Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: zunächst die SPD, dann CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie dies wünscht. Wir beginnen mit der Aussprache. Zunächst ist die Fraktion der SPD als Einreicherin des Antrages an der Reihe. Frau
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Artikel aus der „Freien Presse“ vom 11. September 2012 lautet wie folgt: „In Sachsen fehlen 342 000 Sozialwohnungen“. Haben wir eine neue Wohnungsnot?
Das ist eine Studie des Pestel Instituts von Hannover. Am gleichen Tag lautet ein Artikel in der „Morgenpost“: „Studie schlägt Alarm – Sachsen gehen die Sozialwohnungen aus“. Stimmt das?
Wenige Tage später heißt es: „Nachfrage nach Wohnungen treibt die Preise in die Höhe“. Das Ministerium antwortet darauf wie folgt: Wir haben genug billigen Wohnraum.
Das sind die gegensätzlichen Aussagen, die uns bewogen haben, diesen Antrag heute einzubringen. Wir haben keine Forderung nach dem klassischen sozialen Wohnungsbau, wie es früher einmal war. Das möchte ich gleich vorwegnehmen und klarstellen. Wir möchten, dass wir überlegen, ob es richtig und an der Zeit ist, leerstehenden Wohnraum abzureißen, oder ob es nicht wichtig ist, diesen auch wieder in einen vermietbaren Zustand zu versetzen.
Was haben wir nun für einen Förderbedarf? Wir haben auf der einen Seite die altersgerechten und barrierefreien Wohnungen, die fehlen. Wir wollen aber auf der anderen Seite energetisch sanieren. Trotz all dieser Maßnahmen sollen die Bruttomietpreise neutral bleiben. Ist der Rückbau die Lösung, die wir anstreben? Wir haben derzeit ein
Verhältnis von 80 : 20. Das Handlungskonzept „Demografie“ der Staatsregierung liegt seit dem Jahr 2010 vor.
Seit dem Jahr 2011 haben wir gemeinsam gegen den Bund gekämpft, dass die Städtebausanierung nicht zusammengestrichen wird. Trotzdem ist eines Fakt: Das Programm „Soziale Stadt“ wurde um 60 % reduziert. Im Haushalt 2013/2014 fehlen gegenüber 2011 mehr als 38,5 Millionen Euro.
Nun kommen wir wieder zur Pestel-Studie zurück: In Sachsen fehlen 342 000 Sozialwohnungen. Stimmt das?
Markt. Stimmt das? Ich stelle bewusst eine Frage, weil es unterschiedliche Antworten und Varianten gibt. Das SMI geht davon aus, dass bis zum Jahr 2025 mehr als 30 % der Bewohner in Chemnitz, Leipzig und Dresden nicht mehr als vier Euro pro Quadratmeter Miete zahlen können. In anderen sächsischen Regionen gibt es gleiche ungünstige Entwicklungen. In Sachsen fehlt gänzlich eine sächsische Wohnungsnotfallstatistik für Wohnungssuchende bzw. Wohnungslose.
Darüber gibt es überhaupt keinen Überblick. Die Aufgabe der Städte und Gemeinden ist es, ein Mindestangebot an bezahlbarem Wohnraum bereit zu halten und keine soziale Segregation durch Mietpreise zuzulassen. Das Grundproblem ist jedoch Folgendes: Rückbau- und Aufwertungsprogramme sind nicht miteinander koppelbar. Teilrückbau und energetische Sanierung gemeinsam passen nicht zusammen und sind nicht förderfähig.
Ich komme zu einem Beispiel: die Stadt Leipzig. Der Leerstand, wir wissen das, beträgt circa 30 000 Wohnungen. Wie kann man in einem solchen Fall von einem
Nun nenne ich noch ein Beispiel, was das Ganze noch einmal konkret benennt. Ich komme zum Landkreis Leipzig. Dort gibt es momentan einen Streit zwischen den Wohnungsbaugenossenschaften und dem Landkreis über die Höhe der Mietkosten. Die Wohnungsbaugenossenschaften haben im Landkreis Leipzig circa 90 % des Wohnungsbestandes saniert. Weil sie saniert haben, wollen sie dafür auch eine Mieterhöhung durchsetzen. Der Landkreis sagt daraufhin Folgendes: Das können wir aber nicht bezahlen. Zugespitzt könnte man Folgendes sagen: Können sich zukünftig sozial Schwache nur noch unsanierten Wohnraum leisten? Die dortigen Wohnungsbaugenossenschaften haben es auf den Punkt gebracht und gesagt: Wir lassen die Mieter ausziehen und setzen sie in die Quartiere, die zum Abriss vorgesehen waren. Das sind die unsanierten Wohnungen. Ist das unser Ziel?
