Protocol of the Session on December 15, 2011

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, selbstverständlich.

Herr Storr.

Danke, Herr Innenminister. – Sie sagen, im Grunde ist diese Debatte überflüssig, aber ich will zu einem sächsischen Beispiel kommen, – –

(Zurufe von den LINKEN und der CDU: Frage!)

Bitte die Frage stellen, Herr Storr.

– Ich muss noch einmal kurz erläutern, weshalb – –

Müssen Sie nicht. Die Frage, bitte.

– Beim „Sturm 34“ gibt es zwei Personen, bei einer ist es sicher, bei der anderen spricht auch einiges dafür, dass er ein V-Mann war und quasi auch Anstifter für Straftaten.

(Staatsminister Sven Morlok: Frage!)

Jetzt kommt meine Frage: Welche Maßnahmen hat die Staatsregierung bisher ergriffen, um diese Sache aufzuklären? – Danke schön.

(Einzelbeifall bei der NPD)

Herr Staatsminister, bitte.

Herr Storr, dass V-Leute in diesem Bereich notwendig sind, habe ich Ihnen gestern schon deutlich gesagt. Es ist halt ein besonderes Problem, gerade auch bei Ihnen, und manche Informationen sind nur über diesen Weg zu bekommen. Wir haben es gestern diskutiert – es wird ja gelegentlich der Eindruck erweckt, deswegen möchte ich es noch einmal klarstellen –: V-Leute sind nicht eingeschleuste Leute des Verfassungsschutzes, sondern Ihre Leute, die nur bereit sind, für mehr oder weniger viel Geld Informationen aus Ihrer Arbeit preiszugeben.

(Widerspruch des Abg. Arne Schimmer, NPD – Andreas Storr, NPD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Herr Staatsminister, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte jetzt keine weitere Zwischenfrage gestatten.

Ich möchte deutlich machen, dass die Mitglieder der PKK eine wichtige und notwendige Arbeit verrichten. In diesem Spannungsfeld, welches Prof. Schneider ausgeführt hat, sind sie diejenigen, die in der Lage sind und

deren Aufgabe es ist, den Verfassungsschutz in der Tiefe zu überprüfen. Sie haben die Möglichkeit, alle Informationen zu bekommen und durch Nachfragen entsprechende Klarheit zu erlangen, und sind dann entsprechend in der Lage, die Transmissionsarbeit in Richtung Öffentlichkeit vorzunehmen.

Sie sehen also, die PKK ist nicht nur ein Baustein für Transparenz und Rechtsstaatlichkeit, nein, sie ist durchaus für den Verfassungsschutz selbst notwendig. Ich möchte auch ganz klar erklären, wie Prof. Schneider und einige Vorredner das vorhin schon zum Ausdruck gebracht haben: Wir werden Ihnen den Gefallen nicht tun, dass wir dafür Sorge tragen, dass es einen schwachen Verfassungsschutz gibt.

(Andreas Storr, NPD, steht am Mikrofon.)

Was an Fehlern und Mängeln in der konkreten aktuellen Diskussion gegebenenfalls vorhanden gewesen ist, gilt es aufzuklären. Das wird die Arbeit der nächsten Tage und Wochen. Das wird aber nichts daran ändern, dass wir auch in Zukunft einen starken Verfassungsschutz brauchen,

einen starken Verfassungsschutz haben werden. Dabei leistet die PKK eine unverzichtbare Arbeit.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Meine Damen und Herren! Bevor ich diesen Tagesordnungspunkt beende, wende ich mich noch mal an Sie, Herr Gansel. Auch heute lasse ich mir wieder die Niederschrift über Ihren Wortbeitrag geben und behalte mir vor, weitere Ordnungsrufe gegen Sie zu verhängen, weil ich den dringenden Verdacht habe, dass Sie weitere persönliche Beleidigungen in Ihrem Redebeitrag hatten.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 2

1. Lesung des Entwurfs

Gesetz zur Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen im

Freistaat Sachsen (Sächsisches Kinder- und Jugendrechtsgesetz –

SächsKJRG)

Drucksache 5/7651, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Meine Damen und Herren! Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht daher nur die einreichende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Herrmann, Sie haben das Wort. Es sind acht Minuten Redezeit.

Danke, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Sie erinnern, dass die UN-Konvention über die Rechte von Kindern und Jugendlichen seit 20 Jahren ratifiziert ist. In Artikel 4 dieser Konvention heißt es: „Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Verwirklichung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind der Meinung, dass Sachsen das bisher nur unzureichend gemacht hat und dass Sachsen vor allem im Bereich des Kinderschutzes tätig geworden ist. Kinderrechte umfassen aber mehr als diese Schutzrechte. Kinder sind weder „unfertig“ noch kleine Erwachsene, noch sind sie ausschließlich Objekte unseres Handelns. Kinder haben eine eigene Sicht auf die Dinge dieser Welt, und sie haben auch eine eigene Stimme. Es wird höchste Zeit, dass wir ihnen auch in Sachsen dazu Raum geben. Unsere Aufgabe ist es, solche Bedingungen zu schaffen, dass Erwachsene und Kinder den Alltag des Aufwachsens gemeinsam gestalten können.

