Protocol of the Session on September 26, 2012

spekulativen Zinsderivaten durch die Kommunen beenden!“ (Drucksache 5/5485) berücksichtigt und das Spekulationsverbot gesetzlich geregelt wird.

Die Kürzung der sogenannten Hochzeitsprämie ab dem 2. Januar 2013 auf 50 Euro je Einwohner der beteiligten Gemeinden halten wir für falsch. Eine wirkliche Erleichterung wäre eine echte staatliche Förderung in angemessener Höhe für freiwillige Gemeindezusammenschlüsse für die nächsten fünf Jahre. Zur Frage der angemessenen Höhe einer Hochzeitsprämie verweise ich auf die Ergebnisse der Sachverständigenanhörung.

Erlauben Sie mir noch eine Anmerkung: Ein Großteil der Hochzeitsprämie kommt übrigens gar nicht in der Gemeindekasse an, weil nach der Fusion eine Grunderwerbsteuer fällig wird. Hierzu hat zwar der Innenminister eine Gesetzesänderung im Bundesrat angeschoben. Selbst wenn diese umgesetzt werden würde, käme sie mangels Rückwirkung für die meisten Fusionsgemeinden viel zu spät.

Lassen Sie mich an dieser Stelle ein weiteres Manko im Gesetzentwurf ansprechen. Es gibt zwar seit dem Oktober 2010 ein neues Leitbild zur Gemeindestruktur. Dieses bleibt aber auch künftig in exekutiver Verantwortung – selbst bei faktisch willkürlicher Anwendung im Genehmigungsverfahren von Gebietsänderungen. Ich erinnere an die Praxis des Innenministeriums, grundsätzlich jede landkreisgrenzübergreifende Fusion zu versagen. Hierbei gibt es einen akuten Handlungsbedarf und entsprechend viele Möglichkeiten für die kommunale Ebene, was im Gesetz geregelt werden könnte.

Verfassungsrechtlich problematisch sehen wir die kurzfristig eingebrachte Ergänzung des Artikels 4a des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes. Herr Fritzsche ging darauf kurz ein. Im § 4 wird der Verwaltungshelfer neu eingeführt. Es klingt gut, ist aber nicht gut gemeint. Mit der Einführung eines Verwaltungshelfers wird der Versuch unternommen, die weit verbreitete Praxis zu legalisieren, dass sich die mit der Betriebsführung öffentlicher Aufgaben beauftragten privaten Dritten auch abgabenrechtliche Kompetenzen anmaßen. Dieser Weg ist falsch und wird von meiner Fraktion entschieden abgelehnt.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Mit der Erhebung öffentlicher Abgaben gegenüber dem Zahlungspflichtigen sind erhöhte Anforderungen an die zuständige Körperschaft verbunden. Dabei ist das Recht der Abgabenerhebung hoheitlicher Art und per Gesetz ausschließlich den Gebietskörperschaften zugewiesen. Bei der Abgabenbemessung und -ermittlung können Beauftragte mitwirken. Die abschließende Entscheidungskompetenz kann jedoch nur durch die Behörde wahrgenommen werden. In diesem Tenor haben auch die Oberverwaltungsgerichte in Sachsen und Thüringen Anfang dieses Jahres Beschluss gefasst. Auch lässt die Abgabenordnung in der Legaldefinition des Verwaltungsaktes im § 118 keinen Raum für einen Verwaltungshelfer im Sinne des vorgeschlagenen Artikels 4a. Wir lehnen

diese Änderung ab. Ich verweise auf unseren Änderungsantrag in der Ziffer 2.

Ich glaube deutlich gemacht zu haben, dass dieser Gesetzentwurf in mehreren Punkten die verfassungsrechtlichen Grenzen tangiert. Das betrifft den irreführenden Gesetzestitel, der gegen das rechtsstaatliche Gebot der Normenklarheit und Normenwahrheit verstößt, den nicht begründeten Eingriff in die kommunale Kooperationshoheit sowie die Einführung eines Beliehenen in Sachen öffentlicher Abgabenerhebung. Zu all diesen Themen konnte der zuständige Fachausschuss keine Stellung nehmen, da er mit der Beratung nicht betraut war.

Meine Fraktion, DIE LINKE, beantragt daher die Rücküberweisung des Gesetzentwurfes an den Innenausschuss und die Festsetzung der Mitbehandlung im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss gemäß § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung, um die fehlende verfassungsrechtliche Beurteilung des Vorhabens nachzuholen.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Sie haben soeben die Verlautbarung von Frau Abg. Junge gehört. Ich verstehe das als einen Antrag nach der Geschäftsordnung § 89 und würde zunächst über diesen Antrag abstimmen lassen. Erhebt sich hiergegen Widerspruch? –

(Christian Piwarz, CDU: Aber am Ende der Debatte!)

Sie können ja widersprechen. Das reicht mir vollkommen.

(Christian Piwarz, CDU: Dann widerspreche ich.)

