Vielen Dank, Kollege Biesok. – Als Nächstes bitte ich die Fraktion GRÜNE, das Wort zu nehmen. Frau Kollegin Kallenbach, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit steter Regelmäßigkeit taucht das Thema „Nutzung des Flughafens Leipzig/Halle“ auf: zum einen durch Anfragen im Bundestag, immer öfter in den verschiedenen Medien, heute nun mal wieder im Landtag.
Was mir bei allen bisher gegebenen Antworten auffällt, sind Widersprüche, Salami-Taktik bei der Information und vor allem Intransparenz. Das finde ich tatsächlich nicht hinnehmbar und ich kann mich Kollegen Dulig nur anschließen, weil das die durch den Betrieb des Flughafens betroffenen Menschen im Dauerregen stehen lässt.
Mehr noch: Es öffnet Tür und Tor für Spekulationen, Behauptungen und unterschiedliche Rechtinterpretationen. An dieser Stelle sehe ich ein klares Versäumnis der zuständigen Gesellschafter und der Aufsichtsgremien. Das muss unbedingt verändert werden, denn das gesellschaftliche Klima wird dadurch geschädigt.
Daher appelliere ich an die Staatsregierung: Sorgen Sie für unbedingte Transparenz und offene Informationen! Klären Sie eindeutig, ob illegale Transportbewegungen auf diesem Flughafen stattfinden, ob der Planfeststellungsbeschluss die zunehmende Nutzung für militärische Zwecke abdeckt und informieren Sie doch endlich die Öffentlichkeit über die Vorhaben auf diesem Flughafen! Ich denke, wir brauchen eine öffentliche Diskussion, eine öffentliche Debatte über die Zukunft des Flughafens Leipzig/Halle.
Ein direktes Wort an Sie, Herr Minister Morlok: Ich denke, Sie müssen das Thema ernster nehmen. Floppigflapsige Bemerkungen dazu halte ich nicht für angebracht. Wenn Sie sich die Themen Ihrer Partei anschauen – Transparenz, Bürgernähe, Bürgerrechte, Wort halten –, dann haben Sie hier die beste Gelegenheit dazu.
Ich möchte noch ein Wort an die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE richten. Ich finde es gut, dass Sie das Thema aufgegriffen haben. Allerdings bitte ich Sie: Halten Sie sich etwas zurück mit nebulösen Behauptungen! Ich denke, das Thema ist ernst genug, sodass es mehr Sachlichkeit in der Debatte braucht.
Ich frage nur mal: UNO – illegal, Bundestag – illegal? Ich bin auch für den Frieden. Ich frage Sie: Wer in diesem Raum ist das wohl nicht? Fragen Sie auch einmal die Kollegen aus Ihren Reihen mit langer politischer Vergangenheit:
Ein letztes Wort: Zwar mag das Sankt-Florians-Prinzip regionale Punkte bringen, jedoch löst es aber das Problem nicht grundsätzlich. Genau das ist es aber, was wir brauchen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute über die illegale militärische Nutzung des Flughafens Leipzig/Halle. Wenn hier auf Urteile verwiesen wird, dann muss man sicher auch über diese Urteile sprechen. Aber nicht jedes Urteil enthält die letztendlichen Wahrheiten. Es gibt genügend juristische Einwände, die nach wie vor ihre Gültigkeit haben. Insofern ist die Diskussion, die wir heute führen, angemessen.
Ich will mich allerdings nicht nur auf die juristischen Dinge begrenzen, sondern versuchen, dieses Thema politisch anzupacken. Wenn es in dieser Bundesrepublik um die Frage Krieg oder Frieden geht, dann muss man sagen: Dieses Thema Krieg oder Frieden ist – auch wenn Deutschland seit mehreren Jahren Soldaten stellt und sich diese Soldaten in einem Kriegseinsatz befinden – nach wie vor, immer noch ein Tabu und entsprechend geht man in diesem Land mit diesem Thema um.
Herr Dulig, hören Sie zu! Nicht immer hat derjenige, der laut ist, recht, sondern derjenige, der die besten Argumente hat. Ich will versuchen zu argumentieren.
