Protocol of the Session on March 7, 2012

Meine Damen und Herren! Sie schwächen mit Ihrem Untersuchungsausschuss noch einen weiteren Punkt: Wir haben mit sehr viel Mühe Aussteigerprogramme hier in Sachsen aufgelegt, um Personen zu ermutigen, aus der rechten Szene auszusteigen und ihr Wissen den Sicherheitsbehörden preiszugeben. Wie soll ein Aussteiger heute seine Sicherheit haben, dass, wenn er aussteigt, seine

Aussage sich nicht in Akten wiederfindet, in die genau diese Kameraden dann hineinschauen,

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist infam!)

mit denen man zuvor noch zusammengestanden hat bei irgendwelchen Skinheads-Konzerten, mit denen zusammen man Springerstiefel und die entsprechenden Westen getragen und Bier gesoffen hat? Diese Dinge wird man in solchen Akten dann finden. Damit behindern Sie die Arbeit der Aussteigerprogramme. Das wird nicht unsere Zustimmung finden.

(Miro Jennerjahn, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich sagen, dass meine Fraktion den Antrag – – Frau Präsidentin, ich gebe Ihnen die Möglichkeit zu fragen, ob ich die Zwischenfrage zulasse.

Gut, dann frage ich Sie, ob Sie die Zwischenfrage zulassen. – Herr Jennerjahn, bitte.

Kollege Biesok, vielen Dank. Ich habe folgende Frage: Ist Ihnen bekannt, dass das Aussteigerprogramm für Angehörige der rechten Szene mittlerweile nicht mehr beim Landesamt für Verfassungsschutz liegt? Und das aus guten Gründen, weil sich Aussteiger aus der rechten Szene durch eine starke Staatsferne auszeichnen und man Ihnen die Möglichkeit geben wollte, aus der Szene auszusteigen, ohne Informationen direkt an das Landesamt für Verfassungsschutz weiterleiten zu müssen. Damit verbunden ist die Frage: Können Sie mir sagen, wie viele Personen aus der rechtsextremen Szene ausgestiegen sind in dem Zeitraum, als die Federführung für dieses Aussteigerprogramm noch beim Landesamt für Verfassungsschutz lag?

Herr Kollege Jennerjahn, die Frage lenkt von Ihrem Einsetzungsantrag ab. Sie wollen nicht nur das Landesamt für Verfassungsschutz überprüfen, sondern alle Behörden, sowohl Polizei als auch Justiz. Deshalb ist es unerheblich, wann sich diese Zuständigkeit geändert hat, sondern Sie werden alle Aussteigerprogramme mit auf den Tisch bekommen.

Für meine Fraktion möchte ich erklären: Wir werden uns bei diesem Einsetzungsantrag aus Respekt in Bezug auf das Minderheitenrecht enthalten. Gleichzeitig werden wir die Arbeit in dem Ausschuss, wenn er eingesetzt wird, konstruktiv begleiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Herr Schimmer, eine Kurzintervention?

Danke, Frau Präsidentin. – Ich würde gern auf den Redebeitrag von Herrn Biesok kurzintervenieren. Ich beziehe mich auf die Aussage: Welches

Interesse soll ein V-Mann haben, seine V-Mann-Tätigkeit aufzunehmen oder aufrechtzuerhalten, wenn später im Untersuchungsausschuss seine Identität enttarnt wird? Dazu muss man ganz klar sagen: Das, was Sie gesagt haben, ist doch wieder selbstentlarvend. Wenn es tatsächlich der Fall gewesen sein sollte, dass irgendein V-Mann des Landesamtes für Verfassungsschutz in der Nähe der mutmaßlichen Zwickauer Terrorzelle positioniert war und Kenntnis von dieser unglaublichen Verbrechensserie hatte, dann haben wir es mit dem größten verschleppten Staatsskandal, mit der größten verschleppten Staatsaffäre seit 1949 zu tun,

