Wenn man sich dann einmal die FDP anschaut, wollte sie auf Bundesebene noch härtere Bedingungen haben. Hier in Sachsen hat die Werbeagentur Zastrow mit angeschlossener Partei plakatiert: „Herz statt Hartz“. Das ist doch die Wahrheit, und heute stellen Sie sich hin und sagen, wie toll das Rot-Grün war.
Mir fallen andere Namen als von FDP-Abgeordneten ein, wenn es darum ging, die Krisen zu bestehen. Ich glaube, Peer Steinbrück und Olaf Scholz sind die Namen, die aktiver etwas getan haben, um durch diese Krise zu kommen, ob es jetzt die Kurzarbeiterregelung, die kommunalen Investitionsprogramme oder die Abwrackprämie waren.
Okay, das nächste Mal werden wir die Abwrackprämie so regeln, dass man auch ein Fahrrad kaufen kann.
Kommen wir doch einmal zu Sachsen. Was ist die aktive Arbeitsmarktpolitik in Sachsen? Schauen wir doch einmal in den Koalitionsvertrag. Was steht im Koalitionsvertrag? – Nichts steht zum Thema Arbeitsmarktpolitik darin. Aber in den letzten zweieinhalb Jahren haben Sie eine ganz tolle Initiative gestartet. Diese heißt: 5 000 mal 50. Auch das ist wieder so billig, weil man diese 5 000 allein aufgrund der demografischen Entwicklung erreicht. Sie umschreiben das sogar noch ganz höflich. Sie sagen: Um die Initiative 5 000 mal 50 erfolgreich zu verwirklichen, setzen wir jedoch nicht auf mehr Verwaltungsaufwand oder neue Programme, vielmehr werden wir die bereits bestehenden Möglichkeiten nutzen." Was heißt das jetzt übersetzt? – Der Ministerpräsident sagt, ältere Arbeitnehmer einzustellen ist wichtig, aber er hat keine Lust, etwas Konkretes dafür zu tun. Das wird schon irgendwie von selbst. Diese Hoffnung ist im Kabinett Tillich II zum universellen Handlungsleitfaden geworden: Aktivität vortäuschen, um nichts zu tun und zu hoffen, dass es dann doch irgendwie wird.
Es gibt gar keinen Grund, sich zurückzulehnen. 11 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Sachsen sind marginal beschäftigt, zum Beispiel in Ein-Euro-Jobs. Dazu steigt der Anteil der Leih- und Zeitarbeiter am stärksten bei den neu geschaffenen Jobs. Sachsen liegt bei den Aufstockern im Spitzenfeld. 9 % der Betroffenen bundesweit kommen aus Sachsen. Bei einem Bevölkerungsanteil von 5 % wird deutlich, dass wir in diesem Punkt ein überdurchschnittliches Problem haben. Diese Fehlentwicklung am Arbeitsmarkt kostet uns Sachsen richtig viel Geld, allein 206 Millionen Euro, um Geringverdiener mit Vollzeitjobs auf ein Existenzminimum zu heben. Rechnet man alle Betroffenen zusammen, gab Sachsen im Jahr 2011 790 Millionen Euro für die Subventionierung von Niedrigjobs aus.
Das kommt uns allen teuer zu stehen. Im Jahr 2010 wurden in Sachsen rund 100 000 Haushalte gezählt, bei denen der Niedriglohn durchschnittlich 665 Euro im Monat betrug und aufgestockt werden musste. Das ist die Bilanz, die wir hier ziehen, und die ist nicht rosig.
Ich möchte zweitens zum Thema Schlecker etwas sagen. Es ist ja schon interessant, wie wendig die Koalition ihre Politik im Fall Schlecker auslegt. Da sagt zum Beispiel Herr Zastrow: „Es ist vollkommen unsinnig, ein gescheitertes Geschäftsmodell mit Steuergeldern künstlich am
Leben zu halten.“ Interessant ist, dass gerade dieses gescheiterte Geschäftsmodell jenes ist, das die Sächsische Staatsregierung und vor allem ihr FDP-Anhängsel so gern propagiert: wenig Geld für viel Arbeit, Arbeitsbedingungen, die der Familienunternehmer noch selbst nach Gutsherrenart festlegt, Ausgründungen von unternehmenseigenen Zeitarbeitsfirmen, Unterlaufen von Tarifverträgen usw. usw.
Es drängen sich zwei Fragen auf: Hat Herr Zastrow endlich erkannt, dass solche Geschäftsmodelle nicht mehr zeitgemäß sind, und wird er daraus entsprechende Konsequenzen ziehen? Und sollte nicht umgehend die Zahlung der Fraktionszuschüsse an die FDP eingestellt werden? Denn das ist doch auch ein gescheitertes Geschäftsmodell, das nur noch mit Steuergeldern künstlich am Leben gehalten wird.
Dummerweise passen die Fakten so gar nicht zum Zitat von Herrn Zastrow, das man so ähnlich vom Ministerpräsidenten Tillich und von Herrn Flath hören konnte; denn bei Schlecker ging es nie um den Erhalt des gescheiterten Geschäftsmodells mit Steuergeldern. Zum einen haben nicht die Beschäftigten die Insolvenz verursacht, sondern die Eigentümer. Während die Familie Schlecker aber ein paar Millionen aus dem Desaster retten dürfte, geht es für die Beschäftigten um die nackte Existenz.
