Protocol of the Session on May 9, 2012

den einzelnen Ländern gibt. Es entsteht der Eindruck, es sei legitim, dass die Erweiterungsfälle sukzessiv – ohne Regelung des Bundes- oder Landesgesetzgebers – expressis verbis zur Anwendung kommen kann.

Herr Bartl, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gern.

Herr Kollege Bartl, ich habe folgende kurze Frage: Ist es richtig, weil wir über die Frage des Staatsvertrages reden, dass das, was im Artikel 4 steht, ebenfalls nur durch einen Staatsvertrag geregelt werden kann?

Ich wäre damit einverstanden, wenn das funktionieren würde. Herr Kollege Modschiedler, das haben Sie vorhin selbst gesagt. Es ist vom Vertreter des hessischen Justizministeriums Dr. Fünfsinn so nicht beantwortet worden. Er hat auf meine Frage, was die Rechtsgrundlage sei, gesagt – ich zitiere –: „Sie fragen nach der Rechtsgrundlage. Das kann ich Ihnen nur für das hessische System der elektronischen Fußfessel erklären. Wir sagen, das haben auch die Gerichte geklärt, dass wir mit unserem niederschwelligen – ich will es einmal so bezeichnen – System sozusagen über die Einverständniserklärung des Bewährungsprobanden, der zustimmen muss – seine Familie muss ebenso zustimmen –, da unter die Bewährung auch die Weisung fällt, der Proband verpflichtet wird.“ Er sagt ebenso, dass es eine Klausel für die Zukunft sei. Auf meine Frage, ob das per Staatsvertrag oder Verwaltungsvereinbarung geregelt sein muss, antwortet er, dass dies von Fall zu Fall zu prüfen sein wird. Es ist so im Protokoll festgehalten.

Wenn wir sagen würden, dass es nur mit einer entsprechenden Ergänzung des Staatsvertrages ginge, indem wir mit Hessen einen Ergänzungsstaatsvertrag schließen – das meinen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Ihrem Entschließungsantrag –, sähe dies für uns ganz anders aus. So wie jetzt die Lage ist, kann ich herauslesen, dass es unterschwellig – unter der Entscheidung des Landesgesetzgebers – entsprechende weitere Anwendungsfälle gibt.

Danke schön.

Ich möchte an dieser Stelle Folgendes ausdrücklich betonen: Die elektronische Fußfessel stellt in vielerlei Hinsicht eine wesentliche Maßnahme dar, die in die persönliche Integrität des Betroffenen und der Familie, die der Anwendung zustimmen muss, eingreift. Sie läuft rund um die Uhr – 24 Stunden. Alle Daten der Person werden entsprechend erfasst. Der Sachverständige Burkhardt hatte darauf aufmerksam gemacht, dass der Besuch beim Rechtsanwalt, beim Therapeuten und beim Arzt datenmäßig gespeichert wird.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Es wird alles entsprechend gespeichert. Deshalb sind wir der Auffassung, dass es bei dieser Materie eindeutig einer Rechtsklarheit bedarf. Dies erfüllt der Staatsvertrag unserer Meinung nach nicht. Deshalb können wir diesem nicht zustimmen.

(Beifall bei den LINKEN)

Wir fahren in der ersten Runde fort. Es spricht nun Frau Friedel für die SPD-Fraktion. Frau Friedel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, vielen Dank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Inhalt dessen, was uns vorliegt, ist uns mehrfach durchaus richtig wiedergegeben worden.

Worum geht es heute? Es geht darum, dass wir lediglich die technische und organisatorische Möglichkeit schaffen, den Einsatz der elektronischen Fußfessel auch in Sachsen zu ermöglichen.

Herr Kollege Bartl hatte auf die Ambivalenz des Instruments bereits hingewiesen. Ambivalent heißt aber, dass es nicht nur negative Seiten gibt, sondern es gibt auch positive Seiten. Wir wünschen uns, dass wir das Instrument der elektronischen Fußfessel als Chance begreifen. Sie ist eine Chance zur Haftvermeidung und Resozialisierung. So ist es gemeint und gedacht. Es kann so auch erfolgreich sein.

(Zuruf des Staatsministers Dr. Jürgen Martens)

Herr Staatsminister, ich dachte, ich würde auch in Ihrem Sinne sprechen. Es überrascht mich, dass es anders sein sollte.

Herr Kollege Bartl, ich verstehe Ihre Sorgen nicht, was die Erweiterungsfälle anbelangt. Es ist vom Minister im Ausschuss eindeutig gesagt worden – zu lesen im Ausschussbericht –: Die Möglichkeit weiterer Einsatzzwecke kann nur durch eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden. Dies steht in der Beschlussempfehlung des Ausschusses. Wir allein in dieser Runde haben die Möglichkeit, Ja oder Nein zu sagen. Insofern sehen wir in diesem Punkt kein Problem.

Wesentlich für den Erfolg der Maßnahme ist nicht nur, dass es eine technische Überwachungsstelle gibt, bei der Daten eingehen und ausgewertet werden. Das ist ein technischer Vorgang, bei dem die uns bewegenden Fragen in der Anhörung zufriedenstellend beantwortet wurden. Wir glauben, dass es eine vernünftige Einrichtung ist.

Viel wesentlicher für das Wie scheint uns nicht nur die technische sondern auch die auf der Betreuungsseite liegende Umsetzung zu sein.

Ich mache eine Pause. Ich komme zu einem anderen Thema.

Frau Friedel, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Gestatten Sie diese?

Sie müssen sich schon äußern. Herr Bartl, bitte.

Meine Frage lautet: Glauben Sie, Frau Kollegin, dass die im Artikel 4 aufgeführten weiteren Fälle, die unter Umständen in Hessen zur Anwendung kommen und die man zur Anwendung bringen kann, durch den Landesgesetzgeber tatsächlich geregelt werden?

Ja, das glaube ich.

Es gibt einen § 68b, den der Bundesgesetzgeber erlassen hat. Sie meinen, dass der Landesgesetzgeber dies bei einer Bewährung oder anderen Sachen regeln kann?

Wenn mir der Staatsminister im Ausschuss erklärt – es ist ein öffentliches Dokument und ich zitiere es gern noch einmal –, dass die Möglichkeit weiterer Einsatzzwecke nur von uns durch gesetzliche Grundlage geschaffen werden kann, sehe ich erst einmal keinen Grund, daran zu zweifeln.

Glauben Sie tatsächlich, dass wir als Landesgesetzgeber in der Lage sind, Folgendes zu sagen: Bei Bewährungsanweisungen kann man die elektronische Fußfessel anbringen? Oder kann dies nur der Bundesgesetzgeber? Das regelt § 68b für diesen Fall.

(Zuruf des Staatsministers Dr. Jürgen Martens)

Herr Staatsminister Dr. Martens, Frau Friedel muss die Frage beantworten. Sie haben nachher die Möglichkeit, dies zu vertiefen.

Genau, ich habe meinen Teil zur Beantwortung der Frage beigetragen, Herr Kollege Bartl. Vielleicht fragen Sie noch einmal den Staatsminister, wenn Sie nicht glauben, was in der Beschlussempfehlung steht.

Ich möchte noch einmal auf das Wie zurückkommen. Die technische Umsetzung ist die eine Seite. Was uns in der Anhörung sehr deutlich geworden ist, ist Folgendes: Es gibt auch die andere Seite der Betreuung, die man mit beachten und bedenken muss, wenn solche Projekte und Maßnahmen erfolgreich sein sollen. Es bedarf einer konzentrierten Zusammenarbeit verschiedener Institutionen: der Justizvollzugsanstalten, aus denen die Probanden entlassen werden, der Staatsanwaltschaft, der Polizei, der Bewährungshelfer und all jener, die mit der sozialen Betreuung der Aufsichtsprobanden zu tun haben. Es kann nicht nur damit getan sein, dass jemand eine elektronische Fußfessel umgelegt bekommt und irgendwann ein roter Punkt aufleuchtet. Ansonsten wird er mit der selbstdisziplinierenden Wirkung dieser Maßnahme schon zurechtkommen. Das ist nicht der Fall. Wir haben es mit Straftätern zu tun, die ein Bedürfnis danach haben, in dieser

Maßnahme begleitet zu werden. Die Anforderungen, die eine elektronische Fußfessel an denjenigen stellt, der sie tragen muss, sind sehr hoch. Diese kann man nicht als gegeben ansehen.

Ein Netzwerk ist also erforderlich. Wir haben in der Anhörung gehört, wie andere Bundesländer damit umgehen, dass Fallkonferenzen durchgeführt werden, eine dauerhafte Begleitung erfolgt. Wir wünschen uns, dass in der Umsetzung des Staatsvertrages der Freistaat Sachsen ähnlich ausgreifend und umfassend agiert und sich nicht darauf zurückzieht, einfach nur jemandem etwas um den Fuß gelegt zu haben, und dann ergibt sich der Rest schon von selbst. Hier müssen auch Investitionen, eine Betreuungsstruktur her. Darum bitten wir herzlich, dass das mit vorgesehen wird.

Der Entschließungsantrag der GRÜNEN geht auf diesen Bereich überhaupt nicht ein, dafür auf andere, die auch wir eigentlich schon als geklärt erachtet haben. Deshalb werden wir diesem Entschließungsantrag nicht zustimmen, dem Staatsvertrag jedoch schon.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner für die FDP-Fraktion ist Herr Biesok.

