Protocol of the Session on December 10, 2009

Im Debattentitel wird suggeriert, diese Flüge der Bundeswehr nach Afghanistan seien illegal. Ich halte es für sehr wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei um Flüge im Rahmen eines UN-Mandates handelt, die durch die Bundesrepublik Deutschland und die Bundeswehr durchgeführt werden. Wir haben also ein UN-Mandat.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wenn man sich diesem Thema fachlich nähert, stellen sich zwei Grundsatzfragen. Die eine Frage ist: Sind Militärflüge auf einem Flughafen wie in Leipzig zulässig? Für den Fall, dass man diese Frage bejaht, wäre zu klären, wer im Einzelnen für die Entscheidungen, für die Genehmigung solcher Flüge zuständig wäre.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 15. Oktober dieses Jahres ist bereits zitiert worden, eine Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung nicht anzunehmen. Im Rahmen dieser Entscheidung hat das Gericht Ausführungen hinsichtlich der Zulässigkeit dieser Flüge auf dem Flughafen in Leipzig gemacht.

Ich möchte, um die Transparenz herzustellen, Herr Präsident, die entsprechende Passage aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zitieren. Das Gericht führt aus: „Es ist entgegen der Meinung der Beschwerdeführer der einfachrechtlichen Gesetzeslage nicht zu entnehmen, dass Flüge auf militärische Anforderung, seien es militärischen Zwecken dienende Flüge in Zivilflugzeugen oder in Militärflugzeugen, einen Flughafen wie den Verkehrsflughafen Leipzig/Halle grundsätzlich nicht nutzen dürfen. Flughäfen werden nach § 38 Abs. 2 Luftverkehrszulassungsordnung genehmigt als Flughäfen des allgemeinen Verkehrs (Verkehrsflughäfen) oder als Flughäfen für besondere Zwecke (Sonderflughäfen). Aus der Kommentarliteratur zu § 6 Luftfahrtgesetz, in dem die Genehmigungen für Anlage und Betrieb eines Flughafens geregelt ist, ergibt sich, dass auf Verkehrsflughäfen grundsätzlich jedermann starten und landen dürfe. Sie dienen dem Gemeingebrauch der Luftfahrt und seien damit allgemein zugänglich.“ – Ende des Zitats aus dem Urteil des höchsten deutschen Gerichtes.

Nachdem Sie dieses Zitat zur Kenntnis genommen haben, wird deutlich, dass die Frage, ob Militärflüge auf dem Flughafen in Leipzig-Halle stattfinden dürfen, durch das höchste Gericht der Bundesrepublik Deutschland mit Ja beantwortet wurde.

Es ist bereits in der Debatte angesprochen worden, ob der Frage der Sicherheit im ausreichenden Maße Rechnung getragen wurde. In dem angesprochenen Urteil führt das höchste deutsche Gericht weiter aus: „Auf Grundlage dieser Maßstäbe“ – zur Erklärung: die das Bundesverwaltungsgericht angelegt hat – „kann mit Blick auf die fehlende Abwägung der von dem Beschwerdeführer behaupteten Sicherheitsfragen der Flüge auf militärische

Anforderung eine Verletzung von Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz nicht festgestellt werden.“

Herr Kollege, Sie begehren …

… eine Zwischenfrage. Sie lassen sie zu?

Gern.

Danke, Herr Staatsminister. – Geben Sie mir darin recht, dass sich das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung unter anderem auf Prof. Alfred Giemulla – auf ihn hatte ich in meiner Eingangsrede Bezug genommen – als einen der Kommentatoren des Luftverkehrsgesetzes berufen hat? Wenn ja, wie erklären Sie dann dessen Position, die der MDR in der entsprechenden Sendereihe wiedergegeben hat – ich zitiere –: „Die Flüge, die Verladeanlage, die Logistikhalle, all das ist in keiner Weise durch die Betriebserlaubnis eines Zivilflughafens abgedeckt“? Selbst der Experte, den das Verfassungsgericht benennt, hat speziell zu der Materie, über die wir heute reden, gegenüber dem MDR den von mir zitierten Rechtsstandpunkt vertreten, das heißt, dass hinzukommend die Betriebserlaubnis eine Rolle spiele. Ich stelle jetzt die Frage: Meinen Sie, dass der Vorwurf falsch ist?

Herr Kollege Bartl, ich kann nicht ermessen, in welchem Umfang Kommentierungen des von Ihnen zitierten Kollegen in die Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts eingeflossen sind. Aber ich denke, dass wir in diesem Hohen Hause Einvernehmen darüber herstellen können, dass über Legalität oder Illegalität von Dingen in der Bundesrepublik Deutschland nicht Experten, sondern das höchste deutsche Gericht abschließend entscheidet.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

So viel zu der Frage der Zulässigkeit. Ich meine, ich habe hier deutlich ausgeführt, dass die in Rede stehenden Flüge auf dem Flughafen Leipzig/Halle zulässig sind.

