Protocol of the Session on September 27, 2012

Richtig ist, dass wir Lohnuntergrenzen, auch eine allgemeine Lohnuntergrenze brauchen, aber sie wird das Problem allein nicht lösen, dessen muss man sich bewusst sein. Wenn wir aber 78 000 Menschen in Sachsen haben, die 40 Stunden in der Woche Vollzeit arbeiten und weniger als 1 000 Euro brutto verdienen, dann frage ich mich natürlich schon: Wieso gehen sie eigentlich arbeiten? Lohnt sich das für sie? Bekommen sie einmal eine Rente?

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Wer regiert denn hier, Herr Krauß?!)

Dafür muss man schon eine Lösung finden; die kann nicht heißen, sie sollen mal arbeiten, und haben eigentlich nichts davon. Arbeit muss sich lohnen; das muss Ziel unserer Politik sein.

Fünfter Punkt, Aussetzung der geplanten Senkung der Rentenbeiträge. Hierzu bin ich der gleichen Meinung wie der Ministerpräsident, dass man schauen sollte, ob man das Geld in der Reserve hält. Ich will auch hier noch einmal sagen: Die Veränderung der Spannweite in der Rentenrücklage ist ja unter Rot-Grün gegen CDU/CSU und FDP beschlossen worden. Sie hatten das Problem, dass die Rentenkasse leer war; deswegen haben sie das nach unten reguliert. Wir hatten einmal drei Monatsreserven – das fand ich gut; wir hatten sogar anfangs der Rentenversicherung in den ersten zehn Jahren eine Jahresrücklage. Aber zumindest wenn man die Rücklage wieder auf drei Monatsrücklagen erhöhen würde, damit etwas

mehr Geld in der Rücklage bleibt, hielte ich das nicht für falsch. So ist man dann auch für anderes gerüstet. Wie auch bei der Pflegeversicherung wäre es gut, eine Demografiereserve anzulegen. Das ist etwas Sinnvolles. Wir müssen jetzt vorsorgen, damit wir für die Generationen, die ab 2030 Leistungen beziehen, Antworten haben.

Zur Erwerbsminderungsrente. Richtig ist, dass derzeit 2 % aller Rentner Grundsicherungsempfänger sind, bei den Erwerbsminderungsrentnern sind es 9 %; dort ist also ein besonderes Problem. Deswegen finde ich es gut, dass die Bundesministerin dieses Thema im Rentendialog aufgegriffen hat und dort eine Regelung bei ihrer Zuschussrente vorschlägt. Das wird sicherlich der Freistaat Sachsen im Bundesrat – und wo es noch zu unterstützen geht – unterstützen. Wir brauchen eine Veränderung; aber ich halte die Vorschläge, die auf Bundesebene gemacht wurden, für gut.

Sechster Punkt, Gewährung der Rente nach Mindesteinkommen. Hier will ich daran erinnern: Wenn Sie sich das Konzept der Bundesministerin anschauen, dann macht sie genau das. Es ist die Rente nach Mindesteinkommen, auch wenn der Name nicht darüber steht. Dazu kommt noch eine stärkere Berücksichtigung der Familie.

Ziel muss es sein, dass derjenige, der lebenslang gearbeitet hat, jemand, der 45 Beitragsjahre hat – egal, ob es die Putzfrau ist oder ein Fabrikarbeiter –, eine Rente über dem Grundsicherungsniveau erhält; dass er mehr bekommt als jemand, der nie gearbeitet hat. Deswegen war dieses Konzept der Rente nach Mindesteinkommen etwas Sinnvolles und ich bin dankbar, dass das in der Systematik wieder mit eingeführt worden ist, dass man also diese Aufstockung erreicht und zumindest in Richtung 850 Euro kommt. Das ist ein guter Ansatz.

Herr Kollege Pellmann, meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben gemerkt, wir haben sehr große Unterschiede – mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten – bei Ihrem Antrag. Insofern werden wir Ihren Antrag ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Vielen Dank,

Herr Krauß. – Die SPD-Fraktion ist an der Reihe; Herr Abg. Brangs. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ist es etwas schwierig, nachdem wir uns dem Thema heute Morgen schon in den Grundaussagen genähert haben, jetzt zum Antrag zu sprechen. Ich stelle direkt vorweg, dass wir für den Antrag eine punktweise Abstimmung beantragen, weil er sich an einigen Stellen noch nicht zu 100 % mit den Überlegungen deckt, die wir derzeit anstellen.

