Die Umsetzung von sächsischem Know-how dient der Sicherung unseres Wohlstandsniveaus. Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir jetzt durch die Bundesregierung ein neues Programm aufgelegt bekommen haben: „Zwanzig20“. Wir werden nachher in der Debatte noch darüber sprechen. In den Jahren 2013 bis 2019 werden über 500 Millionen Euro bereitgestellt.
Dieser Wettbewerb birgt für sächsische Unternehmen riesige Chancen und stärkt die Innovationskraft des Freistaates Sachsen. Neue Partnerschaften werden unseren Unternehmen helfen, ihre Produkte und Dienstleistungen schneller zur Marktreife weiterzuentwickeln. In Kooperation mit wirtschaftsstarken Unternehmen werden wir Synergien für beide Seiten, das heißt sowohl für wirtschaftsstarke, kapitalstarke Unternehmen auf der einen Seite und kleine und mittelständische Unternehmen auf der anderen Seite, verzeichnen können.
Gleichzeitig werden die Kleinteiligkeit und die fehlende Eigenkapitalbasis von sächsischen Unternehmen im Bereich der Forschungskooperation überwunden.
Meine Damen und Herren! Ich denke, das Programm „Zwanzig20“ kann helfen, deutschlandweite Impulse zu setzen. Wir müssen alle gemeinsam dafür sorgen, dass das Programm von möglichst vielen sächsischen Unternehmen genutzt wird, damit Sachsen der Innovationsmotor in Deutschland bleibt.
Das war Herr Prof. Schmalfuß für die miteinbringende Fraktion der FDP. Die Reihenfolge in der weiteren Rednerreihe gebe ich noch einmal bekannt: DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD. Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Frau Kollegin Pinka.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Der Wessi passt auf. Ein Forschungsplan der Ministerin Schavan erneuert die deutsche Teilung.“ Das sind nicht meine Worte, sondern so titelt „Die Welt“ am 23.08.2012 das von Ihnen hier hoch gelobte Bundesforschungsprogramm der Bundesministerin; eine Zeitung, die nicht im geringsten Verdacht steht, den LINKEN nahezustehen. Ich darf
Ihnen einmal kurz aus dem Kommentar des Artikels zitieren. „Jetzt hat das Ministerium“ – gemeint ist das Bundesministerium für Bildung und Forschung – „ein neues Kooperationsprojekt erfunden, das 22 Jahre nach der deutschen Einheit zumindest erstaunlich erscheint. Damit wird gewissermaßen Deutschland in den Grenzen von 1989 wieder erschaffen.“
Was passiert hier eigentlich im Lande, und warum sollen wir denn auch noch dazu jubeln? – Ich selbst habe viele Jahre in einem kleinen und mittelständischen Unternehmen Forschungsleistung betrieben. Anfang der Neunzigerjahre war das auch relativ einfach. Da gab es OstBonis. Deshalb waren auch viele Unternehmen daran interessiert, an diesen Forschungsprogrammen teilzunehmen.
Aber in den letzten Jahren sind diese Bundesforschungsprogramme immer undurchsichtiger geworden. Da gab es die Programme „Inno-Watt“, „Inno-Net“ – die gibt es jetzt nicht mehr. Dafür gibt es „KMU-innovativ“ oder einen Spitzencluster-Wettbewerb, neuerdings auch ein „r3Programm“ unter dem Motto „Innovative Technologien für Ressourceneffizienz“.
Jetzt beglückt uns also vermeintlich Frau Schavan mit neuen 500 Millionen Euro. Da ergeben sich, nachdem ich auch die Förderkriterien gelesen habe, viele Fragen. Zunächst – deshalb habe ich die bereits existierenden Programme einmal aufgezählt – ergibt sich die Frage, ob es sich hier tatsächlich um ein neues Programm, um einen Neuanfang handelt oder nicht um den Anfang vom Ende der ostdeutschen Innovationsförderung; denn im Bundeshaushalt für 2013 sind keine zusätzlichen Mittel für die Innovationsförderung in den ostdeutschen Ländern vorgesehen. Das heißt für mich im Umkehrschluss, dass dieses neue Programm nur alle bereits existierenden Programme subsumiert.
