive sieht. Heimat ist mehr, als nur in Parolen zu verkünden, dass alles gut und richtig ist. Wer so parolenhaft und agitatorisch mit dem Begriff Heimat umgeht, schadet diesem wertvollen Begriff.

Sachsen ist tatsächlich für viele Menschen eine gute Heimat geworden. Viele junge Leute empfinden Sachsen als ihre Heimat. Ob das allein das Verdienst einer Partei ist, sei einmal dahingestellt.

(Zuruf aus der CDU: Das hat doch keiner gesagt!)

Trotz alledem kann man attestieren, dass in den ersten 20 Jahren politisch viel Gutes bewirkt wurde, damit die Menschen sich hier zu Hause fühlen. Die CDU hat ein großes Verdienst daran. Auf diese Zeit können Sie stolz sein.

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Belügen Sie sich nicht selbst und tun Sie nicht so, als würden Sie Sachsen sein.

(Christian Piwarz, CDU: Keine Sorge!)

Lieber Christian Piwarz, diese Sorge habe ich schon.

Ich fand Folgendes sehr beeindruckend: Am 3. Oktober bin ich der Rede von Uwe Tellkamp gefolgt. Ich würde Herrn Tellkamp für die ersten 100 Seiten des „Turms“ und manche darin enthaltene Formulierung noch immer Dresche anbieten. Ich war durch seine Rede etwas versöhnt – nicht mit allen Dingen, die er sagte. Er hat seinen Heimatbegriff, den er geprägt hat, in seiner typisch bildungsbürgerlichen Sicht wiedergegeben. Sachsen ist eben nicht nur die Geschichte des Weißen Hirsches. Gerade Sachsen hat eine Geschichte, die viel mehr von den Arbeiterinnen und Arbeitern, den Tüftlern und denen, die wirklich malocht haben, geprägt wurde. Ich sage Folgendes ganz bewusst: Das ist ebenso eine sozialdemokratische Geschichte. Das hat er ein wenig ausgeblendet. Das war ein bisschen einseitig. In seinen Bildern, die er verwendet hat, habe ich mich aber wiedergefunden. Das war eben kein politischer Kampfbegriff. Es waren Beschreibungen, in denen man sich zu Hause gefühlt hat.

Das ist der Unterschied zu Heimattümelei. Er hat aber auch einen zweiten Heimatbegriff in die Debatte eingebracht. Er sagte, dass sich Menschen inzwischen ausgeschlossen fühlen. Sie haben inzwischen das Gefühl, hier nicht mehr zu Hause zu sein oder sich hier nicht mehr wohlzufühlen. Das muss uns zu denken geben.

Was ist das Ziel der Debatte? Wir wollen nicht in der Vergangenheit hängenbleiben und uns selbst genügen. Wir wollen erstens, dass auch in Zukunft unser Land für viele ein Zuhause und eine gute Heimat ist. Gerade für die jungen Menschen müssen wir eine Perspektive abbilden.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN – Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN)

Das zweite Ziel unserer Politik muss sein, dass Sachsen für alle eine Heimat wird. Wir dürfen niemanden aus

schließen und zulassen, dass Menschen sich hier nicht zu Hause fühlen. Das müssen für mich die zwei Ziele einer guten Politik für unser Land und unsere Heimat sein.

Wenn ich mich mit meinen Kindern über den Begriff Heimat unterhalte, ist dieser sehr widersprüchlich. Meine Tochter studiert Lehramt. Sie fragt sich, ob das ihre Heimat ist. Aufgrund der politischen Diskussionen der letzten Wochen und Monate hat sie mitbekommen, welche Geringschätzung dem Lehrerberuf entgegengebracht wird. Sie fragt sich: Ist das nach dem Abschluss des Studiums ihre Heimat? Sie weiß, dass sie aufgrund der demografischen Entwicklung gute Chancen hat, hier den Lehrerberuf auszuüben. Aber ob das für sie die Heimat ist, das weiß sie nicht.

