Protocol of the Session on December 14, 2011

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Was wollen wir mit dem Geld machen?)

populistischerweise besonders bei Sozialausgaben.

Ich darf hier einen Satz von Altbundeskanzler Helmut Schmidt zitieren, der sagte: „Linke Parteien neigen zu Schwärmerei, zumal, wenn sie nicht regieren müssen.“

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Wir bleiben bei einem solide finanzierten Haushalt, weil nur das sozial gerecht und verantwortungsvoll ist.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Die Leute laufen trotzdem weg!)

Deswegen, ganz sicher. – Zunächst werden die geplanten Rücklagen nicht aufgenommen und für schlechtere Jahre aufgehoben und Investitionen werden wieder veranlasst. Was Ihnen vielleicht entgangen ist – das ist mehr als soziale Gerechtigkeit –: Aus dem FAG stehen unseren Kommunen aus den Steuermehreinschätzungen für die nächsten drei Jahre 450 Millionen Euro zur Verfügung,

die Sie – das ist gesetzliche Basis – selbstverständlich bekommen werden.

Herr Krasselt, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Noch ein Satz: Wir reden also nicht vom Kahlschlag, sondern von einer verantwortlichen Sozialpolitik.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich frage, ob noch ein Abgeordneter in der zweiten Runde das Wort wünscht. – Mir liegt noch eine Wortmeldung für eine dritte Runde vor. Es bleibt dabei. Ich eröffne die dritte Runde. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Gläß.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal auf der Internetseite der Landesarbeitsgemeinschaft ‚Mädchen und junge Frauen‘ waren: ww.maedchenarbeitsachsen.de. Dort steht auf der Seite, wo man sich erkundigt, was sie für Arbeitsgemeinschaft anbietet, ein kleiner Block: „12 Euro helfen unserem Fortbestand in 2012“. Die Landesregierung hat an den finanziellen Einschnitten von 2010 festgehalten, was die Kinder- und Jugendlandschaft in Sachsen nachhaltig beeinträchtigt. Auch die Fachstelle ist davon betroffen. Darum bitten wir Sie und Dich recht herzlich um eine kleine finanzielle Zuwendung. Schon 12 Euro helfen.“ Das ist das erste Beispiel.

Nehmen wir als Nächstes ein Beispiel aus meinem Heimatkreis in Zittau. In der Frauenschutzwohnung gibt es eine psychologische Betreuung für Betroffene, die dort Zuflucht finden. Aber hier ist angedacht, diese ehrenamtliche Arbeit fortzuführen und für diese Arbeit der Fachkraft dann zwölf Stunden zu bezahlen, sollte eine Frau in dieser Wohnung Zuflucht finden. Stellen Sie sich vor: Das ist wie beim Anknipsen des Stroms, jetzt zahle ich oder jetzt zahle ich nicht. Wird eine Frau von ihrem Mann verprügelt, bekommt der Verein für die zwölf Stunden die Betreuung bezahlt. Ist keine Frau in der Wohnung, bekommt er diese Mittel nicht. So kann man psychologische und soziale Arbeit hervorragend planen. So brauchen wir Fachkräfte, die nur von Luft und Engagement leben können. Auf diese Art und Weise können wir natürlich sehr viel einsparen.

Ein drittes Beispiel: Der Verein „Neue Heimat“, ein Aussiedlerverein – ich sprach hier bereits über diesen Verein – hat sich zum Ziel gestellt, das Zusammenleben von Spätaussiedlern in Löbau mit den „Ureinwohnern“ der Stadt, also mit den anderen Bürgerinnen und Bürgern, weiter zu befördern. Er hat darauf vertraut, dass die Arbeit gefördert wird, dass sie nach Wegfall der TAURISFörderung bei LOS Anträge für Projekte stellen können.

Die Leute dort haben Berge von Anträgen geschrieben. Wer sich einmal auf der Plattform der SAB diese Antrags

formulare anschaut, weiß, dass man sehr viel ehrenamtliche Arbeit investiert hat. Von drei Anträgen ist maximal einer bewilligt worden. So muss dieser Verein seine Arbeit sehr weit zurückfahren. Das Haus im Stadtzentrum wird aufgegeben. Es wird in eine Wohnung zurückgegangen. Wenn wir manchmal von Ghettoisierung dieser Bevölkerungsgruppe sprechen, wird dieses dadurch nur unterstützt.

