Protocol of the Session on April 3, 2012

Noch einmal: Alle Schulden in diesem Freistaat hat die Union gemacht. Das ist eine Tatsache. Der erste schuldenfreie Haushalt ist in Sachsen mit der SPD gemacht worden, und das trotz eines kostenfreien Vorschuljahres, Herr Zastrow.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Das habe ich gemacht.

(Lachen bei der CDU)

Das habe ich mit dem Herrn Flath verhandelt. Das ist richtig.

(Christian Piwarz, CDU: An Selbstvertrauen mangelt es Ihnen nicht! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

Ich möchte noch auf – –

(Zurufe von der CDU)

Auch diese Altlast – das haben einschlägige Institute im HFA und die Prüfer dargelegt – hat die CDU mit Milbradt und zuvor mit Biedenkopf unterschrieben. Das muss man auch deutlich sagen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Arne Schimmer, NPD – Zurufe von der CDU)

Zum Sachverhalt: Ich glaube, Kollege Scheel hat auf einen Aspekt aufmerksam gemacht, der in dieser Diskussion teilweise völlig untergeht. Wir haben nicht erst ab dem Jahr 2019 die Verhandlungen zum Länderfinanzausgleich. Wir haben das Problem, dass wir uns vorher über die Regionalisierungsmittel unterhalten müssen. Wir werden uns über das Auslaufen des Gemeindefinanzierungsgesetzes unterhalten müssen. Wir werden uns über die Mittel des Bundesverkehrswegeplans unterhalten müssen. Wir werden in diesem Prozess finanziell so fett gefressen sein, dass wir mit den anderen Bundesländern nicht mehr mithalten können. Das wird unser eigentliches Problem sein.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Ja, richtig!)

Was glauben Sie denn, warum es in NRW einen Investitionsstau im Öffentlichen Personennahverkehr in Höhe von 3,5 Milliarden Euro gibt? In Rotterdam gibt es ein neues Terminal. Einige Rhein-Brücken sind für den gesamten Lkw-Container-Verkehr gesperrt. Alles rollt durch NRW. Was glauben Sie, warum bei den Verhandlungen noch ein Groschen nach Sachsen fließen sollte? Das ist ein echtes Problem.

Wir müssen dokumentieren, dass wir mit unserem Geld in Zukunftsbereiche investieren und es nicht auf Konten mit 2,5 % lagern, auf denen es die Inflation auffrisst. Sie wissen, dass die Inflation im Bau- bzw. im Personalbereich wesentlich höher ist. Das, was wir zurzeit im Pensi

onsfonds haben, frisst uns die Inflation auf. Es macht doch keinen Sinn. Das müssten doch selbst Sie nachrechnen können.

Zum Abschluss noch eine Anmerkung zum Soli. Mein Hauptproblem ist – das habe ich schon in vielen Reden angesprochen –, wenn ich mich hier wie Herr Michel hinstellen und schreien würde: Die anderen machen Schulden und wir machen Investitionen. Ich finde, derjenige, der nimmt, der es braucht und angewiesen ist auf die Solidarität, der sollte sich sehr genau überlegen, auf wen er bei unserer Steuerquote und der Höhe der Arbeitslosigkeit mit dem nackten Finger zeigt. Diese Themen treiben mich um.

Ich halte es einfach für beschämend, was wir teilweise machen, insbesondere Ihre Truppenteile mit Arbeitgeberländern und sonst welchem Unfug.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Das tut einfach weh und diesbezüglich verstehe ich bestimmte Kommunen, aber auch einige alte Bundesländer.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Wird von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch das Wort gewünscht?

(Antje Hermenau, GRÜNE: Lohnt nicht!)

Das lohnt nicht. – Die NPD-Fraktion? – Nein. Dann frage ich, ob noch eine dritte Runde gewünscht wird. – Das sieht nicht so aus. Herr Minister, dann übergebe ich Ihnen jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man sich die finanzpolitische Diskussion in der Öffentlichkeit einmal anschaut, dann merkt man, dass zurzeit zwei große Felder diskutiert werden: auf der einen Seite ein internationales Problem, die Finanzkrise und alles, was damit zusammenhängt, und auf der anderen Seite ein nationales Thema, nämlich: Wie geht es mit dem Solidarpakt oder dem Finanzausgleich weiter?

Ich möchte zur Haushalts- und Finanzsituation von vornherein eines deutlich machen – diesbezüglich ist es egal, ob wir über eine Kommune oder über ein Land sprechen: Die Verantwortung dafür tragen die politischen Verantwortungsträger.

Verantwortung kann man nicht delegieren und Verantwortung kann man auch nicht abschieben. Deshalb lassen Sie mich zur Ostförderung vier Vorbemerkungen machen:

Erstens. Die neuen Bundesländer erhalten Unterstützung durch den Solidarpakt. Diese Mittel werden allein vom Bund zur Verfügung gestellt.

Zweitens. Nach der Wiedervereinigung wurde ein Solidaritätszuschlag erhoben, um den Aufbau Ost zu gewährleisten. Der Aufschlag erfolgte auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer. Diese Einnahmen fließen vollständig dem Bund zu und sie werden dort ohne Zweckbindung verwendet. Herr Scheel hat darauf vorhin schon hingewiesen. Das heißt, diese Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag sind allgemeine Steuereinnahmen. Sie werden von den Bürgern und den Firmen in Ost und West entrichtet.

Drittens. Es gab einen Vorläufer zum Länderfinanzausgleich. Das war der Fonds „Deutsche Einheit“. Er wurde später aufgelöst und die Restschulden wurden als allgemeine Bundesschulden in den Bundeshaushalt übernommen. Frau Hermenau hatte vorhin darauf hingewiesen.

