Protocol of the Session on September 26, 2012

Ich lasse abstimmen über Artikel 5 – Neufassung des Sächsischen Hochschulgesetzes. Wer gibt die Zustim

mung? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Es gibt eine Reihe von Stimmenthaltungen. Meines Erachtens gab es jetzt eine sehr große Zustimmung. Habe ich das richtig gesehen? – Gut.

Ich lasse abstimmen über Artikel 6 – Inkrafttreten. Wer gibt die Zustimmung? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen, eine Reihe von Stimmen dagegen, dennoch mit Mehrheit zugestimmt.

Ich stelle nun den Entwurf Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Bestimmungen in der in der 2. Lesung beschlossenen Fassung als Ganzes zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen, bitte. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Bei einer Reihe von Stimmen dagegen ist das Gesetz beschlossen.

Damit ist auch der Tagesordnungspunkt beendet, meine Damen und Herren.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

2. Lesung der Entwürfe

Gesetz über den Anspruch auf Bildungsfreistellung im Freistaat Sachsen

Sächsisches Bildungsfreistellungsgesetz – SächsBFG)

Drucksache 5/6323, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/10119, Beschlussempfehlung des

Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Bildungsfreistellungs- und Qualifizierungsgesetz für den Freistaat Sachsen

(SächsBFQG)

Drucksache 5/6867, Gesetzentwurf der Fraktion der SPD

Drucksache 5/10120, Beschlussempfehlung des

Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Auch hierzu gibt es eine allgemeine Aussprache. Es beginnt die Fraktion GRÜNE. Danach folgen SPD, CDU, DIE LINKE, FDP, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht. Ich erteile nun der Fraktion GRÜNE das Wort. Herr Jennerjahn, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf zur Bildungsfreistellung hat zu durchaus lebendigen und zum Teil emotionalen Debatten sowohl in der Anhörung als auch in den Ausschussbefassungen geführt. Das finde ich durchaus positiv und ich möchte allen danken, die sich daran beteiligt haben.

Ich möchte im Rahmen der 2. Lesung nicht mehr so sehr auf die allgemeine Bedeutung des lebenslangen Lernens eingehen. Ich denke, darüber sind wir uns einig und haben auch im Rahmen der Anhörung einiges dazu gehört. Ich möchte vielmehr die Gelegenheit nutzen, noch einmal

einige Aspekte aus dem Anhörungsverfahren herauszustellen und zu beleuchten.

Ich habe Verständnis dafür, wenn auf Arbeitgeberseite zunächst mit Skepsis auf ein solches gesetzgeberisches Vorhaben geblickt wird. Ich glaube aber auch, dass die Anhörung viele der Zweifel, insbesondere durch die konkreten Erfahrungen aus Rheinland-Pfalz, die uns dort präsentiert wurden, zerstreut hat.

Die Anhörung hat meines Erachtens ganz deutlich gezeigt, dass sich unser Gesetzentwurf in einem Spannungsfeld bewegt, nämlich einerseits die Arbeitgeberinteressen und andererseits die Arbeitnehmerinteressen. Das ist uns sehr wohl bewusst. Meine Fraktion hat sich ebenso bewusst an dieser Stelle dafür entschieden, die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu stärken.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Wichtig ist, ohne dabei die Interessen der Arbeitgeber zu vergessen, insbesondere der kleinen Betriebe in Sachsen, durch die die sächsische Wirtschaftslandschaft überwiegend geprägt wird: Mit der Ausgleichszahlung für Unternehmen mit bis zu neun Angestellten haben wir mögliche Herausforderungen solcher Betriebe durch die Bildungsfreistellung im Blick und schaffen eine angemessene Kompensation.

Mehrfach wurde im Rahmen des Anhörungsverfahrens auf die geringe Reichweite von Bildungsfreistellungsgesetzen verwiesen. Lediglich 1 bis 2 % der Arbeitnehmer würden von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Das ist richtig. Allerdings schafft solch ein Gesetz auch keine Verpflichtung, an Bildungsfreistellungsmaßnahmen teilzunehmen, sondern es schafft ein Recht, genau dies zu tun.

