Protocol of the Session on October 17, 2012

Was mir auffällt, ist Folgendes: Heute sprechen wir über eine 47-prozentige Erhöhung. Ich frage mich, warum aus den Reihen der Koalition vor zwei Jahren, als wir einen Anstieg um 72 % verzeichnen mussten, nicht derselbe Aufschrei durch die Reihen gegangen ist.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Dabei möchte ich nichts verniedlichen. Strom ist für uns wichtig. Er ist quasi Blut in den Adern dieser Wirtschaft. Jeder Privathaushalt hat sich daran gewöhnt, dass er Strom jederzeit zur Verfügung hat – es sei denn, es gibt eine Naturkatastrophe. Insofern ist Strom ein hohes Gut. Strom muss ökonomisch sinnvoll, ökologisch verträglich und am Ende sozial bezahlbar produziert und vermarktet werden. Ich glaube, darüber sind wir uns alle einig.

Ist die Lösung, die Stromsteuer abzuschaffen, die richtige? Es wird sich um einen Einmaleffekt handeln, meine Damen und Herren. Wenn Sie an der Systematik des EEG nichts ändern – dazu hatten Sie Zeit und Sie haben nichts getan –, haben wir im nächsten Jahr dieselbe Debatte. Vielleicht haben wir dann die 2,05 Cent, die die Stromsteuer momentan ausmachen, zwar reduziert. Wir können sie jedoch nicht wieder abschaffen. Vielleicht gehen Sie danach an die Mehrwertsteuer oder an die Konzessionsabgabe heran. Das sind Bestandteile des Strompreises. Ich möchte Folgendes sehr deutlich sagen: Die Stromsteuer abzuschaffen ist nicht die Lösung.

Vor allen Dingen müssen Sie auch den Rentnern erklären, was mit der Stromsteuer finanziert wird.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

90 % der Stromsteuer gehen als Konsequenz der ökologischen Steuerreform in die Rentenkassen. Das sind 90 % von 7,25 Milliarden Euro jedes Jahr, die aus der Stromsteuer direkt in die Rentenkasse fließen. Das heißt auch, dass Sie die Antwort darauf geben müssen, woher Sie das Geld für die Rente nehmen wollen.

Der Finanzminister ist gerade nicht im Raum. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass wir noch eine neue Debatte führen werden. Seit Monaten wird diskutiert, dass das

Bier teurer wird. Gerade in Sachsen haben wir leistungsfähige Brauereien. Wir Sachsen sind nicht gerade schlecht im Bierverbrauch im deutschlandweiten Vergleich.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Was passiert, wenn wir fordern würden, weil das Bier zu teuer wird, dass der Finanzminister auf diese Landessteuer – nämlich die Biersteuer – verzichten solle?

Es ist keine richtige Lösung, die Sie uns anbieten.

Nun kommen wir einmal auf die Bundesregierung zu sprechen. Die Bundeskanzlerin hat noch vor wenigen Tagen in Celle beim Landesparteitag der CDU Folgendes erklärt: Weil Öl und Gas auch teurer würden – wesentlich stärker als Strom –, müsse man auch dafür Verständnis aufbringen, dass der Strompreis momentan über die EEGUmlage ansteige. Die Kanzlerin steht auch im Wort. Sie hat bei ihrer Regierungserklärung am 9. Juni 2011 im Bundestag erklärt, dass sie die EEG-Umlage auf der damaligen Höhe von 3,5 Cent festschreiben wolle. Meine sehr verehrten Damen und Herren, sie hat es nicht hinbekommen. Das ist doch die Wahrheit!

Ich bin sehr gespannt, wie es im Bundesrat verlaufen wird.

Sprechen Sie doch einmal mit Ihren Kollegen auf Bundesebene. Frau Gerda Hasselfeldt, die Landesgruppenchefin der CSU im Bundestag, hat gestern erklärt, dass sie gegen die Senkung der Stromsteuer ist und eher die Privilegien der stromintensiven Industrie beschneiden möchte, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Ich bin gespannt, wie es im Bundesrat ausgeht, wenn Bayern nicht dazu stehen wird.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Natürlich. Das ergibt ein bisschen mehr Redezeit.

Herr Kollege Breitenbuch, bitte.