In der Zeitung steht dann vom Vorsitzenden: „Wir können uns nur noch auf unsere Mitgliederarbeit konzentrieren. Die Förderung der Zusammenarbeit im Wohngebiet und in der Stadt kann nicht mehr in der gewohnten Form fortgeführt werden.“

So geht es fast allen Vereinen. Sie haben massive Kürzungen bei der Bezahlung von Stellen erhalten. Sie haben eine Art Solidargemeinschaften gebildet, indem die einzelnen Angestellten auf Anteile von Stunden verzichteten. Sie haben die Stundenanteile auf 28, 25, 20 zurückgefahren. Aber so kann keine qualifizierte sozialpädagogische und soziale Arbeit geleistet werden. Wir werden bei den Sozialarbeitern, bei Sozialpsychologen und Ähnlichen das gleiche erleben wie in der Lehrerausbildung und beim Einsatz der Lehrer: Die guten Kräfte werden Sachsen verlassen. Sie werden in die Länder gehen, in denen sie mehr erhalten.

Frau Schütz, dann ist hervorragende Arbeit vor Ort zu suchen. Wenn die Leute weg sind, können wir sagen: Wir haben jetzt vielleicht einen Verein, der diese und jene Arbeit machen kann, aber wir finden niemanden mehr, der diese Arbeit macht, weil die Leute aus Sachsen weggegangen sind.

Ich habe solche Beispiele erlebt. Ich habe mich mit Sozialarbeitern eines Vereins, der Alkoholiker betreut, unterhalten. Sie sagten: Wenn das Projekt ausläuft, müssen wir uns umschauen. Dann muss man sehen, wo man hingeht. Das – sage ich – ist sozialer Kahlschlag. Wenn sich die Leute nur von Projekt zu Projekt hangeln, werden sie bald unser Sachsen verlassen haben.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wünscht noch ein Abgeordneter in einer dritten Runde das Wort? – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage die Staatsregierung. – Frau Staatsministerin Clauß, Sie haben das Wort, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ein ordentlicher Waldarbeiter weiß, was ein Kahlschlag ist.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Da ist anschließend nichts mehr da!)

Da ist anschließend nichts mehr da. Aber im Unterschied zu Ihrer These von den LINKEN wird aufgeforstet. – Stimmt das, Herr Kollege?

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung – Heiterkeit)

Es wird aufgeforstet, und zwar für die Zukunft.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Also Bäume gepflanzt!)

Jetzt wird es aber wirklich ernst. Sozialer Kahlschlag: Ein solches Bild in den Bereich des Sozialen übertragen zu wollen ist schlicht und ergreifend schlechter Stil und entspricht nicht den grundlegenden demokratischen Spielregeln eines fairen Umgangs.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung – Zuruf von den LINKEN)

Dieser Rundumschlag, den wir gerade zur Kenntnis genommen haben, ebenso. Wir haben in den vergangenen Plenarsitzungen immer wieder mit unterschiedlichen Schwerpunkten zur Sozialpolitik und auch zur sozialen Situation in unserem Freistaat Sachsen debattiert. Wir kennen die Herausforderungen der Zukunft. Unsere demografische Entwicklung ist bekannt. Wir handeln!

Es gab sehr wohl – das ist zur Genüge dargestellt worden – Abschmelzungen in der Kinder- und Jugendhilfe 2010. Seitdem ist nichts mehr abgeschmolzen worden – im Gegenteil. Es wurde draufgelegt, aufgebaut und weiterentwickelt. Ich erinnere an die frühen Hilfen: das flexible Jugendmanagement, die Schulsozialarbeit, die Investitionen oder auch die Jugendberufshilfe über den ESF. Auch das habe ich hier sehr häufig gesagt und mehrfach dargelegt: Die Hauptverantwortung für die Ausgestaltung der Kinder- und Jugendhilfe findet auf der örtlichen Ebene mit den kommunalen Gebietskörperschaften statt. Der Freistaat Sachsen unterstützt das seit vielen Jahren und wird es selbstverständlich auch weiterhin tun.

