Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Mackenroth, Sie haben ja recht: Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist alles nichts. Deshalb warne ich nochmals vor einem Schönrechnen. Sie haben hier von einer Verpflichtung von 10 % des Bruttoinlandsproduktes von Sachsen gesprochen. Nun sind wir ein Bundesland, das in seiner Wirtschaftskraft noch unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Das Bruttoinlandsprodukt ist starken Schwankungen unterworfen. Das heißt, Sie machen dort eine völlig variable Größe aus.
Aber Lehre und Forschung sind nach meinem Verständnis und nach dem Verständnis unserer Fraktion die Zukunftschance für Sachsen sowohl für die Menschen, die hier ihre Bildung erwerben können, als auch für die sächsische Wirtschaft, die von den Forschungsergebnissen profitiert. Also brauchen wir für diesen Zukunftsbereich eine gesicherte Finanzierung.
Das heißt für mich: Wir brauchen eine neue Hochschulvereinbarung, die nicht unter die derzeitige Finanzierung geht, sich aber endlich einmal am Durchschnitt der bundesdeutschen Finanzierung pro Studierenden orientiert. Da kann man verschieden rechnen; wenn dieser Durchschnitt erreicht wird, wären das harte 50 Millionen Euro mehr in Sachsen. Wenn wir die Forderungen der Universitätsrektoren befolgen, eine Hochschule wie in Aachen zum Maßstab zu nehmen, wären das 400 Millionen Euro mehr in Sachsen.
Das sind harte Zahlen, denen wir in der weiteren Diskussion gerecht werden müssen. Die Hochschulen brauchen keine Prozente vom Bruttoinlandsprodukt, sondern sie brauchen harte Euro für eine sichere Grundfinanzierung und den Ausbau ihrer Leistungsfähigkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor wenigen Tagen wurde der 600. Gründungstag der Universität Leipzig begangen. „Begangen“ ist der richtige Ausdruck, denn nach Feiern
Der missmutige Festakt im halbfertigen Paulinum kann als Sinnbild für den Zustand der kaputtreformierten deutschen Hochschule im Jahr 2009 gelten. Doch einen Unterschied gibt es: Während sich das Paulinum im Aufbau befindet, befindet sich die traditionelle Universität im Abbau.
Ich möchte daran erinnern, dass im Jahre 1409 deutsche Studenten wegen unhaltbarer universitärer Zustände aus Prag ausgezogen sind und in Leipzig eine neue Universität gegründet haben. Diese Fluchtmöglichkeit aus Bologna besteht für die heutigen Studenten unter den herrschenden politischen Umständen aber leider nicht. Sie können nicht ausziehen und eine neue Hochschule gründen.
Das unterstrichen zuletzt auch die protestierenden Studenten vor dem Paulinum mit der Plakatlosung „Es gibt nichts zu feiern“. Wie die „Sächsische Zeitung“ berichtete, war selbst vielen Festrednern nicht nach Feiern zumute, sondern die Festreden atmeten einen äußerst selbstkritischen Geist. Das ist kein Wunder, denn es wurden ja nahezu alle Studienziele verfehlt. Statt höherer Mobilität, leichterem Studienortwechsel, internationaler Vergleichbarkeit der Abschlüsse und der Senkung der Abbrecherquoten wurde in allen Bereichen nahezu das Gegenteil erreicht. Die neuen Bachelorstudiengänge sind nun so spezialisiert, dass selbst innerhalb Deutschlands ein Studienortwechsel kaum noch möglich ist.
Vergleichbar sind die neuen Bachelorabschlüsse nur dahin gehend, dass sie als Regelabschluss nicht berufsbefähigend sind. Der Leistungsdruck im verschulten Schnellstudium lässt die Abbrecherzahlen nicht sinken, sondern ansteigen.
Zu guter Letzt: Die neuen Selbstvermarktungszwänge und Effizienzziele der Hochschulen zerstören die Freiheit von Forschung und Lehre. Das alles darf aber nicht verwundern; denn mit Bologna hielt die Wettbewerbsideologie Einzug in die Hochschulen, die nun umso mehr auf die interne und externe ökonomische Verwertung ihrer universitären Leistungen achten müssen.
Das Humboldt’sche Ideal einer Verbindung von Lehre und Forschung und einer umfassenden akademischen Ausbildung wird regelrecht wegrationalisiert. Das passiert auch, weil die etablierten Bankrottpolitiker zwar in jeder Sonntagsrede den Wert der Bildung betonen, aber gleichzeitig die staatliche Bildungslandschaft finanziell austrocknen lassen.
Die Herrschenden in Bund und Ländern wenden gerade einmal ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Universitäten auf. In der Schweiz sind es immerhin 1,4 % und in den Niederlanden 1,5 %. Diese Unterfinanzierung der Hochschulen kostet die junge Generation nicht nur ihre Zukunftschancen, sondern sie ist schlicht und einfach skandalös, wenn man bedenkt, wofür in diesem Staat
Man denke nur daran, dass nach Angaben des Statistischen Bundesamtes – und nicht etwa der NPD-Parteizentrale – vom Jahr 2000 bis heute mehr als 12 Milliarden Euro für Asylbewerber aufgewendet worden sind – und das, obwohl 98 % von ihnen abschiebepflichtige Asylbetrüger sind.
Ich habe das Statistische Bundesamt und dessen Asylbetrügerzahlen zitiert. – Darüber hinaus möchte ich daran erinnern, dass der Geldmangel, der zulasten der Universitäten geht, auch daraus resultiert, dass Deutschland in schlechtester Tradition der Nettozahlmeister der Europäischen Union ist. Auch dies ist eine offizielle Zahl: dass Deutschland im Jahr 2008 7,8 Milliarden Euro mehr in die Fördertöpfe der EU eingezahlt, als es zurückbekommen hat. Ebenso möchte ich daran erinnern, dass die Bundesregierung im Herbst letzten Jahres innerhalb einer Woche 480 Milliarden Euro für die Rettung von maroden Banken und Finanzganoven locker machen konnte.
Geld ist in diesem Staat also genügend vorhanden. Es muss nur richtig und vor allem wieder für inländische Interessen eingesetzt werden. Dazu gehört nach NPDAuffassung sehr wesentlich die Bildung.
Meine Damen und Herren! Wir sind am Ende der zweiten Runde angelangt. Ich frage die Staatsregierung, ob sie das Wort ergreifen möchte. – Frau Staatsministerin; bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal freue ich mich, dass wir dieses für die jungen Menschen in unserem Land wichtige Thema aufgrund des Antrages der Regierungskoalition hier im Sächsischen Landtag erörtern können.
Die sächsische Hochschulpolitik hat seit der Wiedergründung des Freistaates Sachsen herausragende Erfolge erzielt. Die sächsische Hochschullandschaft kann sich in Bezug auf die Diversität und die Qualität im Europäischen Maßstab sehen lassen.
Ich kann das auch aus eigener wissenschaftlicher Erfahrung bestätigen. Die Attraktivität des Hochschulstandortes Sachsen war es, die mich aus München und später aus der
Ich bin auch trotz eines Rufes an eine andere renommierte Hochschule hiergeblieben. Wir haben Dinge vorzuweisen, die wir im internationalen und europäischen Maßstab wirklich gut vertreten können.
Hochschule ist aber – das hat der Bundespräsident in seiner Rede zum 600-jährigen Jubiläum der Universität Leipzig hervorgehoben – stets im Umbau. Ein ganz wesentlicher Umbauprozess betrifft die Lehre, den Bologna-Prozess, ein Umbauprozess, der seit 1999 anhält. Wir sehen positive Veränderungen. Wir sehen aber auch immense Herausforderungen, Mängel, Defizite und Nachsteuerungsbedarf. Das haben vor allem auch die Proteste der Studierenden in den vergangenen Monaten deutlich gemacht.
Ich habe aufgrund meiner wissenschaftlichen Erfahrungen das Gespräch mit den Studierenden gesucht. Es gab nachdenkliche, engagierte Menschen, die sich um ihre Ausbildung Sorgen machen. Ich denke, die hier öffentlich erörterten Punkte – die meisten von ihnen sind bekannt – spielen auch für unsere Studierenden eine Rolle: fehlende Akkreditierung, nicht vorhandene oder nicht ausreichend gesicherte Mobilität. Die internationale Mobilität ist sogar um 10 % gesunken. Wenn man sich in Großbritannien oder in den USA um einen Masterstudiengang bewirbt, dann wird eine Einzelfallprüfung durchgeführt. Es ist nicht so, dass der Bachelorabschluss direkt dort hinführt.
Auch innerhalb Deutschlands ist es zum Teil schwierig, den Studienplatz zu wechseln. Die Studienabbrecherzahlen sind nicht gesunken. Selbst bei den Ingenieurwissenschaften bricht nach wie vor jeder Vierte sein Studium ab. Die Studierenden klagen über Prüfungslasten, die Dozenten tun das im Übrigen auch. Wir haben auch im Freistaat Sachsen viermal eine Chance, eine Prüfung zu bestehen. Ich denke, dass wir hier ansetzen müssen. Es ist der Freiversuch, es ist die Prüfung, es ist die erste Wiederholungsprüfung und dann die zweite Wiederholungsprüfung. Ich denke, dass wir hier auch im Rahmen der Novellierung des Hochschulgesetzes ansetzen werden.
Auch die Wirtschaft klagt über fehlende Praxiserfahrungen und -tauglichkeit. Die Wirtschaft ist auch zu zurückhaltend bei der Anstellung von Bachelorabsolventen. Hier wünschten wir uns mehr Zuspruch. Die psychologische Situation – die Studentenwerke und ihre Beratung wurden schon angesprochen – nimmt zu, auch deswegen, weil die Studierenden unter fehlenden Freiräumen leiden, weil sie zum Teil wegen fehlender Seminare und fehlender Kurse ihre Fächer nicht hinreichend belegen können, in Wartesemester hineingeraten und Hürden beim Übergang zum Masterstudiengang gehen.
Das, meine Damen und Herren, ist die Situation, die diese Staatsregierung und ich als Ministerin vorgefunden haben. Das ist die Ausgangslage, mit der wir uns hier befassen. Das möchte ich einmal klarstellen. Aber wir stellen uns
diesen Herausforderungen, und wir werden die Probleme angehen. Deswegen hat das Ministerium für Wissenschaft und Kunst bereits am 1. Dezember dieses Jahres ein Schreiben an die Rektoren der sächsischen Hochschulen gerichtet und sie darauf hingewiesen, dass es unmittelbar und sofort zu ergreifende Maßnahmen gibt, die auch jetzt schon ergriffen werden können. Dazu gehört eine mögliche Flexibilisierung der Studiendauer von sechs auf sieben oder acht Semester. Dazu gehört die Einberufung von Studienkommissionen, und zwar zusammen mit den Studierenden. Das können die Hochschulen, das sollten sie tun, um auch die Bologna-Reform gemeinschaftlich zu gestalten und hier die Studienangebote zu verbessern.
Vielen Dank. – Frau Staatsministerin, Sie haben gerade über das Thema Prüfungen gesprochen und gesagt, man hätte vier Chancen, eine Prüfung zu absolvieren. Da wolle die Staatsregierung tätig werden. Ich frage nach, ob Sie den Freiversuch abschaffen möchten oder möchten Sie die zweite Chance auf eine Wiederholung abschaffen?
Vielen Dank für die Nachfrage. Genau das wird Gegenstand unserer Beratungen innerhalb der Fraktionen und in meinem Haus sein. Dabei gibt es mehrere Möglichkeiten. Eine Möglichkeit wäre, den Freiversuch abzuschaffen. Aber genau das wird Gegenstand der Novellierung des Hochschulgesetzes sein. Hierzu werden wir uns angemessen beraten.
In Prüfungsangelegenheiten können die Hochschulen jetzt schon handeln. Sie sollten es tun. Es geht um die Mobilität und um die Anerkennung. Nicht erforderlich ist eine Anerkennung im Sinne einer vollen Gleichwertigkeitsprüfung. Studienleistungen im Ausland oder auch in anderen Hochschulen können und sollten anerkannt werden, wenn sie gleichartig sind, wenn sie zum Studienablauf passen. Hier können die Anforderungen entsprechend angepasst werden; und überhaupt, soweit man bei der Prüfungsangelegenheit in die Studienkommissionen geht, sollten die Ziele von Bologna verfolgt werden. Das heißt Freiheit, Flexibilität, Mobilität und nicht kleinteilige Regulierung, Vorgaben, Verbote. Im Übrigen wird sich auch mein Ministerium im Rahmen der Kultusministerkonferenz dafür einsetzen, dass diese Regulierungsfrage im Kontext der Länder, nämlich gemeinsame Strukturvorgaben, hier noch einmal neu angegangen wird in dem Sinne, wie ich es geschildert habe.
Meine Damen und Herren! Der Ministerpräsident hat im Koalitionsvertrag eine klare Aussage getroffen. Es ist dort verankert, dass es dieser Staatsregierung um den Ausbau exzellenter Bildungschancen geht. Glauben Sie mir, dass es mir auch persönlich schwergefallen wäre, sonst in eine Regierung einzutreten, wenn ich nicht von einem Ministerpräsidenten überzeugt worden wäre, der in Bildung und Ausbildung einen entscheidenden Stellenwert für die Zukunft dieses Landes sieht.
Der Ministerpräsident hat anlässlich des Jubiläums in Leipzig seine Position bekräftigt. Er hat drei Punkte genannt, die ich noch einmal hervorheben möchte:
1. Bildung soll jedem möglich sein. Es wird keine Studiengebühren in Sachsen geben. Es gibt sie nicht.