Protocol of the Session on December 9, 2009

Wir müssen ja unsere Geschäftsordnung einhalten.

Als Nächstes die FDP-Fraktion; Kollege Herbst, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Vorweihnachtszeit weht hier schon ein Hauch von Weihnachten durch das Haus. Zu diesem Eindruck komme ich zumindest, wenn ich mir die Wunschliste der Oppositionsredner anschaue. Sie füllen fleißig ihre Bestellzettel aus. Aber der Haken an der Sache ist: Sie sagen nicht so richtig, wer die Wünsche bezahlen soll. Wenn sie einen Vorschlag zur Bezahlung unterbreiten, dann sind es immer die anderen, die zahlen sollen.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Stefan Brangs, SPD: Wir selber, nächster Tagesordnungspunkt!)

Es sind zum Beispiel die Steuerzahler, Herr Brangs; aber die haben Sie wahrscheinlich nicht im Auge.

Dass wir diese Diskussion jetzt haben, ist nicht überraschend. Aber man sollte sie auch einmal vom Kopf auf die Füße stellen.

Es wurde von meinen Vorrednern ausgeführt, dass es diese Kooperationsvereinbarung zwischen „apollo radio“ und den freien Radios bereits seit vielen Jahren gibt. In dieser Zeit war auch klar, dass sie 2009 ausläuft. Nun kann man ja vorwerfen, dass man nicht eher ins Gespräch gekommen ist. Ich kann aber nicht bewerten, was von beiden Seiten in die Diskussion eingeworfen wird. Zunächst ist es eine Diskussion, die zwischen zwei privaten Parteien stattfindet und nicht zwischen der Politik und den Radios, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wenn man sich anschaut, welches Angebot „apollo radio“ jetzt vorgelegt hat, dann muss man nicht mit jedem Punkt einverstanden sein; aber es ist ein Angebot, über das man reden kann und das eine tragfähige Grundlage für eine Verhandlung ist.

Nun kann man sich entscheiden, ob man pokert. Ich habe den Eindruck, dass sich die freien Radios teilweise in Pokerposition befinden, denn sie wollen das Maximum und den Status quo erhalten. Das wurde hier auch ausgeführt. Maximal eine Stunde würde man entgegenkommen wollen. Wenn ich es richtig sehe, streiten wir um zwei Stunden. Die freien Radios sagen, sie wollten gern 19 Uhr auf Sendung gehen, „apollo radio“ sagt 21 Uhr. Nun erkläre mir einer, dass es dabei keine Kompromissmög

lichkeit zwischen beiden Stunden gibt, sondern dass man es ablehnt und blockiert. Damit gefährdet man die Existenz der freien Radios, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

In der Tat ist die Übertragung im Internet natürlich ein Stück Zukunft, und zwar orts- und zeitunabhängig. Niemand will die freien Radios abschalten, meine Damen und Herren. Wir streiten über die 40 000 Euro Leitungskosten, die ein Privater übernommen hat. Man kann es nun mögen oder nicht, aber wenn man sich am Markt finanzieren, wenn man über Werbeeinnahmen seine Kosten decken muss und das nicht funktioniert, dann habe ich völliges Verständnis, dass jemand in der Marktwirtschaft auch auf seine Kosten schauen muss und wie man sie gegebenenfalls reduziert.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Nun kann man das alles ignorieren und sagen, es soll dann bitte der Gebührenzahler richten. Aber wie es mein Kollege von der CDU schon sagte: Nicht immer, wenn ein Problem auftritt, muss sofort die Politik eingreifen, indem sie entweder ein Gesetz macht oder der Gebührenzahler zur Kasse gebeten wird. Ich sehe die Möglichkeit zum Kompromiss. Ich erwarte, dass sich beide Seiten an einen Tisch setzen und ernsthaft verhandeln. Dann ist auch eine Lösung im Interesse beider möglich. Davon sind wir überzeugt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Kollege Herbst. – Die NPD hat keine Redezeit mehr.

Bevor wir in die zweite Runde gehen, gebe ich noch einmal die verbliebenen Redezeiten bekannt. DIE LINKE hat noch knapp 5 Minuten, die SPD etwas über eine Minute, von den Einbringern haben die GRÜNEN noch reichlich 3 Minuten.

