Protocol of the Session on May 9, 2012

Das ist ein vollkommen differenzierter Ansatz. Wir können gern im Dissens darüber sein, ob das der richtige Ansatz ist. Aber die Aussage, die Staatsregierung würde für diese Betroffenen keine Förderleistungen bereitstellen, ist schlicht und ergreifend falsch.

Wenn wir uns anschauen, welche Branchen bzw. Unternehmen von der Förderung im Rahmen der GRW per se ausgeschlossen sind – es gibt welche, die ausgeschlossen sind: Ausstellungen, Museen und kulturelle Einrichtungen wie Kino und Theater, alle anderen sind nicht ausgeschlossen –, stellen wir fest: Die Aussage, dass die Staatsregierung in ihrer Förderpolitik bestimmte Branchen, bestimmte Teilmärkte, Kultur- und Kreativwirtschaft ausschließen würde, ist nicht korrekt.

Ich möchte noch eine Bemerkung zur Wirtschaftsförderung treffen, weil wir hier über Wirtschaftsförderung reden. Auch wenn das viele Unternehmen – auch die größeren im Freistaat Sachsen – noch nicht immer verstanden haben: Wir betreiben im Freistaat Sachsen nicht Wirtschaftsförderung, um dem einen oder anderen Unternehmen im Freistaat Sachsen etwas Gutes zu tun. Das tun wir indirekt natürlich, wenn wir das Unternehmen fördern. Das ist aber nicht Leitschnur oder Grundlage der Wirtschaftsförderung. Es wäre auch vollkommen vermessen, wenn der Staat einzelnen Unternehmen etwas Gutes tun würde. Das ist nicht Aufgabe des Staates.

Es geht darum, im Rahmen der Wirtschaftsförderung Maßnahmen zu unterstützen, Finanzierungen zu gewähren, die letztendlich der Volkswirtschaft, den Bürgerinnen und Bürgern im Freistaat Sachsen zugutekommen. Wenn wir diesen Effekt haben, ist es sinnvoll, im Einzelfall dem Unternehmen etwas Gutes zu tun, weil es eben genau diesen Effekt bewirkt. Diese Handlungsmaxime müssen wir bei der Förderung der Ansiedlungen von großen Unternehmen genauso gelten lassen wie bei der Förderung im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft.

Ich habe gerade als spezielles Förderangebot Beratungsleistungen für den Mittelstand angesprochen. Wir fördern Markterschließung von kleinen und mittleren Unternehmen – das ist gerade in diesem Bereich wichtig. Wir fördern die Markteinführung innovativer Produkte – ausdrücklich nicht nur Produktinnovationen, sondern auch

Produktdesign oder Prozessinnovationen, eben nicht den engen Technologiebegriff. Wir unterstützen Unternehmen im Bereich der Außenwirtschaft, zum Beispiel, wenn sie auf Messen gehen und ihre Produkte darstellen wollen. Und wir unterstützen ausdrücklich auch Kooperationen im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft.

Auch Aus- und Weiterbildung ist in diesen sich entwickelnden Branchen – ich denke, gerade im Bereich der Softwareentwicklung – wichtig. Auch stehen die entsprechenden Beratungsleistungen, die Qualifizierungsmaßnahmen des Freistaates Sachsen für die Unternehmen, aber auch für die Beschäftigten in diesen Unternehmen zur Verfügung. Es gibt keinerlei Ausschlüsse im Bereich der Qualifizierungsförderung für die Kultur- und Kreativwirtschaft.

Deswegen, sehr geehrte Damen und Herren, ist dieser Ansatz, wie er im Antrag der SPD verfolgt wird, nicht zielführend: weil er über Kultur- und Kreativwirtschaft redet, aber außer Acht lässt, dass die Branche mit ihren zwölf Teilmärkten so heterogen ist, dass es keine Lösungen für alle zwölf Teilmärkte insgesamt geben kann.