Meinem einen Sohn ist das gerade alles egal, den lasse ich mal kurz beiseite. Der andere engagiert sich gerade in vielen Vereinen und Verbänden und sagt aber: Alles, was ich tue, um mich zum Beispiel demokratisch zu engagieren, wird in meinem Land nicht unterstützt. Der fühlt sich nicht wertgeschätzt in seinem Engagement. Auch das gehört dazu, dass er zum Beispiel sehr kritisch zu dem Begriff Heimat steht. Das sollte uns zu denken geben und wir sollten eben nicht in so einer Selbstgefälligkeit oder, wie ich es gerade von der FDP gehört habe, in so einer agitatorischen Propagandaschlacht hier über unser gutes Land reden.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Wirklich: Unser Sachsen ist besser als die Regierung und besser als die Koalition.

Die Redezeit ist abgelaufen.

Deshalb nehmen Sie diesen Begriff Heimat bitte nicht als politischen Kampfbegriff,

(Zuruf von der CDU: Wer macht das denn?)

sondern als politischen Auftrag, eine attraktive Heimat für alle in unserem Land zu gestalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Das war Herr Kollege Dulig für die SPD-Fraktion. Als Nächste spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Kollegin Herrmann.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde nicht einstimmen in den Jubel der Koalition angesichts der Studie der Sächsischen Staatsregierung. Ich frage mich, was der Anlass für diese heutige Debatte ist. Eigentlich sollte der Anlass doch sein, wenn wir darüber reden, ob sich Jugendliche in diesem Land wohlfühlen, dass es einfach wichtig ist, dass Jugendliche uns wichtig sind, und dass wir uns überlegen, wie sich die Wertschätzung für Jugendliche und für ihre

Entwicklung, für ihre Bildung auch im Haushalt entsprechend abbilden kann.

Was ist aber die Debatte heute hier? Für diese Debatte ist ein Anlass geschaffen worden. Das ist eine Studie, die die Sächsische Staatsregierung in Auftrag gegeben und natürlich auch bezahlt hat, wobei ich mich frage, ob das Geld gerechtfertigt ausgegeben wurde.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN und der SPD)

Alle Ergebnisse, die vorgetragen wurden, hätten Sie auch aus der Shell-Jugendstudie oder aus PISA-Studien ableiten können.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Sie wären auch zu diesen oder ähnlichen Erkenntnissen gekommen, wenn Sie einfach mit den Jugendverbänden reden würden, wenn Sie sich die Diskussion im Jugendhilfeausschuss anhörten.

Einige kritische Aspekte sind bei der Studie hinten heruntergefallen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN und der SPD)

Brauchen wir diese Studie und müssen wir dieses Geld ausgeben? Darauf antworte ich ganz klar mit Nein. Das Geld hätte an anderer Stelle wesentlich besser ausgegeben werden können.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN und der SPD)

Die Staatsministerin hat sich gerade von links bemerkbar gemacht.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Von rechts!)

Da fällt mir ein, ja, wir haben eigentlich einen Sächsischen Kinder- und Jugendbericht, der einmal in der Legislatur vorgelegt werden sollte. Zu diesem Bericht und seinen Schwerpunkten haben wir im Ausschuss sehr ausführlich diskutiert. Allerdings ist der Ausschuss nicht darüber informiert worden, sondern vielmehr musste erst Henning Homann, mein Kollege aus der SPD-Fraktion, eine Kleine Anfrage stellen, damit wir wissen, an welcher Stelle das Verfahren zu diesem Sächsischen Kinder- und Jugendbericht, der in dieser Legislatur noch vorgelegt werden soll, eigentlich ist. Angesichts der Tatsache, dass es auch Anträge der LINKEN und von uns gab, die sich mit diesem Bericht beschäftigt haben, ist das schade. Dieser Bericht wäre tatsächlich eine Grundlage für so eine Debatte, auch wenn er natürlich heute nicht vorliegt. Im Ausschuss hat die CDU aber gesagt, dass der Bericht der letzten Legislatur durchaus noch aktuell ist. Dieser Bericht hätte also heute Grundlage für diese Diskussion sein können.

(Staatsministerin Christine Clauß: Warten Sie doch erst einmal ab!)