Dennoch müssen wir, wenn wir das Thema Altersarmut betrachten, ganz klar sagen, dass Altersarmut kein Problem im eigentlichen Sinne des gesetzlichen Rentensystems, sondern ein Problem der zunehmenden Prekarisie

rung von Beschäftigung ist. Das heißt, es geht hier darum, dass wir die Grundbedingungen in der Zeit, in der Menschen arbeiten, verändern müssen, um den Grundstein dafür zu legen, dass sie später eine auskömmliche Rente haben. Dazu gehören faire Tariflöhne. Dazu gehört auch, dass wir mit den uns zur Verfügung stehenden Maßnahmen dazu beitragen, dass sich die Löhne verbessern. Der Mindestlohn ist also ein Thema; das kommt in Ihrem Antrag auch vor, aber nicht ausreichend.

Dahinter verbirgt sich eine dringend notwendige Debatte, aus der ganz klar hervorgehen sollte, dass wir die Lebensleistung der Menschen anerkennen wollen, die sie im Wesentlichen erbracht haben. Wenn die Menschen ein Leben lang Beiträge eingezahlt haben, dann erwarten sie auch von diesem System, dass sie am Ende auskömmlich leben können und nicht auf Sozialleistungen angewiesen sind. Das ist, glaube ich, verständlich und nachvollziehbar. Deshalb müssen wir prüfen, wie wir diese gesetzliche Säule stärken.

Wir müssen aber auch sehr selbstkritisch prüfen, welche Elemente zur Schwächung geführt haben bzw. welche Elemente keinen Ausgleich für das gesetzliche Rentensystem schaffen. Ich nenne nur als Stichwort die Betriebsrenten. Das ist ein Modell, das gerade in Sachsen mit Blick auf die Kleinteiligkeit unserer Wirtschaft nur schwer verfängt und mit der geringen Tarifbindung nur schwer umzusetzen ist. Es gibt kaum Betriebe, in denen es eine Betriebsrente gibt, sodass die Betriebsrente nicht die Antwort sein kann.

Wir haben auch die Situation, dass das, was Betriebsrenten kapitalgedeckt erwirtschaften können, nicht das ist, was die gesetzliche Rente leisten könnte. Auch das ist ein Teil der Wahrheit. Deshalb müssen wir uns damit auseinandersetzen, welche anderen Möglichkeiten es gibt, um die Altersarmut zu bekämpfen. Es geht also darum, dass wir den Niedriglohn bekämpfen und dass wir Mindestlöhne zum Thema machen.

Wir müssen einmal die Dinge zur Kenntnis nehmen, die jetzt schon klar sind. Wenn man sich die Daten anschaut, weiß man bereits jetzt, dass es wachsende Altersarmut geben wird. Auch ist es so, dass eigentlich schon jetzt jeder die Realitäten zur Kenntnis nehmen müsste: dass im Jahre 2030 ungefähr die Hälfte aller Neurentnerinnen und -rentner in Sachsen auf Sozialhilfe angewiesen sein wird. Das ist eine Situation, die auch deshalb zustande gekommen ist, weil wir in der Vergangenheit darauf gesetzt haben, dass Niedriglöhne ein Wirtschaftsfaktor bzw. ein Wettbewerbsvorteil, – –

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Wir nicht!)

Habe ich „wir“ gesagt?

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Ja!)

Oh. – dass die Regierenden in diesem Land darauf gesetzt haben – vielen Dank für den Hinweis –, dass Niedriglöhne ein Wettbewerbsvorteil sind. Derzeit gehen rund 53 % der Beschäftigten einer atypischen Beschäfti

gung nach, die einen Verdienst unterhalb der Niedriglohngrenze haben. Es ist auch richtig – das ist schon gesagt worden –, dass es fast 25 % Sozialversicherungspflichtige in einem Vollzeitjob gibt, die weniger als 2 500 Euro im Monat verdienen. Davon werden sehr viele akut von Altersarmut betroffen sein. Jeder Zweite, sagt die Statistik, verdient sogar nur unter 2 000 Euro. In Westdeutschland ist diese Zahl eine vollkommen andere. Wir müssen, glaube ich, noch einmal genau hinschauen, was wir diesbezüglich ändern können.

Die Antwort kann nicht sein – das will ich deutlich zum Ausdruck bringen –, dass wir sagen: Wir fördern einfach durch staatliches Geld weiterhin Ergänzer und Aufstocker. Ich glaube, dass das eine Politik ist, die sich auch auf Dauer rächen wird. Wir können nicht durch Steuergelder eine Subventionierung des Niedriglohnsektors vornehmen. Das ist gesamtgesellschaftlich und volkswirtschaftlich falsch.