Geschäftsordnungsanträge sind unmittelbar zu behandeln. Sie haben die Gelegenheit, sich entsprechend zu verhalten.

Zunächst sehe ich eine Wortmeldung von Frau Jähnigen.

Ich möchte mich gern zum Geschäftsordnungsantrag äußern. Ich finde das vorgeschlagene Verfahren sinnvoll. Bei dem, was die Koalition in den Änderungsanträgen im Innenausschuss in größter Eile – die letzten wurden zum Schluss mündlich verlesen – noch in den Gesetzentwurf hineingebastelt hat, kann ich verstehen, dass der Innenminister jetzt nicht da ist, weil er das vielleicht nicht vertreten kann. Ich glaube, darin stecken schwierige und folgenreiche juristische Fragen, die nicht genügend untersucht wurden. Insofern ist eine Rücküberweisung sicher zielführend.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD)

Herr Bandmann.

Herr Präsident! Ich möchte gegen diesen Antrag sprechen.

Zunächst möchte ich auf die unqualifizierte Einlassung in Bezug auf den Innenminister eingehen. Der Innenminister

ist förmlich entschuldigt. Er befindet sich auf einer Auslandsreise. Das ist auch durch die Medien hinreichend publiziert worden. Von daher ist diese Einlassung unqualifiziert.

Die Hinweise, das Thema würde im Innenausschuss nicht ausreichend gewürdigt werden, kann ich als Mitglied des Innenausschusses nicht nachvollziehen. Es ist hinreichend beraten worden. Von daher ist auch das eine unzutreffende Darstellung, die die Öffentlichkeit offensichtlich irreführen soll. Ich bin durchaus der Meinung, dass deswegen dieser Antrag abgewiesen wird.

Die Kommunen warten genau auf diesen Vereinigungsprozess. Sie erwarten, dass sie jetzt Anspruch auf das Geld haben. Dies würde ausfallen. Von daher sollte dieser Antrag abgewiesen und das Gesetz ordentlich zu Ende beraten werden, um es heute abschließend zu beschließen.

Vielen Dank, Herr Bandmann. Frau Köpping.

Wir würden uns als SPD-Fraktion dem Rücküberweisungsantrag anschließen wollen, weil ich auch sehe, dass es zu diesem Gesetzentwurf noch sehr viel Nachverhandlungsbedarf gibt. Insofern würden wir dem Antrag zustimmen.

Vielen Dank. Herr Bartl.

Herr Präsident! Ich möchte zur näheren Begründung des von meiner Kollegin bereits ausgeführten verfassungsrechtlichen Problems darauf hinweisen, dass es nicht nur um die Frage geht, dass materiellrechtliche Bestimmungen, die im jetzigen Gesetzentwurf bzw. der Beschlussempfehlung enthalten sind, erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken

unterliegen. Auch das Verfahren, das gewählt worden ist, um den Gesetzentwurf zu behandeln – dazu gehört eben auch die formell korrekte Behandlung des Gesetzentwurfes, wenn ich es verfassungsmäßig behandeln will –, gibt erhebliche Bedenken auf.

Die Expertenanhörung war am 5. Juli 2012. In der Sitzung im September ist dann ein Änderungsantragskonvolut eingebracht worden, das zu keinem Gegenstand der Anhörung gemacht werden konnte, und zwar mit Regelungen, die ganz anderen Charakter trugen, als der Titel angibt, und ursprünglich in der entsprechenden Expertenanhörung vorgesehen waren. Insofern ist die Art und Weise, wie das Hohe Haus in seiner Gesamtheit mit der bisherigen Befassung in den Ausschüssen überhaupt mitwirken konnte, von vornherein formell auch nicht korrekt. Dass das ein Grund sein kann, ein Gesetz anzugreifen, ist – wie man sagt – gesicherte Verfassungsrechtsprechung. Auch aus diesem Grund wäre das Parlament auf der sicheren Seite, wenn dem Antrag auf Rücküberweisung an den federführenden Innenausschuss und die Überweisung an den Verfassungs-, Rechts- und Europa

ausschuss zur Prüfung der verfassungsrechtlichen Bedenken Genüge getan würde.

(Beifall bei den LINKEN)

Vielen Dank, Herr Bartl. – Herr Biesok.

Ich möchte mich auch gegen die Rücküberweisung aussprechen.

Die angesprochenen Änderungen, die im Gesetz vorgesehen sind, sind ausführlich im Ausschuss behandelt worden. Wir hatten eine Expertenanhörung. Das schließt nicht aus, dass nach einer Expertenanhörung ein weiterer Diskussionsprozess einsetzt und danach Veränderungen am Gesetzentwurf vorgenommen werden. Von daher teile ich die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht. Ich denke, wir können es heute beraten.

Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht.

Beantragt war die Rücküberweisung an den federführenden Innenausschuss und die Mitberatung im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich, das anzuzeigen. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Vielen Dank. Enthält sich jemand? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür hat dieser Antrag nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.