Ich habe aufgezeigt, wie wir als Staatsregierung für die einzelnen Probleme Lösungsmöglichkeiten bieten. Ich bitte Sie, sehr geehrte Damen und Herren, auch den Antrag der Kollegen von der SPD abzulehnen, weil er der Problematik der Kultur- und Kreativwirtschaft in ihrer Differenziertheit nicht gerecht wird.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP und Beifall bei der CDU)

Wir kommen jetzt zum Schlusswort. Herr Dulig hat für die SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, ob ich mich über die Debatte vonseiten der Koalition und des Ministers freuen oder ärgern soll. Freuen unter dem Motto: Wenn das selbstgewählte Image einer wirtschaftsfreundlichen Regierung keine Ahnung von dem hat, was sich in diesem Land entwickelt, dann kann man sich doch nur als Oppositionspartei freuen, weil das entlarvend ist. Wenn Ihre wirtschaftspolitische Vorstellung gerade einmal bis Novaled und Mövenpick reicht und Sie eben nicht diese Vielfältigkeit, die sich hier noch entwickelt, wahrnehmen, wundern mich auch die Debattenbeiträge und Ihr Redebeitrag gar nicht,

(Staatsminister Sven Morlok: Von der Vielfältigkeit habe ich nicht gesprochen, Herr Dulig!)

überhaupt nicht, weil schon Frau Fiedler von dem DreiSektoren-Modell gesprochen hat. Lesen Sie doch einmal den Kulturwirtschaftsbericht! Dann stellen Sie fest, dass genau dieses Drei-Sektoren-Modell allein nicht ausreicht. Wir reden über zwölf Teilmärkte.

(Staatsminister Sven Morlok: Das habe ich doch gesagt!)

Wir werfen uns hier gegenseitig vor, dass wir nicht differenziert genug sind. Dann differenzieren Sie doch mal! Zwölf Teilmärkte! Wenn Sie allein die Kultur- und Kreativwirtschaft nur auf die reine Betrachtung der zwölf Teilmärkte reduzieren würden, werden Sie der Sache auch nicht gerecht. Sie müssen auch das Wesen von Kultur- und Kreativwirtschaft nehmen. Das ist der schöpferische Akt, also das, was sozusagen außerhalb von ökonomischen Kriterien zu bewerten ist.

Dann merken Sie schon, dass Sie eben nicht mit einer Politik durchziehen können, sondern dass Sie vielfältige Antworten benötigen und dass Sie genau deshalb auch eine zentrale Stelle benötigen, die eine solche Übersetzungsarbeit leistet. Das haben Sie doch indirekt damit auch bestätigt. Sie verstecken sich hinter dem Begriff eines Beauftragten, weil Sie an den Datenschutzbeauftragten oder den Ausländerbeauftragten denken.

Was wir aber meinen, ist eine zentrale Koordinierungsstelle, die genau eine solche Übersetzungsarbeit leistet. Alle haben doch nicht ohne Grund das regionale Kompetenzzentrum gelobt. Wenn sie es loben, dann können Sie es doch für Sachsen übersetzen. Dann können Sie doch die richtigen Konsequenzen ziehen!

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Wenn Sie, bitte schön, über die Förderpolitik reden: Ich bin ja bei Ihnen. Es geht doch gar nicht darum, eine andere Förderpolitik zu machen, um eine Branche zu subventionieren, sondern es geht einfach nur darum, dass die Förderinstrumente auch für diejenigen gelten, die bisher ausgeschlossen sind, weil sie bestimmte Produkte haben, die in einem schöpferischen Akt entstehen und nicht in die Kategorien passen, die jetzt im Förderprogramm stehen. Das müssen Sie verstehen! Wenn Sie es nicht verstehen, können Sie natürlich Ihre Förderprogramme nicht anpassen. Ich frage mich nur, warum andere Länder es schon längst verstanden haben. Sie waren doch bei der Wirtschaftsministerkonferenz dabei, wo Sie es besprochen haben. Warum lernen Sie denn nicht auch von dem, was andere machen?

Ich sage auch: Was mich besonders ärgert, ist die Borniertheit, die hinter Ihrer Politik steht. Ich zitiere am Schluss aus Ihrer Antwort.

Bitte zum Schluss kommen.

Sie machen es den Akteuren zum Vorwurf, dass die zu blöd sind. Sie schreiben: „Es wird vielmehr ein Wahrnehmungsproblem aufseiten der Akteure gesehen, dass die bestehenden Programme sie nicht erreichen. Sofern Programme nicht passgenau erscheinen, –“

Herr Dulig, bitte.

– „müssen Defizite konkret benannt werden. Dies ist jedoch bisher auch auf Nachfrage hin nicht geschehen.“ Das ist nichts anderes als Borniertheit. Wir müssen diese Politik verändern – deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 5/8771 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei zahlreichen Stimmen dafür, keinen Stimmenthaltungen ist die Drucksache nicht beschlossen worden.