Ich gebe ein weiteres Beispiel aus der Stadt Dresden. Der Leerstand beträgt dort 28 450 Wohnungen. Das war im Jahr 2010. Davon befinden sich nur 13 450 Wohnungen in einem vermietbaren Zustand. Ich habe mich gerade noch einmal mit meiner Kollegin Frau Friedel darüber unterhalten, die Mitglied des Stadtrates ist. Sie hat mir bestätigt, dass es im Bereich des sozialen Wohnungsbestandes sehr wenige Angebote für die Mieter gibt.
Für die Kommunen rechnet sich die energetische Sanierung natürlich durch die Begrenzung der Nebenkosten mittelfristig. Die altersgerechte Sanierung wäre eine Antwort auf den demografischen Wandel.
Diese Fragen sind in Sachsen zurzeit ungeklärt oder nicht genügend geklärt. Deswegen haben wir unseren Antrag eingebracht. Wir bitten um Ihre Zustimmung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Landtagskolleginnen und -kollegen! Nachdem ich von den alarmierenden Aussagen der Pestel-Studie gelesen habe, dass in Sachsen 340 000 Wohnungen fehlen, habe ich dazu den Antrag von den LINKEN schon vor den Augen gehabt. Alle Achtung! Die SPD war schneller. Sie hat „überholen ohne einzuholen“ erfolgreich angewandt.
Grundsätzlich sind die im Antrag zum Ausdruck gebrachten Sorgen um die sozialen Belange des Wohnens in Sachsen ernst zu nehmen. Dies wird seitens der Staatsregierung und der Koalitionsfraktionen auch getan. Das hat Innenminister Ulbig bei seiner Fachregierungserklärung auch deutlich gemacht.
Deutlich wurde dabei auch, dass wir in Sachsen bereits wieder mit einem zunehmenden Wohnungsleerstand zu
rechnen haben, was der demografischen Entwicklung geschuldet ist. Es muss also weiter zurückgebaut werden. Die Mieten dürften trotzdem auf einem moderaten Niveau verbleiben. Diese Einschätzung teilen die Staatsregierung und die Verbände der organisierten Wohnungswirtschaft gleichermaßen.
Aufgrund der Entwicklung sind die herbeigerechneten Ergebnisse der Pestel-Studie für Sachsen sehr weit von der Realität entfernt und wurden hier medial auch so bewertet. Die Stellungnahmen der Verbände der Wohnungswirtschaft sind dazu an Deutlichkeit kaum zu überbieten.
Hier einige Auszüge aus der Pressemitteilung des VdW vom 22. Juni dieses Jahres: „Die für Sachsen vorliegenden Zahlen liefern ein völlig verzerrtes Bild von der Situation auf dem Wohnungsmarkt, kritisiert der Direktor des VdW Sachsen Siegfried Schneider in Dresden. Die Grundaussage, ein Großteil der Wohnungen in Sachsen sei weit von heutigen Standards entfernt oder gar dringend sanierungsbedürftig, ist schlicht falsch. Bei den 127 Mitgliedsunternehmen des VdW Sachsen, zu denen alle großen kommunalen Wohnungsgesellschaften im Freistaat zählen, herrscht eine Sanierungsquote von mehr als 90 %. Damit sind wir bundesweit Spitzenreiter. Für durchschnittlich 4,52 Euro pro Quadratmeter Mietkosten bieten wir flächendeckend modernen und dennoch bezahlbaren Wohnraum in attraktiven Lagen.“
„Die Aussage des Leiters des Pestel Institutes, energiesparende, altersgerechte und bezahlbare Wohnungen seien knapp in Sachsen, kann ich für unsere Mitgliedsunternehmen, die jede siebente Wohnung im Freistaat bewirtschaften, ganz klar widerlegen.“ – So Verbandsdirektor Schneider. „Die Unternehmen des VDW Sachsen bieten bundesweit die nachweislich niedrigsten Mieten bei gleichzeitig höchstem energetischem Standard.“
Gleiches gilt aus meiner Sicht auch für die Marktposition der sächsischen Wohnungsgenossenschaften, die sich analog dazu geäußert hatten. Fakt ist, die behaupteten 342 000 preisgünstigen Wohnungen fehlen nicht, und ein zusätzliches kommunales Investitionsprogramm entspricht an der Stelle nicht dem gegenwärtigen Bedarf.