(Beifall bei der NPD)

weil in dem Fall natürlich klar ist, dass der Verfassungsschutz von dieser Verbrechensserie Kenntnis hatte und sie – aus welchem Interesse auch immer – hat laufen lassen. Deshalb finde ich es wieder einmal sehr selbstentlarvend, dass Kollege Biesok davor Angst hat, dass möglicherweise V-Leute des Verfassungsschutzes enttarnt werden könnten, die in der Nähe der NSU positioniert sind. Genau das ist der Untersuchungsauftrag des Untersuchungsausschusses: davon Kenntnis zu erlangen, inwieweit die Behörden diese Verbrechensserie vorzeitig hätten aufklären und stoppen können.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Natürlich wird dabei die Rolle des Landesamtes für Verfassungsschutz genau zu beleuchten sein. Dass Sie davor Angst haben, das zeigt, wie berechtigt dieser Untersuchungsausschuss eigentlich ist.

Besten Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Herr Biesok, bitte.

Erstens. Ich habe vor nichts Angst. Zweitens. Sie unterstellen hier, dass es V-Leute gegeben hätte, die von dem Treiben Ihrer geistigen Brüder Kenntnis haben könnten oder gehabt haben. Das habe ich in keinster Weise gesagt.

Ich habe nur gesagt, dass es künftigen Aussteigern schwerfällt zu sagen, ich steige aus, und dass es künftig schwer wird, V-Leute zu finden, wenn man weiß, dass es möglicherweise demnächst so wird, dass Sie mit am Tisch sitzen und anschließend diese Akten mit auswerten. Das ist eine abstrakte Gefahr. Diese sehe ich in einer politischen Bewertung darin, einen solchen Untersuchungsausschuss einzurichten.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die NPDFraktion; Herr Apfel, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schon im Januar 2012 hat die NPD die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu dem Themenkomplex gefordert, der gewöhnlich mit den Begriffen

„Dönermorde“ oder „Nationalsozialistischer Untergrund“ umschrieben wird.

Wenn sich die LINKEN heute beklagen, dass der nun einzusetzende Untersuchungsausschuss erst im April die Arbeit aufnehmen kann, so sei darauf hingewiesen, dass der Ausschuss schon längst hätte arbeiten können, wenn es denn um Aufklärung und nicht allein um AntifaKlamauk ginge. Beide Bezeichnungen – Dönermorde oder NSU – sind übrigens eigentlich unzutreffend, denn es geht nicht nur um Morde an Dönerbudenbesitzern, sondern die Bezeichnung NSU rührt nur her von einer vermeintlichen Selbstbezeichnung der Täter in einem Video, einem Video, das auf fragwürdige Weise über Linke zugespielt wurde. Am ehesten scheint der Begriff „Terrorzelle“ zutreffend, denn die mutmaßlichen Täter handelten wohl weitgehend autonom.

Die Linksfraktionen haben sich nun für den Titel „Neonazistische Terrornetzwerke in Sachsen“ entschieden. Damit wird deutlich, was die politische Stoßrichtung sein soll: der Kampf gegen rechts. So ganz klar scheinen sich die Autoren auch selbst nicht zu sein, denn einmal wird von Neonazis gesprochen, dann von Rechtsextremen, von Rechtsextremisten – ein ziemliches Durcheinander also. Dieses Begriffschaos, das natürlich kein Zufall ist, können wir so nicht mittragen, und wir werden uns deshalb auch der Stimme enthalten.

Die NPD begrüßt aber natürlich grundsätzlich die Einsetzung eines solchen Untersuchungsausschusses und wird in ihm aktiv mitarbeiten. Die NPD will Aufklärung, ja, sie hat ein ureigenes Interesse am Durchleuchten der mutmaßlichen Verstrickungen der staatlichen Behörden, allen voran des Verfassungsschutzes, in die Mordserie. Schließlich sollen die Taten ja für ein Verbot der NPD herhalten.

Nun scheint sich ja die erste Hysterie etwas gelegt zu haben. Wenn man einmal vom Geplärre antideutscher Figuren wie der DDR-Kollaborateurin Klarsfeld absieht, werden die warnenden Stimmen im Lager des politischen Gegners immer lauter. Der Generalbundesanwalt hat inzwischen eingesehen, dass der sogenannte NSU natürlich nicht der militärische Arm der NPD war und die Ermittlungen kaum Material für ein Verbotsverfahren hervorbringen werden.