Etwas absurd ist es dann, wenn etwa vom Wirtschaftsministerium ein Bildungsfreistellungsgesetz für Sachsen mit dem Argument der geringen Reichweite abgelehnt und im gleichen Atemzug auf die Weiterbildungsschecks der Staatsregierung verwiesen wird, die, wie die Anhörung ergeben hat, von circa 0,2 % der Anspruchsberechtigten genutzt wird. Ich bin auch davon überzeugt, dass Bildungsfreistellungsgesetz und Weiterbildungsschecks

keine einander ausschließenden Instrumente sind, sondern sich im Gegenteil sinnvoll ergänzen und eine stärkere Inanspruchnahme mit sich bringen werden.

Ich will die Gelegenheit nutzen, auf zwei Stellungnahmen einzugehen, die uns lediglich schriftlich zugegangen sind und die zeigen, dass vonseiten der Gegner eines solchen Gesetzes bisweilen sehr schräg argumentiert wird. Gekommen sind diese Stellungnahmen nicht etwa von sächsischen Unternehmen, bei denen ich noch ein gewisses Verständnis für die Ablehnung hätte, sondern vonseiten des Sächsischen Städte- und Gemeindetages und des Sächsischen Landkreistages.

Der Sächsische Städte- und Gemeindetag skizziert in seinem Anschreiben ein wahres Horrorgemälde an die Wand und schmeißt dafür den Taschenrechner an, um eine nicht gerechtfertigte, zusätzliche Belastung der kommunalen Arbeitgeber darzustellen. Das geht so – ich zitiere –: „Würde von den 60 000 kommunalen Beschäftigten tatsächlich ein Drittel – also 20 000 Beschäftigte – den Bildungsurlaub in Höhe von fünf Tagen, wie in beiden Gesetzentwürfen vorgesehen, in Anspruch nehmen, entspräche dies einem Arbeitsausfall von 100 000 Tagen pro Jahr. Dies entspricht bei circa 220 Arbeitstagen jährlich etwa 440 Stellen.“

Nun halte ich es noch für legitim, auf mögliche Belastungen hinzuweisen. Man sollte dann allerdings bei der Realität bleiben. Die Nutzungsquote von Bildungsfreistellungsgesetzen habe ich vorhin schon genannt. Es ist also keinesfalls zu befürchten, dass unser Gesetz zum Zusammenbruch der kommunalen Verwaltungen führen wird. Auch aus anderen Bundesländern ist mir der Zusammenbruch der Kommunalverwaltungen aufgrund von Bil

dungsfreistellungsgesetzen bisher nicht zu Gehör gekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Weiter geht es in der Stellungnahme des SSG mit folgendem Satz: „Dabei sieht der Entwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch nicht einmal eine Beschränkung auf ein Drittel der Beschäftigten vor.“ Jetzt weiß ich nicht, welchen Gesetzentwurf der SSG gelesen zu haben meint, aber wenn man einen Blick in unseren Gesetzentwurf, § 3 Abs. 3, wirft, dann findet man folgende Formulierung: „Die Bildungsfreistellung kann abgelehnt werden, wenn ihr in dem beantragten Zeitraum dringende betriebliche oder dienstliche Belange entgegenstehen. Dringende betriebliche oder dienstliche Belange liegen auch dann vor, wenn im laufenden Kalenderjahr mehr als ein Drittel der Beschäftigten eine Bildungsfreistellung in Anspruch genommen hat.“ Ich hätte mir gewünscht, dass, wenn der SSG schon eine Stellungnahme zu unserem Gesetzentwurf abgibt, er den Gesetzentwurf auch richtig liest.

(Beifall bei den GRÜNEN – Johannes Lichdi, GRÜNE: Braucht er nicht, es reicht die Meinung der CDU!)

Kommen wir noch zur Stellungnahme des Sächsischen Landkreistages und einer Aussage, die bei mir tatsächlich zu Fassungslosigkeit geführt hat. Dort steht: „Es ist nicht einzusehen, dass der Arbeitgeber die Lasten für eine allgemeine oder politische Weiterbildung seiner Arbeitnehmer tragen soll, die letztendlich dem privaten Lebensbereich zuzurechnen sind und der Selbstentfaltung der Arbeitnehmer dienen.“ Zunächst einmal ist festzustellen, dass das Bundesverfassungsgericht 1987 klar geurteilt hat, dass es unter dem Aspekt des Gemeinwohls keinerlei Bedenken begegne, wenn Bildungsfreistellung nicht nur für berufsbildende, sondern auch für politisch bildende Veranstaltungen genutzt werde. Der technische und soziale Wandel führe zu vielschichtigen Verflechtungen zwischen Arbeits- und Berufssphäre einerseits und Familie, Gesellschaft und Politik andererseits. Somit ergäben sich zwangsläufig Verbindungen zwischen beruflicher und politischer Bildung.