Jetzt stellt sich die Frage, wer im Einzelfall für welche Entscheidung im Zusammenhang mit diesen Flügen zuständig ist. Zu dieser Frage hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 24. Juli 2008 sehr ausführlich Stellung genommen. Die Frage ist nämlich, ob wir im Freistaat Sachsen als Planfeststellungs- und Genehmigungsbehörde des Flughafens zuständig sind oder ob andere Stellen in der Bundesrepublik Deutschland dafür zuständig sein könnten.

Das Bundesverwaltungsgericht führt in seiner Urteilsbegründung aus – ich zitiere –: „Die Unzuständigkeit der Planfeststellungsbehörde ergibt sich jedoch daraus, dass die Frage, ob ein auf militärische Anforderung eines nichtdeutschen Hoheitsträgers durchgeführter Flug gegen allgemeine Regeln des Völkerrechts verstößt und deutsche Behörden deshalb an seiner Durchführung nicht

mitwirken dürfen, bereits bei der Entscheidung über die Berechtigung des Luftfahrzeugs, den deutschen Luftraum zu benutzen, aufzuwerfen und zu beantworten ist; diese Prüfung liegt in der ausschließlichen Zuständigkeit von Bundesbehörden.“

Im weiteren Urteilstext führt das Gericht aus – ich zitiere –: „Die Erlaubnis wird vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung oder einer von ihm bestimmten Stelle erteilt … Durch Erlass vom 31. Mai 1996 ist das Luftfahrt-Bundesamt zur Erlaubnisbehörde bestimmt worden. Die Erlaubnis zum Einflug von ausländischen Luftfahrzeugen, die im Militärdienst verwendet werden, erteilt das Bundesministerium der Verteidigung …“

Weiter unten im Urteilstext führt das Bundesverwaltungsgericht aus: „Die Genehmigungs- und Planfeststellungsbehörden regeln den Betrieb der Flugplätze. Sie dürfen die Benutzung des Flugplatzes nicht aus Gründen untersagen oder beschränken, die bereits bei Erteilung der Einflugerlaubnis oder im Verfahren der Beschränkung der Erlaubnisfreiheit zu prüfen sind.“

Das Bundesverwaltungsgericht hat sehr deutlich gemacht, dass wir als Genehmigungs- und Planfeststellungsbehörde diese Frage erstens nicht prüfen müssen und zweitens gar nicht prüfen dürfen. Das Gericht führt weiter aus – ich zitiere –: „Es ist Aufgabe der jeweils zuständigen Behörden und nicht der Genehmigungs- und Planfeststellungsbehörden, die Einhaltung derjenigen Vorschriften zu überwachen, die bei der Nutzung des deutschen Luftraums zu beachten sind.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach intensivem Studium der beiden von mir angeführten Urteile kann man zusammenfassend feststellen: Erstens. Es gibt keine illegalen Flüge über den Flughafen Leipzig/Halle durch die Bundeswehr nach Afghanistan.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Zweitens. Die Zuständigkeit, die Legalität dieser Flüge zu prüfen, liegt nicht beim Freistaat Sachsen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das war der Vertreter der Staatsregierung, Kollege Morlok. Wir haben hier intensiv darauf geschaut, dass er tatsächlich keinen ausgearbeiteten Redebeitrag vor sich liegen hatte. Aber er hat aus Gerichtsurteilen umfänglich zitiert. Ich kann nur nochmals betonen, dass wir das Gebot der freien Rede auch den Mitgliedern der Staatsregierung auferlegen.

(Heiterkeit – Zuruf des Staatsministers Sven Morlok)

Darum habe ich das gesagt, damit keine Unklarheiten in diesem Hohen Haus aufkommen.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, gibt es weitere Wortmeldungen? – Kollege Bartl, Sie sprechen immer noch zur 1. Aktuellen Debatte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatsminister, zunächst einmal bedanke ich mich für die sachliche Stellungnahme; das ist überhaupt kein Problem. Nur ist unsere entscheidende Frage nicht beantwortet worden. Was im Raum steht und vom MDR aufgeworfen ist, betrifft die Frage, ob die erteilte, aktuell geltende Betriebserlaubnis Flüge in der Art, dem Umfang, der Nutzungsform und der Erweiterung – mit Verladerampe, Logistikhalle etc. pp. – einschließt, wie sie sich jetzt vollziehen. Da helfen Urteile aus den Jahren 2005, 2006 und 2007 wirklich nur partiell.