Viertens. Wir diskutieren den horizontalen Finanzausgleich der Länder untereinander, das heißt, den Länderfinanzausgleich. Hier galt es, die neuen Länder zu integrieren. Dafür hat der Bund den alten Ländern ganz bestimmte Erleichterungen zugebilligt. Herr Michel hat das vorhin schon ausgeführt.

Der Bund hat seinerseits 7 Prozentpunkte Umsatzsteuer an die Länder abgegeben. Das bedeutet allein für das Jahr 2011 – Herr Michel hat es vorhin schon zu Recht gesagt –, dass das Land Nordrhein-Westfalen von ungefähr 2,5 Milliarden Euro entlastet worden ist. – Das als Vorbemerkung zu den ganzen Osttransferleistungen.

Was ist mit den Geldern des Solidarpakts passiert? – Ich glaube, wir haben mit den Geldern eine ganze Menge im Freistaat erreicht: Wir haben inzwischen eine exzellente Infrastruktur. Natürlich weiß ich aber auch, dass die Autobahn zwischen Chemnitz und Leipzig noch nicht fertig ist. Wir brauchen sicherlich noch die eine oder andere Umgehungsstraße und sicherlich ist der Eisenbahnausbau noch nicht beendet.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Wir haben inzwischen wettbewerbsfähige Unternehmen. Wir wissen aber natürlich auch, dass die eine oder andere Konzernzentrale in Sachsen hilfreich wäre. Wir haben inzwischen die Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts in Sachsen, seien es die Mikroelektronik oder die Biotechnologie. Wir haben inzwischen exzellent aufgestellte Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Ich weiß natürlich auch, dass insbesondere an den Universitäten noch ein gewaltiger Sanierungsbedarf besteht.

Bei all diesen Dingen gibt es nach wie vor viel zu tun. Wir haben heute Morgen schon lebhaft darüber diskutiert.

Ein wichtiger Punkt ist, wie wir die Arbeitslosigkeit weiter senken können. Dazu ist es notwendig, insbesondere in die Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung zu investieren und die Wirtschaft weiterhin gezielt zu fördern. Auch die wirtschaftliche Leistungskraft hinkt noch hinterher. Vorhin wurde schon zu Recht gesagt, dass wir in Sachsen zurzeit ein Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung von rund 75 % des Bundesdurchschnitts haben.

Hinzu kommt, dass wir in vielen westlichen Bundesländern starke Regionen in der Nachbarschaft von schwachen Regionen haben. Das haben wir in Sachsen noch nicht.

Außerdem möchte ich das niedrige Steueraufkommen ansprechen. Vorhin wurde schon die kommunale Steuerkraft thematisiert. Wenn ich sie mit dem Ruhrgebiet vergleiche, dann haben wir in Duisburg eine kommunale Steuerkraft von 715 Euro pro Einwohner und in Leipzig von 651 Euro pro Einwohner. Gehen wir in die finanzstarken Kommunen: Essen hat eine kommunale Steuerkraft von 1 156 Euro pro Einwohner, Dresden hingegen von 774 Euro je Einwohner.

Wenn ich mir die Einkommensteuer anschaue, dann ist die stärkste kreisfreie Kommune, Dresden, deutlich schwächer als die schwächste im Ruhrgebiet, Gelsenkirchen. Damit will ich die Probleme der Kommunen im Ruhrgebiet nicht leugnen. Sie stehen vor gigantischen strukturellen Aufgaben, aber die Wirtschaftskraft und das Steueraufkommen in Sachsen sind nach wie vor erheblich niedriger als in Nordrhein-Westfalen.

Wir werden auch in den nächsten Jahren die Solidarpaktmittel dringend benötigen, damit wir den Aufholprozess bis zum Jahr 2020 halbwegs erfolgreich werden gestalten können.

Was haben wir mit den Solidarpaktmitteln gemacht? – Wir haben sie vollumfänglich für den Wiederaufbau der Infrastruktur genutzt. Wir haben aber auch in großem Umfang eigene Mittel investiert. Nicht umsonst ist die Investitionsquote im Ländervergleich in Sachsen am höchsten. Sie liegt zurzeit bei 19 %.

Wenn wir vergleichen, wo unsere Prioritäten liegen, dann sage ich nur, dass wir im Vergleich zu den anderen neuen Bundesländern zweimal so viel in den Hochschulbau investieren. Außerdem investieren wir pro Kopf deutlich mehr in den Schul- und in den Straßenbau. Das heißt, die Schwerpunkte sind Bildung, Forschung und Verkehrsinfrastruktur – die Basis für eine gute künftige Entwicklung.

Wenn die Solidarpaktmittel nun abrupt zu Ende gehen sollten, dann würden diese Erfolge gefährdet werden; denn wenn ich mir den Haushalt anschaue, dann fließen aus diesem Bereich immerhin rund 2,1 Milliarden Euro in den Haushalt ein. Das sind rund 12 % unseres Haushalts. Sie wissen, diese Mittel werden bis zum Jahr 2020 auf null zurückgefahren werden.

Das wird uns vor große Herausforderungen stellen. Wir werden mit jeder Haushaltsaufstellung Strukturen anpassen müssen, damit wir mit dieser Situation zurechtkommen. Deshalb stehen wir zu diesen Herausforderungen. Umgekehrt erwarten wir aber, dass die Vereinbarungen zu den Solidarpakten eingehalten werden.

Ein weiterer Ausbauprozess wird nur möglich sein, wenn wir weiterhin die Unterstützung des Bundes und der Geberländer im Länderfinanzausgleich haben werden. Die geringe Verschuldung des Freistaates ist ein Indiz dafür, dass wir mit der finanziellen Unterstützung verantwortungsvoll und erfolgreich umgehen und wirtschaften.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

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