Protocol of the Session on December 10, 2009

Scheurer, seines Zeichens Landrat des Landkreises Zwickau, CDU, illusionslos: „Wir sind nicht in der Lage, den Verlust auszugleichen.“ Er setzt auf Verhandlungen in den nächsten Monaten mit dem Freistaat, weil alle Kreise ab 2011 rote Zahlen schreiben.

Wenn man sich den gestern beschlossenen Kreishaushalt des Landkreises Zwickau mit 323 Millionen Euro anschaut, stellt man fest, dass 176 Millionen Euro = 61 % Ausgaben in den Bereichen KdU, Jugendhilfe, Behinderteneingliederung und Ähnliches sind. Das zeigt, dass die

Aussagen des Ministerpräsidenten, dass nicht mehr Geld ins System gehen könne, aus meiner Sicht völlig haltlos sind.

Wir brauchen ein Bündnis für die Kommunen – und damit knüpfe ich an die gestrige Debatte an –, und wir brauchen mehr Geld im System, zumal bei den schon vielfach angesprochenen zu erwartenden Mindereinnahmen des Landes die Kommunen und die Kreise nochmals mehr als 20 % durch den inneren Finanzausgleich im Land abbekommen werden zuzüglich zu denen, die sie schon originär über die Mindereinnahmen bekommen.

An dieser Stelle gestatten Sie mir als Stadtrat, aber auch als Kreisrat, die für mich unsägliche Behauptung zurückzuweisen, die Kommunen hätten über ihre Verhältnisse gelebt, sie hätten die fetten Jahre nicht genutzt. Der Finanzminister dieser Koalition stand hier und hat selbst dokumentiert – und ich weiß es auch –, dass die Kommunen in diesen sogenannten fetten Jahren – aber schon seit vielen Jahren – Kredite tilgen, Personalabbau betreiben und teilweise versuchen, Rücklagen zu bilden. Die Verwaltung, die Stadträte, aber auch die Kreisräte tun das sehr verantwortungsbewusst.

Kommen wir nun zu diesem sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Als Schuldenbeschleunigungsgesetz würde ich es bezeichnen und habe es auch schon so bezeichnet.

(Beifall der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Was sagte zum Beispiel vorgestern der Bundesrechnungshof? – Er rügt Merkels Haushaltspolitik. Prüfer kritisieren, dass die Bundeskanzlerin trotz der Rekordverschuldung weitere Steuersenkungen plant. Er versteigt sich sogar zu der Aussage nach der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Geld rinnt wie Sand durch die Finger“.

Die FDP in Schleswig-Holstein – Christine AschenberDugnus, Sebastian Blumenthal, Dr. Christel HappachKasan und Dr. h. c. Jürgen Koppelin, alle FDP – sagt Folgendes: „Das Land Schleswig-Holstein hat sich verpflichtet, bis 2020 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen.“

Das müssen im Übrigen wegen der Schuldenbremse alle. 2020 ist die Deadline.

„Die CDU/FDP-Landesregierung bekennt sich zu diesem Ziel und wir wollen sie dabei unterstützen. Dieses Ziel kann jedoch nicht erreicht werden, wenn durch Entscheidung des Bundes zusätzliche Belastungen für den Landeshaushalt eintreten.“

Den letzten deutlichen Satz, der in Schleswig-Holstein gefallen ist, würde ich mir von dieser Koalition wünschen.

Damit sind wir doch bei dem Thema, dass dieser erste Gesetzentwurf der schwarz-gelben Koalition im Bund eben kein wirksamer Beitrag für Wachstumsbeschleunigung ist, sondern dass er im Gegenteil ein wirksamer Beitrag zur Verarmung der Länder und der Kommunen ist. Man kann schon mal die Frage stellen: Welche kon

kreten Effekte für das Wirtschaftswachstum im Land und die Investitionen der im Land ansässigen Unternehmen erwartet die Landesregierung durch die Maßnahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes, zum Beispiel durch die Umsatzsteuer von 7 % auf Übernachtungen? Das ist ein „gewaltiger Durchbruch“. In welchem Umfang – das ist viel spannender für alle – und gegebenenfalls von welchem Zeitpunkt an geht die Landesregierung von einer Selbstfinanzierung der Entlastungsmaßnahmen durch zusätzliches Wirtschaftswachstum im Land aus? – Das ist im Übrigen ein Vorgang, der nach meinem Kenntnisstand seit 1990 in der Bundesrepublik noch nie eingetreten ist.