Meine Damen und Herren! Wir fahren in der Aussprache fort, und zwar mit der Fraktion der SPD. Es spricht Frau Abg. Köpping. Frau Köpping, Sie haben das Wort.

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gesetz zur Erleichterung freiwilliger Gebietsänderungen – das ist tatsächlich ein Titel, der sehr irreführend ist. Das haben nicht nur wir als Abgeordnete oder als Fraktionen gesagt, das haben auch die Sachverständigen ganz klar definiert. Deswegen ist es sicher notwendig, dass man die einzelnen Artikel noch einmal etwas genauer beleuchtet. Ich würde mich zunächst auf vier Artikel begrenzen.

Der Artikel 1 betrifft die Änderung am Gesetz über kommunale Zusammenarbeit. Da hat Frau Junge schon relativ ausführlich gesagt, welche Verbesserungen es gibt. Die gibt es zweifellos. Das wird von niemandem bestritten. Aber es ist eben problematisch, dass die beabsichtigte Streichung der Stimmrechtsbeschränkung für öffentlichrechtliche Körperschaften im § 52 Abs. 1 vorgesehen ist. Dort geht verloren, dass wir einen Minderheitenschutz eingeführt haben. Wir haben den Praktiker aus dem SSG direkt dazu befragt. Er hat gesagt, dass es sicher Einzelfälle gibt, in denen es zu Problemen kommt, sich diese Vorschrift in der Praxis aber bewährt hat.

In Artikel 2 zur Änderung der Sächsischen Gemeindeordnung ist eindeutig positiv, dass das generelle Spekulationsverbot für kommunale Finanzgeschäfte und Regelungen bezüglich der Nichtigkeiten eingearbeitet worden sind. Da gibt es gar keine andere Meinung. Positiv ist

ebenfalls, dass die Änderungen hinsichtlich der kommunalen Haushaltswirtschaft, also die Pflicht zur Einführung der Doppik und die Fusionsplanung der Gemeinde, noch einmal verschoben werden können. Auch hier gibt es die ganz klare Meinung unsererseits, dass das sehr positiv ist. Trotzdem kann hier nicht von Erleichterung gesprochen werden.

In Artikel 3, Änderung im Kommunalwahlgesetz, sieht es schon ein bisschen anders aus. Da haben wir im Ausschuss ganz klar die Frage gestellt, warum man das, besonders für die kreisfreien Städte, ändern will.

Herr Biesok, ich kann mich gut erinnern und habe Ihre Antwort noch regelrecht im Ohr: „Das ist eben so.“ Dresden ist die einzige Stadt, die davon profitiert, dass Sie von bisher 13 auf 12 Wahlkreise reduzieren, weil Leipzig und Chemnitz das schon haben. Warum überlassen Sie das der Stadt nicht selbst? Es ist für uns nicht erklärlich, warum das geändert werden soll. Wir haben auch im Ausschuss keine Antwort dazu bekommen.

Zu Artikel 4 des FAG. Dort wird noch einmal etwas zur Hochzeitsprämie ausgeführt. Frau Junge hat dazu bereits etwas gesagt. Sie haben eine Verlängerung um fünf Jahre gefordert. Ich denke, dass das eine Mogelpackung ist. Die Hochzeitsprämie wird allein aus FAG-Mitteln finanziert. Der Freistaat hat diesbezüglich keine finanziellen Belastungen. Das halten wir nicht für fair.

Ich möchte ein Beispiel nennen, wo es anders geht: Das Land Niedersachsen hat seit dem Jahr 2009 die Regelung, dass 75 % der kurzfristig aufgenommenen Kredite einer Kommune, die eine Fusion begleitet, durch die Hochzeitsprämie abgelöst werden können. Diese Kosten wiederum teilen sich Land und Kommunen jeweils zur Hälfte. Das finde ich eine tolle Regelung und ist tatsächlich ein Anreiz für hoch verschuldete Kommunen, in diesem Bereich etwas zu machen.

Dieser Ausgleich, der durch das Land und die Kommunen gemacht wird, wird mit jeweils 35 Millionen Euro, also sprich 70 Millionen Euro, von beiden Gebietskörperschaften finanziert. Das ist eine Regelung, zu der Sachsen sagen könnte: Mensch, das wär‘ doch was, um den Kommunen den Weg in die Fusion zu erleichtern!

Machen wir uns doch nichts vor: Wenn man sich in der Übersicht anschauen würde, wer wirklich fusioniert, dann würde man sehen, dass es in der Regel finanzschwache Gemeinden sind, die fusionieren, weil sie einfach nicht weiterkommen. Wenn das freiwillig sein soll, dann weiß ich nicht, wie man es nennt, wenn es jemand wirklich freiwillig macht.

Insgesamt muss man sagen, dass wir diesem Gesetz nicht zustimmen können. Es hat gute Ansätze, deshalb hätte ich der Rücküberweisung sehr gern zugestimmt, wenn sie eine Mehrheit gefunden hätte, aber das ist nicht erfolgt. Deswegen können wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen.