Ich erlebe Sie – und das haben die heutigen Redebeiträge gezeigt – eher als selbstgefällig und selbstgerecht. Allzu gern und allzu oft rechnen Sie die Leistungen, die in Sachsen vollbracht worden sind, sich selbst und Ihrer Politik zu. Damit aber verhindern Sie Identifikationsmöglichkeiten für all diejenigen, die nicht die CDU wählen und dieses Land mitgestaltet haben.
Sie haben einen ganz wichtigen Satz in Ihrem Grundsatzprogramm: „Sachsens Miteinander schafft Heimat.“ Ich würde mir wünschen, dass Sie dies viel öfter beherzigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Redebeiträge aller Fraktionen haben eigentlich nur eines gezeigt: dass man aus Sicht der NPDFraktion mit dem Gegenstand der heutigen Debatte nicht angemessen umgeht. Im Grunde genommen schwankten die Redebeiträge zwischen seichten Wohlfühlparolen und oberflächlichen Forderungen wie, dass die Hochschulstandorte gestärkt werden sollen. Aber man hätte diese Debatte natürlich auch ganz anders führen können. Man hätte dezidiert vortragen können, welchen Zuzug man politisch eigentlich will. Will man ungeordnete, unkoordinierte Zuzüge? Soll jeder kommen, der will? Wollen wir vielleicht 100 000 Zigeuner hier in Sachsen ansiedeln, oder wollen wir nur Studenten oder ausländische Fachkräfte? Hier ist man wieder einmal ganz unpräzise geworden.
Das zeigt, dass die Koalitionsfraktionen, die diese Aktuelle Debatte beantragt haben, im Grunde genommen gar keine Vorstellungen haben, die sie hier präsentieren können. Insofern muss man schon sagen, dass das Niveau
Wenn wir von Zuzug reden, dann reden wir heute deshalb über Zuzug, weil eine gigantische Abwanderung stattgefunden hat. Ich will die Zahlen hier einmal nennen. Leider hat das keiner getan, sodass ich es tun muss. Wir hatten in der Zeit von 1990 bis 2010 nur 658 000 Geburten. Der Sterbeüberschuss im gleichen Zeitraum betrug aber 469 500. Gleichzeitig hatten wir eine Wanderungsbilanz mit Bevölkerungsverlusten von 434 000 und Bevölkerungszugängen von 145 000. In der 5. Regionalisierten Bevölkerungsprognose geht man davon aus, dass bis 2025 noch einmal 9 bis 12 % Bevölkerungsverlust eintreten werden.
Wenn man all diese Zahlen addiert – ich habe das gemacht –, dann kommt man zu einem Gesamtverlust bis 2025 von sage und schreibe 1,2 Millionen Bürgern, die nicht mehr in Sachsen leben. Selbst wenn man sagt, wir wollen unsere Schleusen öffnen und jeder soll kommen, frage ich: Wer glaubt, dass wir diesen gigantischen Verlust wirklich durch Zuwanderung ausgleichen können?
Die Debatte darf man natürlich nicht nur unter quantitativen Aspekten führen, sondern auch unter qualitativen. Also wen brauchen wir? Wer bereichert denn Sachsen wirklich? Aber genau diese Debatte findet eben nicht statt. Man spricht von Zuwanderung, ohne überhaupt eine seriöse Analyse und Abwägung zu machen. Das ist das, was man tatsächlich den Fraktionen, die diese Debatte beantragt haben, zum Vorwurf machen muss.
Ich persönlich glaube – und das habe ich auch an anderer Stelle schon zum Ausdruck gebracht –, dass sich hinter dieser ganzen Zuwanderungsdebatte im Grunde genommen etwas ganz anderes verbirgt, nämlich knallharte Interessen, die man natürlich nicht ausspricht, weil das Positionen zu Recht kritisierbar machen würde. Ich glaube, bei dieser ganzen Debatte über ausländische Fachkräfte und Zuwanderung geht es eigentlich nur darum, Lohnkosten zu drücken. Auch im Hochqualifiziertenbereich sollen die Lohnkosten gedrückt werden, damit man im internationalen Globalisierungswettbewerb
konkurrenzfähig bleibt. Das sind die Interessen, die im Grunde genommen mit dieser ganzen Zuwanderungsdebatte verknüpft werden. Sie werden natürlich nicht offen ausgesprochen, sondern – ich sage das ganz offen – hinter scheinhumanitären Phrasen versteckt.