Von den vorgesehenen Maßnahmen sind die erhofften Impulse zur Stärkung der Wachstumskräfte nicht zu erwarten. Das trifft sowohl auf die Entlastung zugunsten der Familien als auch auf die Änderung bei der Unternehmensbesteuerung zu. Wir haben die Debatte hierüber schon geführt. Die Entlastungsmaßnahmen zugunsten der Familien werden diese Entlastung aufgrund ihrer einseitigen Ausrichtung auf die vorrangige Anhebung der Kinderfreibeträge, die wegen ihrer progressionsabhängigen Wirkung vor allem Bezieher hoher Einkommen begünstigt, nicht erreichen. Genau das ist aber das Ziel der FDP. Wenn wir alle ehrlich sind, wissen wir, worum es dabei geht: Das ist die Klientel, die bedient werden soll. Die Erhöhung des Kindergeldes gleicht diese Entlastung für Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen bei Weitem nicht aus. Auch das ist schon angesprochen worden.

Bei der Unternehmensbesteuerung ist weder eine überzeugende Prioritätensetzung noch eine übergreifende Konzeption erkennbar. Es fehlen insbesondere gezielte Maßnahmen zur Förderung von Investitionen. Ich gehe sogar so weit zu sagen: Zu dieser Verschuldung, die zusätzlich zu den 40 Milliarden Euro produziert wird, zu denen sich der Bund verpflichtet hat, um in den nächsten Jahren aufgrund der vereinbarten Schuldenbremse Minderausgaben zu generieren, werden durch die geplanten Maßnahmen weitere Schulden in Höhe von 40 Milliarden Euro hinzukommen.

80 Milliarden Euro müssen im Bundeshaushalt abgebaut werden. Glauben Sie wirklich, Herr Ramsauer wird dann, wenn das Geld knapp wird, sagen: „Im Westen können wir nicht ganz so viel investieren, wir müssen im Osten weitermachen“? Das geht doch zulasten der Investitionsfähigkeit des Bundes. Dann brauchen die Herren gar nicht zu kommen und zu sagen: Bei der Bahn muss investiert werden, wir müssen eine neue Schienenstrecke durch das Elbtal bauen. – Das wird nicht stattfinden, weil der Bund bis 2020 gerade noch Schulden in Höhe von 10 Milliarden Euro aufnehmen kann. Genau das provozieren Sie mit solchen Gesetzen, von den Folgen im Land und in den Kommunen ganz abgesehen. Sie bringen es sogar noch fertig, die Gegenfinanzierungsmaßnahmen der Unternehmensteuerreform 2008 zu torpedieren, indem Sie diese Gegenfinanzierungsmaßnahmen quasi wieder aufheben; Stichwort „Zinsschranke“.

Meine Damen und Herren! Ich habe gerade beschrieben, dass sich diese Auswirkungen im Bund sofort wieder unmittelbar auf den Freistaat und die Kommunen niederschlagen. Ich warne ausdrücklich davor, sich auf die sogenannten Angebote einzulassen, die jetzt kursieren. Stichworte sind: „Kosten der Unterkunft, Prozentsatz wieder hochsetzen, zumindest für eine Zeit lang“, „Bildungsausgaben“. Der Bund will sich daran beteiligen. Es ist nicht geklärt, ob das zusätzliche oder laufende Ausgaben sind. Wenn es zusätzliche sind, bedeutet das sofort wieder eine Ausgabensteigerung beim Land. Ich warne auch vor dem Lockangebot, die Zusätzlichkeit bei den KP-2-Mitteln ein wenig aufzulockern und damit die Möglichkeit zu schaffen, geplante Investitionen über KP2-Mittel zu finanzieren.

Unser Antrag geht genau in diese Richtung. Er fordert die Staatsregierung und den Ministerpräsidenten auf, das zu tun, worauf er einen Eid für dieses Land geschworen hat: Er soll Schaden vom Freistaat und von seinen Kommunen abwenden. Darum bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Pecher. – Für die Fraktion der CDU hat sich Herr Abg. Lars Rohwer gemeldet. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Kollege Pecher hat gerade skizziert, worauf er hinaus will. Er möchte dasselbe tun, was wir bereits 1998 im Bundesrat erlebt haben, als die SPD mit ihrer Mehrheit den Bundesrat blockiert hat und das Land nicht mehr vorangekommen ist. Kollege Pecher, ich hätte von der SPD mehr als zehn Jahre später etwas Neues erwartet. Es ist eine ziemlich unsinnige Strategie, den Bundesrat als Blockademittel zu benutzen. Der Bundesrat hat die Aufgabe, dem Land zu dienen und den Mehrwert des Volkes zu mehren.

(Zuruf der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Sie merken schon, meine Damen und Herren der SPD, dass wir in Widerspruch zu Ihrem Ansatz gehen, den Bundesrat erneut als Erpressungspotenzial zu benutzen.