Meine Damen und Herren! Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Es scheint zur Regel zu werden, meine Damen und Herren: Bevor ich den Tagesordnungspunkt 11 aufrufen darf, bin ich verpflichtet, Sie auf § 79 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung hinzuweisen. Nach der Geschäftsordnung soll die Landtagssitzung von 10 bis 21 Uhr dauern. Wir haben die Tagesordnung noch nicht abgearbeitet und eine Zeit von 21:23:55 Uhr, meine Damen und Herren!

Wir haben noch die Tagesordnungspunkte 11, 12, 13, 14 überschaubar vor uns. Ich möchte Ihnen vorschlagen, dass wir – im Präsidium war die Tagesordnung auch bekannt und absehbar, dass wir bis 21 Uhr möglicherweise nicht fertig werden – die Tagesordnung heute abarbeiten. Möchte hier jemand Widerspruch erheben? – Herr Jurk.

Sehr geehrter Herr Präsident! Nehmen Sie es nicht persönlich, aber ich möchte meinen Widerspruch anmelden. Es wird mittlerweile zur gängigen Praxis, dass gegen die Geschäftsordnung verstoßen wird. Ich denke, dass das nicht in Ordnung ist und dass man eher darüber nachdenken sollte, die Geschäftsordnung zu ändern, als sie ständig abzuändern.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE)

Es gibt auch andere Alternativen, sehr verehrter Kollege Hahn. Deshalb kann ich nur mein Unverständnis deutlich machen. – Ich bin selbstverständlich bereit, weiter zu tagen – keine Frage. Aber ich denke, das sollte nicht weiter einreißen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und den LINKEN)

Herr Jurk, ich kann das sehr wohl verstehen. Ich denke aber, dass Sie alle selbst subjektgeprägt sind, auch als Fraktionen, dass Sie entsprechende Anträge auch zur Diskussion an den Geschäftsordnungs- und Immunitätsausschuss reichen

können, dass eine Beratung darüber erfolgt und wir dann gegebenenfalls im Präsidium noch einmal grundsätzlich darüber sprechen.

Ich bitte Sie jetzt nur für mich um Verständnis. Es scheint mich für diesen Fall jetzt regelmäßig zu treffen. Sie waren sehr freundlich zu mir. Es ist trotzdem über den Vorschlag zu entscheiden: Dürfen wir weitermachen oder nicht? – Erhebt sich hier Widerspruch? – Das kann ich nicht feststellen. Ich bedanke mich bei dem Auditorium und rufe auf

Tagesordnungspunkt 11

Einsatz Europäischer Fördermittel 2014 – 2020 in Sachsen

Drucksache 5/8979, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: GRÜNE, CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD und die Staatsregierung, wenn sie das Wort wünscht. Wir beginnen mit der Aussprache. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN spricht Frau Kollegin Kallenbach. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich bitte Sie, schließen Sie nicht die Augen. Machen Sie sie weit auf, noch einmal Konzentration und erinnern Sie sich daran, dass wir heute den Europatag begehen sollten!

(Zuruf von der NPD: Ein richtiger Festtag!)

Gut geeignet, daran zu denken: Trotz aller durchlebten und akuten Krisen Europa voranzubringen, kann aber nicht Sache der Regierung allein sein. Wir sind Europa! – Mit diesem Manifest zur Neugründung der EU von unten traten auf Initiative von Ulrich Beck und Daniel CohnBendit vor wenigen Tagen etwa 80 Intellektuelle an die

Öffentlichkeit. Sie schlugen vor, die europäische Bürgergesellschaft durch ein freiwilliges europäisches Jahr für alle zu fördern. Ein Europa der tätigen Bürger soll als Gegenmodell zu einem Europa von oben geschaffen werden.

Wir sind Europa! – Das möchte ich auch mit Blick auf die Staatsregierung sagen, die Europapolitik gern als ihren exklusiven Hoheitsbereich betrachtet. Allen ist klar, dass sie bereits an den operationellen Programmen 2014 bis 2020 arbeiten. Diese sind keineswegs reine Verwaltungsdokumente, weder hinsichtlich der Auswirkungen auf die Kofinanzierung aus dem Landeshaushalt noch hinsichtlich der politischen Steuerungsfunktionen. Ich halte es für ein zentrales Recht dieses Landtages, die Förderpolitik mitzubestimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte mir am Europatag vier Visionen zu diesem Thema gönnen: Erstens. Der Landtag wird frühzeitig und umfassend beteiligt.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Jawohl!)