Viel mehr entspricht dem Bedarf allerdings das Landesprogramm „Rückbau dauerhaft nicht mehr benötigter Wohnungen“. Dieses Programm ist mehrfach überzeichnet und für den Rückbau von Einzelobjekten in ruinösem Zustand außerhalb der Städtebaufördergebiete vorgesehen. Fast jeder kennt in den größeren Städten Sachsens eine Vielzahl von sogenannten Schrottimmobilien, die nicht mehr wirtschaftlich vertretbar zu sanieren sind. Jeder kennt die besonders betroffenen Straßenzüge an Hauptverkehrsstraßen, zum Beispiel in Chemnitz, Leipzig
oder auch Zwickau. Auch hier gibt es eine Vielzahl von verwahrlosten Einzelobjekten, die herrenlos sind oder sich in ungeordneten privaten Eigentumsformen befinden. Für den schrittweisen Rückbau dieser Objekte ist das Landesprogramm eingerichtet und müsste dringend aufgestockt statt eingestellt werden. So zumindest der Vorschlag im Antrag der SPD.
Weiterhin wird im Antrag eine Bundesratsinitiative zur Herstellung von Rechtssicherheit für Mietkosten für Haushalte mit Leistungsbezug nach SBG II und Grundsicherung im Alter sowie Erwerbsunfähigkeit gefordert. Die Stoßrichtung dieser Forderung scheint zu sein, die vom Bundesgesetzgeber beschlossenen Ermächtigungen zur Festlegung von lokal angemessenen Regelsätzen anzugreifen. Die Umsetzung dieser Regelung nach
§ 22a SGB II in Landesrecht wurde aber inzwischen hier im Landtag eingebracht. Es ist der Gesetzentwurf zur Novellierung des Sächsischen Gesetzes zur Ausführung des Sozialgesetzbuches. Das bedeutet, dass wir hier selbst Rechtssicherheit und Transparenz für die Berücksichtigung der Unterkunfts- und Leistungsaufwendungen der betroffenen Haushalte herstellen können und an der Stelle den Bundesrat nicht brauchen.
Abschließend noch ein Wort zur Forderung nach der Verstetigung des Programms „Soziale Stadt“. Das ist aus meiner Sicht wie Wasser in die Elbe tragen, denn unser Innenminister, der gleichzeitig Bauminister ist, hat die Forderung ständig im Gepäck und setzt sich ebenfalls für eine hohe Mittelausstattung dieses Programms ein.
Es wird den Antrageinreicher nicht verwundern, dass wir wegen der Vielzahl der gerade vorgetragenen Gründe keine Notwendigkeit sehen, Ihrem Antrag heute zuzustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Köpping! Jetzt habe ich mich auf eine andere Rede vorbereitet, herzlichen Dank. Ich schiebe sie mal ein bisschen zur Seite und luge ab und zu einmal darauf, um den Faden vielleicht nicht ganz zu verlieren.
Herzlichen Dank dafür, dass Sie mit diesem Antrag die zur Rede stehende Pestel-Studie hier thematisieren. Das gibt mir nämlich die Gelegenheit, das Augenmerk durchaus auf zentrale Fragen der künftigen Entwicklung des Wohnens in Sachsen zu lenken.
Die Pestel-Studie weist für Sachsen, wie eben gehört, einen Bedarf an neu zu errichtenden Sozialwohnungen von sage und schreibe 342 000 Stück aus. Diesen Faden
nimmt der Antrag zunächst einmal auf und folgert logisch, dass damit auch der Rückbau in Sachsen zu prüfen und erforderlichenfalls einzustellen sei. Versichern wir uns deshalb einfach des Zahlenmaterials, liebe Kolleginnen und Kollegen.