Protocol of the Session on June 11, 2012

Kunst ist frei, aber sie ist nicht kostenlos. Das ist die andere Seite der Medaille. Es ist, glaube ich, eine Errungenschaft der heutigen Gesellschaft, dass Künstler von ihren Werken leben können, wenn auch meist nicht auf einem sehr hohen Niveau – auch das gehört zur Wahrheit. Aber sie können es. Dafür braucht es bestimmte Rahmenbedingungen. Dazu gehört das Urheberrecht. Wir brauchen ein modernes und funktionierendes Urheberrecht, welches die Verbraucher nachvollziehen können und welches es den Künstlern ermöglicht, von ihrem Werk zu leben.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Bei der heutigen Aktuellen Debatte ist es nicht Anliegen, jemandem hier in irgendeiner Art und Weise den schwarzen Peter zuzuspielen, schon gar nicht den Nutzern. Es ist so, dass die meisten Nutzer bereit sind, für das Herunterladen von Musik, Büchern und Filmen zu bezahlen. Das zeigt die Vielzahl der legalen Plattformen. Aber man muss auch sagen, dass das, was illegal ist, illegal bleibt, zumal wenn die Künstler von dem, was sie schaffen, auch leben müssen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir wollen, dass die Chancen der Digitalisierung genutzt werden. Da sind wir ganz schnell bei der Frage des Aufwandes, der dahintersteht, wenn man ein geistiges Werk schafft. Der ist höchst unterschiedlich. Wie lange

dauert es, bis ein Buch geschrieben, ein Film produziert oder ein Bild gemalt ist? Es gibt auch Unterschiede in der Qualität. Diese Unterschiedlichkeit muss sich auch in den Finanzierungsmodellen widerspiegeln. Deshalb lehnen wir einheitliche Finanzierungsmodelle wie beispielsweise die diskutierte Kulturflatrate ab. Wir wollen, dass das Einzelne jeweils zur Geltung kommt.

Das sind Themen, die vor allem auf Bundes- und europäischer Ebene diskutiert werden. Die CDU-Bundestagsfraktion hat dazu vor wenigen Tagen ein Positionspapier vorgelegt.

Es geht um ein Abwägen der Positionen und um Aufklärung. Dabei geht es zum einen um die Nutzer, um Rechtsunsicherheit beim Verhalten im Netz zu beseitigen. Es gilt aber auch, ein Bewusstsein gegen die Gratismentalität zu schaffen. Dazu brauchen wir ein Urheberrecht, aber auch das Bewusstsein dafür, dass kreative Leistungen einen Wert haben. Wir müssen es schaffen, dass sich dieses Bewusstsein in der Gesellschaft etabliert. Dazu braucht es gesetzgeberische Maßnahmen.

Aber es gibt auch andere Modelle, die auch auf Landesebene verfolgt werden. Dabei geht es beispielsweise um Medienkompetenz, die in den Schulen angesprochen wird. Wo sind die Grenzen des Internets? Wo ist der Nutzen des Internets? Es geht auch darum, bei den Maßnahmen und Angeboten der kulturellen Bildung zu vermitteln, welchen Aufwand es bedeutet, ein Kunstwerk herzustellen, welche kreative Leistung dahintersteht. An den Kunsthochschulen muss den angehenden Künstlern vermittelt werden, welche Rechte und Pflichten sich aus dem Urheberrecht ergeben und wie sie genutzt werden können.

Das, was ich hier in der Kürze der Zeit dargelegt habe, ist ein Ausschnitt aus einer sehr breiten Diskussion, die auch noch nicht zu Ende ist. Wir wollen sie sehr gern führen und freuen uns auf die Auseinandersetzungen und Diskussionen mit den Nutzern und Kulturschaffenden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Für die FDPFraktion spricht jetzt Herr Abg. Tippelt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wollen ganz klar die freien Berufe stärken und deren geistiges Eigentum schützen. Ich kann mich da nur den Worten des Musikers und Schriftstellers Sven Regener, Element of Crime, anschließen – Zitat –: „Zu glauben, irgendwann käme das Sozialamt um die Ecke und würde die Bezahlung der Künstler übernehmen und dabei würde noch gescheiter Rock ’n’ Roll herauskommen – das kann man knicken.“

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Urheberrechtsverletzungen finden auf dem Rücken der Künstler statt.

Wer Inhalte produziert, sollte daran auch verdienen können, wenn er es möchte. Wir müssen weg von der Gratismentalität im Internetzeitalter. Nur weil geltendes Recht leicht zu umgehen ist, darf der Verstoß dagegen nicht einfach als Kavaliersdelikt angesehen werden, dürfen wir das nicht einfach als Kavaliersdelikt durchgehen lassen.