Eine weitere Frage stellt sich mir, warum wir hier vielleicht nicht doch über den Tisch gezogen werden. Herr Schmalfuß sprach es an. 500 Millionen Euro klingen zunächst erst einmal viel. Wenn man dann aber liest, dass diese Mittel für fünf Bundesländer plus Berlin für sieben Jahre zur Verfügung stehen und natürlich die Aufbauhelfer West mitfinanziert werden müssen, dann – rechnet man das einmal herunter – stehen für Sachsen vielleicht pro Jahr 10 Millionen Euro zur Verfügung. Ob dies angesichts der abschmelzenden Solidarpaktmittel und angesichts möglicherweise reduzierter Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, die auch in die Technologieförderung geflossen sind, ausreichen wird, bleibt fraglich.
Eine dritte Frage stellt sich mir. Richtigerweise – das wurde jetzt mehrfach erwähnt – leisten bei uns vor allem kleine und mittelständische Unternehmen Forschungsleistungen. Richtigerweise sind diese gewerblichen Unternehmen dann neben Bildungs- und Forschungseinrichtungen und gemeinnützigen Organisationen auch antragsberechtigt. Jetzt interpretiere ich einmal, ob diese gemeinnützigen Organisationen vielleicht unsere gemeinnützigen
externen Industrieforschungseinrichtungen sind. Nun haben wir in Sachsen 47 externe Industrieforschungseinrichtungen, davon sind nur 22 gemeinnützig. Was machen wir denn mit den anderen 25? Gehen die uns jetzt in unserer Forschungslandschaft verloren?
Wenn wir in Sachsen so eine durch kleine und mittelständische Unternehmen geprägte Industrie und noch keine großen Konzerne und Firmenzentralen haben, sind wir genau auf diese externen Industrieforschungseinrichtungen angewiesen. Das hat übrigens auch die Bundesregierung auf eine Große Anfrage der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag festgestellt: „Die externen Industriefor
schungseinrichtungen sind für Ostdeutschland nahezu unverzichtbar.“ Dieselbe Aussage könnte ich für unsere existierenden Gründer- und Technologiezentren treffen. Aber die sind meines Erachtens auch nicht antragsberechtigt.
Was nützt uns also schlussendlich in Sachsen dieses Programm? – Es soll viel Geld in zehn große Forschungsprojekte in sieben Jahren investiert werden. Unter dem Deckmantel der industrienahen Forschungsförderung wird Geld unter dem Motto „Vom Westen lernen heißt Siegen lernen“ transferiert. Für uns wichtige Industrieforschungseinrichtungen werden ausgeblendet, und daher bleibe ich bei meiner Behauptung, dass es sich hier nicht um ein Zukunftsprogramm handelt, sondern eine Illusion „Zwanzig20“ darstellt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Schon im Juni 2010 fand in diesem Haus eine Aktuelle Debatte der Koalition zum Thema „Sächsische Forschungslandschaft stärken“ statt. Dabei fielen vor allen Dingen viele lobende Worte durch die CDU- und FDP-Kollegen zum Standort Sachsen – zum Beispiel auch über das neue Fraunhofer-Institut für Nanotechnologie – und eine Menge Absichtserklärungen.
Was aber hat die Staatsregierung in diesen zwei Jahren getan? Kurz gesagt: zu wenig bis nichts. Ihr damaliges positives Beispiel, das Fraunhofer-Institut für Nanotechnologie in Dresden, soll nun aufgelöst werden. Die Bekanntgabe erfolgte in der letzten Woche. Die Ursache dafür ist: Es gibt aus der Industrie schlichtweg zu wenig Aufträge für diese Forschung.
Genau daran wird auch das sächsische Dilemma deutlich und offensichtlich. Es fehlt nicht so sehr am Geld für die Forschung. Es fehlt vor allen Dingen an leistungsfähigen Unternehmen in einer gewissen Größe, welche die erbrachten öffentlichen Forschungsleistungen in Sachsen umsetzen und am besten in weltmarktfähige Produkte verwandeln können.
Nach Jahren bzw. Jahrzehnten der intensiven Forschungsförderung – vor allem durch den Bund und die EU – ist die öffentliche Forschungsinfrastruktur in Sachsen hervorragend aufgestellt. Es fehlt jedoch weiterhin an der Forschungs- und Entwicklungsintensität der Unternehmen und an einem geeigneten Technologietransfer.