(Unruhe im Saal)

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie doch, Ihre Gespräche etwas zu reduzieren und die Aufmerksamkeit Herrn Biesok zu widmen. – Herr Biesok, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorstehenden Gesetz setzen wir eine Anforderung um, die im Strafgesetzbuch definiert ist. Dort hat man sich entschieden, die Möglichkeit zu schaffen, dass Täter, die eine hohe Haftstrafe verbüßt oder die eine Maßnahme der Besserung oder Sicherung hinter sich haben und entlassen werden, als Auflage bekommen, eine Fußfessel zu tragen. Eine solche Fußfessel ersetzt nicht den Strafvollzug, sondern ergänzt ihn.

Mit unserer Verfassung ist es aus gutem Grund nicht vereinbar, Menschen für immer wegzuschließen. Auch der Täter darf nicht zum bloßen Objekt der Verbrechensbekämpfung werden. Auch unter Verletzung seines verfassungsrechtlich geschützten Wert- und Achtungsanspruches muss er weiterhin als Person wahrgenommen und entsprechend behandelt werden.

Auch wenn es unpopulär ist: Wer sein Auto mit dem Aufkleber „Todesstrafe für Kinderschänder“ schmückt, steht ebenso wenig auf dem Boden des Grundgesetzes wie diejenigen, deren Idealvorstellung vom Strafvollzug ein Häftling ist, der mit Häftlingskleidung im Steinbruch sitzt und Steine hackt, und zwar mit einer echten Fußfessel am Bein.

Wir haben aber auch eine Verantwortung für die Menschen, die Opfer einer Straftat werden können. Die Verfassung gebietet es, eine entsprechende Absicherung der Bevölkerung vorzunehmen. Hier bietet die elektronische Fußfessel neue Möglichkeiten. Sie schützt die Bevölkerung vor rückfallgefährdeten Straftätern und erleichtert deren Resozialisierung.

Jede Haftstrafe ist endlich. An eine lange Freiheitsstrafe oder einen Maßregelvollzug schließt sich eine Phase der Erprobung an. Durch die Weisungen der Führungsaufsicht wird diese begleitet. Einem ehemaligen Häftling kann aufgegeben werden, bestimmte Gebiete nicht zu verlassen oder sich dort nicht aufzuhalten. Diese Auflage kann nur dann wirksam und effizient umgesetzt werden, wenn wir eine elektronische Fußfessel haben. Verletzt der Proband die Regeln, wird die Polizei alarmiert. Diese kann sofort denjenigen orten, der die Regeln verletzt. Ein Zugriff ist jederzeit möglich.

Auf der anderen Seite lernt der Proband aber auch seine Grenzen kennen. Er weiß, dass über die Fußfessel jede Übertretung der Regeln sofort sanktioniert wird. Er wird dabei auffällig und lernt so, mit auferlegten Regeln wieder neu umzugehen. Er lernt seine Grenzen kennen und wird so wieder an ein normenkonformes Verhalten herangeführt.

Mit dem vorliegenden Staatsvertrag wird ein einheitlicher Rechtsrahmen für alle Bundesländer geschaffen. Überschreitet ein ehemaliger Häftling die Landesgrenzen, darf durch unterschiedliche Systeme keine Überwachungslücke entstehen. Die Kosten für den Betrieb werden unter den Ländern aufgeteilt. Dies reduziert insbesondere die Kosten für den Gesamtbetrieb und Unterhalt dieses Systems.

In Artikel 4 des Staatsvertrages wird den Ländern die Möglichkeit gegeben, durch einen eigenen gesonderten Staatsvertrag – Herr Kollege Bartl, so lese ich den Text – mit dem Land Hessen die Fußfessel auch für weitere Aufgaben zu nutzen.

Da die Anlegung einer Fußfessel jedes Mal eine freiheitsentziehende Maßnahme ist, bedarf es hierfür auch einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage. Ich bin strikt dagegen, im Sächsischen Untersuchungshaftvollzugsgesetz oder im noch zu beschließenden Strafvollzugsgesetz eine solche Möglichkeit zu schaffen. Das sage ich Ihnen sehr klar und eindeutig. Mit mir wird es so etwas nicht geben. Der Staatsvertrag ist hier für mich nur zur Umsetzung der Anforderungen aus dem Strafgesetzbuch des Bundes und der Strafprozessordnung da. Weitere Anwendungsbereiche sehe ich im Moment nicht.

Den Belangen des Datenschutzes ist in Verbindung mit § 463a StPO Rechnung getragen worden. Nach zwei Monaten sind die nicht mehr benötigten Daten zu löschen. Wem das zu kurz ist, der kann weiter auf die Vorratsdatenspeicherung hoffen. Dann hätten wir sechs Monate Speicherungsfrist. Damit würden sowohl die Daten von Tätern als auch von unbescholtenen Bürgern weitere vier