Das ist das, was hier leider auch von der CDU nicht gesagt wurde. Es zeigt sich, dass sich die politische Klasse aller Parteien offenbar selbst nur als willfähriges Instrument von Interessen versteht, die man nicht offen ausspricht, sondern nur versteckt. Ich glaube, das ist das, was leider noch viel zu vielen Bürgern gar nicht klar ist. Viele Bürger auch in Sachsen folgen leider viel zu leichtgläubig den Parolen, die ihnen in den Medien tagtäglich um die Ohren geworfen werden.
Ich kann nur sagen, Zuwanderung ist mit Sicherheit – ich habe die Zahlen hier auch deutlich gemacht – keine Lösung. Sachsen und Deutschland brauchen keine Zu
wanderung, sondern einen Systemwechsel. Deutschland braucht einfach eine Zukunft, und wir brauchen diesen Systemwechsel, bevor deutschfeindliche Politiker und Meinungsmacher uns Deutsche als Volk zerstört und abgeschafft haben.
Wir können jetzt in eine zweite Rednerrunde eintreten. Die Rednerrunde wird wiederum von der einbringenden Fraktion der FDP eröffnet. Es spricht Herr Kollege Zastrow.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte versuchen, die Debatte so sachlich fortzusetzen, wie ich sie begonnen habe.
Das mag Ihnen von der Opposition nicht passen, aber natürlich hat die Debatte mehrere Aspekte, und ich halte es für sinnvoll, darüber zu sprechen. Sie alle wissen, dass der Freistaat Sachsen sehr lange Zeit quasi ein Synonym für eine schrumpfende Gesellschaft, für Rückbau und für Abwanderung gewesen ist. Das kann man so inzwischen nicht mehr sagen. Wir haben in Sachsen natürlich gerade im ländlichen Bereich immer noch Regionen, die strukturschwach sind und in denen wir immer noch Probleme haben, aber es gibt inzwischen in Sachsen – und das ist die neue Situation – auch stark wachsende Bereiche. Wir haben zwei Großstädte, die weit über das hinaus wachsen, was jemals prognostiziert worden ist.
Das erfordert von der Politik stärker maßgeschneiderte Lösungen. Wir können den Freistaat Sachsen längst nicht mehr über einen Kamm scheren, sondern wir müssen Lösungen finden, die sowohl dem ländlichen Raum und strukturschwächeren Regionen eine Chance geben als auch die stark wachsenden Regionen nicht im Stich lassen. Das ist das, was wir als Politik uns vornehmen müssen.
Ich bin froh, dass das neue FAG genau diese Handschrift trägt und praxisgerechter geworden ist, weil es sowohl den Metropolen als auch dem ländlichen Raum hilft. Ich finde, das ist ein guter Ansatz, meine Damen und Herren.
Ein Grund dafür, warum wir Weichen neu stellen müssen, ist, dass viele der Prognosen, die wir in den letzten Jahren erhalten haben, komischerweise überhaupt nicht eingetreten sind. Ich finde es schon frappierend, wenn man einmal schaut, wie zum Beispiel die Bevölkerungsprognosen aus dem Jahr 2004 für den Freistaat Sachsen ausgesehen haben. Das ist noch gar nicht so lange her. Wenn ich daran denke, dass man uns damals für heute 82 000 Einwohner
weniger vorausgesagt hat – das ist eine Zahl, die weit größer ist, als die Stadt Plauen Einwohner hat –, dann kann sich jeder vorstellen, dass das auch Konsequenzen für unsere Politik haben muss.
Ich glaube, wir sollten insgesamt skeptischer sein, was irgendwelche Voraussagen und Prognosen betrifft. Ich glaube, wir müssen die Vorhersagen der Demoskopen kritischer bewerten. Ich glaube aber auch Ihren Voraussagen nicht, Frau Klepsch. Ich denke, wir müssen die Realitäten annehmen und insgesamt zur Kenntnis nehmen, dass wir flexibler reagieren müssen.