Werter Kollege, ich habe eine Zwischenfrage an Sie: Habe ich Sie falsch verstanden, als Sie sagten, dass die Stromsteuer, wenn man sie wegnehmen würde, nur einen Einmaleffekt darstellen würde? Wir haben durch die Einwirkung auf die Stromsteuer doch einen dauerhaften Effekt für die Bevölkerung – und zwar jährlich –, weil diese Steuer nicht mehr erhoben wird.

Wenn das EEG in seiner Systematik so weiter funktioniert, werden Sie jährlich bei der EEGUmlage weitere Zuwächse haben.

(Zuruf des Staatsministers Sven Morlok)

Sie können diese dann nicht mehr mit der Stromsteuer verrechnen. Wo leben wir denn? Das kleine Einmaleins sollte hier im Haus wohl jeder beherrschen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Weil die Redezeit begrenzt ist, möchte ich Folgendes deutlich sagen: Die Abschaffung der Stromsteuer ist keine Lösung. Das, was auch die Bundeskanzlerin gestern sagte, ist durchaus richtig. Man muss darüber nachdenken, wie man das EEG umbaut, ohne allerdings die Erfolge des EEG zu diskreditieren.

Punkt 2 ist für mich völlig klar: Wenn Herr Altmaier sagt, er möchte den Anteil der erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2020 auf 40 % erhöhen,, und damit das bisherige Ziel erhöht, frage ich, mit welchen Instrumenten er dies schaffen möchte. Meine Damen und Herren! Diese Antwort sind Sie uns in der heutigen Debatte leider bislang schuldig geblieben.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Das war Herr Kollege Jurk für die SPD-Fraktion. Für die GRÜNEN spricht die Abg. Hermenau.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Kollege Jurk, ich bedanke mich ausdrücklich für den sehr sachlichen Debattenbeitrag, den Sie gerade gehalten haben. Ich halte es für angemessen, dass wir hier in der Sache debattieren. Es ist gerade versucht worden, dies anders darzustellen. Dazu komme ich gleich.

Für mich ist entscheidend, dieses Manöver einmal offenzulegen, das dadurch entstanden ist, dass die FDP in Robin-Hood-Manier die sozialen Kosten der Energie als Wahlkampfthema für das Jahr 2013/2014 erkannt hat. Die Union weiß noch nicht, auf welche Seite sie sich schlagen soll.

Dass im Hause Morlok bereits erste Fluchtversuche stattfinden, erkennt man daran, dass zwei Staatssekretäre verbeamtet worden sind. Das finde ich unmöglich – jedenfalls bei der Arbeit, die sie leisten. Zweitens arbeiten Sie offensichtlich daran, ab dem Jahr 2014 als Frühstücksdirektor bei Vattenvall anzufangen.

Sie haben in den letzten Jahren eine außerordentlich schlechte Verkehrspolitik durchgeführt, Herr Morlok.

(Torsten Herbst, FDP: Was?!)

Hören Sie einmal zu! Sie ist so schlecht, dass sich für eine Familie mit zwei Kindern ein Zuwachs an Kosten für den öffentlichen Nahverkehr von über 250 Euro im Jahr ergibt. So schlecht ist Ihre Verkehrspolitik. Um davon abzulenken, dackeln Sie schnell zu den Strompreisen, die sich für die Familie mit den zwei Kindern in der nächsten Zeit um nicht einmal 80 Euro im Jahr erhöhen werden.

(Alexander Delle, NPD: Das ist für viele viel Geld!)

Sie versuchen damit deutlich zu machen, wo Ihr soziales Herz schlägt. Das ist ein Ablenkungsmanöver erster Güte von einer außerordentlich schlechten Politik, die die Lebenshaltungskosten der Familien und Leute massiv belastet hat. Das versuchen Sie hier zu machen. Das ist alles.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Mehr ist das nicht. Sie nehmen dabei billigend in Kauf, dass 10 000 Arbeitsplätze in Sachsen im Bereich der erneuerbaren Energien gefährdet werden. Das ist gemeingefährlich. Sie philosophieren von einer Deindustrialisierung. Dabei hat gerade erst Norsk Hydro – ein großer Alu-Konzern – seine Produktion in Deutschland verdreifacht.