Deshalb legen wir Ihnen heute unseren Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen im Freistaat Sachsen vor.

Gleich an dieser Stelle möchte ich ein Wort zum Wahlalter sagen, weil das im Allgemeinen am meisten interessiert. Auch in der letzten Legislaturperiode wurde hauptsächlich das Wahlalter diskutiert. Es ist klar, dass wir das Wahlalter senken wollen, aber ich sage Ihnen dazu: Die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen und zur Wahl zu gehen, ist etwas, was gelernt werden muss. Es ist ein Prozess. Diesem Prozesscharakter tragen die Vorschläge in unserem Gesetzentwurf insgesamt Rechnung. Egal, ob mit 14, 16 oder 18 Jahren – Erfahrungen sind der Schlüssel zum Engagement und auch der Schlüssel zur Verantwortungsübernahme. Solche Erfahrungen wollen wir allen Kindern ermöglichen und dies nicht dem Selbstlauf oder den Familien überlassen. Unser Ziel ist es, dass Kinder ihre Sicht der Welt ganz selbstverständlich mit uns Erwachsenen teilen.

Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Kinderblick eröffnet neue Perspektiven. Sie alle kennen das, wenn Sie sich mal bemüht haben, in die Hocke zu gehen und Ihr Zuhause aus der Perspektive von Kinderaugen anzusehen. Der Blick von Kindern kann auch für uns Erwachsene sehr anregend sein.

Die Achtung vor dem anderen Blick muss sich auch in unseren Entscheidungen spiegeln. Kinder sollen lernen können, dass es unterschiedliche Interessen gibt. Sie sollen lernen können, wie man tragfähige Kompromisse aushandelt und sich am erreichten Ergebnis erfreuen kann, ohne sich ausgeschlossen zu fühlen, weil man eine andere Meinung hatte. Solche Erfolge sind für Kinder und Jugendliche wichtig. Erfahrungen, die mit Erfolgen verbunden sind – Sie wissen das alle –, machen Spaß und vor allem auch Mut, es wieder zu versuchen. Auf diese Weise entwickeln Kinder und Jugendliche auch eine positive Haltung zu demokratischen Prozessen und zu unserer Zivilgesellschaft. Sie mischen sich ein und sie werden sich dann auch in Zukunft einmischen. Davon lebt unsere Demokratie.

Es hat sich eingebürgert oder es ist in letzter Zeit vor allem dazu gekommen, dass wir die Kindheit und die Jugend mit der Brille des gesellschaftlichen Nutzens betrachten. Wir klagen darüber, dass zu wenige Kinder geboren werden, und viele haben dann mangelnde Steuereinnahmen und den Rentenkonflikt im Kopf, wenn sie darüber sprechen.

Kindheit und Jugend sind aber Lebensphasen mit einer eigenen Logik, die ihre Berechtigung in sich selbst tragen. Wir brauchen eine neue Haltung zu den eigenständigen Rechten von Kindern und Jugendlichen. Kinder sind nicht nur Objekte von Zuwendungen oder Objekte unseres Handelns zu ihrem Besten. Kinder sind vor allem auch Subjekte und damit immer auf der Suche nach Partnern, die sie hören und die ihnen zuhören.

Natürlich haben zunächst die Eltern die Interessen ihrer Kinder im Blick und sie vertreten sie auch, jedenfalls die meisten. Wenn Jugendliche in Jugendparlamenten versuchen, kommunale Politik zu verstehen und Einfluss zu nehmen, ist das sicher ein guter Weg. Aber beides reicht nicht. Warum?

Wir wollen nicht nur die Fähigen beteiligen oder die, die dazu im Elternhaus motiviert werden, sondern wir wollen alle Kinder beteiligen, alle Jungen und Mädchen, Kinder mit Migrationshintergrund, Kinder mit Handicap. Viele Sichtweisen sind gefragt und sollen erlebt werden können. Wir wollen, dass Kinder und Jugendliche das Recht haben, sich selbst als Gestaltende ihres Alltags und seiner Rahmenbedingungen zu erleben, genauso wie es die UNO-Kinderrechtskonvention vorsieht. Um diesen

Anspruch durchzusetzen, sind rechtliche Änderungen notwendig, die wir Ihnen heute vorschlagen.

Kernpunkte des Gesetzes sind daher die Änderungen in der Verfassung des Freistaates Sachsen, Artikel 9; zusammengefasst: Die Subjektstellung von Kindern und Jugendlichen wird hervorgehoben. Die Rechte auf Prävention und Protektion werden in der Verfassung verankert, also das Recht auf Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit, gewaltfreie Erziehung, Schutz vor Gewalt, Vernachlässigung usw. Aus der Subjektstellung von Kindern und Jugendlichen leitet sich auch das Recht von Kindern und Jugendlichen ab, an allen Entscheidungen,

die ihr Leben unmittelbar betreffen, beteiligt zu werden. Bei allen politischen und staatlichen Entscheidungen sind deren Folgen für Kinder und Jugendliche einzubeziehen.

Aus diesen Punkten ergeben sich weitere Änderungen, die wir vornehmen. Lassen Sie mich diese noch kurz begründen.