Diese Aussage im Wahlkampf haben Sie doch einfach mal als Wahlbetrug ganz klar für Ihre Wählerinnen und Wähler gehabt.
Ihr Wahlergebnis hat doch wesentlich damit zu tun, dass Sie den Bürgerinnen und Bürgern im Freistaat Sachsen zugesagt haben, dass es das längere gemeinsame Lernen gibt.
Ich möchte aber nicht bei der FDP stehen bleiben. Ich weiß, dass auch Abgeordnete aus der CDU und der FDP im Wahlkampf in Geithain – ich möchte sie namentlich nennen: Herr von Breitenbuch von der CDU und Frau Jonas von der FDP – die Unterstützung zum Erhalt ihrer Schule und ihres Schulverfahrens sowie ihres Schulmodells zugesagt haben.
Wir haben bisher in Sachsen nur neun Gemeinschaftsschulen. Ich möchte sie Ihnen noch einmal nennen: die Nachbarschaftsschule in Leipzig, in Geithain, in DresdenPieschen, das Schulmodell in Chemnitz, in Zittau, Moritzburg, Oederan, Cunewalde und Zschopau.
Viele weitere Schulen gibt es, die Anträge gestellt und Konzepte erarbeitet haben. Ich nenne nur einige Beispiele: Portitz in Leipzig, Bad Düben, Colditz. Um so ein Konzept zu erarbeiten, braucht man viel Kraft. Man braucht viel Zeit und ein hohes Engagement.
Lehrer, Eltern, Schüler und die Schulträger haben dieses Konzept gemeinsam entwickelt. Wir haben in den vergangenen fünf Jahren hier sehr oft darum gestritten, dass diese Schulen, die sich auf den Weg machen, ein neues Schulkonzept zu erarbeiten und dieses auszuprobieren, eine Unterstützung bekommen sowohl personell als auch materiell und eine wissenschaftliche Begleitung bereits in der Erarbeitung der Konzepte. Was ist passiert?
Jetzt komme ich mal zu einer Sonntagsrede. Herr Staatsminister, Herr Ministerpräsident und auch liebe Kollegen der FDP, wie oft haben wir in diesem Hohen Haus bereits gehört, dass Sie auch im Lehrerbereich der Auffassung sind, dass Leistung besonders bezahlt werden muss, dass leistungsgerechte Bezahlung passieren soll.
Ich frage Sie hier und heute: Wie haben Sie denn die Leistungen der Lehrerinnen und Lehrer an diesen Schulen bisher besonders vergütet?
Herr Zastrow, ich weiß nicht, ob Sie in der Koalition schon soweit sind, dass Sie wissen, was Sie im Haushalt gerade durchführen; denn der Prämienfonds, den es für die Lehrerinnen und Lehrer im Haushaltsfonds gibt – das wissen Sie ja sicherlich –, ist für dieses Jahr einfach mal gestrichen. Den gibt es in diesem Jahr nicht, denn offensichtlich haben die Lehrerinnen und Lehrer keine Leistung erbracht. Aber der Erhöhung der Diäten der Abgeordneten haben Sie gestern zugestimmt. Das ist ja gar keine Frage.
Die Auswirkungen der Entscheidungen, die Sie in Ihrer Koalitionsvereinbarung ganz schnell und zügig getroffen haben, werden wir noch spüren. Wenn ich mir die Rechtsvorschrift anschaue, dann muss ich feststellen, Herr
Staatsminister: Ich habe noch nie erlebt, dass das Kultusministerium so schnell bei der Erarbeitung einer neuen Rechtsvorschrift war, wenn es um irgendeine andere Aufgabe ging. Bei den Gemeinschaftsschulen habe ich den Eindruck, dass diese Rechtsvorschrift schon fertig war, bevor der Koalitionsvertrag überhaupt unterzeichnet wurde. Vielleicht sollten sich die Kollegen der FDP noch einmal fragen, ob das wirklich so ist. Denn das wäre aus meiner Sicht auch ein Über-den-Tisch-ziehen.
Wir sind der Auffassung: Wir brauchen die Gemeinschaftsschule; gar keine Frage. Wir brauchen das längere gemeinsame Lernen.
Wir wollen nicht nur, dass die bereits genehmigten neuen Gemeinschaftsschulen auch endlich weiter ihre Arbeit leisten können, weil niemand – ich glaube nicht einmal die Kollegen hier im Hohen Hause – davon ausgegangen ist, dass nach sechs Jahren diese Gemeinschaftsschulen einfach wieder zu Mittelschulen oder zu Oberschulen umbenannt werden. Ich denke, es gibt weder Eltern noch Schüler, noch Abgeordnete, die das ernsthaft gedacht haben. Jetzt haben wir die Tatsachen dafür. Wir als Linke möchten, dass die Gemeinschaftsschulen ausgebaut werden, dass es weitere Anträge geben kann, ein Rechtsanspruch existiert und dieser demzufolge auch im Schulgesetz eingebracht werden muss.
