Für die Fraktion DIE LINKE sprach der Abg. Stange. – Gibt es weiteren Redebedarf bei der FDP-Fraktion? – GRÜNE? – NPD? – Kann ich nicht feststellen. Wir könnten jetzt in eine dritte Rednerrunde eintreten. Gibt es Redebedarf bei der einbringenden Fraktion? – Sehe ich nicht. CDU? – Auch nicht. Eine weitere Fraktion? – Sehe ich auch nicht. Damit hat die Staatsregierung das Wort und ich bitte Sie, Herr Staatsminister Morlok, das Wort zu ergreifen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Köpping, Sie haben die Situation im Fernverkehr in Ihrem Redebeitrag sachlich dargestellt. Aber – und das gehört zur Wahrheit dazu – Sie haben ein Debattenthema gewählt, das absolut nicht sachlich ist, denn es hat zwei Teile, nämlich die Aussage zur Situation im Fernverkehr und die Behauptung, wer denn bei uns in Sachsen Gehör finde oder eben auch nicht.
Wenn man sich diese Frage stellt, dann halte ich es für legitim, in einer Debatte darauf hinzuweisen, dass in der Vergangenheit auch andere Personen in dieser Regierung Verantwortung getragen haben. Es geht mitnichten darum, Herr Kollege Jurk, Ihnen die Verantwortung für Streckenstilllegungen der Bahn zu übertragen oder Sie in Mithaftung zu nehmen. Aber wenn wir uns die Frage nach dem Gehörfinden stellen, müssen wir uns auch fragen dürfen, wie ehemalige Verkehrsminister hier im Freistaat Sachsen auf der Bundesebene bei ihren Parteifreunden, die damals von der SPD waren, Gehör gefunden haben. Ich glaube, auch das gehört zur politischen Ehrlichkeit.
Herr Kollege Stange, Sie haben das Thema „Weichenstellungen“ angesprochen. Damit sind wir an einem entscheidenden Punkt angelangt. Während wir im Bereich der Schieneninfrastruktur in Deutschland erhebliche Probleme hatten, weil das Netz vollkommen überlastet war, hat sich Bundesverkehrsminister Tiefensee in seiner Amtszeit in puncto Bahn überwiegend mit der Frage der Privatisierung derselben beschäftigt und gerade nicht die Mühe gemacht, Lösungen der Probleme im Bereich der Schienenverkehrsinfrastruktur in Angriff zu nehmen.
Er war so vermessen, die Bahn mit dem kompletten Netz privatisieren zu wollen. Dass wir Netz und Betrieb zusammen haben, ist das Hauptproblem. Genau das wollte Herr Tiefensee als Bundesverkehrsminister im Zuge der Privatisierung festschreiben. So viel zum Thema „richtige und falsche Weichenstellungen“.
Wenn wir bei uns im Freistaat Sachsen hinsichtlich der Fernverkehrsanbindung Fortschritte erzielen wollen, geht das nur über den Netzausbau. Es ist in der Debatte deutlich geworden, dass diese Verkehre eigenwirtschaftlich erbracht werden müssen. Dazu brauchen wir ein Netz, das genau das attraktiv macht.
Frau Köpping, Sie haben die verschiedenen Projekte angesprochen. Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei Thomas Jurk dafür bedanken, dass er in diesem Zeitfenster die Chance ergriffen hat, die Elektrifizierung der Sachsen-Franken-Magistrale bis Hof durchzusetzen. Es gab dieses Zeitfenster, weil Bundesgeld zur Verfügung stand. Der Freistaat Sachsen ist – leider – zwangsläufig als Mitfinanzier aufgetreten; anders ging es offensichtlich nicht. Aber das bringt uns in diesem Punkt erheblich weiter.
Aber auch die amtierende Staatsregierung widmet sich diesem Thema. Wir wissen, dass die Weiterführung der Strecke, ob nach Nürnberg oder Regensburg, unter den Kollegen in Bayern durchaus unterschiedlich diskutiert wird. Das ist ein wichtiges Problem angesichts der Frage, wo man Investitionsmittel hinlenkt. Herrn Tillich und mir ist es in der gemeinsamen Kabinettssitzung gelungen, die Bayern darauf zu verpflichten, eine Priorisierung der Strecke bis nach Nürnberg vorzunehmen. Das ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Er ist notwendig, um zu einer kompletten Elektrifizierung der Strecke zu kommen.