Nur eine Zahl: Die Stadt Dresden hatte vor 13 Jahren 480 000 Einwohner mit der Prognose, die Stadt würde schrumpfen. Im Jahr 2020 werden wir sehr sicher 550 000 Einwohner haben. Dass das eine Konsequenz für alle gesellschaftlichen Bereiche hat, sollte uns klar sein und damit müssen wir uns viel stärker auseinandersetzen. Wir müssen maßgeschneiderte Lösungen auch für Wachstumsregionen finden, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP und der CDU – Andreas Storr, NPD: Aber nennen Sie doch mal die Zahlen der Landkreise und wie sich die Einwohnerzahlen dort entwickeln! Dann gibt es ein ganz anderes Bild!)
Wir wissen nicht, ob die hohe Zuwanderung und auch die herausragenden Geburtenzahlen anhalten. Sie wissen, dass die Stadt Dresden die geburtenstärkste Großstadt Deutschlands ist und dass auch Leipzig in diesem Bereich auf diesem Top-Niveau ist. Wir wissen übrigens auch nicht, ob die Studentenzahlen, über die wir uns gerade so freuen, anhalten.
Deswegen müssen wir eine Lehre aus den falschen Prognosen der letzten 20 Jahre ziehen. Ich will nur an eines erinnern: Im Jahr 1990 gingen die Gründerväter des Freistaates davon aus, dass wir über fünf Millionen Einwohner bekommen werden und dass die Bevölkerungszahl in Sachsen eher ansteigen wird. In einer relativ kurzen Zeit hat sich das geändert. Deswegen müssen wir eine Lehre ziehen, meine Damen und Herren. Die Lehre muss sein: zu erkennen, dass wir insgesamt flexiblere Systeme brauchen. Wir müssen schneller reagieren können, weil es oftmals unmöglich ist, Wanderungsbewegungen tatsächlich vorauszusagen.
Das betrifft zum Beispiel die Probleme, die die Stadt Dresden im Schulhausbau hat. Wir haben vor vier, fünf Jahren noch Schulen geschlossen – seit der Wendezeit insgesamt 86 Schulen jeder Art –,
und momentan diskutieren wir darüber, 16 neue Schulen zu bauen. Das hängt nicht nur mit den Geburtenzahlen, sondern auch mit dem Zuzug von Familien mit Kindern zusammen. Diesen vorherzusagen ist nun einmal sehr schwierig,
weshalb ich sehr dafür plädiere, dass wir flexiblere Systeme bekommen, damit wir schneller reagieren können.
Das betrifft alle Bereiche, meine Damen und Herren. Die Frage ist, ob ein starres System wie der öffentliche Dienst, wie er sich heute darstellt, tatsächlich die richtige Antwort auf die Zukunft ist. Wollen wir, nur weil wir im Moment mehr Schüler haben, nur weil wir im Moment mehr Studenten haben, das System auf Dauer belasten, und einfach immer mehr Lehrer und Professoren einstellen, oder müssen wir dort nicht vielmehr zu neuen Antworten finden, zu neuen Antworten kommen? Darüber zu diskutieren, lade ich Sie ein, übrigens auch zu Baumaßnahmen über die Frage: Baut man heute Schulen für die Ewigkeit oder baut man sie so, dass man sie in den nächsten Jahren auch mal anders nutzen könnte?
Das sind die Fragen, über die ich sehr gern mit Ihnen diskutieren würde. Ich glaube, das würde auch der gesamten Gesellschaft mehr helfen als die Sprücheklopferei, die Sie hier betreiben.
Das war Herr Kollege Zastrow für die einbringende Fraktion der FDP. – Es spricht jetzt für die ebenfalls einbringende Fraktion der CDU Herr Kollege Heidan.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der Oppositionsseite, ganz besonders lieber Martin Dulig! Ich darf noch einmal auf das Thema Heimat zurückkommen. Wer seine Heimat liebt, der sollte sie nicht von diesem Pult aus schlechtmachen und sollte alles so wiedergeben, wie es hier in der Heimat, in Sachsen, sicherlich der Fall ist: dass wir für unsere Heimat stehen,
sodass wir die positiven Dinge, die wir in den letzten 22 Jahren beim Aufbau dieses Landes erreicht haben, schon bei solch einer Debatte verkünden können.