Es ist aber nicht legitim, diese Hauptverantwortung umzukehren. Ein solches Vorgehen disqualifiziert sich selbst.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Noch einmal: Wir haben nicht nur den Bereich des Kinderschutzes bzw. der frühen Hilfen weiterentwickelt, sondern auch die mobile Jugendarbeit, die Jugendberufshilfe oder die Schulsozialarbeit. Die Kinder- und Jugendhilfe des Freistaates Sachsen erschöpft sich eben nicht in diesen frühen Hilfen zum Kinderschutz, wie letztens wieder behauptet wurde. Wer von Ihnen, meine Damen und Herren Abgeordneten, wollte übersehen, dass gerade jene, die noch keine Stimme haben, insbesondere unsere Aufmerksamkeit und unser Handeln brauchen?

Wer dies gegeneinander ausspielt, hat das Augenmaß verloren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich sage immer wieder: Wir müssen denen eine Stimme geben, die noch keine haben. Das sind die Kleinsten. Wir müssen auch denen eine Stimme geben, die keiner mehr hören kann. Das sind unsere Hochbetagten und die

Schwerbehinderten. Ich habe gerade in der letzten Woche zum Geriatrietag wieder gehört, wie wichtig unsere Implementierung, unsere geriatrischen Institutionen sind. Wir haben gehört, wie sie sich mit unseren pflegerischen Netzwerken, mit unserem Pflege-N vernetzen. Das sind die Strukturen der Zukunft. Diese werden wir brauchen und diese werden wir ausbauen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch kurz auf die vermeintliche Kritik der Diakonie eingehen. Sie haben das Thema hier erwähnt. Manchmal denkt man, man sei im falschen Film, zumal dann, wenn sich DIE LINKE zum Mediator zwischen der Staatsregierung und den Kirchen einbringen will;

(Beifall bei der CDU)

laut PM herrscht eisige Zeit zwischen Staatsregierung und der Kirche. Soweit es vermeintliche Dissonanzen geben sollte, kümmere ich mich selbst darum. Letztens gab es ein Gespräch mit den Bischöfen und der Staatsregierung und ich hatte ein Gespräch mit allen Präsidenten der Freien Wohlfahrtspflege. Meine Mitarbeiter und ich sind auf verschiedenen Ebenen mit den engagierten Akteuren im Sozialbereich in einem ständigen Dialog. Neben vielen Gemeinsamkeiten gibt es bei allen Beteiligten auch Positionen, die nicht ohne Diskussionen auskommen. Das ist auch gut so; denn das bringt uns letzten Endes gemeinsam weiter.

Eines aber hat der Staatsregierung noch kein Vertreter der Kirchen oder Sozialverbände vorgeworfen: sozialen Kahlschlag. Denn mit dieser Semantik, meine sehr geehrten Damen und Herren der Opposition, stehen Sie ziemlich allein da. Die Mehrheit akzeptiert durchaus, dass jeder Euro, der verteilt werden soll, erst einmal erarbeitet sein will und nur einmal ausgegeben werden kann. Das ist Generationengerechtigkeit; denn aus unseren Kindern und Jugendlichen werden Erwachsene, die das irgendwann zu schultern haben. Ihnen geht es um die Schlagzeile, mir um eine solidarische und solide Sozialpolitik.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Dr. Pellmann, Sie wollen noch das Instrument der Kurzintervention nutzen?

Ja, Herr Präsident! Wir haben noch eine und ich möchte es auch ganz kurz machen. Da sich zum Schluss die Frau Staatsministerin und vorher verschiedene Rednerinnen und Redner zum Wortbegriff „sozialer Kahlschlag“ geäußert haben, möchte ich Sie zumindest auf Folgendes aufmerksam machen. Sie haben es auch mit den Forstarbeitern in Verbindung gebracht. Dazu sage ich Ihnen: Sozialer Kahlschlag ist ein schleichender Prozess.

(Zuruf von der CDU)