Das Zweite, Herr Kollege Pecher, ist:

(Dr. André Hahn, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)

Wenn ich Ihre Rede von gestern noch richtig im Kopf habe, dann haben Sie gesagt, es sei ohne Probleme möglich, Schulden aufzunehmen, man könne das jetzt noch machen, bis die Schuldenbremse im Grundgesetz wirkt. Gerade eben haben Sie gesagt, es sei unverantwortlich, Schulden aufzunehmen. Was wollen Sie denn nun? Innerhalb eines Tages haben Sie zwei völlig unterschiedliche Botschaften losgelassen. Vielleicht können Sie das

noch einmal erläutern, ich habe es jedenfalls nicht verstanden.

Herr Rohwer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gern. – Mal sehen, was Herr Dr. Hahn möchte.

Herr Dr. Hahn, bitte.

Herr Kollege Rohwer, Sie haben eben davor gewarnt, den Bundesrat als Blockadeinstrument zu benutzen. Da möchte ich Sie aber fragen, ob es nicht gerade Aufgabe des Bundesrates ist, dass dort Länderinteressen vertreten werden, dass es bisweilen zu Differenzen zwischen Vorhaben des Bundes und den Interessen der Länder kommen kann und dass dann die Länder auch ihre Interessen im Bundesrat zu vertreten haben und man das nicht als Blockadepolitik abqualifizieren darf.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Herr Dr. Hahn, die Frage war rhetorisch clever gestellt. Aber ich denke, das genau macht unser Ministerpräsident im Moment. Man konnte in den Medien sehen, wie er die Position Sachsens vertritt und wie er darauf hinweist,

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)

dass wir im Freistaat Sachsen nicht in neue Schulden geschickt werden wollen. Aber, was ich aus dem Antrag der SPD herauslese, ist, dass unser Ministerpräsident verpflichtet werden soll, Blockadepolitik zu machen. Das würde dazu führen, dass es gar keine Verhandlungen mehr geben würde, sodass man gar nichts mehr für den Freistaat erreichen kann.

(Zuruf des Abg. Thomas Kind, Linksfraktion)

Deswegen sage ich Ihnen ganz klar: Dieser Politik und diesem Ansatz folgen wir nicht. Ich denke, dass Gespräche an dieser Stelle richtig sind. Die Menschen im Land erwarten auch, dass die politisch Verantwortlichen – die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin mit der Bundesregierung – in Gesprächen um den besten Weg ringen. Und das passiert dort im Moment.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie uns noch ein wenig näher in den Antrag hineinschauen. Meine bisherigen Äußerungen waren eher spontane Reaktionen auf die Rede von Herrn Pecher. Ich habe mich selbstverständlich ein wenig intensiver vorbereitet. Mir ist bei der Vorbereitung aufgefallen, dass, kaum dass die SPD auf der Oppositionsbank sitzt – hier im Sächsischen Landtag, aber auch im Deutschen Bundestag –, völlig neue Töne aus dem Munde der Kollegen der SPD zu hören sind.

(Stefan Brangs, SPD: Das wurde auch Zeit!)

Vielleicht ist das Ihr Erneuerungsprozess. Als Sie noch in der Regierung waren, haben Sie ganz andere Töne geschwungen. Damals waren Sie vor allem sehr kreativ bei der Entwicklung neuer Ausgabeideen.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Sie fordern auf einmal keine Steuersenkungen, ohne diese realistisch gegenfinanziert zu haben. Als Sie noch in der Regierung waren, waren Sie die Ersten, die die Ideen hatten, wie die sprudelnden Steuereinnahmen ausgegeben werden können. Wir haben es in Sachsen insbesondere mit der CDU hinbekommen, dass wir Rücklagen bilden konnten – darüber haben wir bereits gestern diskutiert – damit wir in diesen wirtschaftlich schwachen Zeiten haushalten können. Es gab Abstimmungen zwischen der CDU und der SPD mit einem sehr engen Ergebnis.

Die Forderung, die Sie von der SPD jetzt aufmachen, ist wenig glaubwürdig und zu kurz gedacht. Ich prognostiziere Ihnen – es ist kein Wagnis, wenn ich diese Prognose stelle –, dass, sobald es mehr Steuereinnahmen geben wird, die SPD die Erste sein wird, die neue Ausgabeideen hat und uns damit „überraschen“ wird.

Sachsen wird gezwungen sein – –

Herr Rohwer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Jetzt wollte ich gerade einsteigen, aber wenn Herr Pecher schon erklären will, wie er den Widerspruch von gestern zu heute aufklären will, gern.

Bitte schön, Herr Pecher.

Nein, das mache ich mit dem zweiten Durchlauf. Dafür nehme ich mir ein wenig Zeit, damit Sie es dann auch verstehen.

Meine Frage ist folgende: Würden Sie mir zustimmen, dass es im Freistaat Sachsen erstmals in einer Koalition mit der SPD gelungen ist, keine Schulden mehr aufzunehmen, eine Nettotilgung vorzunehmen und die Pensionslasten abzufinanzieren?