Aber es ist zuzugeben, dass in der Frage der Fernverkehrsanbindung der Stadt Chemnitz der Schlüssel die Strecke nach Leipzig ist. Ich habe bei meinem Amtsantritt eine Entscheidung vorgefunden, die von der Vorgängerregierung getroffen worden war. Demnach sollte zwischen Leipzig und Borna nur eingleisig ausgebaut bzw. elektrifiziert werden. Herr Jurk, ich weiß nicht, ob Sie in die Entscheidung eingebunden waren; Sie haben den Vermerk nicht abgezeichnet. Es war Ihr Staatssekretär Mangold, der genau diese Entscheidung traf, die Strecke nur ein
gleisig zu elektrifizieren. Das ist eine Fehlentscheidung gewesen. Ich sage das sehr deutlich. Wenn man jemanden von der Initiative lobt, muss man auch das hier ansprechen dürfen.
Deswegen habe ich die Initiative ergriffen, erneut den Versuch zu unternehmen, zu einer elektrifizierten Verbindung zwischen den Städten Leipzig und Chemnitz zu kommen, weil aus meiner Sicht nur dadurch das Problem der mangelnden Fernverkehrsanbindung der Stadt Chemnitz gelöst wird. Ich habe angeboten, dass wir – wie auch Sie es gemacht haben, Herr Jurk – mit Planungsmitteln in Vorleistung gehen, und sogar signalisiert, dass wir uns eine Mitfinanzierung des Baus vorstellen können. Denn das sehe ich als Schlüssel für eine erfolgreiche Fernverkehrsanbindung der Stadt Chemnitz an.
Auch die Verbindung zwischen Dresden und Prag ist in der Debatte angesprochen worden. Das ist eine strategische Fragestellung. Es geht nicht darum, ob wir in den nächsten vier, fünf Jahren den Bau der neuen Fernverkehrsverbindung zwischen Dresden und Prag erleben werden. Entscheidend ist, ob diese Strecke im Kernnetz der EU verankert wird. Wenn dies geschieht, werden nämlich EU-Gelder fließen. Da wir hier über eine Milliardeninvestition reden, ist wohl jedem klar, dass diese Investition ohne EU-Gelder nicht getätigt werden könnte.
Auch in diesem Punkt sind wir erfolgreich; wir finden nämlich Gehör. Wir haben es geschafft, dass diese Strecke in die Kernnetzplanung der EU-Kommission aufgenommen wurde.
Jetzt ist entscheidend, ob es uns gelingt, dies im weiteren Prozess – im Europäischen Rat und im Europäischen Parlament – durchzuhalten. Entscheidend ist insoweit die Positionierung der Bundesregierung. Ich bin sehr froh, dass Verkehrsminister Ramsauer am Freitag im Rahmen einer Beratung in Pirna sehr deutlich gemacht hat, dass für ihn diese neue Trasse mittelfristig ein Thema ist. Das ist ein Erfolg der Sächsischen Staatsregierung. Sie sehen: Wir finden in Berlin Gehör. Es gelingt uns, unsere Themen dort zu platzieren. Ich bin mir sicher, wir werden vom Bund Unterstützung für die Neutrassierung der Strecke Dresden–Prag und für die Aufnahme des Projektes in das Kernnetz der EU bekommen. Damit haben wir die Chance, es mittelfristig realisieren zu können.
Wir finden auch deswegen Gehör in Berlin, weil wir unsere Position – Sie haben den einstimmig gefassten Parlamentsbeschluss zitiert, Frau Köpping – gemeinsam vertreten. Das hat in Brüssel und auch in Berlin sehr wohl für Aufmerksamkeit gesorgt. Während in anderen Teilen der Republik Schienenfernverkehrsprojekte – wie „Stuttgart 21“ – nicht mehr oder nur noch unter Schwierigkei
ten durchgesetzt werden können, hat es hier in diesem Haus einen einstimmigen Beschluss für das Projekt Dresden–Prag gegeben. Das hat durchaus für Aufmerksamkeit bei den Kollegen in Brüssel gesorgt. Ich kann Sie alle nur herzlich bitten: Unterstützen Sie uns in dieser Frage weiterhin! Dann wird es gelingen, dieses Projekt auch auf der Bundesebene zu verankern.
Abschließend möchte ich Folgendes deutlich machen: Bei all diesen Problemen ist erst in zweiter Linie die Bahn der Adressat. In erster Linie ist es der Bund, weil die Infrastrukturfinanzierung Bundesangelegenheit ist. Der Bundeshaushalt ist in diesem Bereich chronisch unterfinanziert. Das liegt aber nicht daran, dass wir auf der Bundesebene kein Geld hätten, sondern daran, dass dort die falschen Schwerpunkte gesetzt werden. Ich kann Sie nur
bitten: Unterstützen Sie uns, die Staatsregierung, bei unserer Arbeit in Berlin, indem Sie in Ihren Parteien und Fraktionen dafür sorgen, dass es auf Bundesebene mehr Akzeptanz dafür gibt, die vorhandenen finanziellen Mittel nicht im Sozialbereich, sondern für eine zukunftsfähige Infrastruktur einzusetzen.
