Vorsorge, auch Erben – wir kommen das erste Mal in die Generation der Erben, die bei der ganzen Sache außen vor bleiben.
Es wird außerdem noch entscheidend sein, wie wir zukünftig leben wollen: Ob der zukünftige Rentner allein lebt, ob er zusammen lebt – zu zweit oder gar in Wohngemeinschaften –; und geringe Renten werden auch zukünftig mit einem weiten Netz von Sozialleistungen aufgefangen und begleitet werden.
Wir haben heute Vormittag über die positive Wirtschaftsentwicklung gesprochen und es muss unser oberstes Ziel sein, die Integration in den Arbeitsmarkt, eine dauerhafte Erwerbstätigkeit wieder zu sichern, denn das ist die wichtigste Voraussetzung zur Vermeidung von Altersarmut.
Die beste Rentenpolitik ist daher eine gute Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Über 50 000 versicherungspflichtige Beschäftigungsplätze sind in Sachsen seit 2009 entstanden. Der Anteil der 60- bis 65-Jährigen hat sich in diesem Zeitraum um 50 % der Beschäftigten erhöht. Das sind wichtige Zahlen, wichtige Fakten, die zu erhalten sind. Wir fördern in Sachsen auch mit ESF-Mitteln die Möglichkeiten zur Fortbildung, den Wiedereinstieg nach der Familienphase, gezielte Berufsausbildung, um dauerhaft in den Arbeitsmarkt zu integrieren und die Einkommen tatsächlich so zu gestalten, dass in die Rentenanwartschaften eingezahlt werden kann. Die Minijobs dienen dazu nicht.
Daher ist es für uns ein wichtiges Anliegen, in den Arbeitsmarkt voll einzusteigen. Nicht zu vergessen ist dabei, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie dauerhafte Grundvoraussetzung für die Erwerbstätigkeit ist. Wir haben eine Betreuungsquote von 44 % bei den unter Dreijährigen, sogar von knapp 98 % bei den Drei- bis Sechsjährigen.
Und wir haben die höchste Frauenquote in der Führungsriege, wenn man in die Flächenländer schaut. Jeder vierte Chef bei uns im Osten ist eine Chefin. Das ist ein wichtiges Zeichen.
Lassen Sie mich zum Schluss bemerken: Frauen müssen sich natürlich auch an die besser bezahlten „Männerberufe“ heranwagen. Dazu dient der Dialog.
Aber auch die typischen „Frauenberufe“, insbesondere jene, in denen mit Menschen gearbeitet wird, zum Beispiel in Erziehung und Pflege, müssen besser bezahlt werden. Mein Wunsch an die Tarifpartner lautet, sich insoweit künftig mehr zuzutrauen.
Danke schön, Herr Präsident. – Es ist hoch interessant – die moderne Technik macht es möglich –, dass mir vorhin eine Presseerklärung von Frau Schütz, veröffentlicht am heutigen Tag um 12:03 Uhr, hereingereicht wurde. Darin hat sie uns ihren Redebeitrag faktisch vorab zur Kenntnis gegeben. Aber das nur am Rande. Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, ob das Mode werden soll; dann brauchen wir gar nicht mehr hierherzukommen.
(Volker Bandmann, CDU: Politische Überzeugungen öffentlich zu verkünden ist schon lange Mode, seit Sie nicht mehr an der Macht sind! – Beifall bei der CDU und der FDP)
Zwei Anmerkungen: Den Punkt „Alterseinkünfte“ hat Frau Schütz zu Recht erwähnt. Für uns sind bei der Feststellung der Lebenslage älterer Menschen die Alterseinkünfte in Gänze entscheidend. Da liegen die westdeutschen Brüder und Schwestern immer noch 22 % vor den ostdeutschen. Ich erwähne das, weil Sie immer irgendwelche Rentenzahlungsbeträge vergleichen, bei denen die Ostdeutschen angeblich sogar höher liegen.
Zweitens will ich deutlich sagen: Wer Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhält, gilt nach allen Definitionen in diesem Land als arm. Ende.
Wir fahren in der Aussprache fort. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abg. Frau Herrmann. Frau Herrmann, Sie haben das Wort.