Aber das allein ist natürlich kein Argument für die Staatsregierung. Nicht einmal Wohlmeinende sind der Auffassung, dass sich diese Staatsregierung für die arbeitslosen Verkäuferinnen interessiert. Aber selbst wenn es um die ordnungspolitische Frage und nicht um die Menschen ginge, wäre die Argumentation der Staatsregierung Unsinn. Bei Schlecker ging es nämlich um eine Bürgschaft – nicht um Staatszuschüsse. Der Staat hätte also nur Geld zahlen müssen, wenn es nicht gelungen wäre,
für Schlecker einen Käufer zu finden, der das Geld mitgebracht hätte, um einen Teil der Kosten der Transfergesellschaft zu zahlen. Bürgschaften sind nun einmal das tagtägliche Geschäft der Staatsregierung.
Sie vergibt jedes Jahr Dutzende davon. Nur um einmal die Zahl zu verdeutlichen: Es ging um eine Bürgschaft in Höhe von 3,6 Millionen Euro. Das ist gerade einmal so viel, wie die verfehlte Personalpolitik mit einem zusätzlichen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, einem zusätzlichen Pressesprecher plus der Entlassung des Kultusministers und seines Staatssekretärs in Summe kostet.
Es gibt noch einen Unterschied: Das Geld für die vier Hansel wird auf jeden Fall fällig; das Geld für Schlecker wäre nur fällig geworden, wenn die angebotene Sicherheit nicht ausgereicht und sich keine solventen Investoren gefunden hätten.
Klar ist, was die Strategie der FDP dabei ist: Sie glaubt, mit einem radikalen neoliberalen Kurs wieder bei mindestens 5 % der Bevölkerung punkten zu können. SchleckerVerkäuferinnen müssen schlichtweg dafür büßen, dass die FDP in der Wählergunst bei 2 % steht. Unklar ist nur, warum Herr Tillich und Herr Flath genauso motiviert sind, diese unwürdige Posse mitzuspielen und sie ungefragt zu unterstützen. Nur das müssen Sie dann bitte auch in Ihren Wahlkreisen erklären, wenn reihenweise die Schlecker-Filialen dichtgemacht werden und 800 Arbeitsplätze verlorengehen.
Ich muss Ihnen auch sagen, Herr Morlok: Nehmen Sie bei Ihrer Argumentation bitte nicht das Wort Solidarität in den Mund, wenn Sie über Schlecker und über die SchleckerFrauen reden,
Quelle hatte damals einen Notkredit bekommen, der mit 25 Millionen Euro vom Bund, 20,5 Millionen Euro von Bayern und 4,5 Millionen Euro von Sachsen gefüllt war. Dieser Notkredit ist komplett zurückgezahlt worden.
Dass damals Bayern und Sachsen eingesprungen sind, lag schlichtweg daran, dass das Stammhaus in Fürth saß und dass die größte Einrichtung mit Arbeitnehmern das Versandhandelszentrum in Leipzig war. Das waren die Gründe, warum man sich in diesen Kredit hineingeteilt hat. Das hat mit den Schlecker-Filialen, die bundesweit verteilt sind, nichts zu tun.
Das ist eine plumpe Ausrede von Ihnen, nichts anderes. Sie sind zu feige gewesen, sich aktiv dafür einzusetzen.
Nils Schmid gehört habe, haben Sie sich doch noch am Telefon verleugnen lassen, als es um die Rettung ging.
(Staatsminister Sven Morlok: Das ist eine Unterstellung! – Zurufe der Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE, und Karl Nolle, SPD)
Mir geht es wirklich um die Verantwortung für die Menschen. Sich hier hinzustellen und zu sagen, das hat mit mir nichts zu tun, und vor allem mit Ihrem letzten Satz Ihrer offiziellen Regierungserklärung zu sagen, dass es Ihnen um die Interessen der Menschen geht – die konkrete Politik beweist das Gegenteil. Sie lassen die Menschen im Regen stehen. Die Schlecker-Frauen haben es zu spüren bekommen, und es wird so weitergehen, denn Sie machen keine aktive Arbeitsmarktpolitik im Interesse von Sachsen. Sie sind derjenige, der sich jetzt aufgrund guter Zahlen sonnen kann, die ihre Ursache in der demografischen Entwicklung und der guten Konjunkturlage haben, aber nicht durch Ihr ganz konkretes politisches Handeln zu verzeichnen sind.
Die Herausforderungen für Sachsen sind größer, als sich jetzt mit den aktuellen Zahlen zufriedenzugeben. Der Fachkräftemangel, den alle im Munde führen, braucht Lösungsansätze, die weit über das hinausgehen, was Sie mit Modellprojekten an Kitas oder mit Weiterbildungsschecks meinen. Dafür brauchen Sie tatsächlich eine Gesamtstrategie der gesamten Staatsregierung, die Sie selbst angesagt haben. Wo ist sie denn? Wo gibt es bei Ihnen die Gesamtstrategie von frühkindlicher Bildung über die Absicherung des Lehrerbedarfs?
Wo geht es um die Frage, wie Sie Aus- und Weiterbildung sichern? Wie machen Sie eine aktive Arbeitsmarktpolitik? Gegen den Regierungsschreck hilft auch kein Weiterbildungsscheck. Sie brauchen eine andere Art von Arbeitsmarktpolitik bzw. wäre es gut, wenn Sie überhaupt erst einmal eine machen würden; das wäre wichtig.