Andererseits darf Kunst aber auch keinem Zwang unterliegen. Wer sich dafür entscheidet, seine Werke frei zur Verfügung zu stellen, sollte das tun dürfen. Es darf also auch keine Zwangsmitgliedschaften in entsprechenden Schutzverbänden oder Schutzvereinen geben.

Vor diesem Hintergrund halte ich die Diskussion um eine Kulturflatrate, also eine pauschale Abgabe für urheberrechtlich geschützte Inhalte im Internet, für unsinnig. Das ist ganz klar der falsche Weg und gleicht eher einer sozialistischen Zwangsbeglückung der Kulturschaffenden, lähmt sogar die Weiterentwicklung von Kunst und unterstützt eher die Unkreativen.

(Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE: So ein Quatsch!)

Wer sich für den Genuss eines Musikstückes entscheidet, sollte genau dessen Urheber fördern und nicht etwa den Maler eines unbekannten und unbedeutenden Bildes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie sehen, es ist nicht einfach, zeitgemäße Abrechnungsmodelle und Schutzmechanismen zu entwickeln. ACTA ist hier kein geeignetes Mittel für den Schutz geistigen Eigentums. Deshalb ist die Ablehnung auch im Europaparlament nur folgerichtig. Schutz von geistigem Eigentum darf nicht zur Rechtfertigung von Zensur oder Überwachung werden.

(Beifall bei der FDP)

Stattdessen muss die Branche neue Wege gehen und dabei ihre Kreativität bewahren. Genau darin besteht das Kunststück. Es gibt bereits Dienste, die Musikflatrates zum monatlichen Festpreis anbieten, bei denen der Anbieter trotzdem gegenüber dem Künstler nach Anzahl gespielter Titel abrechnet. In Zeiten kurzlebiger Unterhaltung ist das, wie ich finde, ein interessanter Ansatz, weil hier die Kausalität erhalten bleibt.

Die Menschen sind bereit, für gute Produkte auch zu zahlen. Es darf eben nur nicht sein, dass der ehrliche Käufer gegenüber dem Softwarepiraten im Nachteil ist, wenn er das Produkt vielleicht erst vier Wochen später erhält und sich dann noch mit überzogenen Schutzmechanismen auseinandersetzen muss.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Urheberrecht kann vor allem nur durch Innovation und Kreativität geschützt werden, weniger durch technische Hindernisse, die stets zur Überwindung einladen. Wir alle sind dabei gefordert.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Das war aber ein abruptes Ende!)

Für die Fraktion DIE LINKE Herr Abg. Neubert; bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, wir brauchen ein modernes Urheberrecht im digitalen Zeitalter. Das überkommene, bisherige Urheberrecht orientiert sich im Wesentlichen an den materiellen Trägern des kreativen Schaffensprozesses, also veröffentlichte CDs, DVDs, Bücher. Mit der Digitalisierung – das wissen wir alle – hat sich das kreative Werk von seinen Trägermedien gelöst. Damit stellt sich die Frage der Urheberschaft und nach Entlohnung neu.

Meine Kollegin Julia Bonk hat im letzten Jahr eine Umfrage unter sächsischen Künstler(inne)n und Kreativen durchgeführt und zu dem Aspekt eines neuen Urheberrechtes nachgefragt. Die Künstler(innen) bzw. Urheber(innen) sollten aus unserer Sicht bei Fragen des Urheberrechtes im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Die Verwerter(innen), die sozusagen meist die Zwischenstufe bilden und leider sehr häufig zulasten der Urheber(innen) profitieren, liegen für uns nicht so im Fokus.

Die übergroße Mehrheit – das ist das Ergebnis dieser Umfrage – ist für eine grundlegende Neufassung des Urheberrechts. Die Mehrheit wünscht sich eine Rechtssicherheit für die User(innen) im Internet und die Wahrung der Interessen der Produzenten auf der anderen Seite. Es wird ernsthaft – das ist ein anderer Punkt – über eine Kulturflatrate diskutiert, bei der im Grunde die Nutzer(innen) zahlen und die Produzent(inn)en nach der jeweiligen Nutzung Geld erhalten, und zwar jenseits von großen Verwertungsgesellschaften. Es ist – das geht damit einher – eine bessere Direktkommunikation von Produzent(inn)en und Nutzer(inne)n im Netz erwünscht, ohne diese Art Gatekeeper.

Für Kreative – das hat Frau Fiedler mit angesprochen – ist natürlich die Existenzsicherung angesichts der prekären Lebens- und Produktionsbedingungen die entscheidende, zentrale Frage. Vor diesem Hintergrund gibt es Sympathien. Dem sollten wir als Politiker gerecht werden: Sympathien für Künstler-Grundeinkommen, ähnlich, wie es in Frankreich oder in Luxemburg ist, oder auch für ein gut ausgestattetes Band-Subventionssystem, ähnlich wie in Skandinavien.