Danke, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schön, wie hier einige Kollegen um den heißen Brei herumreden. – Zuerst müssen wir in dieser Debatte klären: Gibt es Altersarmut? Ist sie weiblich? Was können wir präventiv tun, um mit der Situation umgehen zu können? Was ist mit den Frauen, deren Erwerbsbiografie schon geschrieben ist?
Ich habe große Einigkeit darüber wahrgenommen, dass es Altersarmut gibt und – das hat auch Kollege Krauß so gesehen – dass die Altersarmut weiblich ist. Auf dem
letzten Plenum haben wir über „Equal Pay“ debattiert. In der Stellungnahme der Staatsregierung ist ein Dissens zu dem, was Herr Krauß hier vorgetragen hat, zu erkennen. Die Staatsministerin schreibt nämlich: „Vordergründig ist das Geschlecht kein Risikofaktor für künftig drohende Altersarmut. Das Rentenrecht erkennt Erziehungsarbeit und die Pflege von Angehörigen an...“
Ja, das Rentenrecht erkennt das an. Wir haben aber schon darüber gesprochen, was mit den Müttern der Kinder ist, die vor 1993 geboren sind. Auch wenn sie nach 1993 geboren sind, müssen wir darüber diskutieren, ob wir eine Höherbewertung dieser Zeiten vornehmen; denn es gibt durchaus Frauen, die in dieser Zeit mehr als 2 500 Euro verdient haben. Aber nur so wird das gewertet. Wenn später im Erwerbsleben größere Lücken auftreten, ist es für diese Frauen wichtig, dass Zeiten der Kinderbetreuung entsprechend gewertet werden.
Wenn wir uns einig sind, dass es Altersarmut tatsächlich gibt und dass sie weiblich ist – so interpretiere ich unsere bisherige Debatte; ich verweise auf das Gutachten von Herrn Raffelhüschen aus dem letzten Jahr und auf die AVID-Studie, die das deutlich machen –, dann müssen wir uns fragen, was wir in dieser Situation tun können. Zwei Maßnahmen sind wichtig: Zum einen müssen wir dafür sorgen, dass Frauen ein ausreichendes Einkommen erzielen, das verhindert, dass sie im Alter in Armut abrutschen. Zum anderen müssen wir überlegen, wie wir mit der Situation derjenigen umgehen, deren Erwerbsbiografie geschrieben ist.
Es ist schon gesagt worden: Frauen weisen in ihren Erwerbsbiografien mehr Unterbrechungen auf als Männer. Frauen arbeiten in Berufen, die in der Regel geringer bezahlt sind. Das hat etwas damit zu tun, welche Berufe sie wählen. Nach wie vor wählen 50 % der weiblichen Azubis aus 10 von 360 möglichen Ausbildungsberufen aus. Das führt unter anderem dazu, dass 50 % aller erwerbsfähigen Frauen in fünf von 87 Berufsgruppen arbeiten. Das sind genau jene, die schlecht bezahlt sind.
Das hat etwas damit zu tun, dass die Frau früher nur einen Zuverdienst ins Haus brachte, während der Mann Alleinverdiener war. Das ist heute nicht mehr so. Deswegen sind Alleinerziehende besonders von Altersarmut betroffen; denn auch sie arbeiten oft in Berufen, die so schlecht bezahlt sind, dass man von der Rente im Alter nicht leben kann.
Insoweit ist es notwendig, neue Prioritäten zu setzen; das gilt auch für den Arbeitsmarkt. Heute Vormittag haben wir über die entsprechenden Möglichkeiten der Staatsregierung diskutiert. Wir mussten jedoch erfahren, dass so gut wie gar nichts passiert, jedenfalls nichts, was Frauen nützt. Ich denke, auch wir als Opposition müssen diskussionsfähige Vorschläge unterbreiten, auch wenn ich sehe, dass die Koalition nicht bereit ist, auf solche Vorschläge einzugehen.
Wir brauchen eine Grundsicherung im Alter; das hat RotGrün damals im Ansatz eingeführt. Aber dabei können wir nicht stehen bleiben, sondern wir müssen zu einer
Das ist etwas anderes als die Zuschussrente, die Frau von der Leyen in die Diskussion eingebracht hat. Die Bedingungen, die an dieser Zuschussrente hängen, sind für Frauen nicht relevant.