Es gibt noch das berühmte Brüderle-Papier. Es ist gut, wenn man der FDP erklärt, was eigentlich los ist. Dazu zitiert man ihre eigenen Spitzenleute. Es ist ein Papier, welches auch an die Öffentlichkeit gelangt ist, in dem Herrn Brüderle zugearbeitet wurde und er es selbst noch überarbeitet hat. Es reicht, wenn ich es einmal zitiere: „Der weitere Erneuerbare-Energien-Ausbau würde

zunächst einmal komplett zusammenbrechen (Abwürgen von Ökoinvestitionen). Es ist nicht unbedingt gesagt, dass das Gesamtsystem billiger wird. Denn, da die bereits im Betrieb befindlichen Anlagen Vertrauensschutz genießen, müsste das EEG für die Bestandsanlagen unangetastet bleiben. Man hätte dann zwei parallele Systeme, was zum einen administrativ sehr aufwendig ist und zum anderen werden sich sehr komplizierte und unter Umständen effizienzschädliche Wechselwirkungen zwischen beiden Systemen ergeben.“ Im Klartext heißt das Folgendes: Es ist bürokratisch, ineffizient und es führt zu Mehrbelastungen. Das letzte Zitat lautet wie folgt: „Eine Senkung dieser Abgabenlast würde zwar nicht in voller Höhe an den Stromkunden weitergegeben werden, aber den Strompreis dennoch (vielleicht) tendenziell entlasten. Dass ein erheblicher Teil bei den Energieversorgern verbliebe, wäre nicht völlig ohne Rechtfertigung, da diesen erheblichen Belastungen an anderer Stelle abverlangt werden.“ Das heißt im Klartext: beim Netzausbau.

Meine Damen und Herren von der FDP! Was Sie hier betreiben, ist in der Tat keine Öko-Planwirtschaft. Es ist EVU-Branchensozialismus. Das ist ein Branchensozialismus für vier Energieversorgungskonzerne in diesem Land.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Es gibt in der Energieversorgung keinen freien Markt. Dass ich von den GRÜNEN Ihnen von der FDP erklären muss, wie die Marktwirtschaft funktioniert, ist schon sehr interessant.

(Torsten Herbst, FDP: Das glauben Sie ja selbst nicht!)

Das scheinheilige Robin-Hood-Manöver, welches Sie hier veranstalten, halte ich für den Gipfel der Chuzpe.

Es gab einmal die Plakatserie „Herz statt Hartz“. Ich erinnere mich daran. Irgend so etwas kommt nun beim Strompreis im nächsten Jahr. Vielleicht können Sie die alten Plakate recyceln. Das lohnt sich sowieso immer.

Hören Sie einmal auf den Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft. Sie haben in einem Positionspapier gesagt, dass es entscheidend sei, dass es eine dezentrale Energieversorgung gebe, damit die Netzausbaukosten nicht exorbitant ansteigen. Es ist wichtig, dass der Strom, der vor Ort erzeugt wird, auch vor Ort verbraucht wird. Das ist übrigens die grüne Kernprogrammatik. Das hat aber mit dem, was Sie hier behaupten, nichts zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir werden mit der mittelständischen Wirtschaft und dem Handwerk noch in das Gespräch kommen, die ebenso wie die anderen Kunden alle daran leiden, dass Sie die Großindustrie bei der Umlage ausgenommen haben. Es macht inzwischen ein Viertel des Preisanstiegs aus, dass es diese Ausnahmen gibt. Ich finde, dass Frau Merkel das gestern sehr klar und deutlich dargestellt hat. Ich bin dankbar dafür, dass Sie, Herr Ministerpräsident, dies wiederholt haben. Diese Ausnahmen müssen überprüft werden. RotGrün hat es damals eingeführt, um zu verhindern, dass es einen abrupten Abbruch gibt.

Sie haben im letzten Jahr daran herumgefummelt und aus einigen wenigen Ausnahmen, die wir damals mit berechtigten Gründen gemacht haben, nämlich dem globalen Wettbewerb, einen Riesenbausch von Öffnungen gemacht, damit ganz viele Unternehmen mehr Strom verbrauchen können und somit über diese Grenze kommen und sich freistellen lassen können.