(Christian Piwarz, CDU: War das nicht 2009?)

Heute geht es darum, was sich entwickelt hat.

Sie haben auch tunlichst verschwiegen, dass exakt in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerde vom 15. Oktober 2009, auf den Sie Bezug genommen haben – jetzt darf auch ich daraus zitieren –, zu Seite 5 festgestellt wird: „Des Weiteren wird aus den Bestimmungen über die Luftaufsicht im Bereich der Bundeswehr (vgl. § 30 Abs. 2 LuftVG) abgeleitet, dass Militärflugzeuge Zivilflugplätze benutzen dürfen und der Luftaufsicht der Länder unterliegen“ – der Luftaufsicht der Länder unterliegen! –, „soweit nicht Zuständigkeiten der Flugsicherung und des Luftfahrt-Bundesamtes gegeben sind. Bei Starts und Landungen haben Militärflugzeuge die für Zivilflugplätze erlassenen Bestimmungen, wie zum Beispiel Nachtflugbeschränkungen, einzuhalten …“

Weshalb startet und landet denn die Bundeswehr in dieser hohen Frequentierung zu Transporten von Ausrüstungsgegenständen und Mannschaften in Leipzig und nicht mehr auf dem früheren Flugplatz? Weil sie nachts fliegen darf! Weil Sie es zulassen, dass sie nachts Leipzig anfliegen darf! Genau das hat das Bundesverfassungsgericht eben nicht als rechtens betrachtet.

Deshalb meinen wir, dass sie mindestens in der Art und Weise der Nutzung, wie sie jetzt läuft, nicht mit dem Gesetz und nicht mit der Rechtsprechung in Übereinstimmung sind. Darauf wollen wir eine klare Antwort. Wir brauchen kein Wegreden des eigentlichen Problems.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Die Staatsregierung hat immer das Recht dazu und damit erneut das Wort. Bitte, Herr Staatsminister Morlok.

Herr Kollege Bartl, ich melde mich noch einmal zu Wort, weil es wichtig ist, diese Dinge klarzustellen. Sie haben soeben salopp gesagt, für diese Frage könne man nicht Urteile aus den Jahren 2005, 2006 oder

2007 zitieren. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass die Urteile, aus denen ich zitiert habe, dieselben sind, aus denen auch Sie zitiert haben; eines ist aus dem Jahr 2009, ein anderes aus dem Jahr 2008. Wir sollten auch in dieser Debatte sehr klar und eindeutig sein und nicht den Eindruck erwecken, als ob der andere mit anderen Urteilen operiere.

Wie Sie wissen, ist im Rahmen des Ergänzungsplanfeststellungsbeschlusses für den Flughafen Leipzig/Halle ausdrücklich für die entsprechende militärische Nutzung die Befreiung vom Nachtflugverbot erteilt worden. In dem von mir zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts – ich habe es im Moment nicht parat – ist genau dies ausdrücklich als rechtens angesehen worden. Insofern sind natürlich die Nachtflüge der Bundeswehr am Flughafen Leipzig/Halle durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abgedeckt. Das wollte ich hier noch einmal sehr deutlich festgehalten haben, um insoweit Missverständnisse zu vermeiden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank noch einmal dem Vertreter der Staatsregierung.

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Oder wollen Sie noch einmal sprechen, Kollege Bartl? Sie haben noch Redezeit.

Ich will nur Herrn Seidel entgegnen, weil er Urteile aus den vergangenen Jahren herangezogen hat.

(Rolf Seidel, CDU: Stimmt nicht!)

Von 2009 haben Sie nicht geredet. Das Problem ist: Die Verfassungsbeschwerde, auf die Sie sich jetzt beziehen, hat dieses Problem aufgeworfen. Jetzt frage ich einfach: Bezogen auf die von uns aufgeworfene Frage sehen Sie jetzt als Staatsregierung einen Korrekturbedarf betreffs der Genehmigung oder nicht? Werden Sie diese Frage rechtlich prüfen und dem Hohen Haus eine Antwort geben? Wir wollen einfach Klarheit in der Sache haben.

Kollege Bartl hat auf das neue Instrument der Kurzintervention verzichtet und hat seine Redezeit genutzt. Gibt es noch Redebedarf bei der Staatsregierung? Wir wollen das Problem ja auch ausdiskutieren. Kollege Morlok, bitte.

Ich möchte die Antwort nicht schuldig bleiben, Herr Kollege Bartl. Ich sehe keinen Handlungsbedarf hinsichtlich der Änderung der Betriebsgenehmigung. Ob die Flüge in dem Maße, wie sie von der Bundeswehr durchgeführt werden, zulässig sind, ist nicht Entscheidungskompetenz des Freistaates Sachsen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)