Aufseiten der Unternehmen liegen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Sachsen weiterhin bei etwa nur einem Drittel des Niveaus der alten Bundesländer. Es gab folglich keine Verbesserung in den letzten drei Jahren. Von den gut 160 000 sächsischen Unternehmen betreiben nur ganze 700 Unternehmen eine kontinuierliche Forschung und Entwicklung.
Das alles zeigt Folgendes: Die sächsische Forschungslandschaft ist mit den KMUs und der kleinteiligen Unternehmenslandschaft schlichtweg nicht ausreichend über Wissens- und Technologietransfer verflochten. Was Sachsen zukunftsfähiger machen kann, sind bessere Strategien und Konzepte. Hiermit herrscht bei der Staatsregierung eine komplette Fehlanzeige.
Meine Damen und Herren von der Koalition! Auch Ihrem Ansatz, immer mehr Geld zur Verfügung zu stellen, werden Sie nicht einmal gerecht. Der bis zum Jahr 2010 ausgelobten Lissabon-Strategie und dem im letzten Wahlkampf – Sie werden sich sicherlich noch erinnern – von Bundeskanzlerin Merkel und Herrn Ministerpräsidenten Tillich pompös verkündeten Ziel, 3 % des Bruttoinlandsproduktes für die Forschung auszugeben, laufen Sie bis heute hinterher. Wenn man zudem den Haushalt des SMWK und des SMWA betrachtet, stellt man fest, dass viele Mittel überhaupt nicht abfließen. Das ist zum Beispiel im Technologietransfer mit weniger als 50 % der Fall. Vor allem fehlen wirklich innovative Ansätze.
Es gilt immer das Motto: Weitermachen wie bisher und nichts ändern, alles war richtig und wird richtig sein! Genau diese Fehleinschätzung wird Sachsen in Zukunft schwer belasten. Was sind also Ihre neue Antworten und Konzepte im Hinblick auf das Fehlen von forschungsintensiven und starken Unternehmen? Wo bleiben zum Beispiel Technologiescouts vor Ort? Warum wird die Landesforschungsförderung für Fachhochschulen sogar auslaufen, die doch eng mit den KMUs verknüpft ist und Anwendungsforschung betreibt? Der Versuch, über die Bundesforschungsförderung diese Lücke wirksam zu schließen, ist zwar lobenswert, aber eben nicht genug.
Deshalb komme ich noch einmal im Detail auf das nicht so neue Programm „Zwanzig20“ zu sprechen. Frau Schavan hat schon eine Vielzahl neuer Programme angekündigt, die leider nie finanziell und selten untersetzt waren. Auch diesmal scheint das so. Zunächst einmal ist inhaltlich Folgendes zu sagen: Das Programm ist nicht neu. Frau Pinka hatte es schon dargestellt. Rot-Grün hatte dieses Programm unter dem Titel „InnoRegio“ auf den Weg gebracht. Es hat in den vergangenen zehn Jahren eine gute Wirkung gezeigt.
Zweitens möchte ich ebenso anmerken: Die Innovationsförderung, die Sie vorstellen, darf die alten Programme
nicht nur ersetzen, sondern müsste etwas daraufsetzen, damit es Effekte zeigt. Wenn man sich aber einmal die angekündigten Finanzmittel anschaut, bleiben bestenfalls 30 Millionen Euro pro Jahr für alle fünf neuen Bundesländer übrig. Es darf bezweifelt werden, dass die Effekte erzielt werden.
Das Schlimmste aber ist Folgendes, wenn man einmal genauer hineinschaut, was mit großen Zahlen über eine Laufzeit von drei Legislaturen im Bund verkündet wird: Das Budget des Programms soll angeblich 500 Millionen Euro betragen. Gleichzeitig zur Programmankündigung sinkt aber in der mittelfristigen Finanzplanung der Haushaltsansatz für die Innovationsförderung in den neuen Ländern von circa 150 Millionen Euro auf nur noch 120 Millionen Euro in 2014. Im kommenden Jahr steht in Ihrem schwarz-gelben Bundeshaushalt kein Cent mehr für dieses Programm.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss Folgendes fragen: Wer lügt sich hier in die Tasche? Ist es Frau Schavan und Herr Kretschmer oder Herr Schäuble, der im Jahr 2016 ohne Steuererhöhungen eine schwarze Null sehen möchte?