Hinsichtlich der Wissensgüter war das Ergebnis dieser Studie, dass eine große Mehrheit den freien und den ungehinderten Zugang ermöglichen will. Das betrifft auch die generelle Zugänglichkeit von Kulturgütern im Internet; denn hierdurch kann auch Bekanntheit und Popularität von Werken und Künstler(inne)n erhöht werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Fiedler hatte es angesprochen: Es ist in erster Linie eine bundesgesetzliche Regelung des Urheberrechtes. DIE LINKE hat auf

Bundesebene Positionen zum Urheberrecht formuliert. Ich möchte nur einige Keywords an dieser Stelle benennen.

Das ist erstens die gerechte Vergütung für Produzent(inn)en, für Kreative und nicht solche Verträge, die ihnen einmal Geld zusichern, aber sie in Zukunft aus dem Gewinn heraushalten und diesen bei anderen belassen.

Das Zweite ist die Forderung, dass ein Weiterverkauf von E-Books und MP3 möglich sein muss und das, was man aus der analogen Welt kennt, dass man eine CD weiter verkaufen kann, auch in der digitalen Welt möglich ist.

Des Weiteren geht es darum, in der freien Wissenschaft den Informationszugang zu ermöglichen – ich bin vorhin bereits darauf eingegangen – und alternative Vergütungssysteme zu fördern und zu diskutieren. Es gilt, die Schutzfristen neu zu regeln. Wir haben derzeit Situationen, dass wir Schutzfristen bis 70 Jahre nach dem Tod haben. Das ist aus unserer Sicht völlig überhöht. Wir wünschen uns und fordern, dass auch in der digitalen Welt eine Privatkopie möglich sein muss. Das ist im Moment ausgeschlossen.

Wir fordern last, but not least – wie es derzeit diskutiert wird –: Kein Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Ich überlege, eventuell noch einmal in der zweiten Runde detaillierter darauf einzugehen. Es gibt im Moment einen Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium, der verheerende Folgen für das Netz und die Weitervermittlung von Informationen hätte.

Bitte zum Ende kommen.

Das lehnen wir ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die SPDFraktion Herr Abg. Panter, bitte.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir befinden uns in einer Legitimationskrise des Urheberrechts. Ich denke, darin sind wir uns alle einig. Wir haben es auch eben gehört.

Das Internet hat unser Informations- und Nutzungsverhalten ganz grundlegend geändert. Wir wollen immer alles verfügbar haben: Musik, Film, Spiele, Kultur und Kunst, die im Internet zur Verfügung gestellt werden. Wir wollen alles frei nutzen können. Wir wollen es kopieren. Wir wollen es verändern. Wir wollen es versenden können. Viele möchten es gern möglichst kostenlos haben. Das ist technisch alles möglich.

Positiv daran ist, dass das Internet kulturelle Teilhabe ermöglicht. Auch das haben wir eben gehört. Negativ daran ist aber, dass die auch oft mit der Verletzung des Urheberrechts einhergeht.

Wir müssen konstatieren, dass das bisherige Urheberrecht nicht mehr greift und nicht zeitgemäß ist. Es wurden bereits einige Personen zu diesem Thema zitiert. Ich möchte mich erst einmal in aller Form dagegen verwahren, dass die FDP die Lieblingsband unseres Fraktionsvorsitzenden Martin Dulig zitiert. Das halte ich für einen mittleren Skandal.

(Heiterkeit des Abg. Martin Dulig, SPD)

Spaß beiseite. Herr Tippelt hat das Zitat nur zum Teil ausgeführt. Es gibt noch einen weiteren Teil. Der Redner hat, wie ich finde, die Debatte zum Urheberrecht sehr befruchtet, in dem er zum Beispiel gesagt hat – ich zitiere jetzt mit einem etwas deftigen Zitat –, „dass diese Debatte im Grunde nichts anderes ist, als dass man uns ins Gesicht pinkelt und sagt: Euer Kram ist nichts wert.“

Etwas später, nachdem dieses Zitat in einem Interview gefallen war, gab es einen Aufruf: Wir sind Urheber. Damit wurde – dazu möchte ich jetzt noch einmal ganz kurz zitieren – die Debatte auch ganz gut zusammengefasst. Die Urheber sagen dort: „Die alltägliche Präsenz und der Nutzen des Internets in unserem Leben kann keinen Diebstahl rechtfertigen und ist keine Entschuldigung für Gier oder Geiz.“ Ich denke, das fasst die ganze Debatte auch ganz gut zusammen.