Man muss feststellen, dass Realitäten in diesem Land nicht beim Namen genannt werden. Die Bundesregierung, auch der neue Verteidigungsminister von Guttenberg, vermeidet nach wie vor, diese Realität mit Namen auszusprechen. Das Problem ist ein Tabu, welches verhindert, dass man über Realitäten redet. Das hat natürlich zur Folge, dass notwendige Schlussfolgerungen daraus schlicht und einfach nicht gezogen werden.
Für mich ist bei dieser Frage ein sehr wesentlicher Aspekt, ob nicht möglicherweise durch die faktische militärische Nutzung – die hier, in diesem Plenarsaal, sicher niemand in Abrede stellen kann – des Flughafens Leipzig/Halle – der offensichtlich eine sehr herausragende Bedeutung in der Kriegslogistik hat – Sachsen ein Sicherheitsrisiko erwächst und ob der Flughafen Leipzig/Halle nicht möglicherweise ein Angriffsziel des internationalen Terrorismus wird.
Insofern denke ich, dass wir jenseits von Fragen, ob diese militärische Nutzung nun illegal oder legal ist, über die politischen Konsequenzen zu sprechen haben, und ich
frage, ob hier nicht Handeln erforderlich ist. Denn die Politik bewegt sich oft erst dann, wenn etwas passiert ist.
Ich stelle mir vor, wie beispielsweise Innenminister Ulbig hier auftreten würde, wenn der Flughafen Leipzig/Halle ein Angriffsziel für Terroristen werden sollte. Diese Möglichkeit in Erwägung zu ziehen bedarf noch nicht einmal sehr viel Fantasie. Man muss feststellen, dass der Flughafen Leipzig/Halle das logistische Zentrum im Kriegseinsatz der Bundeswehr darstellt.
Die heute üblicherweise betriebene Sprachpolitik, dieses Orwell-Neusprech – aus „militärisch“ macht man „zivil“, aus „Krieg“ macht man „Frieden“ und aus „Konflikt“ macht man „Aufbauhilfe“ –, diese Diskussion können wir uns nicht weiter leisten. Wir müssen hierbei zu klaren Erkenntnissen kommen.
Wir sehen uns einer Entwicklung im Bereich des Krieges gegenüber, bei der man oft von einer asymmetrischen Kriegsführung spricht. Asymmetrische Kriegsführung heißt letztendlich auch, dass es keine klare Trennung zwischen militärischen und zivilen Bereichen mehr gibt. Genau das erscheint mir eines der zentralen Probleme in der Frage der Nutzung des Flughafens Leipzig/Halle zu sein. Wenn es keine klare Trennung zwischen einer militärischen und einer zivilen Nutzung mehr gibt, dann ist klar, dass der Flughafen Leipzig/Halle aus Sicht von internationalen Terroristen gegebenenfalls ein berechtigtes Angriffsziel ist. Daran hätte die Politik eine Mitschuld, weil sie diese klare Trennung zwischen militärischer und ziviler Nutzung nicht mehr vollzieht.
Insofern sehe ich hier einen sehr dringenden Handlungsbedarf. Ich würde mich freuen, wenn heute der Innenminister und auch der Wirtschaftsminister – beide Ministerien sind ja in diesen Vorgang involviert – zu diesem Problem eine klare Stellung beziehen.
Jetzt wäre die Staatsregierung an der Reihe, wenn sie schon in dieser Runde einsteigen möchte. – Sie möchte zum Schluss sprechen. Dann erneuern wir die Rednerfolge und das Wort erhält wieder die Fraktion DIE LINKE. Bitte, Herr Külow.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wohl selten hat ein landespolitisches Thema in einer Aktuellen Debatte zugleich eine so enorme bundespolitische, ja, internationale Bedeutung. Herr Bartl hat vorhin darauf verwiesen. Jeden Tag müssen wir neue Enthüllungen feststellen, was eigentlich alles in Afghanistan passiert. Das sind keine Enthüllungen der Linkspartei, sondern von ganz unverdächtigen Medien.
Natürlich hat der Flughafen Leipzig/Halle mit den Ereignissen und Geschehnissen der letzten Jahre in Afghanistan zu tun. Herr Seidel hat vorhin gesagt, alle Vorgänge seien von den höchsten deutschen Gerichten abgesegnet. Die Frage ist natürlich, um welche Vorgänge es sich in den
letzten drei Jahren gehandelt hat und vor allem, welche Dimension hier überhaupt im Haus bekannt ist.