Für die Staatsregierung sprach Herr Staatsminister Morlok. Wir sind am Ende der 1. Aktuellen Debatte angekommen; sie ist abgeschlossen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Vor wenigen Wochen war in den Medien zu lesen, dass Sachsen eine Regierungskrise habe. Das wirft automatisch die Frage auf, wie die politische Führung in einer Demokratie im 21. Jahrhundert hier in Sachsen aussehen soll – jenseits hektischen Bemäntelns einer angeblichen Regierungskrise.
Das wirft auch ein Licht auf die Akteure. Da sind Sie, Herr Ministerpräsident Tillich, Sie, Herr Fraktionsvorsitzender Flath, und der nicht anwesende Fraktionsvorsitzende Zastrow gefragt.
Natürlich kann man situativ zwischen einem autoritären, einem demokratischen und einem Laissez-faire
Führungsstil wählen, je nachdem, was angemessen ist. Aber das sprunghafte Changieren zwischen einem Platzhirsch-Gehabe oder einem uninteressierten Laissez-faire als ein Führungsstil vorgetäuschter Toleranz haben dazu geführt, dass zwei Minister über Monate hinweg wie DZüge in Zeitlupentempo aufeinander zu gefahren und schließlich gecrasht sind. Es ist dabei herausgekommen, dass Sie Ihre politische Führung, wie ich finde, nicht ordentlich ausgeübt haben. Herr Tillich, es ist schwer, bei Ihnen herauszuhören, ob Sie mit Ihrem Laissez-faireFührungsstil eine aktive Toleranz befördern in dem Sinne, dass Sie sagen: „Auch für die Meinung eines anderen habe ich einzutreten“, oder ob es einfach nur Desinteresse ist oder das Verzweifeln vor der Komplexität des 21. Jahrhunderts.
Da kann man nicht Sinatra anstimmen und sagen: I did it my way. Diese Nicklichkeiten unter Männern, die zu einer Blockade der Regierungstätigkeit, zu einer geheimen Miniarbeitsgruppe Zastrow–Flath und einem Miniergebnis Bildungspaket geführt haben, machen deutlich, dass hier dringend mal Geld für ein Führungsseminar ausgegeben werden müsste. Das würden wir wahrscheinlich sogar im nächsten Haushalt unterstützen – besser, als Herrn Cohausz noch einmal auf Schulung zu schicken.
Ich habe heute das Interview in der „Sächsischen Zeitung“ gesehen. Herr Tillich, Sie haben versucht, im Vorfeld die heutige Debatte zu entschärfen. Das ist Ihr gutes Recht. Sie haben gesagt, ich habe meinen eigenen Stil. Gerne! Welchen denn? Wir würden gern wissen, welchen.
Ich habe das ganze Interview gründlich gelesen. Sie wurden gefragt: Woran lag das Fehlen einer Lösung? Sie sagen: Da müssen Sie die Handelnden fragen. Da haben Sie also nicht gehandelt.
Herr Tillich übernimmt keine Verantwortung. Herr Wöller hat Ihnen mit seinem Rücktritt Ihren, der fällig war, abgenommen. So sieht die Wahrheit aus. Sie haben, das sagte ich gerade, zwei Minister als D-Züge aufeinander zu fahren lassen, wo eine politische Grundsatzentscheidung nötig war. Da gab es kein Problem zwischen Beamten zu lösen, die irgendwie verschiedene Tabellenkalkulationen überprüfen mussten. Es wurde eine Grundsatzentschei
Sie wurden gefragt: Ein Dritter ordnet den Streit? Darauf haben Sie geantwortet: Ja, ich habe sie immer wieder aufgefordert, sie mögen sich zusammensetzen und das lösen. Eine Grundsatzentscheidung können Sie nicht dadurch lösen, dass Sie die beiden einsperren und mit Plätzchen versorgen, die Sie gebacken haben, sondern da muss eine Grundsatzentscheidung mit Mehrheiten in den Fraktionen und im Kabinett gefällt werden.
Dann höre ich diese sehr männliche Attitüde: Oben auf dem Dach, da schlagen die Blitze eben zuerst ein.