Die Kollegen der FDP haben dazu bereits eine Presseerklärung herausgegeben – ich muss einmal ganz vorsichtig fragen; vielleicht können Sie nachher gleich darauf eingehen, Herr Bläsner –, die zweite Fremdsprache ab Klasse 6 in der Mittelschule einzuführen. Wir wissen, dass der Kultusminister, Herr Wöller, uns hier erklärt hat, dass 50 % der sächsischen Schulen die zweite Fremdsprache bereits eingeführt haben. Wir wissen, dass es nicht geklappt hat. Wir wissen auch, dass der Unterricht mit den vorhandenen Lehrern und mit denen, die gegebenenfalls einzustellen wären – ich weiß gar nicht, wo Sie die hernehmen wollen –, überhaupt nicht zu realisieren ist. Machen Sie doch einmal Nägel mit Köpfen und erzählen Sie den Bürgerinnen und Bürgern nicht immer irgendetwas, was gar nicht geht, jedenfalls nicht so.
Kollegin Falken hatte mich zum Wahlkampf in Geithain angesprochen. Ich freue mich, dass Sie anwesend waren und das so erlebt haben. Es stimmt nämlich nicht.
Ich habe mich immer für den Schulstandort Geithain ausgesprochen und nicht für das Gemeinschaftsschulmodell explizit. In Geithain war die Situation so: Als ehemalige Kreisstadt war die Gefahr da, dass sowohl die Mittelschule wegbricht wie auch das Gymnasium. Durch das Modell der Gemeinschaftsschule wurde das jetzt übergeleitet. Nun geht es darum, vor Ort eine weiterführende Schule zu erhalten.
Ich stehe natürlich voll und ganz hinter dem, was die alte Koalition vereinbart hat, nämlich diesen Versuch ordentlich durchzuführen, zu evaluieren und dann zu schauen, wie diese Erkenntnisse im gesamten Schulsystem genutzt werden können. Das habe ich immer so gesagt. Auf das Glatteis, Frau Falken, habe ich mich nicht begeben. – Herzlichen Dank.
Frau Falken, Sie hätten nun noch die Möglichkeit einer Entgegnung auf diese Kurzintervention. Sie haben ebenfalls zwei Minuten, wenn Sie wünschen. Sie müssen das nicht.
Ich freue mich sehr über die Ehrlichkeit von Abgeordneten. Das finde ich ganz toll. Ich habe mich auch sehr über Ihren Brief gefreut. Ich sage Ihnen aber heute schon: Wir werden das Protokoll, das hier angefertigt wird, auch nach Geithain schicken. Die Bürgerinnen und Bürger werden das lesen und sich selber eine Meinung über das bilden können, was Sie damals gesagt haben, was Sie vielleicht auch so gemeint haben, aber jetzt offensichtlich ganz anders sagen und meinen. – Das möchte ich Ihnen nur sagen.
Als nächster Redner für die CDU-Fraktion kommt der Abg. Schreiber. Herr Schreiber, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es ist spannend, wenn man hier zu einer Rede aufgerufen wird und dann erst einmal ein paar Episoden aus den einzelnen Landtagswahlkämpfen erfährt. Vielleicht kommen ja dann noch mehr.
Lassen Sie mich meine Ausführungen mit einem Zitat von Josef Kraus, dem Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes, beginnen.
In seinem aktuellen Buch „Ist die Bildung noch zu retten?“ stellt er auf ironische Weise fest – Herr Dr. Hahn, jetzt sollten Sie zuhören –:
„Dumme Schüler gibt es nicht mehr, faule schon gleich gar nicht. Sie wurden von der Schule einfach nicht entsprechend gefördert bzw. motiviert.“ Und schwererziehbare Kinder, Herr Dr. Hahn, sind eben „verhaltensoriginell“.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wieder einmal beschäftigen wir uns heute mit Anträgen zum Thema Gemeinschaftsschule. Dieses Thema zieht sich seit der Wiedergründung des Freistaates Sachsen wie ein rot-rot-grüner Faden durch die sächsische Bildungspolitik. Sachsen hat sich nach seiner Neukonstituierung im Jahr 1990 bewusst für das gegliederte Schulsystem entschieden. Die Erfolge dieses Systems lassen sich eindeutig durch den innerdeutschen Ländervergleich der PISA-Studien sowie durch den Bildungsmonitor der vergangenen Jahre nachweisen.