Dazu ein Zitat aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes: „Es liegt daher im Gemeinwohl, neben dem erforderlichen Sachwissen für die Berufsausübung auch das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge zu verbessern und damit die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf zu fördern.“

Mich ärgert dieser Satz des Landkreistages umso mehr, wenn ich mir vor Augen halte, dass es sich dabei eben nicht um ein privatrechtliches Unternehmen handelt, sondern um eine Verwaltungsstruktur in einem demokratisch organisierten Staat. Das weist meines Erachtens auf ein erhebliches Demokratiedefizit hin. Ich finde es auch

nicht akzeptabel, wenn der Landkreistag eine Stellungnahme abgibt nach dem Motto „Die politischen Systeme kommen und gehen, die Verwaltung bleibt.“

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

Abschließend möchte ich betonen: Meine Fraktion betrachtet diesen Gesetzentwurf nicht als allumfassende Lösung, um allen Herausforderungen gerecht zu werden, die mit dem Thema Lebenslanges Lernen verbunden sind, sondern als einen Mosaikstein dazu. Der Gesetzentwurf ist also Teil einer Ermöglichungsstruktur. Als solchen bitte ich diesen Gesetzentwurf zu verstehen und bitte um Ihre Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Jennerjahn. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Abg. Dr. Stange; bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren, die noch im Raum verblieben sind! So viel ist uns lebenslanges Lernen wert, muss man sagen, wenn man auf die leeren Bänke schaut. Ich will trotzdem die Gelegenheit nutzen, unseren Gesetzentwurf ein wenig zu erläutern. Im Wesentlichen kann ich mich den Ausführungen der GRÜNEN anschließen, denn die Zielrichtung ist die gleiche.

Wir brauchen kein Gesetz, weil wir der Meinung sind, dass die Arbeitgeber nicht willens sind, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiterzubilden, sondern wir brauchen ein Gesetz, weil es nur bestimmte Gruppen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind, die derzeit die Möglichkeit haben, tatsächlich von Weiterbildung zu profitieren.

Eine Studie vor einigen Jahren – sie ist heute aktueller denn je – hat gezeigt, dass es vor allem männliche Arbeitnehmer mit guter Qualifikation in Großunternehmen sind, die die Möglichkeit haben, von einer Weiterbildung zu profitieren. Dafür stellen die Betriebe in der Regel die Freistellungen oder die finanziellen Mittel zur Verfügung. Alle anderen Gruppen in den Unternehmen, bei kleinen und mittelständischen Unternehmen, Frauen, Niedrigqualifizierte, sind durch so eine Praxis und durch die Regelung, die wir heute haben und die nicht gesetzlich fixiert ist, benachteiligt.

Das ist der Grund, warum die internationale Arbeitsorganisation, die ILO, vor einigen Jahren ein Übereinkommen auf den Weg gebracht hat. Deutschland hat es unterzeichnet und sich damit verpflichtet, bezahlten Bildungsurlaub einzuführen. Das haben bisher 13 Bundesländer getan. In Baden-Württemberg wird daran noch gearbeitet. Nur Bayern und Sachsen haben bis heute kein Gesetz zum bezahlten Bildungsurlaub eingeführt. Das wollen wir mit unserem Gesetzentwurf ändern, um damit auch den

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Möglichkeit zu geben, die nicht zu der bevorzugten Gruppe gehören.

Es gibt einen zweiten Grund, warum wir dieses Gesetz einbringen. Wir reden nicht nur von der beruflichen Weiterbildung, sondern es wird hier im Hohen Haus immer wieder das ehrenamtliche Engagement sehr hochgehalten. Dazu ist es notwendig, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, an allgemeiner oder politischer Weiterbildung teilzunehmen. Das muss durch dieses Gesetz abgedeckt werden. Wir wollen, dass sie wenigstens die Möglichkeit haben, dazu fünf Tage im Jahr bezahlten Bildungsurlaub zu erhalten und diese Weiterbildung tatsächlich nachzufragen.