Es ist auch nicht sinnvoll – ich habe die Zahlen hier –, allein in Sachsen jährlich 260 Millionen Euro auszugeben, um Ergänzer – also diejenigen, die arbeiten und trotz Arbeit nicht von ihrem Lohn leben können – zu subventionieren. Wenn man dazu noch diejenigen nimmt, die Aufstocker sind – also diejenigen, die Arbeitslosengeld bekommen und davon nicht leben können –, dann hat man eine Summe von 790 Millionen Euro, einen Riesenbatzen Geld. Man sollte sich Gedanken darüber machen, ob man damit auf Dauer Unternehmermodelle fördern will, die auf geringe Löhne setzen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Noch zwei, drei Worte zur Riesterrente und zu anderen Punkten, die in dem Antrag vorkommen: Die Riesterrente – das kann ich von diesem Pult hier seit dem Wochenende sagen, weil wir einen Landesparteitag hatten, und der Landesparteitag der SPD hat sich klar von dem Projekt Riesterrente distanziert – war ein Riesenerfolg für die Versicherungswirtschaft. Sie war auch für Banken und Fonds ein Riesenerfolg, aber eigentlich kein Erfolg für die Zielgruppe, die dahinterstand.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN – Zurufe von der NPD)

Wenn man sich einmal anschaut, wer die Zielgruppe war, überlegt man, warum diejenigen, die wir erreichen wollten, nicht abgeschlossen haben, und diejenigen, denen es eigentlich besser geht, das in Anspruch nehmen. Vor allen Dingen muss man bedenken, dass mit diesem Modell im Mittel zwischen 130 und 160 Euro am Ende eines Lebens herauskommen, und das kann nicht das kompensieren, was man bei der Absenkung der gesetzlichen Rente weggenommen hat.

(Zuruf von den LINKEN: Ja!)

Damit komme ich zum nächsten Punkt, zur Rentenhöhe. Auch diesbezüglich haben wir uns mit dem Rentenkonzept unseres Parteivorsitzenden auseinandergesetzt und sind im Kern der Auffassung, dass es nicht vertretbar ist,

das Rentenniveau weiter abzusenken. Die Absenkung auf 43 % wird zum jetzigen Zeitpunkt von uns nicht mitgetragen. Ich finde es auch gut, dass unser Partei- und Fraktionsvorsitzender dazu in der Öffentlichkeit deutlich Position bezogen hat.

Bezüglich der Rente mit 67 glaube ich, dass das, was Sie in dem Antrag formulieren, auch nicht auf der Höhe der Zeit ist. Wir dürfen keine Schaukämpfe über eine Zahl führen. Es geht nicht darum, ob 65 oder 67 die richtige Zahl ist, sondern es geht darum, mit diesen Zahlen etwas zu verbinden. Die Zahl 67 ist aus unserer Sicht derzeit deshalb falsch, weil wir uns darauf verständigt haben, dass mindestens 50 % der über 60-Jährigen überhaupt noch eine Beschäftigung haben müssen, bevor wir über eine Anhebung des Rentenalters reden. Diese Situation ist aber nicht eingetreten. Solange dies der Fall ist, macht es keinen Sinn, über eine Anhebung zu reden.

Zweitens: Wir müssen auch über flexiblere Formen von Renteneintritten nachdenken. Das heißt, allein das starre Festhalten an einer Zahl wird nicht die Antwort sein.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Richtig ist: Die Rente mit 67 muss auf den Prüfstand; sie ist bei der SPD auch auf dem Prüfstand.

(Zuruf von den LINKEN)

Wir werden dem Antrag an der einen oder anderen Stelle zustimmen können. Aber mit dem Antrag allein ist es nicht getan, sondern es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe – auch von Politikerinnen und Politikern hier im Landtag –, die Rahmenbedingungen zu verbessern, und die kann man nur verbessern, indem man höhere Löhne in der Zeit zahlt, in der die Menschen arbeiten, damit sie am Ende ihres Lebens eine auskömmliche Rente haben.

Herzlichen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Meine Damen und Herren, nun hat die FDP das Wort. Frau Abg. Schütz. – Frau Schütz, einen kleinen Moment. Das habe ich zu spät gesehen. – Herr Abg. Schimmer.

Herr Präsident! Ich würde gern vom Mittel der Kurzintervention Gebrauch machen.

Bitte.

Ich muss so langsam konstatieren oder doch befürchten, dass der Kollege Brangs möglicherweise an Schizophrenie leidet, denn die Riesterrente wurde natürlich auch von einem Sozialdemokraten und Gewerkschafter ausgebrütet, nämlich dem ehemaligen Arbeitsminister Walter Riester, der von 1998 bis 2002 Arbeitsminister war und sich im Nachhinein als besonders heuchlerisch erwiesen hat, denn heute tritt er als Lobbyist des Finanzdienstleisters AWD auf. Das zeigt wieder einmal, wie sehr Sie hier mit einem gespaltenen Bewusst

sein auftreten und argumentieren. Die ganzen Fehlschläge der Sozialpolitik der letzten Jahre wurden nun einmal von der rot-grünen Bundesregierung vorbereitet – egal, ob es um Hartz IV, die Ausbreitung des Niedriglohnbereichs oder eben auch um den Flop der Riesterrente geht.

Besten Dank.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren, wir setzen die Aussprache fort. – Für die FDPFraktion spricht nun Frau Abg. Schütz.