Was ich bemerkenswert finde, ist die Riesenangst, die offensichtlich bei den Herrschenden besteht – das prägt ja auch die heutige Debatte –, dass die NPD im Untersuchungsausschuss Ihren kriminellen Machenschaften auf die Schliche kommen könnte. Das ist alles nur so zu erklären, dass CDU und FDP nichts unversucht lassen, um ein mediales Störfeuer gegen die Einsetzung dieses Ausschusses zu veranstalten. Das reicht von aufgeregten Warnungen des Innenministers bis zu lancierten Presseberichten über die heute angeblich im Landtag drohende Gefahr.

In das hysterische Geschnatter hat sich jetzt selbst Justizminister Martens eingeschaltet, der das selbstverständliche demokratische Recht der NPD zur Teilhabe am Untersuchungsausschuss skandalisiert. Besonders dreist

gebärdet sich der Vorsitzende der PKK auch heute wieder, Prof. Dr. Günther Schneider, der eigentlich für die Kontrolle der Geheimdienste zuständig ist. Gegenüber dpa gab Herr Schneider am 29. Februar wie folgt wieder: Die CDU habe Bedenken, weil die NPD im Untersuchungsausschuss sitzen werde und so an Erkenntnisse gelangen könnte, die man ihr besser vorenthalten sollte.

Ich danke Herrn Prof. Schneider für seine Offenheit, denn es zeigt, dass der Verfassungsschutz tatsächlich etwas zu verbergen hat. Der Herr Professor muss es schließlich wissen. Ich frage Sie, Herr Prof. Schneider, was um alles in der Welt haben Sie denn zu verbergen? Könnte vielleicht herauskommen, dass der Staat, dass Ihre Geheimdienste eben doch über viele Jahre ihre schützende Hand über die Gewalttaten, die nicht selten von sogenannten VLeuten ausgeübt wurden, gelegt, sie gar gefördert hat, vielleicht sogar überhaupt erst jene imaginäre rechte Gewalt produziert hat, um infolgedessen die nationale Opposition noch stärker diskreditieren zu können?

Auf Bundesebene sekundierte Ihnen der FDP-Innenpolitiker Hartfried Wolf, der sich am 1. März entsetzt über die Teilnahme der NPD im Untersuchungsausschuss gezeigt hat. Er gehe davon aus, dass angesichts der NPDBeteiligung „Akten sehr viel stärker von den Sicherheitsbehörden geschwärzt werden müssten“.

Meine Damen und Herren! Die Manipulationen werden also schon im Vorfeld angekündigt, und es ist natürlich klar in Ihrem Denken. Wo kämen wir denn auch hin, wenn in einem Untersuchungsausschuss tatsächlich untersucht würde und wenn dann auch noch die Ergebnisse eventuell öffentlich werden könnten? Das kann und darf in diesem Staat natürlich nicht sein.

Angesichts dieser Panik, die die Politiker von allen selbsternannten demokratischen Fraktionen ergriffen hat, ist die Einsetzung eines Ausschusses notwendiger denn je. In der praktischen Arbeit wird sich zeigen, ob die LINKEN dort nur Antifa-Klamauk veranstalten wollen oder ob es ihnen um echte Aufklärung des Versagens der Sicherheitsbehörden geht. Zweifel sind auf jeden Fall angebracht. Doch eines ist klar: Ganz gleich, wie das Terrortrio nun agiert hat – ein Versagen der Sicherheitsbehörden gab es auf jeden Fall. Denn wie, meine Damen und Herren, soll es, bitte schön, möglich sein, dass in diesem Überwachungsstaat BRD drei Leute über zehn Jahre lang unerkannt und unbehelligt in Sachsen im Untergrund leben konnten, mit echten falschen Papieren, mit echten falschen KfzKennzeichen, zehn Jahre lang kreuz und quer durch die Republik fahren, seelenruhig Banken ausrauben und Dönerverkäufer liquidieren konnten und das alles angeblich ohne Wissen von Polizei und Geheimdiensten?