Jetzt hat der MDR enthüllt, dass 650 Bundeswehrflüge in den letzten Jahren stattgefunden haben. Wir wissen, dass von Leipzig aus Hubschrauber und Panzer mit den Großraumtransportern AN 124 transportiert werden. Wir wissen, dass im Jahr 2009 über 600 000 US-Soldaten nach Afghanistan und in den Irak geflogen werden. Herr Biesok, das ist fast ein Viertel aller Passagiere. Leipzig transportiert inzwischen mehr US- und Bundeswehrsoldaten als Geschäftsreisende. Es gibt eine Betriebsgenehmigung für einen Zivilflughafen. Aber dieser scheinbare Zivilflughafen mausert sich doch immer stärker zu einem Militärdrehkreuz, und da sagt der Cheflogistiker der Bundeswehr, dass das der zentrale Umschlagplatz für die Kriege in Afghanistan und im Irak ist. Das muss man hier doch einfach einmal zur Kenntnis nehmen.
Im Übrigen schließt die Flughafen GmbH die Verträge mit den scheinbar zivilen Flugzeugen. Es geht nicht um internationale Verträge. Natürlich hätten der Flughafen und die Gesellschafter, Herr Morlok, die Möglichkeit, diese Verträge abzulehnen. Aber der Geschäftsführer der Flughafen GmbH hat neulich gesagt, dass er die „Mitnahmeeffekte“ nicht verlieren will. Das heißt, der Flughafen ist Kriegsgewinnler, kassiert Blutgeld, und das nennt man dann „Mitnahmeeffekte“. Man muss die Dinge doch wieder einmal vom Kopf auf die Füße stellen.
Zu Herrn Dulig eine Bemerkung. Ich freue mich sehr, dass Sie jetzt auch die Diskussion „Raus aus Afghanistan!“ führen. Ich glaube, die SPD hatte ja lange Zeit Schwierigkeiten, die militärische Nutzung des Flughafens einzugestehen. Ich kann mich an diverse Kleine Anfragen bzw. Antworten auf Kleine Anfragen von Herrn Jurk erinnern. Aber, wie gesagt, es ist ja jedem eingeräumt, dass er Erkenntnisse dazugewinnt.
Insofern, Frau Kallenbach, haben Sie recht, und das nehme ich auch persönlich und für meine Partei in Anspruch. Wir haben 1979, als wir, die Vorgängerpartei, den Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan begrüßt haben, falsch gelegen. Es war ein großer Fehler. Das hindert uns aber nicht daran, das moralische Recht zu haben, Fehler, die jetzt andere machen, zu kritisieren. Diese Berechtigung leiten wir direkt daraus ab, dass wir dort umgedacht haben.
Sie hatten nach dem Ziel der Debatte gefragt, Herr Dulig. Das steht ja eigentlich in der Überschrift. Hier steht „Illegale militärische Nutzung des Flughafens Leipzig für Bundeswehreinsätze in Afghanistan beenden“. Klarer kann man es doch nicht aussprechen. Da unterscheiden wir uns auch von der SPD. Ich habe Sie so verstanden,
dass Sie gern die militärische und zivile Nutzung trennen wollen. DIE LINKE sagt eindeutig Nein zur militärischen Nutzung, zum militärischen Missbrauch des Flughafens Leipzig/Halle.
Ich möchte mit einer persönlichen Bemerkung schließen. Ich habe wie sicherlich manch anderer Leipziger Landtagsabgeordneter vor ein paar Tagen eine Einladung erhalten, und zwar vom Kommandeur der 13. Panzergrenadierdivision in Leipzig. Sie wissen, dass der Stabschef dieser Panzergrenadierdivision Oberst Klein ist. Ich will jetzt nicht auf den 4. September zurückkommen. Da wird sicherlich noch manches in den Medien zu lesen sein. Ich wurde zum traditionellen Jahresempfang eingeladen, und auf der Einladung steht: „Die 13. Panzergrenadierdivision wünscht Ihnen und Ihren Angehörigen ein besinnliches Weihnachtsfest und ein friedvolles Jahr 2010.“ Wenn man wirklich ein friedliches Jahr 2010 haben will, dann muss man raus aus Afghanistan.