Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich aus aktuellem Anlass die Gelegenheit nutze, einige Worte zum Thema Schlecker zu sagen.
Wir haben uns von Anfang an als Staatsregierung für eine Politik im Interesse der Mitarbeiterinnen im Freistaat Sachsen entschieden.
Wie Sie wissen, handelt es sich bei Schlecker um die Insolvenz eines Handelsbetriebes, bei dem die Mitarbeiterinnen – es sind überwiegend Mitarbeiterinnen – ihrer Beschäftigung in der gesamten Fläche des Freistaates Sachsen nachgehen. Die Instrumente einer Transfergesellschaft greifen in diesem Fall nicht, weil sie eben nicht an einem Ort zur Qualifizierung und zur Weiterbildung zur Verfügung stehen. Wir haben im Freistaat Sachsen Akteure, die diese dezentrale Unterstützung und Qualifizierung leisten können. Wir haben uns daher als Staatsregierung sehr früh mit den Partnern, der Bundesagentur und dem Handelsverband, zusammengesetzt, um auf ein Scheitern der Transfergesellschaft vorbereitet zu sein, während andere Bundesländer über Bürgschaften gefeilscht haben.
(Lachen bei der SPD und den LINKEN – Stefan Brangs, SPD: Das ist der Hohn, das ist eine schallende Ohrfeige! – Antje Hermenau, GRÜNE: Ihr Liberalismus macht einem richtig Angst!)
Diese Vorbereitung zahlt sich nun aus. Bereits gestern war es möglich, das Profiling, das der Handelsverband für die Mitarbeiterinnen erstellt hat, der Bundesagentur zu übergeben. Die Bundesagentur kann damit schneller
Zur Stunde findet in meinem Ministerium eine Beratung statt, in der wir gemeinsam mit dem Handelsverband unsere weiteren Aktivitäten abstimmen.
Ich habe mich letzte Woche an den Geschäftsführer des SSG mit dem Ziel gewandt, vor Ort Lösungen für die Kommunen zu suchen, wo mit Schlecker der letzte Einzelhändler in der Gemeinde dichtmacht. Hier gibt es entsprechende Beratungsangebote des Handelsverbandes. Hier gibt es auch Hilfen für die Existenzgründung durch den Freistaat Sachsen. Diese Instrumente wollen wir gemeinsam mit den Kommunen vor Ort einsetzen. Übrigens bietet für dieses Problem des Schließens des letzten Einzelhändlers vor Ort eine Transfergesellschaft auch keine Lösung.
(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung – Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD – Zuruf von der NPD)
Lassen Sie mich noch auf ein anderes Handelsunternehmen eingehen. Wir hatten vor einigen Jahren in Deutschland die Insolvenz von Quelle. Hiervon war auch der Freistaat Sachsen betroffen. Dort wurde es so gemacht, wie es immer gemacht wurde, wenn bei einer Unternehmensinsolvenz mehrere Bundesländer betroffen sind. Die Bundesländer, in denen jeweils mehr als 10 % der Beschäftigten ansässig sind, beteiligen sich an der Unterstützung und der Absicherung einer Transfergesellschaft. Wir haben mit den Kollegen aus Bayern das Problem Quelle allein geschultert, weil bei uns und in Bayern mehr als 10 % der Mitarbeiter beschäftigt waren.
Ich kann nicht nachvollziehen, warum nun plötzlich, wenn ein Unternehmen mit dem Firmensitz in BadenWürttemberg Insolvenz anmeldet, die bewährte Regelung nicht mehr gelten soll, dass die Bundesländer sich an der Absicherung beteiligen, bei denen mehr als 10 % der Mitarbeiter beschäftigt sind. Das wären in diesem Fall Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gewesen.
Ich weise den Vorwurf der mangelnden Solidarität mit Nachdruck zurück. Ich habe nicht erkennen können, dass Baden-Württemberg bei der Quelle-Insolvenz bereit gewesen wäre, uns solidarisch mit einer Bürgschaft zu unterstützen.