Bitte, Frau Bonk.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nutze die Gelegenheit, um auf die Koalitionsredner einzugehen. Herr Gemkow von der CDU: Sie haben sehr abenteuerliche Modelle vorgeschlagen und Behauptungen in die Welt getragen, indem Sie zum Beispiel sagen, die aktuelle Situation sei keine Existenzfrage, man könne ja einfach weitersenden. Dann müssen Sie aber auch die Frage beantworten, auf welche Rechnung das gehen soll, wie Sie diese Situation handeln, wenn bis zum Jahresende keine Lösung gefunden wird. Ich nehme das als Versprechen, dass Sie als Koalition dafür die Verantwortung übernehmen werden.

Sie haben ja auch gestern in der Öffentlichkeit schon die Meinung vertreten, dass die freien Radios auf das Internet ausweichen sollen. Darauf möchte ich mit ein paar Zahlen entgegnen. Abgesehen davon, dass die Empfangsgeräte dafür im Moment noch immens teuer sind, muss ich Ihnen sagen: Das Internet hat eine Verbreitung von 44 % in der Bevölkerung, während UKW immer noch 98 % erreicht.

Das Internet fängt erst bei den 14-Jährigen an. Kinder können über die Kinder- und Jugendredaktion gar nicht durch das Medium erreicht werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass das Internet künftig eine größere Rolle spielen wird, und zwar dann, wenn jeder sein Empfangsgerät bei sich haben kann. Das wird mit dem Handy in zwei oder drei Jahren der Fall sein.

Wenn man die freien Radios unterstützen und wertschätzen will, dann kann man sie nicht auf das Internet abschieben, sondern muss ihnen auch die Anerkennung auf UKW geben.

(Robert Clemen, CDU, steht am Mikrofon.)

Frau Bonk, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage.

Zur Finanzierung. Sie sagen, es sei ein angemessener Kompromiss. Erst ab 21 Uhr zu senden, das ist doch kein Kompromissvorschlag! Die freien Radios waren damit einverstanden, von 18 Uhr auf 19 Uhr zu gehen. Jetzt soll ein Kompromiss zwischen 19 und 21 Uhr gefunden werden. Wenn Sie auf 20 Uhr spekulieren, dann ist das unlauter. Die Hauptsendezeit ist doch am frühen Abend. Da können auch noch alle Altersgruppen hören. Es waren alle drei freien Radios kompromissbereit. Sie sind also bereit, sich zu bewegen. Aber der Vorschlag, der seitens des Mantelanbieters mit 21 Uhr gemacht wurde, ist kein tragfähiger Kompromissvorschlag. Die Politik sollte einen solchen unlauteren Vorschlag nicht auch noch komplimentieren.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Die Finanzierung über Gebührenmittel käme nicht infrage, sagen Sie, Herr Gemkow. Allerdings ist das aber doch genau die Praxis, die in den Nachbarländern angewendet wird. Warum sollte das für Sachsen keine Möglichkeit sein? Es ist doch auch ein öffentliches Interesse für das Gemeinwesen, für diejenigen, die dort engagiert sind, für eine Pluralität von Radio in Sachsen, das dahintersteht.

Kollege Herbst, es handelt sich mitnichten um einen Vertrag zwischen zwei privaten Seiten, der hier abgeschlossen wird. Es ist kein privatrechtlicher Vertrag. Es handelt sich doch offensichtlich um ein öffentliches Interesse. Genau deswegen muss auch die öffentliche Hand vermittelnd eingreifen und dafür sorgen, dass die Existenz für die freien Radios sichergestellt sein wird.

Frau Bonk, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Bitte, Herr Kollege Herbst.

Wie viele Hörer haben denn die freien Radios auf UKW? Wie viele davon werden nicht über Internet erreicht?

Ich habe bereits ausgeführt, dass bestimmte Altersgruppen über Internet nicht erreicht werden können, zum Beispiel unter 14-Jährige. Ich nehme einmal an, dass es in besonders hohen Altersgruppen auch problematisch ist. Die Verbreitung können Sie den entsprechenden Medienumfragen entnehmen. Es gibt sie aber zum Teil von den Radios selbst.