Die NPD glaubt hier nicht an einfaches Versagen. Für uns liegt der Verdacht nahe, dass ganz bewusst Kriminelle benutzt wurden und werden, um die Opposition insgesamt zu diskreditieren.

Meine Damen und Herren der CDU und FDP! Tun Sie nicht so, als ob es völlig undenkbar wäre, dass der sogenannte Verfassungsschutz rechtswidrig handelt und sogar

in schwere Straftaten verwickelt ist. Ich erinnere nur an drei Fälle aus der Vergangenheit: das Oktoberfestattentat von 1980, das Zeller Loch von 1978 und die Beteiligung der mutmaßlichen VS-Informantin Verena Becker am Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback, den CDU und FDP bis zum heutigen Tag vertuschen wollen. Ich darf daran erinnern, dass bis heute trotz Untersuchungsausschüssen auch noch manches beim sogenannten Sachsensumpf unklar ist. Auch hier spielt der Inlandgeheimdienst eine undurchsichtige Rolle.

Meine Damen und Herren! Die NPD-Fraktion wird der Einsetzung dieses 3. Untersuchungsausschusses nicht im Wege stehen. Hoffen wir, dass noch genügend Zeit bis zum Ende der Legislaturperiode bleibt, um diesen Fragenkomplex wirklich umfassend abzuarbeiten. Sollte dann tatsächlich Licht ins Dunkel gebracht werden, wird vielleicht auch der letzte Blinde unter Ihnen erkennen, dass Sie nicht über ein NPD-Verbot diskutieren sollten, sondern viel lieber über die Ausschaltung krimineller Geheimdienste, die über Leichen gehen, zunehmend wie ein Staat im Staate agieren und letztendlich nichts anderes als Staatsterrorismus betreiben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Hier ist noch ein Redebeitrag angezeigt. Frau Köditz? – Nicht mehr. Gibt es vonseiten der Fraktionen noch Redebedarf? – Das ist nicht der Fall. Die Staatsregierung wird auch nicht sprechen.

Meine Damen und Herren! Der Sächsische Landtag hat gemäß Artikel 54 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen in § 2 Abs. 1 Satz 1 des Untersuchungsausschussgesetzes das Recht und auf Antrag eines Fünftels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Der vorliegende Antrag trägt die notwendige Anzahl der Unterschriften. Dennoch muss der Landtag einen förmlichen Beschluss über die Einsetzung des Untersuchungsausschusses fassen. Ich bitte Sie, dies jetzt auch zu tun.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer großen Anzahl von Stimmenthaltungen wurde der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zugestimmt.

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass allerdings noch weitere Beschlüsse nötig sind. Die Größe des Untersuchungsausschusses richtet sich nach den entsprechenden Bestimmungen der Geschäftsordnung des Landtages. Nach § 23 Abs. 1 Geschäftsordnung wird vom Landtag die Zahl der Mitglieder des Ausschusses festgelegt. In dem Antrag der drei Fraktionen ist kein Vorschlag hinsichtlich der Größe enthalten. Ich darf also um baldige Einreichung eines diesbezüglichen Vorschlages bitten. Gleiches gilt dann auch für Wahlvorschläge für die Mitglieder und stellver

tretenden Mitglieder, da, anders als bei den regulären Ausschüssen des Sächsischen Landtages gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 des Untersuchungsausschussgesetzes, die Mitglieder und Stellvertreter eines Untersuchungsausschusses vom Landtag nach den Vorschlägen der Fraktionen zu wählen sind.

Vorsorglich weise ich auf Folgendes hin: Die Verteilung der Mitglieder auf die Fraktionen erfolgt gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 des Untersuchungsausschusses nach der Mitgliederzahl der Fraktionen, wobei nach unserer Geschäftsordnung das Verfahren nach d’Hondt zur Anwendung kommt. Hierbei ist noch zu beachten, dass gemäß