Ich bin mir sicher, dass es mit unseren abgestimmten Instrumenten von Bundesagentur, Handelsverband und Staatsregierung gelingen wird, über 80 % der betroffenen Mitarbeiter in eine neue Beschäftigung zu vermitteln. Das
(Stefan Brangs, SPD: War das eine Fachregierungserklärung? – Johannes Lichdi, GRÜNE: Das muss man dazusagen! – Dr. Edith Franke, DIE LINKE, und Jürgen Gansel, NPD, stehen an Saalmikrofonen.)
Ich sehe aber an Mikrofon 7 Redebedarf. Sie wollten eine Kurzintervention vortragen? Aber das war kein Debattenbeitrag. Das ist an dieser Stelle nicht möglich.
Wir kommen jetzt zur Aussprache zur Fachregierungserklärung. Folgende Redezeiten für die Fraktionen wurden festgelegt: CDU 33 Minuten, DIE LINKE 24 Minuten, SPD 14 Minuten, FDP 14 Minuten, GRÜNE 12 Minuten, NPD 12 Minuten. Die Reihenfolge in der ersten Runde: DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD. Das Wort ergreift für die Fraktion DIE LINKE Herr Kollege Kind.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich vermute, meine Kollegin Franke wollte sich darauf beziehen, dass Staatsminister Morlok in seiner Fachregierungserklärung im Zusammenhang mit Menschen ausgeführt hat, dass man diese „entsorgen“ könnte oder müsste. Das ist ein Skandal, Herr Staatsminister, das muss hier laut benannt werden. Das hätte ich von einem Minister der FDP nicht erwartet.
Bevor ich in meinen Text einsteige – da Sie von erfolgreicher Wirtschaftspolitik sprachen und gelegentlich auch von Metropolregionen und Wirtschaftsregionen in Mitteldeutschland –: Ich war gestern Nachmittag in meiner Heimat, dort, wo ich geboren bin, in Bitterfeld, Wolfen und bei Thalheim und habe mit Familienmitgliedern,
Freunden und Bekannten gesprochen, die gestern einen ganz traurigen Tag hatten, weil diese schwarz-gelbe Regierung eine Zukunftsbranche für Mitteldeutschland kaputtmacht und gestern bei Q-Cells klar wurde, dass sie heute zum Insolvenzrichter gehen müssen.
Aber zurück zur Regierungserklärung. Wie wir gerade von Ihnen hören konnten, hatte diese die Entwicklung auf dem sächsischen Arbeitsmarkt und damit die Arbeitsmarktpolitik der Sächsischen Staatsregierung zum Thema. Sie haben versucht, eine Arbeit zu bilanzieren, für die Sie dem Hohen Hause noch nie einen Plan, geschweige denn ein Programm vorgestellt haben. Aktive Arbeitsmarktpolitik ist für Sie doch soziales Teufelszeug, wie Sie im Bunde mit Ihren Amtsbrüdern aus Niedersachsen und Bayern bei der unterlassenen Hilfe für die Arbeitsplätze der über 500 Schlecker-Frauen in Sachsen erst gezeigt haben. Das ist ein Skandal, und das können wir nicht hinnehmen.
Unabhängig von diesem aktuellen Skandal – wie ist die Situation am sächsischen Arbeitsmarkt? DIE LINKE ist froh über jede und jeden, die in den letzten Monaten wieder einen festen und gut bezahlten Arbeitsplatz finden konnten. Aber leider trifft das nicht auf alle neuen sozialversicherungspflichtigen Jobs zu. Niedriglohn und prekäre Beschäftigung bilden immer noch das Gros der neuen Jobs.
Festzustellen ist: Nach wie vor haben wir es mit einer strukturellen Massenarbeitslosigkeit zu tun. Über 300 000 Menschen sind von Unterbeschäftigung betroffen, auch wenn die als offizielle Arbeitslosenzahl bezeichnete Ziffer mit 230 000 eine andere Realität vorgaukeln soll. Ein immer größerer Teil der Arbeitsuchenden findet sich im Hartz-IV-System wieder. Inzwischen betrifft das über 70 % aller Arbeitslosen. Dagegen sind es im Rechtskreis des SGB III nur noch 29 %. Das sind Arbeitslose, die durch das reguläre System der Arbeitslosenversicherung betreut werden.