Ich sage Ihnen aber auch, dass die Verbreitung nicht das ausschlaggebende Kriterium für unsere Einschätzung und Unterstützung der freien Radios sein kann, denn sie garantieren erst die Vielfalt und Pluralität der Medien, erfüllen dadurch einen Verfassungsauftrag und verdienen allein damit unsere Unterstützung.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Der sächsische Sonderweg nämlich, meine Damen und Herren, Bürgerradio und freie Radios nicht mit öffentlichen Mitteln in entsprechender Weise zu unterstützen, gefährdet die Pluralität der Presse- und Meinungslandschaft in unserem Land und auch die kulturelle Vielfalt, dass jenseits von Mainstreamgedudel eben dort auch verschiedene Spektren zu Wort kommen. Deswegen brauchen sie Unterstützung.

Meine Damen und Herren! Wir reden hier nicht über eine immense Wunschliste der Opposition. Wir sprechen über eine öffentliche Grundversorgung und damit über 40 000 Euro jährlich. Hier sollte man keine Gespenster sehen, sondern in Sachsen – wie in anderen Bundesländern auch – die Existenz der freien Radios sichern.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Die GRÜNEN und die SPD haben noch Redezeit. – Kollege Gerstenberg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich knüpfe gleich daran an, was Julia Bonk gesagt hat. „apollo“ hat täglich 21 bis 4 Uhr angeboten. Zurzeit senden die freien Radios am Wochenende von 12 bis 24 Uhr, also gerade für Kinder und Familien. Ich hatte vorhin die Kinderprogramme genannt. Ich halte ein solches Angebot, das Herr Gemkow als so hervorragendes Angebot bezeichnet, schlichtweg für unmoralisch und ein Wegdrücken der Radios von ihren Zuhörerinnen und Zuhörern.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Es wäre dann ein Radio, das nur noch für Schlaflose existiert. Das kann nicht die Lösung für freie Radios sein. Ich glaube, dass in diesem Fall tatsächlich die Landesmedienanstalt gefragt ist. Hier steht ein sächsisches Modell mit dieser Finanzierung über „apollo“ auf dem Prüfstand.

Wenn dieses Modell scheitert, würde das deutschlandweit Schlagzeilen machen. Ich hoffe sehr darauf, dass die Landesmedienanstalt doch noch eine moderierende Rolle übernehmen kann.

Zweiter Punkt. Freie Radios ins Internet – die neue Botschaft von CDU- und FDP-Fraktion. Die freien Radios brauchen keine Marktprognosen, Herr Gemkow, welche Anteile das Internet einmal einnehmen wird. Sie brauchen ihre Zuhörer jetzt und heute, wo sich Radio hören gerade bei den betroffenen Zielgruppen noch über UKW abspielt. Jeder im Saal mag sich fragen, wie oft er UKW hört und wie oft Internetradio.

(Beifall der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Bitte mal in sich gehen und dann entscheiden! Außerdem halte ich diese Diskussion für sehr schmalspurig. Wenn das Internet die Lösung für alle ist, dann auch bitte ab ins Internet mit dem MDR und, Herr Herbst, ab ins Internet mit den Privatsendern, für die Sie gerade die UKWFrequenz noch einmal verlängern wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Dritter Punkt. Herr Gemkow hat gesagt, dass bei einer Finanzierung über das Privatrundfunkgesetz eine Kostenlawine losgetreten wird. Ich bitte darum, zumindest eine Spur von Kompetenz walten zu lassen. Der Rundfunkstaatsvertrag ermöglicht den Ländern diese Regelung, aus ihren zweiprozentigen Gebührenanteilen auch freie Radios mitzufinanzieren, und viele Länder tun das. Fahren Sie nach Hessen oder Niedersachsen und reden Sie mit den Leuten, genauso nach Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg, unserem Musterland, oder in die Nachbarschaft, nach Thüringen und Sachsen-Anhalt. Fragen Sie nach der Kostenlawine! Natürlich existiert sie nicht. Der Gesetzgeber kann die Anteile für die freien Radios begrenzen. Das ist auch überall geschehen. Außerdem brauchen freie Radios Frequenzen und dafür Lizenzen, wenn sie senden wollen. Eine Kostenlawine ist so sachfremd wie Ihr Redebeitrag an dieser Stelle.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)