Unser Fazit lautet wie folgt: Im aktuellen Haushaltsentwurf des Bundes steht die groß angekündigte Fördersumme auf jeden Fall nicht.
Selbst bei einer optimistischen Schätzung stehen statt der 50 Millionen Euro ganze 10 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Mit einer soliden Haushaltspolitik hat dieses Programm nichts zu tun. Das Programm ist vielleicht noch diese Rede aber in keinem Fall die hier sehr aufgeblasene politische Debatte wert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist noch gar nicht lange her – einige Monate –, da fand eine Debatte zum folgenden Thema statt: Forschung und Entwicklung, Technologie, Transferförderung, Wirtschaftsförderung und Innovation. Es handelt sich um die Anträge mit der Drucksache 5/9580 von den GRÜNEN und Drucksache 5/9262 von der SPD. Das wurde im Frühjahr ausreichend besprochen.
Nun hat die Koalition das Sommerloch genutzt und zum Bundesprogramm „Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation“ eine Feierstunde abgehalten. Ich habe selbstver
ständlich gratuliert. 500 Millionen Euro sind klasse. Daraufhin folgen jedoch die Fragen: Wie werden die Mittel vergeben? Die Chancen zu nutzen, wie das Thema der Debatte glauben macht, wäre, heute Vorschläge zu machen. Zeit dazu war genug. Man hätte überlegen können, wie wir diese Mittel vergeben können, an welchen Kriterien wir dies festmachen und welches die Zukunftsprojekte sind.
Was gar nicht dazu passt, ist eine Pressemitteilung des SMWA vom 9. August 2012. Darin wird festgestellt, dass Sachsens Unternehmen überdurchschnittlich innovationsfähig sind. Demzufolge müsste das Geld dieses Programms eigentlich in die anderen Bundesländer fließen – nämlich dorthin, wo die Unternehmen nicht so innovationsfähig wie in Sachsen sind.
Michael Kretschmer hat das bei der Vorstellung des Programms besser eingeschätzt. Er sagte, dass aufgrund der Defizite der wirtschaftlichen Innovationsfähigkeit die östlichen Bundesländer dieses Programms bedürfen. Der Kenntnisstand deckt sich. Unsere Probleme in Sachsens Wirtschaft sind, dass es unter den 150 000 Unternehmen 99,9 % kleine und mittelständische Unternehmen und 95,3 % Kleinstunternehmen gibt. Kleinstunternehmen haben weniger als zehn Mitarbeiter. Unternehmen, die forschen und entwickeln, haben mindestens 70 bis 80 Mitarbeiter. Es wurde bereits Folgendes gesagt: Es gibt 700 permanent und 250 sporadisch forschende Unternehmen. Das macht zusammen 950 Unternehmen. Das sind summa summarum 0,6 %. Der deutsche Durchschnitt liegt bei 3 %.
Herr Kollege Schmalfuß, das kann man auch an den Patenten ablesen. In Sachsen gibt es auf 100 000 Einwohner gerade einmal 24 Patente. Der bundesdeutsche Durchschnitt liegt bei 60 Patenten. In Bayern und BadenWürttemberg liegt er sogar bei 100 Patenten.
Weil wir diese Strukturprobleme haben, haben wir nicht umsonst eine Enquete-Kommission zu diesem Thema mit der Hoffnung gegründet, dass wir Ziele formulieren und abgestimmte Maßnahmen in Angriff nehmen können, um die Förderpolitik in dieser Richtung zu qualifizieren.
Prüfaufträge nach dem Motto, die Staatsregierung zu ersuchen, sie möge einmal darüber nachdenken, helfen dabei nicht. Der Bedarf für den Osten ist bei der Bundesregierung angekommen. Deshalb gibt es nun 500 Millionen Euro.
Schaut man einmal in den Begleittext, werden wir so etwas wie eine eierlegende Wollmilchsau bekommen. Ich darf zitieren: „Es geht um die Überwindung der Grenzen von Technologien, wissenschaftlichen Disziplinen,
Branchen, Märkten und Organisationsstrukturen, um neue Formen der Vernetzung über offene, transparente und reflexive Prozesse des Netzwerksmanagements zu erreichen“. Mein lieber Mann! Das ist der Wahnsinn! Das ist gigantisch, dies mit 500 Millionen Euro herbei zu fördern! Chapeau, wenn Sie das schaffen!