Der neoliberale Systemwechsel von Schröder im Bunde mit GRÜNEN, CDU und FDP hat sich durchgesetzt. Dieses System versucht die schwarz-gelbe Koalition in Sachsen endgültig zu zementieren. Auf qualitative Veränderungen in der Struktur des Arbeitsmarktes hat die Staatsregierung keine Antworten. So entwickelt sich der Arbeitsmarkt immer mehr zur Form einer Sanduhr: Oben nimmt die Zahl erfreulicherweise ab, und es kommt in einigen Bereichen – zum Beispiel bei ausgebildeten Kraftfahrern – zu ersten Engpässen am Arbeitsmarkt.
Aber auf der anderen Seite – das ist dramatisch – können Langzeitarbeitslose von den positiven Effekten am Arbeitsmarkt nicht profitieren. Circa 85 000 Menschen sind länger als ein Jahr arbeitslos. Das ist mehr als ein Drittel aller Arbeitslosen. Das scheint Herrn Staatsminister Morlok aber egal zu sein. Auf wiederholte Nachfrage im Wirtschaftsausschuss konnte er diese Zahl nicht einmal beibringen. Das ist doch jämmerlich!
Was haben CDU und FDP in der Arbeitsmarktpolitik nun zu bieten? Ein Blick in den Koalitionsvertrag bringt Ernüchterung. Auf ganzen 43 Zeilen äußert sich die Koalition zum Arbeitsmarkt. Sie schenkt diesem Politikfeld also 1,75 % ihrer Aufmerksamkeit. Dabei steht das Thema Arbeitslosigkeit bei den Bürgern immer ganz oben auf der Agenda, wenn es um die wichtigsten zu lösenden politischen Fragen geht. Dann werden noch einige Zeilen für wohlfeile Allgemeinplätze verwendet. Sucht man konkrete Ziele, Vorhaben oder Programme, wird es ganz mau. Daher stellt sich mir wirklich die Frage: Was wollte der Staatsminister hier abrechnen? Im Koalitionsvertrag steht, geförderte Beschäftigung sei notwendig. – Richtig! Was tut Herr Staatsminister Morlok? Er beendet das ausfinanzierte Programm des Kommunal-Kombi ohne Not und zerstört so die Hoffnung von über
Bei der Berufsorientierung und der Sensibilisierung der Wirtschaft für die Frage der Nachwuchssicherung ist strukturell seit Bestehen der Koalition nichts Nennenswertes zu vermelden. Aktivitäten in diesem Bereich wurden maßgeblich durch die Akteure vor Ort – Unternehmen, Kammern, Verbände und Schulen – auf den Weg gebracht. Aktivitäten aus dem Staatsministerium, genau wie bei anderen Themenfeldern: Fehlanzeige! Zuwanderung als Chance für eine weltoffene, demokratische Entwicklung in Sachsen hat die Staatsregierung viel zu spät erkannt. Sie hat es erkannt, das ist lobenswert, aber viel zu spät und – das muss ich kritisch anmerken – nur aus ökonomischer Verwertungslogik heraus und nicht als demokratischen Gewinn für die Gesellschaft.
Im Koalitionsvertrag finden sich weiterhin Aussagen zu familienfreundlichen Arbeitszeiten und Betriebskindergärten. Programme, Initiativen: ebenfalls Fehlanzeige! Bleibt also als halbwegs vorzeigbares Ergebnis der Weiterbildungsscheck, der den Antragstellern aber erst nach Abschluss der Weiterbildung ausbezahlt wird. Ich will an dieser Stelle der Gerechtigkeit halber nur hoffen, Herr Cohausz hat seine "preiswerte" Weiterbildung für 34 000 Euro auch aus eigener Tasche vorgestreckt und im Nachgang abgerechnet.
Viel Kraft hat die Koalition darauf verwandt, die Strukturen der Arbeitsverwaltung nachhaltig zu schwächen. Das Optionsmodell sollte als beherrschendes Strukturmodell durchgesetzt werden. Das konnte durch aktives politisches Agieren und die politische Vernunft vieler Verantwortlicher in den Kreistagen verhindert werden. So hat sich der Kreistag im Vogtland gegen den Vorschlag des