Frau Schütz hat uns noch einmal die drei Säulen der Alterssicherung vorgetragen. Ich wiederhole: Das ist für Frauen nicht relevant. Vor allem im Osten haben Frauen bisher keinen Anspruch auf Betriebsrente; sie können ihn im Moment auch nicht aufbauen. Angesichts der niedrigen Einkommen kommt auch der Aufbau einer privaten Zusatzrente nicht in Betracht. Damit sind Frauen auf die gesetzliche Rente angewiesen. Wir müssen dafür sorgen, dass sie auch für Frauen im Alter ausreichend ist.
Wenn die Staatsregierung hätte handeln wollen, dann wäre bei Schlecker Gelegenheit dazu gewesen. Ich finde es immer schwierig, wenn über Frauen in dieser Anonymität gesprochen wird. Es wäre sicherlich ein gutes Zeichen gewesen, wenn die Staatsregierung konkrete Vorschläge bzw. ein Konzept unterbreitet und nicht leicht läppisch einen „sächsischen Weg“ angedeutet hätte, von dem man nicht weiß, was er eigentlich sein soll.
Es würde dem Herrn Staatsminister sicherlich gut anstehen, wenn er in diesem Jahr am Girls‘ Day – er findet in diesem Monat statt – ganz offensiv dafür werben würde, dass Mädchen sich auch auf Berufe orientieren, die von ihnen normalerweise nicht gewählt werden. Damit könnten Sie zeigen, dass Sie auch den Frauen Aufmerksamkeit schenken.
Herr Präsident! Ich möchte nicht in der Haut der LINKEN stecken und Landtagsthemen nach Proporz besetzen müssen. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass Ihr Leib- und Magenthema „Diskriminierung der Frau“ über die Änderung des Themas der Aktuellen Stunde noch auf die Tagesordnung des Plenums gerutscht ist.
Das Thema Altersarmut ist zwar immer aktuell, aber – insoweit widerspreche ich Ihnen ausdrücklich – es ist kein neues Thema; es hat keinen neuen Wert für die Aktuelle Stunde. Es wird uns in Zukunft noch viel mehr verfolgen als heute. Neu ist es auf keinen Fall. Auch handelt es sich, bezogen auf Sachsen und die neuen Bundesländer im Allgemeinen, nicht um ein geschlechtsspezifisches Problem.
Halten wir uns vor Augen, wo wir herkommen: Nach der Wende hatten wir relativ wohlhabende Rentner. Das lag daran, dass es in der DDR bei Vollbeschäftigung und meist intakten Familien zwei Renteneinkommen in einer Familie gab. Diese waren zwar etwas niedriger als die im Westen; aber in der Summe der zwei etwas niedrigeren Renten lagen die Gesamteinkünfte zusammenlebender Rentner deutlich über dem Westniveau.
Jetzt kommt die „Generation Dauerarbeitslosigkeit“ ins Rentenalter. Sie alle, die Sie hier sitzen, haben das auf Bundesebene mitzuverantworten. Es ist eine Generation, die zwanzig Jahre lang keine oder nur niedrige Rentenbeiträge einzahlen konnte. Diese Menschen konnten, obwohl sie arbeitswillig waren, aufgrund Ihrer Strukturpolitik nicht arbeiten. Dieses Problem ist in quantitativer Hinsicht bei den Männern in Sachsen sogar noch höher als bei den Frauen; denn überproportional viele Frauen wanderten in die alten Bundesländer ab, sodass die alleinige Fixierung auf Altersarmut von Frauen aus der Sicht der NPD-Fraktion völlig falsch ist.
Nun würde man ja denken, die Politik muss da gegensteuern nach dem alten Sprichwort: Der kluge Mann baut vor. Ich kann mich nur der Forderung des Sozialverbandes VdK anschließen, der in seiner Mitteilung vom 28. März treffend schrieb: „Zum Beispiel brauchen wir darüber hinaus regulierende Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt. Der Aufsplittung von einstigen Vollzeitstellen in viele Minijobs, so wie es von vielen Großunternehmen im Einzelhandel betrieben wird, muss Einhalt geboten werden. Wer Altersarmut für künftige Generationen vermeiden will, muss prekäre Beschäftigungsverhältnisse, und dazu zählen Minijobs, Leih- und Zeitarbeit sowie Niedriglohnjobs, eindämmen.“